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Der lang erwartete vierte Teil der Bestsellerserie!
Komm her, mein Engel.
Eva und Gideon haben sich das Ja-Wort gegeben. Sie waren überzeugt, dass nichts sie mehr trennen kann. Doch seit der Hochzeit sind ihre Unsicherheiten und Ängste größer denn je. Eva spürt, dass Gideon ihr entgleitet und dass ihre Liebe in einer Weise auf die Probe gestellt wird, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte. Plötzlich stehen die Liebenden vor ihrer schwersten Entscheidung: Wollen sie die Sicherheit ihres früheren Lebens wirklich gegen eine Zukunft eintauschen, die ihnen immer mehr wie ein ferner Traum erscheint?
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Seitenzahl: 569
DAS BUCH
Eva und Gideon haben sich das Ja-Wort gegeben. Sie waren überzeugt, dass nichts sie mehr trennen kann. Doch seit der Hochzeit sind ihre Unsicherheiten und Ängste größer denn je. Eva spürt, dass Gideon ihr entgleitet und dass ihre Liebe in einer Weise auf die Probe gestellt wird, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte. Plötzlich stehen die Liebenden vor ihrer schwersten Entscheidung: Wollen sie die Sicherheit ihres früheren Lebens wirklich gegen eine Zukunft eintauschen, die ihnen immer mehr wie ein ferner Traum erscheint?
DIE AUTORIN
Die Nummer-1-Bestsellerautorin Sylvia Day stand mit ihrem Werk an der Spitze der New York Times-Bestsellerliste sowie 23 internationaler Listen. Sie hat über 20 preisgekrönte Romane geschrieben, die in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurden. Weltweit werden ihre Romane millionenfach verkauft, die Serie Crossfire ist derzeit als TV-Verfilmung in Planung. Sylvia Day wurde nominiert für den Goodreads Choice Award in der Kategorie bester Autor.
LIEFERBARE TITEL
Crossfire. Versuchung
Crossfire. Offenbarung
Crossfire. Erfüllung
Geliebter Fremder
Sieben Jahre Sehnsucht
Dream Guardians – Verlangen
Stolz und Verlangen
Dream Guardians – Begehren
Eine Frage des Verlangens
Spiel der Leidenschaft
SYLVIA DAY
Crossfire
Hingabe
Band 4
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Nicole Hölsken und Marie Rahn
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel CAPTIVATED BY YOU
bei Berkley Books, Imprint der Penguin Random House Gruppe, New York
1. Auflage
Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 01/2015
Copyright © 2014 by Sylvia Day
Copyright © 2015 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag,
München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion: Anita Hirtreiter
Umschlagabbildung © Edwin Tse
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung
einer Gestaltung von © Sarah Oberrender
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN: 978-3-641-14625-2
www.heyne.de
Dies ist für all die Leser, die geduldig auf das nächste Kapitel in der Geschichte von Gideon und Eva gewartet haben. Ich hoffe, es gefällt euch so gut wie mir.
1
Wie eiskalte Nadeln fühlte sich das Wasser auf meiner glühenden Haut an und verjagte die letzten Bruchstücke eines Albtraums, an den ich mich nicht mehr genau erinnern konnte.
Ich schloss die Augen und trat weiter unter den dichten Duschstrahl, um die letzten Reste von Angst und Ekel durch den Abfluss zu spülen. Ein heftiger Schauer durchfuhr mich, und meine Gedanken wanderten zu meiner Frau, meinem Engel, der friedlich in der Wohnung nebenan schlief. Ich brauchte sie jetzt, wollte mich in ihr verlieren, und Wut überkam mich, denn ich konnte sie im Moment nicht haben. Konnte sie nicht an mich drücken. Konnte ihren üppigen Körper nicht unter meinen ziehen, mich in ihr versenken und durch ihre Berührungen alle Erinnerungen auslöschen.
»Verdammt!« Ich stemmte mich gegen die kühlen Fliesen und ließ den schmerzhaft harten Strahl auf mich niederprasseln, bis mir die Kälte durch und durch ging. Ich war ein egoistisches Arschloch.
Wenn ich ein besserer Mensch wäre, hätte ich sofort, als ich Eva Tramell zum ersten Mal sah, den Rückzug angetreten.
Stattdessen hatte ich sie geheiratet und zu Mrs. Cross gemacht. Und viel lieber hätte ich dafür gesorgt, dass die Nachricht über alle erdenklichen Medien verbreitet wurde, anstatt sie im engsten Kreis unserer Freunde wie ein Geheimnis zu hüten. Schlimmer noch: Da ich nicht beabsichtigte, sie jemals gehen zu lassen, musste ich irgendwie wiedergutmachen, dass wir nicht mal im selben Raum schlafen konnten – so ein Wrack war ich!
Ich seifte mich ein und wusch schnell den klebrigen Schweiß ab, mit dem ich aufgewacht war. Kurz darauf ging ich ins Schlafzimmer und zog mir eine Jogginghose an, bevor ich mein Arbeitszimmer aufsuchte. Es war gerade mal sieben Uhr morgens.
Nur ein paar Stunden zuvor hatte ich Eva in ihrer Wohnung zurückgelassen, die sie sich mit ihrem besten Freund Cary Taylor teilte. Sie sollte noch ein paar Stunden Schlaf bekommen, ehe sie zur Arbeit aufbrach. Wir hatten die ganze Nacht miteinander verbracht, weil wir beide gleichermaßen bedürftig und scharf waren. Aber da war noch etwas gewesen: ein Drängen von Eva, das an mir nagte und ein ungutes Gefühl bei mir hinterließ.
Irgendwas setzte meiner Frau zu.
