Gedankenreise - Dieter Achtnichts - E-Book

Gedankenreise E-Book

Dieter Achtnichts

4,9

Beschreibung

Vorwort Meine autobiographischen Erzählungen zeichnen das Bild eines niederbayerischen Dorfes am Beispiel von Vilsheim (14km südlich von Landshut). Mit meinem Erleben dieses urbayerischen „Biotops“ versuche ich die „Mikrowelt“ des Landlebens aus der Sicht eines Kindes zu erfassen. Meine nostalgischen Erinnerungen erinnern daran, wie unbeschwert eine Kindheit ohne die „Segnungen“ der modernen Welt war. Kinder durften noch „Kinder“ sein und vieles erproben, was heute verboten wäre! Erinnernswert sind die Lebensweise und die Arbeitsumstände in der Zeit nach Entstehung der Bundesrepublik. Noch keine Generation vorher hat einen derartig rasanten Fortschritt erleben können. Als ergänzende Erzählung versuche ich, ein treffendes Bild eines „echten Münchners“ zu skizzieren. Danach bin ich ein „Ich-Erzähler“, der gefühlsintensiv seine unglaubliche und nicht nachvollziehbare, aber wahrheitsgetreue „Gefangenschaft unter dem Stachus“ schildert. In „Der Mörder ist immer der Gärtner“ erzähle ich fantasievoll, wie wir Gartenbesitzer versuchen, unsere Grünpflanzen vor den „Salatvertilgern“ zu schützen und dabei auch außergewöhnliche Jagdmethoden ersinnen. „Die besten Geschichten schreibt das Leben“! Inhaltsverzeichnis: S.7 : „Good Bye“ oder ein Besatzungsneger als Melchior S.16: Kreidezeiten S.23: Kindheitsspiele S.27: Naturereignisse und Naturgenuss S.40: Arbeiten auf dem Bauernhof S.51: Jagdszenen S.60: Kirche und Schule S.68: Dorfleben S.71: Was ist ein echter Münchner? S.78: Gefangen unter dem Stachus S.91: Der Mörder ist immer der Gärtner! Oder: Oh, du Schnecke!

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Herzlichen Dank an alle meine Wegbegleiter einer glücklichen Kindheit

Vorwort

Meine autobiographischen Erzählungen zeichnen das Bild eines niederbayerischen Dorfes am Beispiel von Vilsheim (14km südlichwestlich von Landshut). Mit meinem Erleben dieses urbayerischen „Biotops“ versuche ich, die „Mikrowelt“ des Landlebens aus der Sicht eines Kindes zu erfassen. Meine nostalgischen Betrachtungen erinnern daran, wie unbeschwert eine Kindheit ohne die „Segnungen“ der modernen Welt war. Kinder durften noch „Kinder“ sein und vieles erproben, was heute verboten wäre! Erinnernswert sind die Lebensweise und die Arbeitsumstände in der Zeit nach Entstehung der Bundesrepublik. Noch keine Generation vorher hat einen derartig rasanten Fortschritt erleben können. Ergänzend möchte ich ein treffendes Bild eines „echten Münchners“ skizzieren. Als „Ich-Erzähler“ schildere ich gefühlsintensiv meine unglaubliche und nicht nachvollziehbare, aber wahrheitsgetreue „Gefangenschaft unter dem Stachus“. In „Der Mörder ist immer der Gärtner“ erzähle ich fantasievoll, wie wir Gartenbesitzer versuchen, unsere Grünpflanzen vor den „Salatvertilgern“ zu schützen und dabei auch außergewöhnliche Jagdmethoden ersinnen. PS: Einige Namen wurden abgeändert.

„Die besten Geschichten schreibt das Leben“!

Inhaltsverzeichnis

„Good Bye“ oder ein Besatzungsneger als Melchior

Kreidezeiten

Kindheitsspiele

Naturereignisse und Naturgenuss

Arbeiten auf dem Bauernhof

Jagdszenen

Kirche und Schule

Dorfleben

Was ist ein echter Münchner?

Gefangen unter dem Stachus

Der Mörder ist immer der Gärtner!

„Good Bye“ oder ein Besatzungsneger als Melchior

Als ich ein kleiner Bub, so mit 5-6 Jahren war, haben die Amerikaner weder in Vietnam noch in Afghanistan für ihre sogenannte Ordnung gesorgt, sondern in Bayern, ja sogar im kleinen niederbayerischen Ort Vilsheim. Sie waren damals zwar, wie noch ein Jahr vor meiner Geburt, keine Besatzungsmacht mehr, aber „schützten die freie Welt vor dem Kommunismus“. In häufigen Manövern zogen sie in langen Kolonnen auch durch Vilsheim und erregten die Neugier von uns Kindern.

