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Lynette Baillons Zwillingsschwester Lysette starb bei einem Unfall. Das zumindest glaubt sie, bis der verführerische Spion Simon Quinn sie auf einem ausschweifenden Maskenball mit Lysette verwechselt. Lynette will alles daran setzen, ihre Schwester zu finden, doch sie weiß nichts von der skandalösen Affäre ihrer Mutter Maguerite mit Philippe de Saint-Martin, die wie ein dunkles Geheimnis auf den Schwestern lastet. Sie will Klarheit schaffen und lässt sich auf ein gefährliches Spiel mit dem leidenschaftlichen Quinn ein. Doch der hat ganz eigene Pläne mit der schönen jungen Frau.
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Seitenzahl: 397
Sylvia Day
Reizende
Verlockung
Aus dem Amerikanischen
von Nicole Hölsken
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Titel der Originalausgabe DON’T TEMPT ME
Vollständige deutsche Erstausgabe 03/2015
Copyright © 2008 by Sylvia Day
Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by
Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: © Nele Schütz Design
unter Verwendung von thinkstock
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN: 978-3-641-14536-1
www.heyne.de
Prolog 1
Paris, 1757
Ihre Finger klammerten sich verzweifelt an die Tischkante. Marguerite Piccards Körper wand sich. Sie war eindeutig erregt. Auf ihren Armen bildete sich eine Gänsehaut, und sie biss sich auf die Unterlippe, um gegen das lustvolle Stöhnen anzukämpfen, das sich unaufhaltsam Bahn zu brechen drohte.
»Lass es raus«, drängte ihr Liebhaber sie mit heiserer Stimme. »Deine Schreie treiben mich zum Wahnsinn.«
Ihre vor Leidenschaft halb geschlossenen blauen Augen trafen den Blick des Mannes hinter ihr im Spiegel. Der Waschtisch in ihrem Boudoir vibrierte im Rhythmus seiner wogenden Hüften, sein Atem kam rau und stoßweise, während er sie im Stehen liebte.
Die berühmten, sinnlichen Lippen des Marquis de Saint-Martin verzogen sich vor männlicher Befriedigung beim Anblick ihrer geröteten Wangen. Seine Hände umschlossen ihre wippenden Brüste, zwangen ihren Körper sich im Gleichklang mit dem seinen zu bewegen.
Beide Körper waren angespannt, die Haut schweißüberzogen, ihre Brust hob und senkte sich vor Anstrengung. Marguerites Blut pulsierte in ihren Adern, die Hingabe ihres Liebhabers hatte sie veranlasst, alles aufzugeben – Familie, Freunde, eine vielversprechende Zukunft –, nur um mit ihm zusammen zu sein. Sie wusste, dass er sie auf ähnliche Weise liebte. Das bewies er mit jeder Berührung und jedem Blick, den er ihr zuwarf.
»Wie schön du bist«, keuchte er und beobachtete sie im Spiegel.
Als sie ebenso zaghaft wie begierig diesen Ort für ihr Rendezvous vorgeschlagen hatte, hatte er vor Vergnügen laut aufgelacht.
»Ich stehe dir zu Diensten«, schnurrte er, und entledigte sich seiner Kleidung, während er ihr ins Boudoir folgte. Sein Schritt war katzenhaft-sinnlich, seine dunklen Augen schimmerten wie die eines Raubtieres, und sie schauderte in heißer Erwartung. Sex gehörte zu seinem Wesen. Er strahlte ihn mit jeder Pore aus, verkündete ihn mit jeder Silbe, zeigte ihn in jeder Bewegung. Und er war ein fantastischer Liebhaber.
Von dem Augenblick an, da sie ihn beim Fontinescu-Ball vor fast einem Jahr zum ersten Mal gesehen hatte, war sie von seiner goldenen Schönheit hingerissen gewesen. Sein Anzug aus rubinroter Seide hatte mühelos sämtliche Blicke auf sich gezogen. Marguerite war auf diesen Ball gekommen mit dem erklärten Ziel, den Marquis einmal leibhaftig zu sehen. Ihre älteren Schwestern hatten skandalöse Geschichten von seinen Liaisons erzählt, Okkasionen, bei denen er in flagranti ertappt worden war. Wiewohl verheiratet, verzehrten sich doch verschmähte Geliebte in aller Öffentlichkeit nach ihm, verharrten weinend vor seinem Haus, um ihm einen kurzen Augenblick der Aufmerksamkeit abzuringen. Sie war neugierig gewesen, was für einen Körper dieser offenbar äußerst lüsterne Mann wohl haben mochte.