Mein Blick wanderte zum Fenster und dem Panorama von Manhattan dahinter, dann zur Wand, die leer war – ganz im Gegensatz zu der Wand meines Arbeitszimmers in unserem gemeinsamen Penthouse auf der Fifth Avenue, wo überall Fotos von ihr oder uns hingen. Ich hatte die Collage genau vor Augen, da ich sie die letzten Monate endlose Stunden betrachtet hatte. Früher hatte ich mich in meine Welt eingekapselt und auf die Stadt hinabgeblickt. Jetzt sah ich mir Eva an.
Ich setzte mich an den Schreibtisch, erweckte meinen Computer mit einem Ruckeln an meiner Maus zum Leben und holte tief Luft, als das Gesicht meiner Frau auf dem Monitor erschien. Auf diesem Foto war sie vollkommen ungeschminkt, und durch die hellen Sommersprossen auf ihrer Nase wirkte sie jünger als vierundzwanzig. Mein Blick wanderte über ihre Gesichtszüge: ihre geschwungenen Augenbrauen, ihre hellen grauen Augen, ihre vollen Lippen. In den wenigen Momenten, in denen ich meinen Gedanken freien Lauf ließ, konnte ich diese Lippen fast auf meiner Haut spüren. Ihre Küsse waren Segnungen, Versprechen meines Engels, die mein Leben erst lebenswert machten.
Ich atmete entschlossen aus, griff nach dem Telefon und drückte die Kurzwahltaste für Raúl Huerta. Obwohl es noch so früh war, meldete er sich prompt und wirkte wach und aufnahmefähig.
»Mrs. Cross und Cary Taylor fliegen heute nach San Diego«, erklärte ich und merkte, dass sich meine rechte Hand unwillkürlich zur Faust ballte. Mehr musste ich nicht sagen, denn Huerta erwiderte:
»Alles klar.«
»Bis zwölf will ich auf meinem Schreibtisch ein aktuelles Foto von Anne Lucas und detaillierte Informationen, wo sie gestern Abend war.«
»Spätestens«, versicherte Huerta.
Ich legte auf und starrte auf Evas faszinierend schönes Gesicht. Ich hatte sie in einem unbeobachteten glücklichen Moment erwischt und war fest entschlossen, ihr ein Leben in genau diesem Zustand zu garantieren. Aber gestern Nacht hatte ihr möglicherweise ein Zusammentreffen mit einer meiner Verflossenen zugesetzt. Es war schon eine ganze Weile her, dass Anne und ich uns gesehen hatten, wenn sie allerdings am Kummer meiner Frau schuld war, würde sie mich schneller wiedersehen, als ihr lieb war.
Ich rief meinen E-Mail-Account auf, sichtete meine neuen Nachrichten, schrieb, wenn erforderlich, kurze Antworten und arbeitete mich langsam zu der Betreffzeile vor, die mir sofort nach Öffnen des Posteingangsfachs ins Auge gesprungen war.
Ich spürte Eva schon, bevor ich sie sah.
Ich hob den Kopf und ließ meine Finger auf der Tastatur ruhen. Ein plötzliches Aufwallen von Verlangen dämpfte die Unruhe, die mich immer quälte, wenn ich nicht bei ihr war.
Ich lehnte mich zurück, um ihren Anblick besser genießen zu können. »Du bist früh auf, mein Engel.«
Mit dem Schlüssel in der Hand stand Eva in der Tür; ihre blonden Haare waren sexy zerwühlt, ihre Wangen und Lippen noch vom Schlaf gerötet. Sie trug nur ein Tanktop und Shorts, keinen BH, und der gerippte Baumwollstoff spannte sanft über ihrem üppigen Busen. Sie war zierlich und hatte Kurven, die jeden Mann in die Knie zwangen, wies aber immer wieder darauf hin, wie sehr sie sich doch von den Frauen unterschied, mit denen ich früher gesehen worden war.
»Ich hab dich vermisst, als ich aufwachte«, erwiderte sie mit ihrer kehligen Stimme, bei der ich immer sofort steif wurde. »Wie lange bist du schon auf?«
»Noch nicht lange.« Ich schob die Tastaturablage in den Schreibtisch, um Platz für sie zu machen.
Ich war hin und weg, als sie auf nackten Füßen zu mir tappte. Schon als ich sie das erste Mal sah, wusste ich, dass ich verloren war. Es lag an ihren Augen und der Art, wie sie sich bewegte. Alle Männer starrten sie an, wo sie auch war. Sie verzehrten sich nach ihr. Genau wie ich.
Als sie nahe genug gekommen war, umfasste ich ihre Taille und zog sie auf meinen Schoß. Dann senkte ich den Kopf, umschloss mit meinem Mund ihre Brustwarze und saugte lang und heftig daran. Ich hörte sie aufkeuchen, spürte, wie ihr Körper auf die Empfindung ansprang, und musste im Stillen lächeln. Ich konnte alles mit ihr machen, was ich wollte. Dieses Recht hatte sie mir gewährt. Ein größeres Geschenk hatte ich noch nie bekommen.
»Gideon.« Sie fuhr mir mit den Händen durchs Haar.
Sogleich ging es mir viel, viel besser.
Ich hob den Kopf, küsste sie und schmeckte ihre nach Minze schmeckende Zahnpasta und, darunter, ihren unverwechselbaren eigenen Geschmack. »Hmmm?«
Sie berührte mein Gesicht und sah mich forschend an. »Hattest du wieder einen Albtraum?«
Ich atmete geräuschvoll aus. Von Anfang an hatte sie mich durchschauen können. Aber ich wusste nicht, ob ich mich je daran gewöhnen würde.
