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Dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit, alte Feinde, die wieder zur Gefahr werden, und Versprechen, die nicht gebrochen werden dürfen: Obwohl sich alles gegen sie verschworen hat, kämpfen diese US-Marshals mit jeder Faser ihres Seins um die Liebe ihres Lebens ...
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Seitenzahl: 219
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
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Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Sylvia Day bei LYX
Impressum
SYLVIA DAY
Ins Deutsche übertragen
von Kerstin Fricke
Zu diesem Buch
Als US-Marshal Jared Cameron wegen einer Reihe von Bränden in der Kleinstadt Lion’s Bay ermittelt, hat er noch keine Ahnung, worauf er sich da einlässt. Denn die attraktive Brandinspekteurin Darcy Michaels bringt ein Feuer in ihm zum Lodern, das sich nicht so einfach löschen lässt. Aber Darcy hat eine düstere Vergangenheit, die ihnen beiden zum Verhängnis werden könnte.
Diese Geschichte ist meinen guten Freundinnen Shayla Black und Shiloh Walker gewidmet.
Darcy Michaels nahm ihren Werkzeugkasten fester in die behandschuhten Hände und bahnte sich vorsichtig ihren Weg durch die Überreste ihres Lieblingssüßwarenladens. Um sie herum liefen Feuerwehrleute durch die schwelenden Ruinen und sahen in jede Ecke und jeden Winkel, um sich davon zu überzeugen, dass das Feuer ganz gelöscht war. Wasser tropfte von den schwarz gewordenen Wänden und der Decke und sammelte sich auf dem Boden in großen Pfützen, und der Geruch nach Rauch und verbranntem Zucker klebte in ihren Nasenlöchern und auf ihrer Haut und saugte sich an jeder Faser ihrer Uniform fest.
»Das dritte in ebenso vielen Wochen«, murmelte James Ralston hinter ihr. »Tut mir echt leid, Darcy. Ich weiß, dass du hier immer gerne eingekauft hast.«
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihrem Mentor um, während sich in ihrer Brust alles schmerzhaft zusammenzog. Wie bei den beiden vorherigen Bränden hatte das Feuer auch hier einen Ort zerstört, der ihr wichtig gewesen war und kostbare Erinnerungen in sich barg. Sie hatte ihren zwölften Geburtstag in diesem Laden gefeiert und war seitdem jeden Freitag hergekommen, um die sauren Limonadenstrohhalme zu kaufen, deren Genuss sie der naschhaften Vorliebe ihrer Schwester verdankte.
Konzentriere dich auf die Details, Darcy. Du darfst jetzt nicht zusammenbrechen.
»Wer immer dieser Feuerteufel ist, er wird nicht aufgeben«, stellte sie fest. »Dafür macht er das schon zu lange. Es steckt ihm im Blut.«
Die Regelmäßigkeit der Brände und die schreckliche Brillanz der zeitgesteuerten Brandsätze, die dabei benutzt wurden, sprachen für einen Täter, der seinen Wahnsinn perfektioniert hatte.
Sie konnte nicht anders, als sich selbst angegriffen zu fühlen, obwohl sie wusste, dass diese Reaktion irrational war. Als Kind hatte sie um jeden Preis aus Lion’s Bay fortgehen wollen, aber jetzt dachte sie nicht einmal mehr im Traum daran, die verschlafene Küstenstadt zu verlassen. Die Erinnerungen, die ihre Eltern von hier vertrieben hatten, hielten sie an diesem Ort fest.
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.« Jims tannengrüne Augen, in denen sich sein Mitgefühl widerspiegelte, sahen sie konzentriert, aber auch voller Wärme an. »Es ist vor Kurzem niemand hergezogen, und jetzt, in der Nachsaison, sind kaum noch Touristen hier. Jeder Auswärtige fällt auf wie ein bunter Hund.«
Sie drehte sich langsam im Kreis und folgte den Brandmustern mit dem Blick, wie er es sie gelehrt hatte.