Saint-Martin enttäuschte sie nicht. Einfach formuliert: Sie hatte nicht erwartet, dass er so … männlich war. Menschen, die dem Laster und den Ausschweifungen frönten, waren nur selten so ausgesprochen viril wie er.
Nie zuvor hatte sie einen Mann kennengelernt, der eine Frau so sehr aus der Fassung bringen konnte. Der Marquis sah umwerfend aus, besaß einen eindrucksvollen Körper, und seine Unnahbarkeit machte ihn einfach unwiderstehlich. Er hatte ebenso goldenes Haar und goldene Haut wie sie selbst. Und jede Frau in Frankreich begehrte ihn aus gutem Grund. Er war das personifizierte Versprechen unvergleichlicher Lust. Sein schläfriger Blick verhieß Dekadenz und verbotene Freuden, bei denen man sich selbst zu vergessen drohte. Der Marquis war doppelt so alt wie die achtzehnjährige Marguerite und mit einer Frau verheiratet, die so liebreizend war wie er gut aussehend. Doch nichts von alldem hätte seine unmittelbare, intensive Anziehungskraft auf Marguerite mindern können. Und umgekehrt schien auch sie ihn magisch anzuziehen.
»Ich bin ein Sklave Eurer Schönheit«, flüsterte er in jener ersten Nacht. Er stand in ihrer Nähe, während sie am Rande des Tanzparketts nach ihm Ausschau hielt. Seine hochgewachsene Gestalt lehnte an einer großen Säule, die zwischen ihnen stand. »Ich muss Euch einfach folgen. Von Euch getrennt zu sein, würde mir ungeheure Schmerzen verursachen.«
Marguerite blickte starr geradeaus, aber ihre Nerven vibrierten angesichts seiner Kühnheit. Ihr Atem ging stoßweise, ihre Haut war heiß. Sie konnte ihn nicht sehen, spürte aber seine Intensität. Seine Aufmerksamkeit beunruhigte und berührte sie gleichermaßen. »Ihr kennt sicher eine Menge Frauen, die deutlich schöner sind als ich«, erwiderte sie.
»Nein.« Beim Klang seiner heiseren, gedämpften Stimme setzte ihr Herz einen Augenblick lang aus. Dann fing es an zu rasen. »Das tue ich nicht.«
Er klang absolut aufrichtig. Deshalb glaubte sie ihm wider besseres Wissen, und daran hielt sie sich auch, als sie am darauffolgenden Morgen ins Wohnzimmer ihrer Mutter gerufen wurde.
»Hüte dich vor kindischen Träumereien im Hinblick auf Saint-Martin«, befahl ihr die Baronin. »Ich wurde gestern Zeuge, wie er dich ansah, und wie du ihm deinerseits bewundernde Blicke zuwarfst.«
»Alle anwesenden Frauen haben ihn bewundert, sogar du.«
Ihre Mutter drapierte den Arm über die Rückenlehne der Chaiselongue, auf der sie ruhte. Trotz der relativ frühen Stunde waren ihr Gesicht und ihre Perücke bereits großzügig gepudert, und ihre Wangen und Lippen in sattem Pink geschminkt. Das sanfte, silbrig weiße Ambiente ihres privaten Gemachs brachte die blasse Schönheit der Baronin sehr vorteilhaft zur Geltung, was natürlich Absicht war.
»Du, meine jüngste Tochter, sollst dereinst eine Ehefrau sein. Da der Marquis bereits die Freuden der Ehe mit einer anderen genießt, musst du dich wohl auf ein anderes Ziel konzentrieren.«
»Wie kannst du sicher sein, dass Saint-Martin die Ehe genießt? Schließlich wurde sie arrangiert.«
»Und das wird die deine ebenfalls, wenn du mir nicht folgst«, fuhr die Baronin mit stählerner Stimme fort. »Deine Schwestern haben beide eine gute Partie gemacht, wodurch ich dir mehr Freiraum geben kann. Nutze ihn mit Bedacht, sonst suche ich dir einen Mann aus, ohne dich vorher zu fragen. Vielleicht den Vicomte de Grenier? Man sagt, dass er ebenso ungestüm ist wie der Marquis, wenn es das ist, was dich anzieht. Aber er ist jünger und damit noch formbarer.«
»Maman!«
»Du bist nicht dazu geschaffen, einen Mann von Saint-Martins Sorte zu bändigen. Er süßt seinen Tee mit naiven Mädchen wie dir und frönt dann mit weniger vornehmen Törtchen der Völlerei.«
Marguerite hatte geschwiegen, denn alles, was sie über diesen Mann wusste, entstammte Gerüchten und Anspielungen.