Mit meinem Daumen strich ich über den nassen Stoff, der an ihrer Brustwarze klebte. »Lass uns lieber über den feuchten Traum reden, zu dem du mich gerade inspirierst.«
»Worum ging es?«
Ich presste die Lippen zusammen, weil sie so hartnäckig war. »Weiß ich nicht mehr.«
»Gideon –«
»Lass es, mein Engel.«
Eva versteifte sich. »Ich will dir doch nur helfen.«
»Du weißt doch, wie du das kannst.«
Sie schnaubte. »Sexmaniac.«
Ich zog sie enger an mich. Da mir die Worte fehlten, ihr zu sagen, wie es sich anfühlte, sie in meinen Armen zu halten, liebkoste ich ihren Hals und atmete den heiß geliebten Duft ihrer Haut ein.
»Ace.«
Etwas in ihrer Stimme weckte meinen Argwohn. Langsam zog ich mich zurück und betrachtete prüfend ihr Gesicht. »Sag es.«
»In San Diego …« Sie senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe.
Reglos wartete ich ab, was sie mir zu sagen hatte.
»Six-Ninths wird auch da sein«, sagte sie schließlich.
Sie versuchte nicht, das zu verbergen, was ich längst wusste, nämlich dass sie mit ihrem Exfreund Brett Kline immer noch Kontakt hatte. Das erleichterte mich, trotzdem spürte ich, wie mich Anspannung überkam.
»Ist das ein Problem für dich?«, fragte ich mit ruhiger Stimme, obwohl ich alles andere als ruhig war.
»Nein, das ist es nicht«, sagte sie leise. Aber ihre Finger strichen nervös durch mein Haar.
»Lüg mich nicht an.«
»Ich lüge nicht.« Sie holte tief Luft und sah mir dann direkt in die Augen. »Irgendwas stimmt nicht. Ich bin verwirrt.«
»Weswegen genau?«
»Sei doch nicht so«, sagte sie leise. »So eisig und einschüchternd.«
»Du musst schon entschuldigen, aber ich bin nicht gerade entzückt, von meiner Ehefrau zu hören, dass sie wegen eines anderen verwirrt ist.«
Sie wand sich aus meinem Griff, und ich ließ sie, damit ich sie mit etwas mehr Distanz beobachten – und einschätzen – konnte. »Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.«
Ich ignorierte bewusst das eisige Gefühl, das sich in meinem Magen ausbreitete. »Versuch’s einfach.«
»Es ist nur –« Sie senkte den Blick und kaute an ihrer Unterlippe. »Da ist noch etwas … nicht abgeschlossen.«
Meine Brust zog sich in einem heißen Krampf zusammen. »Turnt er dich an, Eva?«
Sie erstarrte. »Nein, so ist es nicht.«
»Liegt es an seiner Stimme? Den Tattoos? Seinem magischen Schwanz?«
»Hör auf. Es ist schon so nicht leicht für mich, darüber zu sprechen. Mach es nicht noch schwerer.«
»Für mich ist es auch verdammt schwer«, zischte ich und stand auf.
Ich musterte sie von Kopf bis Fuß, hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, sie zu bestrafen oder zu vögeln.
Ich wollte sie festhalten, einsperren, wegschließen vor allen, die sie mir entreißen wollten. »Er hat dich wie Dreck behandelt, Eva. Hast du das über dem Video von Golden vergessen? Brauchst du etwas, das ich dir nicht geben kann?«
»Sei doch nicht so gemein.« Sie verschränkte trotzig die Arme, was mich noch mehr aufbrachte.
Ich brauchte sie offen und weich. Ich brauchte sie ganz, mit Haut und Haar. Und manchmal trieb es mich zur Weißglut, wie viel sie mir bedeutete. Sie war das Einzige, was ich niemals verlieren durfte. Und jetzt sagte sie das Einzige, was ich nicht ertragen konnte.
»Bitte zieh es doch nicht ins Hässliche«, flüsterte sie.
»Für das, was in mir abgeht, bin ich noch bemerkenswert zivilisiert.«
»Gideon.« Schuldgefühle verdunkelten ihre grauen Augen, und dann glitzerten Tränen darin auf.
Ich wandte den Blick ab. »Nicht!«
Aber sie durchschaute mich, wie immer.
»Ich wollte dir nicht wehtun.« Der Diamantring an ihrem Finger – Symbol meines Anspruchs auf sie – fing das Licht ein und warf bunte Reflexe an die Wand. »Ich hasse es, wenn du aufgebracht und wütend auf mich bist. Mir tut das auch weh, Gideon. Ich bin nicht scharf auf ihn. Das schwöre ich!«
Rastlos ging ich zum Fenster und versuchte, den klaren Kopf zu bekommen, den ich angesichts der Gefahr brauchte, die Brett Kline für mich darstellte. Ich hatte alles getan, was ich konnte. Ich hatte mein Ehegelübde gesprochen und ihr den Ring übergestreift. Sie in jeglicher Hinsicht an mich gebunden. Aber immer noch war es nicht genug.
Vor meinen Augen breitete sich die Stadt aus, doch die größeren Gebäude versperrten mir die Sicht. Von meinem Penthouse aus konnte ich meilenweit sehen. Der Ausblick aus dem Apartment neben Evas Wohnung an der Upper West Side war allerdings begrenzt. Ich sah nur ein Labyrinth aus Straßen, in denen sich gelbe Taxis stauten, oder Wolkenkratzer, deren Fenster das Sonnenlicht reflektierten.
Ich konnte Eva New York zu Füßen legen. Ich konnte ihr die ganze Welt zu Füßen legen. Mehr Liebe konnte ich ihr nicht geben – ich wurde schon völlig von ihr aufgezehrt. Und dennoch konnte irgendein Arschloch aus ihrer Vergangenheit mich einfach so verdrängen.
Ich hatte noch vor Augen, wie sie in Klines Armen lag und ihn mit einem Verlangen küsste, das doch nur mir gelten sollte. Bei der Vorstellung, dass sie ihn immer noch so begehrte, hätte ich am liebsten etwas kaputt gemacht.