Im Abwiegen von Angst und Neugierde siegte schließlich das Letztere. In einer fast rechtwinkligen Kurve, unten beim Schmied, konnten wir uns hinter einer massiven Mauer verstecken, während nur wenige Meter vor bzw. über uns die Fahrzeuge Steine hoch schleuderten, wenn sie die Kurve nahmen.

So ein Stahlkoloss von Panzer ist ein riesiges Ungeheuer für so einen Zwerg, wie ich es damals war. Schon der dröhnende Lärm ließ mich den Kopf zwischen die Schultern ziehen, als könnte mich das unsichtbar machen.

Aber angezogen haben sie uns doch, die Panzer, Trucks und Jeeps, auch wenn wir gewaltig Schiss hatten. Als ich zum ersten Mal einen Afroamerikaner sah, der für uns damals noch ein „Neger“ war (wir kannten ja schließlich einen Negerkuss, den es allerdings nur selten gab), bekam ich einen fürchterlichen Schreck.

Wir Kinder dachten, so ein Neger müsse sehr gefährlich sein, weil er so ganz anders aussah, so kohlrabenschwarz, wie ich mir höchstens den „Sparifankerl“ (Teufel) persönlich vorstellte.

Ich hatte deswegen eine „Höllenangst“ vor ihnen! Als mein Freund Ingo, der Sohn vom Tierarzt, mit mir am kleinen Brückerl beim Angeln war, fuhr auf der großen Vilsbrücke, die circa 50 Meter entfernt ist, ein Jeep vorbei und hielt an. Zwei Soldaten stiegen aus. Als wir sahen, dass einer ein Neger war, plärrten wir frech und machten Faxen. Die vergingen uns aber urplötzlich, als der Dunkelhäutige winkte und in unsere Richtung ging. Einer von uns beiden löste den Fluchtreflex aus und schon rannten wir Richtung Friedhof und weiter an der Schule vorbei zu unserem Haus. Vor lauter Angst hat sich keiner umschauen getraut, was Ingo zugestanden hätte, da er „Schaumann“ heißt!

Unsere Freundschaft wurde durch ein gemeinsames Bad gefestigt: Beim Schmied, unten an der Kurve, hatten wir unseren Schaukampf um ein Zehnerl, zu dem uns der Schmied-Sepp und der Franz angestiftet hatten, von der Schmiede auf die Straße ausgedehnt und den Nahkampf vermeidend, mit Rossballen (Pferdeäpfeln), die man damals noch auf der Kiesstraße finden konnte, gegenseitig bombardiert. Da es auch zu Treffern kam, zierten uns die entsprechenden Spuren. Als meine Mutter uns stinkende Kämpfer sah, steckte sie uns beide in einen großen Waschbottich, in dem noch warme Lauge war.

Nachdem wir wechselseitig abgeschrubbt waren, blieb doch etwas haften. Nein, nicht der Geruch, sondern eine lange und innige Freundschaft! So durften wir mit Ingos Vater manchmal mit dessen tollem Auto, einem VW-Käfer mit auf schlaglochübersäten Kiesstraßen über Land fahren, wenn er zu einem Bauer fuhr, um z.B. einem Kälbchen Geburtshilfe zu leisten.

Keine 30 Meter vor der „Amigeschenkekurve“ war das Tierarzthaus. Es hatte im 1.Stock einen Balkon. Auf ihm hatten wir am selben Tag beobachtet, wie Panzer vorbeifuhren. Wir hatten Steine geholt und sie in Richtung der Eisenungeheuer geworfen! Was waren wir doch mutig! Als aber der Neger am Brückerl auf uns zuging, dachte ich tatsächlich, dass sie uns deswegen suchen und mitnehmen wollten. Die Angst verging aber bald wieder.

Wir haben dann schnell festgestellt, dass uns die Soldaten nichts tun wollten, unsere Ex- Besatzer. Im Gegenteil: Dort an der Kurve mussten sie langsamer fahren. Dabei regnete es wahre Raritäten aus den Fahrzeugen. Wie im Schlaraffenland flogen schiere Wundersachen zu uns herab:

Corned Beef, Milch und Zucker in „Staniolstaritzen“ (Alutüten), sogar Schokolade und die begehrten Chewing-Gums, die heute so allgegenwärtigen Kaugummis.