»Halte dich von ihm fern, ma petite. Selbst der Hauch eines Skandals wird dich ruinieren.«
Marguerite wusste, dass ihre Mutter recht hatte. Deshalb verstummte sie und bemühte sich, ihrer Rede Glauben zu schenken. »Ich bin sicher, dass er mich bereits vergessen hat.«
»Naturellement.« Die Baronin schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. Marguerite war ihre Lieblingstochter, denn sie ähnelte ihr sowohl im Aussehen als auch im Temperament am meisten. »Ich möchte mit diesem Gespräch nur dafür sorgen, dass du meinen Bedenken Folge leistest.«
Aber Saint-Martin erwies sich als deutlich entschlossener, als die beiden vorausgesehen hatten. Während der darauffolgenden Wochen traf Marguerite ihn überall, ein Umstand, der sehr wirkungsvoll verhinderte, dass sie nicht mehr an ihn dachte. Es gab zahlreiche Spekulationen, warum er plötzlich weniger Interesse an seinen üblichen, eintönigen Abenteuern hatte, weshalb sie wiederum glaubte, dass er bewusst ihre Nähe suchte. Da die Spannung unerträglich wurde und sie von der Suche nach einem geeigneten Ehemann ablenkte, beschloss sie, ihn direkt zu befragen.
Und so versteckte sich Marguerite eines Tages hinter einer großen Zimmerpflanze und wartete darauf, dass er an ihr vorbeikam, als er ihr wieder einmal folgte. Sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen, um nach außen ruhig zu wirken, aber vor Anstrengung wurde ihr ganz schwindelig. Wie schon beim ersten Mal war sie umso verwirrter, je näher er kam. Sie konnte ihn nicht sehen, doch sie spürte jeden einzelnen seiner Schritte. Näher … immer näher.
Dann war er ganz nah. »Was wollt Ihr?«, stieß sie hervor.
Der Marquis blieb abrupt stehen und wandte suchend den Kopf. »Euch.«
Sie hielt den Atem an.
Er drehte sich um und sah ihr direkt ins Gesicht. Dann kam er mit katzenhafter Grazie auf sie zu, verengte die Augen und begutachtete sie von Kopf bis Fuß. Seine dunklen Augen betrachteten jeden Zentimeter ihres Körpers, sein Blick wurde glühend. Kühn hielt er auf ihrem Dekolleté inne, und Marguerite spürte, wie sich ihre Brüste ihm förmlich entgegenwölbten.
»Nicht!« Sie ließ ihren Fächer aufschnappen, um eine Art Barriere zwischen ihnen zu schaffen. Im Gefängnis ihres Korsetts wurden ihre Brustwarzen hart, als ob sie fröstelte. »Ihr erregt schon Aufsehen.«
»Und ich verderbe Euch für die Ehe, die Ihr anstrebt?«
»Ja.«
»Das kann mich nicht abschrecken.«
Sie blinzelte.
»Der Gedanke, dass Ihr einen anderen heiraten könntet«, knurrte er, »treibt mich zum Wahnsinn.«
Marguerite fuhr sich mit der Hand an die Kehle. »Schweigt«, bat sie ihn flüsternd. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. »Mir fehlt die Erfahrung, um scherzhaft auf derlei Geplänkel zu reagieren.«
Gelassen kam er näher. »Ich sage die Wahrheit, Marguerite.« Ihre Augen weiteten sich, als er sie beim Vornamen nannte. »Uns fehlt die Zeit für bedeutungsloses Gerede.«
»Aber mehr wird zwischen uns nie möglich sein.«
Der Marquis stand jetzt dicht vor ihr. Sie musste zurückweichen, sodass sie bald mit dem Rücken zur Wand stand. Nur eine dünne Blätterschicht schirmte sie von den Blicken der anderen Gäste ab. Das gewährte ihnen einen kurzen, privaten Augenblick, aber sicher nicht mehr.
Er zog den Handschuh aus und legte die Hand auf ihre Wange. Die Berührung seiner Haut schien sie förmlich zu verbrennen, sein würziger Duft verursachte ihr Schmerzen an ungeahnten Stellen. »Ihr spürt es doch auch.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ihr könnt die Anziehungskraft zwischen uns nicht leugnen«, schnaubte er. »Ich sehe doch, wie Euer Körper auf den meinen reagiert.«
»Vielleicht habe ich ja auch nur Angst.«
»Vielleicht seid Ihr ja auch nur erregt. Glaubt mir: Wenn ein Mann den Unterschied erkennen kann, dann ich.«
»Natürlich«, sagte sie bitter und ärgerte sich über das Gefühl der Eifersucht, das in ihr hochstieg.