Meine Finger knackten, als ich die Fäuste ballte. »Brauchen wir jetzt schon eine Pause? Etwas Zeit, um deine Verwirrung wegen Kline zu klären? Vielleicht sollte ich dasselbe tun und mich um Corinne kümmern.«
Als sie den Namen meiner Ex-Verlobten hörte, holte sie zittrig Luft. »Ist das dein Ernst?«
Quälendes Schweigen breitete sich zwischen uns aus.
Dann sagte sie: »Glückwunsch, Arschloch. Du hast mich tiefer verletzt, als er es je konnte.«
Ich drehte mich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie sie steif und hoch aufgerichtet aus dem Zimmer marschierte. Ihre Schlüssel hatte sie auf dem Schreibtisch gelassen, und dieser Anblick löste Verzweiflung in mir aus. »Stopp!«
Ich hielt sie auf, und sie wehrte sich – da war es wieder, das altvertraute Muster: Eva floh, und ich jagte ihr nach.
»Lass mich los!«
Ich schloss die Augen und presste mein Gesicht an sie. »Ich lass nicht zu, dass er dich kriegt.«
»Ich könnte dich schlagen, so wütend bin ich auf dich!«
Sollte sie doch! Ich wollte den Schmerz. »Dann tu es!«
Sie krallte sich in meine Unterarme. »Setz mich ab, Gideon.«
Ich drehte sie um und drängte sie gegen die Wand des Flurs. »Was soll ich denn machen, wenn du mir verkündest, du seiest wegen Brett Kline verwirrt? Ich fühle mich, als hinge ich an einem Abgrund und meine Hände rutschten ab.«
»Also zerrst du an mir, um nicht den Halt zu verlieren? Warum begreifst du nicht, dass ich nicht wegwill?«
Ich starrte sie an und überlegte verzweifelt, was ich sagen konnte, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Da begann ihre Unterlippe zu zittern und ich … ich wurde weich.
»Sag mir, wie ich das handhaben soll«, sagte ich heiser, packte ihre Handgelenke und drückte sie sanft. »Sag mir, was ich tun soll.«
»Du meinst, wie du mich handhaben sollst?« Sie straffte die Schultern. »Denn ichbin doch hier das Problem. Ich kannte Brett zu einer Zeit, da ich mich hasste, aber wollte, dass andere mich liebten. Und jetzt benimmt er sich genau so, wie ich es mir damals gewünscht habe, und das macht mich total konfus.«
»Herrgott, Eva.« Ich presste meinen Körper enger an sie. »Und davon soll ich mich nicht bedroht fühlen?«
»Du solltest mir vertrauen. Ich erzähle dir das, damit du nicht einen komischen Eindruck bekommst und falsche Schlüsse ziehst. Ich wollte ehrlich sein, damit du dich nichtbedroht fühlst. Ich weiß, es gibt noch einiges in meinem Kopf, was ich klären muss. Ich gehe ja auch dieses Wochenende zu Dr. Travis und –«
»Aber Seelenklempner sind doch kein Allheilmittel!«
»Schrei mich nicht an!«
Ich unterdrückte den Drang, meine Faust in die Wand hinter ihr zu rammen. Das blinde Vertrauen meiner Frau in die Heilkräfte einer Therapie frustrierte mich zutiefst. »Wir werden nicht jedes verdammte Mal, wenn wir ein Problem haben, zum Onkel Doktor rennen. Du und ich führen diese Ehe. Und nicht diese gottverdammte Psychiaterclique!«
Daraufhin hob sie ihr Kinn und setzte die trotzige Miene auf, die mich in den Wahnsinn trieb. Sie schenkte mir nie was – außer wenn ich meinen Schwanz in ihr hatte. Dann schenkte sie mir alles.
»Auch wenn du meinst, du bräuchtest keine Hilfe, Ace, ich weiß, dass ich welche brauche.«
»Ich brauche nur dich.« Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände. »Ich brauche meine Frau. Ich brauche es, dass sie an mich denkt und nicht an irgendeinen anderen Typen.«
»Langsam wünschte ich, ich hätte gar nichts gesagt.«
Ich verzog spöttisch den Mund. »Ich wusste doch schon alles. Ich habe es doch gesehen.«
»Gott, du eifersüchtiger, verrückter …« Sie stöhnte leise. »Warum kannst du einfach nicht begreifen, wie sehr ich dich liebe? Brett ist nichts gegen dich. Nichts. Aber ehrlich gesagt will ich dich momentan nicht in meiner Nähe haben.«
Ich spürte ihren Widerstand, den Ansatz eines erneuten Fluchtversuchs. Also klammerte ich mich an sie wie an einen Rettungsring. »Siehst du nicht, was du mir antust?«
Da ergab sie sich meiner Umklammerung. »Ich verstehe dich nicht, Gideon. Wie kannst du deine Gefühle einfach auf Knopfdruck abschalten? Wie konntest du so gemein mit Corinne kontern, wenn du doch weißt, was sie in mir auslöst?«
»Ich brauche dich wie die Luft zum Atmen, und das kann ich nicht abschalten.« Ich fuhr ihr mit den Lippen über die Wange. »Ich denke immer nur an dich. Den ganzen Tag. Ununterbrochen. Ganz gleich, was ich tue, du bist immer in meinen Gedanken. Da ist kein Platz für eine andere. Und es bringt mich um, dass bei dir noch Platz für ihn ist.«
»Du hörst mir nicht zu.«
»Halte dich einfach von ihm fern, verdammt noch mal.«
»Das ist auch keine Lösung.« Sie grub ihre Fingernägel in meine Taille. »Ich bin innerlich zersprungen, Gideon, das weißt du doch. Ich füge gerade wieder meine Einzelteile zusammen.«
Ich liebte sie so, wie sie war. Warum reichte das nicht?