Ich, als ein Kramerbub (Sohn des „Kolonialwaren-Händlers“), sozusagen an der Quelle, hatte aber nie so einen rätselhaften und deswegen heißbegehrten Genusserzeuger bekommen. Es war wohl auch besser so. Hätte mein Vater einmal nachgegeben, hätte es ihn sicher sehr genervt, bei der „Wuislerei“ (lauten Bettelei), die dann jeden Tag eingesetzt hätte.

Deswegen ist aber einmal etwas sehr Eindrucksvolles passiert. Ich habe bis jetzt noch ganz deutlich vor mir, geschmacklich, aber auch gefühlsmäßig. Vor unserem Geschäft, neben einem Automaten habe ich ihn gesehen: Rosarot und einladend ist er vor mir im Sand gelegen und hat mich angelacht.

Schnell abgewischt und rein in den Mund! Hmm, hat der gut geschmeckt! Leider ist mir der Appetit aber schnell vergangen, weil mein Vater das beobachtet hatte. Da hat es aber gestaubt auf meiner sowieso schon ziemlich abgenutzten Lederhose.

Ich weiß heute nicht mehr, wie wir darauf gekommen sind, dass der Ami- Segen noch ergiebiger sprudelt, wenn man den, gegen die Winterkälte wild vermummten Soldaten auf den Fahrzeugen ein Zauberwort zuruft, ein Sesamöffne-dich: „Good bye!“ Heute weiß ich, wie man das Wort schreibt und was es bedeutet. Aber damals wusste ich nicht, dass es Englisch ist und erst recht nicht, dass Amerikaner Englisch reden. Da hätte ich höchstens gemeint: „Ein Amerikaner ist natürlich so ein kleiner, runder Kuchen, den es beim Münchsdorfer Bäcker gibt!“, und das war etwas, was für unsereins zu teuer war, außer zu einem Festtag. Für mich hat es, genauso für meine Schwestern, ein Keil Brot mit selbstgemachter Himbeermarmelade auch getan. (Wir sagten Mamalad, obwohl das Gegenteil nicht Papalad heißt!) So ein Brot wurde meist auf dem Weg zum Fußballplatz verzehrt, was meinen beiden Tanten, Agnes und Rosl gar nicht gefiel, da sie glaubten, ich müsse das am Küchentisch tun. Ich habe aber nie eingesehen, warum es während des Laufens in der frischen Luft nicht besser schmecken sollte. Vielleicht wollten das meine Eltern so, weil es doch heißt: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt!

„Good bye, good bye!“ und schon sind sie freigebiger gewesen, die Soldaten, besonders die Neger, wie sie für uns damals noch zeitgemäß bezeichnet wurden! Mich haben die Neger (sprich: Nääga) ans Kripperl erinnert, das zu der Zeit, es war kurz vor Weihnachten, drüben in der Kirche ganz liebevoll aufgebaut war. Einer von den Heiligen Drei Königen, der Melchior (oder war es der Balthasar?), war nämlich auch so schön schwarz. Der Kaspar hat es meiner Meinung nach auf keinen Fall sein können. Der Name hätte ja viel zu bayerisch geklungen und ich habe immer an Kasperl denken müssen, was auch nicht gepasst hätte. Einmal ist mir ein Soldat aufgefallen, der hat genauso ausgesehen, wie der „Geldneger“ vorne am Opferstock, nur, dass der nicht jedes Mal mit seinem schwarzen Kopf genickt hat, wie jener in der Kirche, wenn man einen Pfennig eingeworfen hat. Es wäre ja auch zu viel von ihm verlangt gewesen, wo er doch in einem Jeep gelegen ist, mit einem blütenweißen, riesigen Kopfverband. Vielleicht ist der mir auch nur deshalb so weiß vorgekommen, weil sein Gesicht so tiefschwarz geglänzt hat, während das Weiß der Augen herausblitzte.

Also nochmal, so ein Neger, für mich sozusagen ein Weiser aus dem Morgenland, war besonders spendabel, wenn wir Buben freundlich hinauf gegrinst und natürlich „Good bye“ geplärrt haben.

Vielleicht haben Sie sich auch gefreut, dass wir Jungbajuwaren so lerneifrig waren und schon Englisch parlierten oder es war das Heimweh, das sie bei den heimatlichen Lauten als Kinderkehlen überfallen hat! Es kann aber auch ganz einfach das Mitleid mit uns zaundürren Buben gewesen sein, als wir so hungrig und geschenkeheischend zu den Fahrzeugen hinaufgeschaut haben. Hauptsache war, dass wir sie gekriegt haben, die wundervollen Sachen. Es war eine echte Weihnachtsbescherung, wenn man so kurz vor dem Fest seine zusammengeklaubten Schätze