»Dieser Kerl ist nicht aus dem N-Nichts aufgetaucht«, erkannte sie und stellte erschrocken fest, dass ihre Stimme brach. Sie räusperte sich. »Ich befürchte, wir müssen die schweren Geschütze auffahren.«
»Miller leistet gute Arbeit. Er ist gewissenhaft und gründlich.« Er berührte leicht ihren Ellenbogen. »Du solltest ihm lieber nicht auf die Füße treten.«
Darcy nickte, da ihre Beziehung zum Sheriff der Stadt nicht gerade die beste war. »Ich weiß, aber ich glaube, dass er Unterstützung braucht, und befürchte, dass er zu dickköpfig ist, um um Hilfe zu bitten.«
Als die Feds das letzte Mal hergekommen waren, hatten sie Chris Miller und seine Deputys schlicht und einfach ignoriert und außen vorgelassen, während sie seine begrenzten Ressourcen ausschöpften. Sie erinnerte sich nur zu gut an diese angespannte Zeit, weil es sich bei dem Mord, den sie damals untersucht hatten, um die Tragödie handelte, die sie nach Hause geführt hatte. »Und ehrlich gesagt, ist Chris’ Ego das geringste unserer Probleme.«
»Lass uns erst mal die Beweise sammeln, dann können wir uns überlegen, wie wir weiter vorgehen wollen.« Jim drückte beruhigend ihre Schulter. »Vielleicht solltest du heute Nacht lieber nicht alleine bleiben?«
Sie legte ihre Hand auf seine. Er kannte sie einfach zu gut.
Sie wollte eine ganz bestimmte Unterstützung, jemanden, der in der Nähe war, wenn sie ihn brauchte, sich jedoch zurückzog, wenn sie nachdenken musste.
Sie sah Jim in die Augen, und er schien ihre Gedanken lesen zu können. »Meine Couch steht dir jederzeit zur Verfügung, Darcy, und das weißt du auch.«
Sie nickte. »Danke.«
»Keine Ursache.«
Dann wandte sich Darcy ab und suchte nach einer Stelle, wo sie ihren Werkzeugkoffer abstellen und anfangen konnte.
Seufzend drehte sich Darcy auf die Seite und sah auf die Uhr, die auf Jims Kaminsims stand: Viertel nach fünf. Es war noch dunkel draußen, und sie hatte sich die ganze Nacht hin und her geworfen und war viel zu ruhelos und aufgedreht, als dass sie den dringend benötigten Schlaf finden konnte. Irgendetwas, das mit den Feuern zu tun hatte, irritierte sie, aber sie konnte es einfach nicht benennen. Sie dachte immer wieder darüber nach, stieß jedoch nie auf die Antwort, nach der sie suchte.
Schließlich setzte sie sich auf, straffte ihre Schultern und wusste, was sie zu tun hatte. Sie wollte die Gelassenheit zurückgewinnen, die sie so schätzte, und wusste, dass ihr das nur gelingen würde, wenn sie den Irren fand, der sie ihr gestohlen hatte, und ihn ins Gefängnis brachte. Je eher, desto besser. Ein möglicher Ego-Streit zwischen verschiedenen Behörden würde sie nicht davon abhalten können. Bisher war noch niemand verletzt worden, aber ihr Brandstifter schien kaum noch Luft zu holen, bevor er wieder zuschlug. Wenn er dieses Muster beibehielt, würde es in wenigen Tagen erneut brennen.
Ein warmer Lufthauch an ihren Zehen erinnerte sie an den hübschen Schäferhund, der vor der Couch auf dem Boden lag. Nachdem ihre kurze Beziehung zu Jim zu Ende gegangen war, hatte sie den Hund am meisten vermisst.
»Danke, dass du auf mich aufgepasst hast, Columbo.« Sie streichelte ihn hinter den Ohren.
Die Einwohner von Lion’s Bay bezahlten sie dafür, dass sie dasselbe mit der Stadt machte, dass sie auf sie aufpasste und für ihre Sicherheit sorgte.
Und Darcy hatte nicht vor, sie zu enttäuschen.
Deputy US-Marshal Jared Cameron wartete, bis der Sheriff von Lion’s Bay seine Schimpftirade unterbrechen musste, um Luft zu holen, dann warf er seinem Partner einen Blick zu.