»Dank dir bin ich stärker als je zuvor«, fuhr sie fort, »aber es gibt noch Risse, und wenn ich sie entdecke, muss ich herausfinden, woher sie kommen und wie ich sie wieder reparieren kann. Für immer.«
»Was zum Teufel soll das heißen?« Ich fuhr ihr mit den Händen unter ihr Oberteil, wollte ihre nackte Haut spüren.
Sie erstarrte und drückte mich weg, wies mich zurück. »Nein, Gideon …«
Ich verschloss ihren Mund mit meinen Lippen. Hob sie hoch und bettete sie auf den Boden. Als sie sich wehrte, knurrte ich: »Kämpf nicht gegen mich an.«
»Du kannst nicht einfach alles wegvögeln.«
»Ich will nur dich vögeln.« Mit beiden Daumen schob ich ihr den Bund ihrer Shorts nach unten. Ich wollte unbedingt in ihr sein, sie besitzen, spüren, wie sie sich mir ergab. Alles, um die Stimme in meinem Kopf zu ersticken, die mir sagte, dass ich es vermasselt hatte. Wieder einmal. Und dass mir diesmal nicht verziehen würde.
»Lass mich los.« Sie rollte sich auf den Bauch.
Ich umschlang ihre Hüften, als sie von mir wegkriechen wollte. Sie konnte mich abschütteln, wie sie es geübt hatte, und sie konnte mich mit einem Wort stoppen. Mit ihrem Safeword.
»Crossfire.«
Eva erstarrte beim Klang meiner Stimme und dem einen Wort, das den Aufruhr der Gefühle verbergen sollte, mit dem sie mich vernichtet hatte.
Da, im Auge des Sturms, machte es Klick. Eine intensive, vertraute Stille explodierte in mir und erstickte die Panik, die mein Vertrauen erschüttert hatte. Ich rührte mich nicht, sondern nahm nur das abrupte Verstummen meines inneren Aufruhrs wahr. Es war schon lange her, seit ich das letzte Mal das schwindelerregende Kippen von Chaos in Kontrolle erlebt hatte. Nur Eva konnte mich so tief erschüttern und in eine Zeit zurückkatapultieren, als ich der Gnade anderer ausgeliefert war.
»Du hörst jetzt auf, gegen mich anzukämpfen«, sagte ich ruhig. »Und ich werde mich entschuldigen.«
Daraufhin wurde sie weich. Ihre Kapitulation kam prompt und bedingungslos. Ich hatte wieder die Oberhand.
Ich zog sie zu mir hoch, sodass sie auf meinen Oberschenkeln saß. Ich durfte nicht die Kontrolle verlieren, das ertrug Eva nicht. Wenn ich durchdrehte, zerbrach etwas in ihr, was mich noch mehr erschütterte. Es war ein Teufelskreis, den ich unbedingt unterbrechen musste.
»Es tut mir leid.« Dass ich ihr wehgetan hatte. Dass ich die Kontrolle über die Situation verloren hatte. Nach dem Albtraum war ich aufgewühlt gewesen – was sie gespürt hatte –, und als sie mir sofort mit Kline kam, blieb mir nicht genug Zeit, mich zusammenzureißen.
Ich würde mich mit ihm befassen. Ich würde sie mir nicht wegnehmen lassen. Basta. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
»Ich brauche deine Unterstützung, Gideon.«
»Du musst ihm sagen, dass du jetzt verheiratet bist.«
Sie drückte ihre Schläfe an meine Wange. »Das werde ich.«
Ich setzte sie bequemer auf meinen Schoß, lehnte mich an die Wand und umarmte sie fester. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals, und in meiner Welt rückte alles wieder an seinen rechten Platz.
Ihre Hand glitt über meine Brust. »Ace …«
Diesen lockenden Unterton kannte ich nur zu gut. Sofort wurde ich steif, mein Blut heiß und zähflüssig. Es machte Eva scharf, sich mir zu unterwerfen, und ihre Reaktion turnte wiederum mich an wie nichts anderes.
Ich fuhr ihr mit der Hand durchs Haar, und als ich meine Faust um ihre weichen goldenen Strähnen ballte, sah ich, wie ihre Lider bei dem sanften Zug meiner Hand schwer wurden. Sie war gebändigt, meiner Gnade ausgeliefert, und das liebte sie. Sie brauchte es genauso, wie ich es brauchte.
Ich küsste sie.
Dann nahm ich sie.
Während Angus Eva und mich zur Arbeit fuhr und ich durch meinen Terminkalender scrollte, fiel mir der Acht-Uhr-dreißig-Flug meiner Frau ein.
Ich sah sie an. »Du fliegst mit einem der Jets nach Kalifornien.«
Sie hatte aus dem Fenster des Bentley gesehen und so begierig wie immer die Bilder der Stadt in sich aufgenommen. Jetzt wandte sie mir ihren Blick zu.
Ich war in New York geboren. Ich war in der Innenstadt und deren Umgebung aufgewachsen, und schließlich hatte ich angefangen, sie mir zu eigen zu machen. Irgendwann hatte ich sie nicht mehr wahrgenommen. Doch durch Evas Interesse und Freude an meiner Heimatstadt war auch mein Interesse wieder geweckt. Zwar betrachtete ich sie nicht mit derselben Begeisterung wie Eva, sah sie aber trotzdem mit neuen Augen.
»Ach wirklich?«, fragte sie spröde, ihr Blick strafte sie allerdings Lügen.
Diese Nimm-mich-Aufforderung machte mich sofort wieder scharf.