»Ich habe mich gefragt«, murmelte er, ohne den Blick von ihren halb geöffneten Lippen abzuwenden, »wie es wäre, eine Frau wie Euch zu lieben – schön und unvergleichlich sinnlich, aber zu unschuldig, um dies als Waffe einzusetzen.«
»So wie Ihr Eure Schönheit als Waffe einsetzt?«
Ein Lächeln umspielte seine fein gemeißelten Lippen. Es linderte den zynischen Zug um seine Augen, und ihr Herz machte einen Satz. »Es gefällt mir, dass Ihr mich anziehend findet.«
»Gibt es überhaupt eine Frau, die das nicht tut?«
Der Marquis zuckte in einer eleganten Geste die Achseln. »Mich interessiert lediglich Eure Meinung.«
»Ihr kennt mich doch gar nicht. Vielleicht ist meine Meinung wertlos.«
»Ich würde Euch gern kennenlernen. Ich muss Euch kennenlernen. Von dem Augenblick an, da ich Euch zum ersten Mal sah, konnte ich an nichts anderes mehr denken.«
»Das ist unmöglich.«
»Würdet Ihr meinem Drängen nachgeben, wenn ich einen Weg fände?«
Sie schluckte schwer. Sie wusste, was sie eigentlich hätte antworten sollen, aber die Worte wollten ihr einfach nicht über die Lippen kommen. »Eure Lust wird wieder nachlassen«, stieß sie mühsam hervor.
Saint-Martin zog seine Hand zurück und wich zurück. Sein Kinn arbeitete. »Es ist keine Lust.«
»Was ist es dann?«
»Besessenheit.«
Marguerite beobachtete, wie er bedächtig den Handschuh wieder überstreifte, einen Finger nach dem anderen, als ob er Zeit brauchte, um seine Selbstbeherrschung wiederzuerlangen. Kaum zu glauben, dass er sich von ihr genauso magisch angezogen fühlte wie sie sich von ihm.
»Ich werde eine Möglichkeit finden, um Euch zu besitzen«, sagte er mit rauer Stimme. Dann verbeugte er sich vor ihr und ließ sie allein.
Sie sah ihm nach, erschüttert und voller Sehnsucht.
Während der darauffolgenden Monate untergrub er ihren Widerstand intensiv und konzentriert, indem er jeden möglichen Augenblick nutzte. Er stellte ihr Fragen über ihr Leben, brachte kleine, pikante Einzelheiten in Erfahrung und nahm lebhaft Anteil an ihren Aktivitäten.
Schließlich verlor ihre Mutter die Geduld und setzte ihre Drohung in die Tat um, den Vicomte de Grenier als Marguerites zukünftigen Mann auszuwählen. Ein paar Monate zuvor wäre Marguerite vielleicht froh darüber gewesen. Der Vicomte war jung, gut aussehend und wohlhabend. Ihre Schwestern und Freundinnen waren von ihrem Glück entzückt. Aber im Herzen sehnte sie sich nach Saint-Martin.
»Wollt Ihr de Grenier wirklich heiraten?«, fragte der Marquis barsch, nachdem er ihr auf einem Ball in eines der Ruhezimmer gefolgt war.
»Solche Fragen solltet Ihr mir nicht stellen.«
Er stand hinter ihr im Spiegel, das Gesicht unnachgiebig und streng. »Er ist nicht der Richtige für Euch, Marguerite. Ich kenne ihn gut. Wir haben mehr als einen Abend in den gleichen zwielichtigen Etablissements verbracht.«
»Ihr bemüht Euch, mir von einem Mann abzuraten, der Euch gleicht?«
Sie seufzte, als er ein empörtes Brummen von sich gab. »Ihr wisst doch, dass ich keine Wahl habe.«
»Werdet die Meine.«
Marguerite schlug die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken, und er zog sie zu sich heran.