»Der gehört dir«, sagte er, drehte sich auf dem Absatz um und überließ Deputy Trish Morales die Angelegenheit. Sie war ihm aus genau diesem Grund zugeteilt worden: Sie hatte eine Engelsgeduld, ganz im Gegensatz zu ihm. Vor allem bei wichtigtuerischen Kleinstadtbeamten, die sofort in Abwehrhaltung gingen und ihr Territorium abstecken mussten, sobald er in die Stadt kam, brannten bei ihm schnell die Sicherungen durch.
»Ich bin noch nicht fertig. Wo zum Teufel will er hin?«, schimpfte Sheriff Miller, doch Morales besänftigte ihn.
So ein Idiot. Der silberne Stern des U.S. Marshals Service war mehr wert als alles, was dieser Kerl vorzuweisen hatte.
Jared schloss die Tür des Sheriffbüros hinter sich, um die Stimme des Mannes nicht mehr hören zu müssen. Dann verdrängte er seine Verärgerung und ging zwischen den Schreibtischen hindurch zum Ausgang, als eine völlig unerwartete und unerwünschte Komplikation das Revier betrat. Im ersten Moment bemerkte er sie nur beiläufig, doch irgendetwas sorgte dafür, dass er noch einmal genauer hinsah.
Widerstrebend blieb er stehen. Wer immer diese Frau auch war, sie war umwerfend. Nicht in körperlicher Hinsicht. Sie war durchschnittlich groß, schlank und normal proportioniert. Ihr Gesicht war ohne Make-up, und sie hatte ihr braunes Haar zu einem lässigen Pferdeschwanz gebunden. Ein Foto von ihr hätte er keines zweiten Blickes gewürdigt. Aber als sie in Fleisch und Blut vor ihm stand und er ihre Bewegungen sah, war er fasziniert.
Sie war eine in braunes Packpapier verkleidete Sexbombe.
Ihr Geheimnis enthüllte sich in der sinnlichen Geschmeidigkeit ihres Körpers und ihren flaschengrünen Augen, die unter den schweren Lidern zu erkennen waren. Der primitiv Männliche in ihm erkannte ihre Anziehungskraft sofort und schaltete seinen Verstand, der für eine derartige Ablenkung eigentlich gar keine Zeit hatte, augenblicklich aus. Dummerweise gaben die blaue Uniformhose und das bestickte weiße Oberhemd, in die sie gekleidet war, Jared sofort zu verstehen, dass er ihr unmöglich aus dem Weg gehen konnte, es sei denn, er wollte mit Trish tauschen und sich mit Sheriff Miller herumschlagen. Also musste er die Entscheidung treffen, welchen Teil seiner Anatomie er besser unter Kontrolle hatte, seine Fäuste oder seinen Unterleib.
Vielleicht hatte er ja Glück, und sie war verheiratet und hatte Kinder, sodass sie nicht im Geringsten daran interessiert war, mit ihm ins Bett zu gehen.
Sie unterhielt sich gerade mit dem weiblichen Deputy am Empfang, als er näher kam. Sie musterte ihn ebenso oberflächlich, wie er es zuvor bei ihr getan hatte, doch dann passierte es. Auf einmal war sie hellwach und nahm seinen Körper vom Kopf bis zu den abgenutzten Arbeitsstiefeln genauer in Augenschein. Als sich ihre Blicke trafen, schnappte sie nach Luft und leckte sich die Unterlippe.
Verdammt. Er saß in der Tinte. Sein Gehirn warf die Alarmanlage an und riet ihm, schnellstmöglich zu verschwinden und sich lieber mit dem Sheriff auseinanderzusetzen. Wenn er sich mit dem Mann anlegte, weil er ihm auf die Nerven ging, handelte er sich weniger Ärger ein, als wenn er sich dieser knisternden Spannung aussetzte, die zwischen ihm und dieser heißen Inspektorin in der Luft lag.
»Da ist er«, sagte der Deputy unnötigerweise und deutete auf ihn.
Jared streckte eine Hand aus und stellte sich vor. In dem Moment, in dem sich ihre Hände berührten, geriet sein Blut in Wallung, und er bekam eine Erektion. Verzweifelt warf er einen Blick auf ihre linke Hand und fluchte dann innerlich, als er daran keinen Ehering entdecken konnte. Ein einfacher goldener Ring hätte sein Interesse im Keim ersticken lassen.