»Ja.« Ich schloss meine Tablet-Tasche. »Es ist schneller, bequemer und sicherer.«
Sie verzog ihre Lippen. »Na dann.«
Ihr provokantes Lächeln stachelte mich an, weckte den Drang in mir, sie so gründlich und verboten zu nehmen, bis sie sich mir völlig ergab.
»Dann sag du Cary Bescheid«, fuhr sie fort und schlug ihre Beine neu übereinander, sodass ich kurz einen Blick auf die Spitzenbordüre ihrer Strümpfe und ihr Strumpfband erhaschte.
Sie trug eine ärmellose rote Bluse und einen weißen Rock zu hohen Sandaletten. Vollkommen angemessene Kleidung fürs Büro, die durch ihre Trägerin einen Hauch von Sex-Appeal bekam. Das instinktive Wissen, dass wir beide perfekt zusammenpassten, für einander geschaffen waren, verband uns wie sirrende Stromblitze.
»Frag mich doch, ob ich mitkomme«, sagte ich, weil mir die Vorstellung zuwider war, ein ganzes Wochenende ohne sie auskommen zu müssen.
Ihr Lächeln verblasste. »Das kann ich nicht. Wenn ich bekannt gebe, dass wir verheiratet sind, dann muss ich es Cary als Erstem sagen, und das kann ich nicht, wenn du dabei bist. Er soll sich nicht wie ein Außenseiter in dem Leben fühlen, das ich mit dir aufbauen will.«
»Aber ich will auch nicht der Außenseiter sein.«
Sie verschränkte ihre Finger mit meinen. »Wenn wir Zeit allein mit unseren Freunden verbringen, sind wir doch immer noch ein Paar.«
»Ich möchte lieber Zeit mit dir verbringen. Du bist der interessanteste Mensch, den ich kenne.«
Sie starrte mich mit großen Augen an. Dann plötzlich kam Bewegung in sie: Bevor ich michs versah, schob sie ihren Rock hoch und setzte sich rittlings auf mich. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände, drückte ihren vom Lipgloss ganz feuchten Mund auf meinen und küsste mich wie wahnsinnig.
»Mmmm«, stöhnte ich, als sie sich leicht keuchend von mir löste. Meine Finger umfassten die großzügige Kurve ihres prächtigen Hinterns. »Mach das noch mal.«
»Ich bin gerade unheimlich scharf auf dich«, hauchte sie und rieb meine Lippen mit ihrem Daumen ab.
»Damit kann ich leben.«
Sie lachte kehlig, und ihr warmer Atem umhüllte mich. »Ich fühl mich gerade so wundervoll.«
»Besser als eben im Flur?« Ihre Freude war ansteckend. Wenn ich die Zeit hätte anhalten können, hätte ich diesen Moment gewählt.
»Nein, anders wundervoll.« Ihre Fingerspitzen hüpften leicht auf meinen Schultern. Sie strahlte geradezu, wenn sie glücklich war, und erhellte durch ihre Freude alles um sie herum. Selbst mich. »Das war das schönste Kompliment, das du mir je gemacht hast, Ace. Vor allem, weil es von dem berühmten Gideon Cross kommt. Schließlich triffst du jeden Tag faszinierende Menschen.«
»Und wünsche, sie würden einfach verschwinden, damit ich wieder zu dir kann.«
Ihre Augen funkelten. »Gott, ich liebe dich so sehr, dass es schon wehtut.«
Meine Hände zitterten, daher grub ich sie in ihre Schenkel, damit sie es nicht bemerkte. Mein Blick wanderte suchend nach einem Punkt, an dem ich mich festhalten konnte.
Wenn sie nur gewusst hätte, was sie mit diesen drei kleinen Wörtern bei mir auslöste.
Sie umarmte mich. »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten«, murmelte sie.
»Alles. Alles, was du willst.«
»Lass uns eine Party schmeißen.«
Ich nutzte die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln. »Ja, großartig. Ich häng schon mal die Schaukel auf.«
Eva löste sich von mir und schubste mich an der Schulter. »Doch nicht so eine Party, du Schuft.«
Ich seufzte. »Schade.«
Sie warf mir ein verschmitztes Lächeln zu. »Ich könnte dir die Schaukel im Tausch gegen eine Party anbieten.«
»Ah, jetzt wird’s interessant.« Ich lehnte mich zurück, weil ich unser Geplänkel mehr als genoss. »Dann erzähl mal, was dir vorschwebt.«
»Wir laden deine und meine Freunde ein, und Alkohol gibt’s natürlich auch.«
»Okay.« Ich wog die Möglichkeiten ab. »Aber nur unter einer Bedingung: Ich bestehe auf einen Quickie in irgendeiner dunklen Ecke während der Party.«
Als sie schnell schluckte, musste ich insgeheim lächeln. Wie gut ich meinen Engel doch kannte! Es war völlig untypisch für mich, dass ich ihren geheimen Exhibitionismus teilte, und das verblüffte mich zwar, störte mich aber nicht im Geringsten. Ich hätte um keinen Preis die Augenblicke missen wollen, in denen nichts anderes zählte als mein Schwanz in ihrem warmen, einladenden Inneren.
»Du bist ein harter Verhandlungspartner«, sagte sie.
»So soll es sein.«
»Nun denn.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Dann kriegst du deinen Quickie, aber nur, wenn ich dir unter dem Tisch einen runterhole.«
Ich zog die Augenbrauen in die Höhe. »Angezogen«, konterte ich.
Eine Art Schnurren ertönte zwischen uns. »Ich denke, das möchten Sie sich vielleicht noch mal durch den Kopf gehen lassen, Mr. Cross.«
»Ich denke, Sie müssen sich schon etwas mehr Mühe geben, um mich zu überzeugen, Mrs. Cross.«
Wie immer war es mit niemandem so anregend zu verhandeln wie mit ihr.