»Ihr verlangt zu viel von mir«, flüsterte sie und studierte aufmerksam sein Gesicht, um zu erkunden, ob er die Wahrheit sagte. »Und Ihr habt mir nichts zu bieten.«
»Doch, mein Herz«, sagte er leise und strich mit dem Daumen sanft über ihre Unterlippe. »Das ist vielleicht nicht viel wert. Aber es gehört Euch, Euch allein.«
»Lügner«, spie sie hervor, wollte ihn verletzen, um sich abzuschirmen. Der Funke vergeblicher Hoffnung, den seine Worte in ihr entfachten, schmerzte sie. »Ihr seid ein erfahrener Verführer, und ich habe Euch widerstanden. Und nun droht einer Eurer Bekannten, Euch zu bezwingen. Das ist es, was Euch antreibt.«
»Das glaubt Ihr nicht wirklich.«
»Doch, das glaube ich.« Sie riss sich los und floh aus dem Zimmer.
Einige Abende lang gab Marguerite sich redliche Mühe, seine Gegenwart zu meiden, ein ebenso vergeblicher wie verspäteter Versuch, ihre zunehmende Faszination für einen Mann auszulöschen, der niemals ihr gehören würde. So lange wie möglich schob sie eine Krankheit vor, aber schließlich konnte sie sich nicht länger verstecken.
Als sie wieder zusammentrafen, war sie über sein Aussehen erschrocken. Sein gut aussehendes Gesicht wirkte abgespannt, seine Lippen waren schmal, seine Haut bleich. Sein Anblick schmerzte sie. Er sah sie einen Moment lang aufmerksam an, dann wandte er mit einem Ruck den Kopf ab.
Voller Sorge zog sie sich wissentlich in eine verborgene Ecke des Raumes zurück und wartete darauf, dass er zu ihr kam.
»Seid mein«, sagte er mit heiserer Stimme, als er sich ihr von hinten näherte. »Lasst mich nicht darum betteln.«
»Wollt Ihr das wirklich?« Sie konnte nur flüstern, so eng war ihre Kehle. Seine Nähe sandte süße, prickelnde Schauer über ihren ganzen Körper, was in unerbittlichem Kontrast zu der Taubheit stand, die sie in der vergangenen Woche empfunden hatte. Dass ihre kurzen Gespräche so viel Bedeutung erlangt hatten, war beängstigend. Aber die Vorstellung, sie nie wieder mit ihm führen zu können, war sogar noch erschreckender für sie.
»Ja, kommt mit mir.«
»Wann?«
»Jetzt gleich.«
Und so gab Marguerite alles auf, was sie kannte, und ging mit ihm. Er nahm sie mit nach Hause, in ein kleines Haus in einer achtbaren Gegend.
»Wie viele Frauen habt Ihr schon mit hierher gebracht?«, fragte sie und bewunderte die elegante Einfachheit der in Elfenbein und Walnussholz gehaltenen Einrichtung.
»Ihr seid die erste.« Er küsste sie auf den bloßen Nacken. »Und die letzte.«
»Wart Ihr Euch so sicher, dass ich kapitulieren würde?«
Er lachte leise, ein warmer, sinnlicher Laut. »Noch bis vor einer Woche diente dieser Ort einem erheblich weniger angenehmen Zweck.«
»Ach ja?«
»Diese Geschichte sparen wir uns für einen anderen Abend auf«, versprach er, und seine Stimme klang rau vor Verlangen.
Seitdem war dieses Haus ihr Heim gewesen, ihr Zufluchtsort vor einer Gesellschaft, die sie verurteilte, auf deren Akzeptanz sie verzichtet hatte, indem sie seine Geliebte wurde.
»Je t’adore«, stöhnte Saint-Martin, und seine Stöße wurden schneller und heftiger.
In ihrem Innern schwoll sein dicker Schwanz noch stärker an und durchflutete sie mit Lust und Wonne. Sie wimmerte, und seine Umarmung wurde fester, er stieß sie nach vorn, sodass er tiefer in sie eindringen konnte. Sein schlanker, muskulöser Körper umgab sie ganz und gar.
»Komm für mich, mon cœur«, flüsterte er an ihrem Ohr.
Seine Hand glitt zwischen ihre Beine, seine kundigen Finger rieben ihre geschwollene Klitoris mit Präzision. Seine sinnliche Geschicklichkeit und die langen, rhythmischen Stöße seines Schwanzes machten es ihr unmöglich, nicht zum Höhepunkt zu gelangen. Sie schrie auf, als ihr Orgasmus sich entlud. Ihre Hände umklammerten seine harten Gesäßmuskeln. In immer wiederkehrenden Wellen umschloss sie ihn mit aller Macht, und er stöhnte, erschauerte, als er sich ergoss, erfüllte sie mit dem üppigen, cremigen Saft seines Ejakulats.