»Darcy Michaels«, sagte sie mit einer Stimme, die derart hoch war, dass sie beinahe mädchenhaft klang. »Ich bin Brandinspektorin bei der Feuerwehr von Lion’s Bay.«
Die hübsche Blondine am Empfang lächelte ihn ebenso einladend an, wie sie es bereits getan hatte, als er zum ersten Mal ins Revier gekommen war. »Darcy hat mich gebeten, die Informationen über den Brandstifter weiterzuleiten.«
Die Blondine gehörte genau zu der Sorte Frau, mit der er sonst ins Bett ging. Sie war attraktiv genug, um sofort sein Interesse zu wecken, und locker genug, um nicht mehr als eine kurzlebige Affäre zu erwarten. Doch Darcy Michaels weckte etwas tiefer Liegendes in ihm, eine Gier, die ausgewachsen und sehr komplex war – und die seinen gesunden Menschenverstand ausschalten konnte.
Während er sich innerlich einen Tritt in den Hintern gab, ergriff Jared die Inspektorin beim Ellenbogen und steuerte mit ihr dem Ausgang zu. »Na, dann los.«
Sie waren gerade draußen, als sie meinte: »Sie waren aber schnell hier, Deputy.«
Er dachte über ihre Stimme nach, die eine Mischung aus Marilyn Monroe und Jennifer Tilly darstellte. Wenn ihn jemand vor wenigen Stunden gefragt hätte, was er von Frauen mit einer Mädchenstimme hielt, dann hätte er gesagt, dass sie ihn eigentlich nur nervten. Doch natürlich stellte Darcy Michaels die Ausnahme von der Regel dar. Jedes Mal, wenn sie den Mund aufmachte, ging seine Fantasie mit ihm durch.
Härter, Jared. Tiefer …
Großer Gott. Er knirschte mit den Zähnen.
»Wir müssen uns beeilen«, stieß er hervor und zwang sich zur Konzentration. »Wenn er bei seinem Muster bleibt, dann wird er noch diese Woche das nächste Feuer legen. Was haben Sie bisher herausgefunden?«
Sie deutete auf ein Ziegelsteingebäude auf der anderen Straßenseite, das die Feuerwache beherbergte. »Mein Büro ist gleich da drüben. Haben Sie schon einen Verdächtigen? Sie sind doch hier, weil Sie die Vorgehensweise erkannt haben, oder nicht?«
»Sie gleicht der eines bekannten Brandstifters.«
»Wir haben es jetzt seit drei Wochen mit ihm zu tun. Wo ist er vor vier Wochen gewesen?«
»Keine Ahnung.«
Sie runzelte die Stirn. »Dann gibt es Intervalle, in denen er untätig ist? Wie lang sind sie?«
»Ungefähr zwanzig Jahre.«
Sie blieb abrupt stehen. »Sie wollen mich wohl für dumm verkaufen?«
Er sah sie aus mehreren Gründen finster an, unter anderem, weil ihm ihr Arm entglitten war, als sie auf einmal stehen geblieben war. »Warum sollte ich das tun?«
»Wurde er vor Kurzem aus dem Gefängnis entlassen?«
»Er ist geflüchtet«, erklärte er. »Vor siebzehn Jahren. Er hat eine Toilette in einem Gerichtsgebäude angezündet, als er dort zu einer Anhörung erscheinen sollte, und ist in dem darauf folgenden Tumult entkommen. Seitdem hat man von ihm nichts mehr gehört oder gesehen. Aber der Supervisor Deputy Marshal im Büro in Seattle war bei Merkersons erster Verhaftung dabei und hat das Muster wiedererkannt.«
Darcys grimmige Miene verschwand. »Merkerson! Genau! Ich habe die ganze Zeit versucht, seine Handlungsweise einzuordnen. Das war lange vor meiner Zeit, aber wir haben den Fall während meiner Ausbildung behandelt. Was hat er nur all die Jahre gemacht? Wie ist es ihm gelungen, nicht aufzufallen?«
»Möglicherweise saß er unter falschem Namen im Gefängnis, oder er war außer Landes. Vielleicht hat er auch einen Nachfolger gefunden, der in seine Fußstapfen getreten ist. Aber das ist unwichtig, da wir diesen Bastard festnageln werden.« Erneut griff Jared nach ihrem Ellenbogen und steuerte mit ihr auf die Feuerwache zu.