Wir trennten uns im zwanzigsten Stock, wo sie den Aufzug verließ und ins Foyer von Waters Field & Leaman trat. Ich wollte sie dazu bringen, in meinem Team mitzuarbeiten. Das war ein Ziel, an dem ich täglich arbeitete.
Als ich in mein Büro kam, saß mein Assistent schon an seinem Schreibtisch.
»Guten Morgen«, sagte Scott und stand auf. »Die PR-Abteilung hat vor ein paar Minuten angerufen, weil sie ungewöhnlich viele Anfragen wegen einer angeblichen Verlobung von Ihnen und Mrs. Tramell bekommen. Sie möchten wissen, was sie verlautbaren sollen.«
»Sie sollen es bestätigen.« Ich ging an ihm vorbei zur Garderobe hinter meinem Schreibtisch.
Er folgte mir. »Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke.« Ich streifte mein Jackett ab und hängte es über einen Haken. Als ich mich zu ihm umwandte, sah er mich grinsend an.
Scott Reid erledigte seine unzähligen Aufgaben für mich mit stiller Effizienz, was dazu führte, dass andere ihn oft unterschätzten oder gar nicht wahrnahmen. Bei mehr als einer Gelegenheit hatten sich seine detaillierten Beobachtungen über bestimmte Personen als äußerst erhellend erwiesen. Er bekam von mir ein überaus großzügiges Gehalt, damit er nicht abgeworben wurde.
»Miss Tramell und ich werden noch vor Ende des Jahres heiraten«, informierte ich ihn. »Alle Anfragen zu Interviews oder Fototerminen mit einem von uns sollen nur über Cross Industries laufen. Und sagen Sie auch der Security unten Bescheid. Niemand sollte zu ihr vordringen, ohne dass ich vorher kontaktiert wurde.«
»Ich sage ihnen Bescheid. Mr. Madani wollte informiert werden, sobald Sie im Büro sind. Er würde vor dem Meeting heute Morgen gerne noch kurz mit Ihnen sprechen.«
»Einverstanden. Jederzeit.«
»Großartig«, sagte Arash Madani, der gerade eintrat. »Früher warst du manchmal schon vor sieben Uhr morgens hier. Du lässt nach, Cross.«
Ich bedachte meinen Anwalt mit einem warnenden Blick, allerdings ohne großen Nachdruck. Arash lebte für seine Arbeit und war auch verdammt gut, deshalb hatte ich ihn seinem früheren Arbeitgeber weggeschnappt. Er war der gewiefteste Anwalt, dem ich je begegnet war, und das hatte sich, seit er vor Jahren hier angefangen hatte, nicht geändert.
Ich wies auf einen der beiden Stühle vor meinem Schreibtisch, setzte mich und wartete, bis er selbst Platz genommen hatte. Sein dunkelblauer Anzug war schlicht, aber maßgeschneidert, und sein Lockenkopf war mit einem meisterhaften Haarschnitt gebändigt worden. Seine dunkelbraunen Augen strahlten Intelligenz und Scharfsinn aus, und sein Lächeln war eher warnend als freundlich. Er war nicht nur mein Angestellter, sondern auch mein Freund, und ich wusste seine Direktheit zu schätzen.
»Wir haben ein recht vernünftiges Angebot für die Immobilie auf der Thirty-Sixth bekommen«, verkündete er.
»Ach ja?« Mehr brachte ich nicht hervor, weil mich ein Wust an Gefühlen bestürmte. Solange ich das von Eva so gehasste Hotel besaß, blieb es ein Problem. »Das ist gut.«
»Das ist seltsam«, gab Arash zurück und stützte den linken Fuß auf sein rechtes Knie, »wenn man bedenkt, dass der Markt sich nur schwerfällig erholt. Ich musste mich erst durch mehrere Schichten bohren, bis ich entdeckte, dass das Angebot von einer Tochtergesellschaft der LanCorp kommt.«
»Interessant.«
»Unverschämt. Landon weiß, dass das nächsthöchste Gebot viel tiefer liegt – etwa um zehn Millionen. Ich empfehle, die Immobilie vom Markt zu nehmen und sie in ein, zwei Jahren noch mal anzubieten.«
»Nein.« Ich lehnte mich zurück und winkte ab. »Soll er es haben.«
Arash blinzelte. »Willst du mich verarschen? Warum willst du dieses Hotel so dringend loswerden?«
Weil es meiner Frau ein Dorn im Auge ist. »Ich habe meine Gründe.«
»Genau das sagtest du auch, als ich dir vor ein paar Jahren zum Verkauf riet und du dich entschieden hast, stattdessen Millionen für die Renovierung zu verschleudern. Und nun, wo sich die Ausgaben endlich rentieren, willst du es auf einem immer noch labilen Markt loswerden, und zwar an einen Typen, der deinen Kopf will?«
»Für den Verkauf einer Immobilie in Manhattan gibt es gar keinen schlechten Zeitpunkt.« Und ganz gewiss gab es keinen schlechten Zeitpunkt, etwas loszuwerden, was Eva meine »Fick-Suite« nannte.
»Es gibt aber bessere Zeitpunkte, das weißt du ganz genau. Und Landon weiß das auch. Wenn du an ihn verkaufst, gibt ihm das nur Auftrieb.«
»Gut. Vielleicht erhöht er seinen Einsatz.«
Ryan Landon hatte noch eine Rechnung mit mir offen, was ich ihm nicht verdenken konnte. Mein Vater hatte das Vermögen der Landons beträchtlich vermindert, und Ryan wollte, dass ein Cross dafür büßte. Er war nicht der erste Geschäftsmann und würde auch nicht der letzte sein, der sich wegen meines Vaters an mir rächen wollte, aber er war der hartnäckigste. Und er war jung und hatte somit noch viele Jahre, um sich seiner Aufgabe zu widmen.