Wie immer, nachdem sie sich leidenschaftlich geliebt hatten, umfasste Philippe sie auch heute. Mit geöffneten Lippen küsste er ihre Kehle und ihr Kinn.
»Je t’aime«, keuchte sie und schmiegte ihre feuchte Wange an die seine.
Er zog sich aus ihr zurück und beugte sich vor, um sie emporzuheben. Die dicken, goldenen Strähnen seines Haares klebten an seinem feuchten Nacken und an den Schläfen, was seine gerötete Haut und das befriedigte Funkeln in seinen dunklen Augen nur noch stärker zur Geltung brachte. Mit der Leichtigkeit eines Mannes, der an körperliche Arbeit gewöhnt ist – eine Vorliebe, die seinen muskulösen Körper erklärte –, trug er sie zum Bett hinüber. Marguerite hätte nie gedacht, dass er unter seinen Kleidern so schön war, aber es verbarg sich eben eine ganze Menge unter seiner zügellosen Fassade.
Gerade als Philippe ihren Körper mit dem seinen bedeckte, klopfte es an der Tür zum Schlafgemach.
Er fluchte und rief: »Was ist?«
»Ihr habt Besuch, Herr«, kam die gedämpfte Antwort des Dieners.
Marguerite sah auf die Uhr auf dem Kaminsims. Es war fast zwei Uhr morgens.
Er legte die Hand an ihre Wange und küsste sie auf die Nasenspitze: »Es dauert nur einen Augenblick, nicht länger.«
Sie lächelte. Sie wusste, dass er log, war aber nachsichtig mit ihm. Als er ihr zum ersten Mal anvertraut hatte, dass er als Spion in einer Vereinigung namens Secret du roi tätig war – ein geheimes Netzwerk, dessen Zweck darin bestand, die Geheimdiplomatie des Königs voranzubringen –, war sie verblüfft gewesen und konnte dieses neue Bild von ihm nicht mit dem in Einklang bringen, das er in der Gesellschaft von sich kultivierte. Wie konnte ein Mann, der als Lüstling bekannt war, der nur zum eigenen Vergnügen lebte, in Wahrheit ein Mensch sein, der Leib und Leben im Dienste seines Königs aufs Spiel setzte?
Aber als aus ihrer Lust Liebe wurde, und ihr tägliches Zusammentreffen zu einer innigen geistigen Verbundenheit anwuchs, erkannte Marguerite, wie vielschichtig ihr Liebhaber war und wie brillant seine Maske. Natürlich war die Vielzahl seiner Geliebten nicht ausschließlich Teil dieser Maske gewesen. Trotzdem war er alles andere als herzlos. Bis zum heutigen Tag bereute er es, ihren »gesellschaftlichen Niedergang« verursacht zu haben.
Als sie ihm gestanden hatte, dass auch sie Gewissensbisse hatte, weil sie ihn von seiner Frau fernhielt, hatte er sie fest in den Arm genommen und eine überraschende Wahrheit enthüllt: Marquise Saint-Martin – die man in der Gesellschaft wegen der Exzesse ihres Mannes mit großem Mitleid bedachte – hatte ihre eigenen Liebhaber. Es war eine Pflichtheirat gewesen. Ihre Ehe empfanden sie nicht als unangenehm, und beide waren damit zufrieden, ihr eigenes Leben zu führen.
Marguerite beobachtete, wie er in seinen Morgenmantel aus schwarzer Seide schlüpfte und zur Tür ging. »Ich vermisse dich jetzt schon«, sagte sie. »Wenn du zu lange webleibst, werde ich weinend durch die Straßen laufen und nach dir rufen.«
Er blieb im Türrahmen stehen und zog eine Braue in die Höhe: »Mon Dieu, glaub doch nicht jeden Unsinn, den du hörst. Das ist nur ein einziges Mal passiert, und das Gehirn dieser Frau hatte Schaden genommen.«
»Armes Ding. Doch eigentlich bezweifle ich, dass es ihr Gehirn war, das du anziehend fandest.«
Philippe grollte. »Warte auf mich.«
Er warf ihr einen Luftkuss zu und ging hinaus.
Als er die Schlafzimmertür hinter sich geschlossen hatte, verschwand das Lächeln aus Philippes Gesicht. Er schnürte den Gürtel seines Morgenmantels enger und ging die Treppe ins untere Stockwerk hinunter. Gute Nachrichten wurden zu dieser Stunde nur selten überbracht, deshalb sah er dem bevorstehenden Gespräch grimmig entgegen. Der Geruch nach Sex und Marguerite haftete immer noch auf seiner Haut, und er war sich stärker denn je der Wichtigkeit bewusst, die sie in seinem Leben eingenommen hatte. Sie hielt ihm seine Menschlichkeit vor Augen, ein Umstand, den er schon verloren geglaubt hatte in den Jahren, in denen er vorgegeben hatte, ein anderer zu sein.