»Und ob das wichtig ist. Er hat in gerade mal drei Wochen diese Stadt auf den Kopf gestellt!«
Er hörte den Zorn in ihren Worten und speicherte ihn in seinem Gedächtnis ab. Eine persönliche Verwicklung trübte das Urteilsvermögen. Das war einer der vielen Gründe, weshalb es eine schlechte Idee war, Zeit mit ihr zu verbringen. Er spürte schon jetzt die Auswirkungen. Während sein Gehirn mit dem Fall beschäftigt war, konzentrierte sich sein Körper nur auf sie, war heiß und begierig darauf, sie ins Bett zu bekommen.
Sie wollten gerade die Straße überqueren, doch im letzten Moment strebte er einem Diner an der Ecke entgegen.
»Ich habe noch gar nichts zu Mittag gegessen«, erklärte er ihr und hoffte, dass sein niedriger Blutzucker und nicht etwa seine Hormone für seinen angeschlagenen gesunden Menschenverstand verantwortlich war. Ersteres ließ sich leicht beheben.
»Ich habe gerade erst gegessen, aber ich kann mir einen Shake holen.«
Noch etwas, das zu ihren Gunsten sprach. Sie war offenbar keine Frau, die ständig Kalorien zählte.
Er hätte beinahe laut gestöhnt, als ihm durch seinen vom Testosteron verwirrten Geist schoss, was sie wohl noch alles mit ihrem Mund anstellen konnte. Falls er noch irgendeinen Beweis gebraucht hätte, dass er in der letzten Zeit zu viel gearbeitet und zu wenig Spaß gehabt hatte, dann war das jetzt wohl erwiesen. Vielleicht sollte er das Angebot des blonden Deputys annehmen und sich einmal ein wenig entspannen.
Als sie vor dem Tresen standen, nahm Jared die Speisekarte zur Hand und begutachtete das begrenzte Angebot. Es gab vor allem Burger und Pommes frites sowie einige Salate für diejenigen, die lieber etwas Fettarmes essen wollten.
Eine Kellnerin in einer an die Fünfzigerjahre angelehnten Uniform, auf deren Namensschild »Ginny« stand, kam zu ihnen und lächelte sie an. »Hey, Darcy. Wie ich sehe, hast du den Fed mitgebracht. Miller dreht bestimmt gerade durch. Ich weiß ja, wie er ist, wenn Leute von außerhalb ins Spiel kommen.«
»Wieso weißt du nur immer so viel?« Darcy schien wirklich beeindruckt zu sein. »Ich habe auch erst vor fünf Minuten erfahren, dass der Marshals Service hier ist.«
Ginny zuckte mit den Achseln. »Hier erfährt man so einiges. Willkommen in Lion’s Bay, Marshal.«
»Deputy«, korrigierte er sie und sah dann wieder auf die Speisekarte. »Danke.«
»Wie geht’s dir denn so?«, fragte Darcy Ginny, und ihre Stimme klang so, als wären sie gute Freundinnen.