Ich blickte auf Evas Foto auf meinem Schreibtisch. Alles andere war sekundär.
»Hey«, sagte Arash und hob in gespielter Kapitulation die Hände, »es ist dein Unternehmen. Ich wollte nur wissen, ob sich die Regeln geändert haben.«
»Nichts hat sich geändert.«
»Wenn du das wirklich glaubst, Cross, dann bist du schon weiter neben der Spur, als ich dachte. Während Landon an deinem Bankrott arbeitet, liegst du faul am Strand.«
»Hör auf, mich wegen eines freien Wochenendes anzumachen, Arash.« Ich hätte es jederzeit wiederholt. Die Tage mit Eva auf den Outer Banks waren wie ein gottverdammter Traum gewesen, den ich niemals zu träumen gewagt hatte.
Ich stand auf und ging zum Fenster. Die Geschäftsräume der LanCorp lagen in einem Wolkenkratzer zwei Blocks weiter, und Ryan Landons Büro hatte einen Panoramablick auf das Crossfire Building. Ich vermutete, dass er jeden Tag mehr als nur ein paar Minuten auf mein Büro starrte und über seinen nächsten Schachzug nachdachte. Hin und wieder starrte ich zurück und forderte ihn heraus, mehr Einsatz zu zeigen.
Mein Vater war ein Krimineller gewesen, der unzählige Existenzen zerstört hatte. Aber er war auch derjenige gewesen, der mir beigebracht hatte, Fahrrad zu fahren und meinen Namen mit Stolz zu tragen. Ich konnte Geoffrey Cross’ Reputation nicht retten, doch ich wollte verdammt sein, wenn ich nicht das schützte, was ich aus seinen Trümmern wieder aufgebaut hatte.
Arash kam zu mir ans Fenster. »Ich will ja nicht sagen, dass ich mich nicht auch mit einer Frau wie Eva Tramell verkriechen würde, wenn ich könnte. Aber ich hätte immer mein gottverdammtes Handy dabei. Vor allem, wenn ich mitten in einer Verhandlung zu einem Riesendeal steckte.«
Ich erinnerte mich daran, wie geschmolzene Schokolade auf Evas Haut schmeckte, und dachte, nicht mal ein Hurrikan, der jede einzelne Schindel vom Dach gefegt hätte, hätte meine Aufmerksamkeit von ihr abgelenkt. »Jetzt kriege ich richtig Mitleid mit dir.«
»Der Kauf dieser Software durch LanCorp macht ganze Jahre, die du in Forschung und Entwicklung gesteckt hast, null und nichtig. Und er wird langsam größenwahnsinnig.«
Genau das brachte Arash in Rage: dass Landon sich in seinem Erfolg suhlte. »Ohne die PosIT-Hardware ist die Software nahezu wertlos.«
Er warf mir einen Blick zu. »Ach wirklich?«
»Tagesordnungspunkt Nr. 3.«
Er sah mich an. »Auf meinem Exemplar steht: Abschluss steht noch aus.«
»Nun, auf meinem steht: PosIT. Reicht dir das?«
»Verdammt.«
Das Telefon auf meinem Schreibtisch meldete sich, gefolgt von Scotts Stimme aus dem Lautsprecher. »Mehreres, Mr. Cross. Zunächst einmal ist Miss Tramell auf Leitung eins.«
»Danke, Scott.« Mit Jagdfieber im Blut strebte ich zum Telefon. Wenn wir PosIT übernahmen, konnte Landon wieder ganz von vorn anfangen. »Sobald ich fertig bin, möchte ich sofort mit Victor Reyes sprechen.«
»Verstanden. Außerdem ist Mrs. Vidal am Empfang«, fuhr Scott fort. Ich erstarrte. »Soll ich das Morgenmeeting verschieben?«
Ich blickte durch die Glaswand, die mein Büro vom Rest der Geschäftsräume trennte, obwohl ich meine Mutter von hier aus nicht sehen konnte. Unwillkürlich ballte ich die Fäuste. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass ich noch zehn Minuten hatte – und meine Frau am Telefon. Ich hatte gute Lust, meine Mutter warten zu lassen, bis ich sie zwischen meine Termine schieben konnte und nicht sie mich, aber das verdrängte ich.
»Geben Sie mir zwanzig Minuten«, erwiderte ich. »Ich will zuerst mit Miss Tramell und mit Reyes sprechen, dann können Sie Mrs. Vidal zu mir reinlassen.«
»Alles klar.«
Ich zögerte einen Moment. Dann nahm ich den Hörer und drückte auf den blinkenden Knopf.
2
»Mein Engel.«
Gideons Stimme hatte auf mich immer noch dieselbe mächtige Wirkung wie bei unserer ersten Begegnung. Sie war kultiviert und gleichzeitig rauchig und sinnlich – und brachte mich sowohl in der Dunkelheit meines Schlafzimmers als auch am Telefon, wo sein unvergleichlich schönes Gesicht mich nicht ablenken konnte, völlig aus dem Konzept.
»Hi.« Ich rollte mit meinem Drehstuhl näher an den Schreibtisch. »Ich hoffe, ich störe nicht?«
»Wenn du mich brauchst, bin ich für dich da.«
Irgendetwas an seiner Stimme alarmierte mich. »Ich kann auch später noch mal anrufen.«
»Eva.« Bei dem autoritären Unterton krümmten sich mir die Zehen in meinen nudefarbenen Louboutins. »Sag, was du brauchst.«
Dich, hätte ich fast geantwortet – was ziemlich verrückt war, hatte er mich ein paar Stunden zuvor doch noch um den Verstand gevögelt. Nachdem er mich vorher die ganze verdammte Nacht um den Verstand gevögelt hatte.
Also erklärte ich stattdessen: »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«
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