Die Tür zum Salon stand offen, und er trat ein, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. Seine nackten Füße traten vom kühlen Marmor des Foyers auf den Teppich des Salons.
»Thierry«, begrüßte er seinen Gast, erstaunt darüber, wen er da vor sich hatte. »Ihr solltet doch heute Abend Desjardins Bericht vortragen.«
»Das habe ich auch getan«, antwortete der junge Mann, dessen Wangen von seinem Ritt gerötet waren. »Deshalb bin ich hier.«
Philippe bedeutete dem Kurier, auf dem Canapé Platz zu nehmen, während er in den Lehnsessel gegenüber sank.
Thierry war von der Reise schmutzig und zerzaust und setzte sich nur auf die Kante. Philippe lächelte darüber, wie nachsichtig er war, um den neuen burgunderfarbenen Samt zu schonen. Als dieser Raum als Bastion für die Spione von Secret du roi gedient hatte, waren die Möbel gedankenlos benutzt worden. Aber nach einer gewissen Zeit war das Haus als Treffpunkt aufgegeben worden, eine häufig eingesetzte Taktik, um Verdacht zu vermeiden, und er hatte sämtliche Spuren beseitigt und es mit jenem Prunk und Luxus gefüllt, der der Liebe seines Lebens angemessen war.
»Ich bedaure, Euch zu stören«, sagte Thierry, »aber ich habe Befehl, am Morgen wieder abzureisen, und wollte nicht riskieren, Euch zu verpassen.«
»Welche Neuigkeiten sind denn so dringend?«
»Es betrifft Mademoiselle Piccard.«
Philippe richtete sich auf und sah den Kurier aufmerksam an: »Ja?«
»Als ich gestern bei Desjardins ankam, hatte er einen Besucher, und ich wurde gebeten, vor seinem Arbeitszimmer zu warten. Ich glaube, ihm war nicht klar, wie gut er zu hören war.«
Philippe nickte grimmig. Er hatte es immer schon bemerkenswert gefunden, dass so ein schmächtiger Mann eine solch durchdringende Stimme besaß. Dass Desjardins aber über Marguerite gesprochen hatte, fand er beunruhigend, denn er wusste, wie sehr sein eigenes Wohlbefinden von ihrer Nähe abhing. Comte Desjardins war jung, ehrgeizig und begierig, die Gunst des Königs zu erlangen. Diese Eigenschaften machten ihn gefährlich für jeden, der ihm im Weg stand.
»Ich hörte den Namen Piccard«, sagte Thierry leise, als ob man sie belauschen könnte, »und obwohl ich wirklich versuchte, an etwas anderes zu denken, musste ich unwillkürlich genauer hinhören.«
»Verständlich. Man kann Euch keinen Vorwurf daraus machen, eine lautstarke Unterhaltung mit angehört zu haben.«
»Ja, genau.« Der Kurier lächelte dankbar.
»Was Mademoiselle Piccard anbelangt?«
»Desjardins sprach darüber, wie geistesabwesend Ihr in der letzten Zeit seid und wie man am besten damit umginge. Er legte nahe, dass Mademoiselle Piccard für Euer mangelndes Engagement verantwortlich sei.«
Philippe trommelte unruhig mit den Fingerspitzen auf sein Knie. »Wisst Ihr, wer sein Besucher war?«
»Nein, ich bedaure. Er verließ das Büro durch eine andere Tür als die, vor der ich wartete.«
Philippe stieß den Atem aus und ließ den Blick zum Kaminfeuer hinüberwandern. Dieser Salon war beträchtlich kleiner und weniger elegant als derjenige, den er mit seiner Frau teilte, doch war dieses Haus hier jetzt sein Heim. Wegen Marguerite.
Wer hätte je gedacht, dass eine zögerlich angenommene Einladung der Fontinescus den Wendepunkt in seinem Leben darstellen würde?
Er dachte an Marguerite und musste innerlich lächeln. Er war sich gar nicht im Klaren darüber gewesen, wie die vielen verschiedenen und miteinander widerstreitenden Aspekte seines Lebens ihn negativ beeinflusst hatten, bis sie es ihm vor Augen geführt hatte.