»Besser. Ich habe heute Morgen eine neue Alarmanlage einbauen lassen. Angeblich registriert sie Wärme und alarmiert dann die Sicherheitsfirma. Und ich habe unsere Brandmelder vor einigen Tagen überprüfen lassen, um sicher sein zu können, dass auch alles richtig funktioniert.« Ginny deutete mit dem Daumen über die Schulter auf den stämmigen Koch, der gerade auf der anderen Seite der Drehtür in der Küche zu sehen war. »Tim macht schon Witze, dass wir uns vom Geld, das wir von der Versicherung kriegen werden, zur Ruhe setzen können, falls es tatsächlich brennt. Dafür durfte er letzte Nacht auf der Couch schlafen.«
»Ach, verdammt. Ginny, es tut mir echt leid. Ich …«
Jared mischte sich in das Gespräch ein, bevor sie noch etwas anderes sagen konnte. »Das war sehr vorausschauend und aufmerksam, Ginny. Gut gemacht. Wenn Ihre Burger nur halb so gut sind wie Ihre Planung, dann nehme ich einen doppelten.«
Ginny grinste bei dem Lob. »Ein starker Mann wie Sie kann den auch vertragen.«
»Irgendwelche Empfehlungen?«
»Das hängt davon ab, ob Sie was Herzhaftes oder was Süßes möchten.«
»Beides. Ich bin am Verhungern.«
»Dann bringe ich Ihnen einen Jalapeno-BBQ-Doppelcheeseburger mit Pommes. Alle Beilagen?«
»Ja. Und zwei Shakes, wie sie Inspektor Darcy immer trinkt. Alles zum Mitnehmen, bitte.«
Jared bezahlte und winkte ab, als Darcy ihm einen Fünfer geben wollte.
Ginny kassierte und zog sich zurück, um die Shakes zu machen, woraufhin Darcy mit finsterer Miene vor dem Tresen stand. Er deutete auf einen Tisch mit rot bezogenen Bänken vor dem Fenster.
»So«, begann er, nachdem sie sich gesetzt hatten. »Wie oft mussten die Feds denn schon nach Lion’s Bay kommen?«
Sie zog eine Augenbraue hoch und warf ihm einen kritischen Blick zu. Der Höhlenmensch trommelte sich bei dieser Herausforderung wild auf die Brust. Himmel noch mal, so hatte er sich seit sehr langer Zeit nicht mehr für eine Frau interessiert.
Es war gut, dass sie Feuer im Hintern hatte. Wenn er sie erst mal im Bett hatte, würde er nicht gerade sanft mit ihr umgehen …
Verdammt. Was dachte er sich nur dabei? In diese Richtung würde er definitiv nicht weiterdenken.
»Nur einmal«, antwortete sie.
»Wann?«
»Vor drei Jahren.«
»Warum?«
Sie zögerte eine Sekunde, aber er bekam es mit. »Eine Einwohnerin wurde ermordet.«
»Warum war das so interessant?«
Sie schürzte die Lippen, und ihre Augen wurden stahlhart, was ihn erschreckte.
»Starren Sie mich nicht so an, Darcy. Das ist eine berechtigte Frage. Die Feds haben wichtigere Fälle als einen Kleinstadtmord. Warum haben sie sich trotzdem dafür interessiert?«
Sie stieß die Luft aus. »Der Tathergang stimmte mit dem eines Serienkillers, den sie gerade jagten, überein.«
In dem Moment, in dem sie Jared Cameron auf dem Polizeirevier gesehen hatte, war ihr klar gewesen, dass er ihr Leben völlig durcheinanderbringen würde.
Sein Aussehen hatte sie zuerst verblüfft. Sie hatte sich große Mühe geben müssen, um ihn nicht mit offenem Mund anzustarren, als er auf sie zugekommen war und das verkörperte, was man sich unter einem großen, dunklen und gefährlichen Mann vorstellte. Dann hatte er sie einfach nach draußen geführt, und seine Berührung hatte ein Prickeln in ihrem Arm und danach in ihrem ganzen Körper ausgelöst. Jetzt saß sie ihm gegenüber und konnte einfach nicht fassen, wie unglaublich attraktiv er war. Ihre Mutter hätte ihn als »Sahneschnitte« bezeichnet, aber so weit wollte Darcy dann doch nicht gehen. Jedes Mal, wenn sich ihre Blicke kreuzten, bekam sie einen trockenen Mund. Trotz seines rein professionellen Auftretens glaubte sie, in seinen stahlblauen Augen ungezügelte animalische Begierde zu erkennen.
Und sie konnte nicht leugnen, dass sie ihn ebenfalls begehrte. Dabei handelte es sich um eine instinktive Reaktion, die sie einfach nicht unterdrücken konnte. Er sprach grob und abgehackt, und sie ging davon aus, dass er sie vögeln würde, bis sie den Verstand verlor, ohne dabei viele Worte zu verlieren. Einfach nur heißer, wilder, sinnlicher Sex. Genau das strahlte er mit seiner erregenden Energie und seinem feurigen Blick aus, und es war längst um sie geschehen. Erst aufgrund seiner Art, die einer Naturgewalt gleichkam, hatte sie bemerkt, dass sie eigentlich seit einer Weile tot war. Ein hemmungsloser One-Night-Stand war genau das, was sie brauchte, um mal Dampf abzulassen.
»Welcher Serienkiller?«, wollte er mit seiner rauen Stimme wissen, bei der sie an goldenen Whisky in einem Kristallglas denken musste. Er strich sich eine schwarze Locke aus der Stirn, und ihr fielen die Venen an seinen kräftigen Armen und an seinem Bizeps auf. Mit seinem schlanken, muskulösen, aber nicht bulligen Körper entsprach er genau ihrem Geschmack.
»Das war so ein Kerl aus dem Mittleren Westen, der Maya-Symbole in die Oberkörper seiner Opfer geritzt hat.«
»Der Prophet.« Jared lehnte sich zurück und wirkte in der entspannten Pose ein wenig gelassener. »Er hat bis zum Jüngsten Tag runtergezählt. Ein echt krankes Schwein.«
Sie sah ihn erstaunt an. »Ist das Ihre professionelle Meinung?«
»Meiner professionellen Meinung nach war er verrückt, ebenso wie dieser Kerl, der Ihre Stadt abfackelt.«
Sie hätte beinahe gegrinst. Jared Cameron war zweifellos ein ungehobelter Kerl, aber sie fühlte sich jetzt, da er da war, gleich viel besser. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sich von irgendjemandem austricksen ließ.
»Hören Sie mir mal gut zu.« Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Sie dürfen sich wegen dieser Brände nicht schuldig fühlen.«
»Das tue ich auch nicht.«
»Ach, Blödsinn. Die Kellnerin erzählt Ihnen, was sie macht, um ihr Eigentum zu beschützen, und Sie fangen sofort an, sich bei ihr zu entschuldigen, als wäre das alles Ihre Schuld.«
Darcy war empört. »Das ist eine kleine Stadt, Deputy. Die Leute schwimmen nicht gerade in Geld, und sie hat …«
»Ich heiße Jared.«
»Sie sind wirklich ein Charmebolzen, was?«
»Sie wollen keinen Charme, und wir reden hier Tacheles.«
»Woher zum Henker wollen Sie wissen, was ich will?«
»Weil ich dasselbe will.« Er beugte sich vor und sprach leiser weiter, und in seinen blauen Augen schien es zu lodern. »Ich begehre Sie so sehr, dass ich schon seit dem Augenblick, in dem ich Sie das erste Mal gesehen habe, einen Steifen habe.«
Wie ein plötzlicher Fieberschub stieg die Erregung in ihr hoch, und ihre Haut rötete sich. Noch nie hatte ein Mann so offen mit ihr gesprochen, daher war ihr bis jetzt nicht klar geworden, wie sehr sie das heiß machte. Jetzt wusste sie es, und sie fragte sich, was er wohl im Bett sagen würde. Allein die Vorstellung, wie er vor Erregung stöhnte und obszöne Dinge von sich gab, ließ sie innerlich vor Lust vergehen. Nur mit Mühe gelang es ihr, still sitzen zu bleiben, aber sie konnte es nicht unterlassen, ihn noch weiter anzuheizen. »Und was genau ist das, was wir beide wollen, Deputy?«
Einen Moment lang bewegte er nicht einen Muskel. Dann verzog er seine Lippen zu einem frechen, sinnlichen Grinsen. In seinen Augen flackerte wilde, harte Lust. »Sie wollen gefickt werden, bis Sie gar nicht mehr wissen, wo vorne und hinten ist, und ich will meinen Schwanz in Sie bohren, bis ich mich bis auf den letzten Tropfen in Sie ergossen habe.«
Darcy fiel auf ihrem Stuhl nach hinten und griff sich an die Kehle. »Wow.«
Ihre Scham pochte, und sie wurde ganz feucht. Sie kannte diesen Mann noch keine zwanzig Minuten, aber sie war bereits entschlossen, ihn noch sehr viel besser kennenzulernen. Zumindest seinen Körper … »Abgemacht. Ich habe um sechs Feierabend.«
Die Nasenflügel des Deputys bebten. Die Vorfreude ließ seine Wangenknochen noch deutlicher hervortreten und seine ausgeprägten Lippen hart erscheinen. Sie musste zugeben, dass er der attraktivste Mann war, den sie je gesehen hatte.
»Das werde ich noch bereuen«, murmelte er und starrte sie mit finsterer Miene an.
Seltsamerweise stachelte dieser Satz ihr Verlangen nach ihm nur noch mehr an. Er verriet, wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlte, da er offenbar nicht dagegen ankam, auch wenn er es gewollt hätte. Und sie reagierte so, wie jede heißblütige Frau auf das wilde Verlangen eines unglaublich attraktiven, außerordentlich maskulinen Wesens reagiert: indem sie ihn provozierte.
Sie beugte sich vor. »Nein, das werden Sie nicht«, flüsterte sie. »Sie werden Sterne sehen, wenn ich mit Ihnen fertig bin.«
»Himmel.« Er schnitt vor Unbehagen eine Grimasse, schob die Hüften vor und rückte seine Jeans zurecht.
»Zurück zum Geschäftlichen«, sagte sie, während sie sich innerlich über ihren Triumph und ihre angeheizte Erwartung freute. »Ginny hat Geld, das sie eigentlich nicht übrig hat, für Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben, die ihr nicht im Geringsten helfen werden. Sie wissen, wie Merkerson vorgeht. Wenn er diesen Diner in Brand setzen will, dann könnte er das am helllichten Tag und direkt vor ihrer Nase tun.«
Und später, wenn der Diner geschlossen hatte und auf den Straßen nichts mehr los war, würde eine hundsgemeine kleine Bombe mit Zeitzünder explodieren und das ganze Gebäude innerhalb von Sekunden in Flammen aufgehen lassen.
»Sie haben doch gehört, was sie gesagt hat«, erwiderte Jared beschwichtigend. »Sie fühlt sich jetzt besser. Und selbst wenn die Veränderungen, die sie vorgenommen hat, in diesem ganz speziellen Fall nicht nötig waren, hat sie doch eine kluge Entscheidung getroffen.«
»Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie sich sicher fühlt, und das ist mir ganz offensichtlich nicht gelungen.«
»Stimmt.« Sein Blick schien sie zu durchbohren. »Und die Menschen sollten mit offenen Türen schlafen, weil die Gesetzeshüter sie beschützen.«
»Das ist nicht dasselbe.« Nach dem ersten Feuer hatten die Einwohner Angst gehabt, aber darauf vertraut, dass Jim und sie die Sache regeln würden. Das zweite Feuer hatte die Nervosität weiter gesteigert, aber noch immer hatten alle darauf gehofft, dass der Schuldige bald hinter Schloss und Riegel sitzen würde. Doch nach dem dritten Feuer hatte niemand mehr geglaubt, dass die Behörden dem Brandstifter direkt auf den Fersen waren, und sie hatten angefangen, eigene Maßnahmen zu ergreifen.
»Kommen Sie auf den Boden der Tatsachen zurück, Darcy. Wenn Sie bei der Beweissicherung und -analyse keinen Mist gebaut haben, dann haben Sie Ihren Job gut gemacht, und es war außerdem richtig, sich Unterstützung zu holen, als es erforderlich wurde. Sie können sich selbst loben und den Menschen Anerkennung zollen, die vorausdenken, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken.«
»Ich weiß noch nicht genau, ob ich Sie wirklich leiden kann.«
»Sie müssen mich nicht mögen. Machen wir die Sache nicht komplizierter, als sie ist.«
Sie nickte, ohne zu zögern. Schließlich war sie genau aus dem Grund bereit, sich mit ihm einzulassen, weil er nur auf der Durchreise war. Etwas, das über den Sex hinausging, passte ihr im Moment gar nicht in den Kram. »Das klingt gut.«
Er war auf den Beinen, bevor Ginny mit der Tüte mit seinem Essen und den beiden Shakes ihren Tisch erreicht hatte. »Gehen wir, Inspektor. Wir haben bis achtzehn Uhr noch einiges zu erledigen.«