»Du bist so angespannt«, hatte sie eines Abends bemerkt, als ihre schlanken Finger seine schmerzende Nacken- und Schultermuskulatur massierten. »Wie kann ich dir helfen?«
Einen kurzen Augenblick lang hatte er erwogen, seine Sorgen durch ein paar Stunden leidenschaftlichen Sex zu vergessen, aber dann ertappte er sich dabei, wie er ihr Dinge erzählte, die er sonst niemandem sagte. Sie hatte ihm zugehört, dann hatte sich ein Gespräch ergeben, das ihm mehrere Lösungsmöglichkeiten vor Augen führte.
»Wie klug du bist«, hatte er lachend gesagt.
»Zumindest klug genug, um dich ausgesucht zu haben«, hatte sie mit spöttischem Lächeln geantwortet.
Selbst wenn er vorher gewusst hätte, wie die Beziehung zu ihr ihn beeinflussen würde, hätte das nichts geändert. Ihre Schönheit war außergewöhnlich und ein Quell endloser Freude für ihn, aber es war ihr reines Herz und ihre Unschuld, der er tiefste Achtung entgegenbrachte. Seine Liebe zu ihr erfüllte ihn mit Befriedigung, ein Gefühl, von dem er geglaubt hatte, dass es einem Mann wie ihm niemals mehr zuteilwerden würde. Seine Freude war fast vollkommen; er bedauerte lediglich, ihr nicht die Sicherheit seines Namens und seines Titels geben zu können.
Philippe atmete tief ein. »Gibt es noch etwas?«
»Nein, das war alles.«
»Ich bin Euch sehr dankbar.« Philippe erhob sich und ging zu dem Sekretär in der Ecke des Raums hinüber. Er öffnete ihn und holte ein kleines Portmonnaie hervor. Thierry nahm die ihm dargebotene Münze mit einem dankbaren Lächeln entgegen und ging. Philippe verließ den Salon und schickte den Diener wieder zu Bett.
Wenige Augenblicke später war er wieder bei Marguerite. Sie lag zusammengerollt auf der Seite, ihre glänzenden, blonden Locken auf dem Kissen ausgebreitet, ihre saphirblauen Augen blinzelten schläfrig. Im Licht der Kerze auf dem Nachttisch leuchtete ihre Haut wie Elfenbein. Sie streckte die Hand nach ihm aus, und seine Brust schmerzte bei ihrem Anblick, so weich und warm und einladend. Andere Frauen hatten ihm schon ihre Liebe versichert, aber niemals mit solcher Inbrunst wie Marguerite. Die Tiefe ihrer Zuneigung war von unschätzbarem Wert. Nichts und niemand würde sie ihm jemals nehmen.
Er ließ seinen Morgenmantel zu Boden gleiten und umrundete das Bett, um hinter ihr unter die Decke zu schlüpfen. Er legte einen Arm über ihre Taille und ihre Hände verflochten sich miteinander.
»Was war denn los?«, fragte sie.
»Nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.«
»Aber du bist besorgt. Das fühle ich.« Marguerite drehte sich zu ihm um. »Ich habe meine Methoden, um dich zum Reden zu bringen«, schnurrte sie.
»Hexe …« Philippe küsste ihre Nase und stöhnte, als er spürte, wie ihre warmen, seidigen Beine die seinen umschlangen. Er berichtete ihr von dem Gespräch mit Thierry und strich ihr beruhigend über den Rücken, als er merkte, wie sie sich verkrampfte. »Sorg dich nicht. Das ist nur ein kleines Ärgernis, mehr nicht.«
»Was willst du denn jetzt tun?«
»Desjardins ist sehr ehrgeizig. Er braucht das Gefühl, dass jeder Mann, der mit ihm zusammenarbeitet, ebenso engagiert ist wie er selbst. Das bin ich nicht, sonst hätte ich die Polen-Mission nicht abgelehnt.«
»Das hast du meinetwegen getan.«
»Du bist deutlich bezaubernder als die Polen, mon amour.«
Er küsste sie auf die Stirn. »Es gibt andere, die sich so für ihn einsetzen, wie er es braucht.«
Marguerite stützte sich auf den Ellbogen und blickte auf ihn hinunter. »Und damit lässt er dich einfach so davonkommen?«
»Was kann er denn schon tun? Abgesehen davon: Wenn er glaubt, dass mein Engagement so sehr gelitten hat, dass er sich mit meinem Privatleben befassen muss, dann sollte mein Rückzug aus dem Geschäft doch eine Erleichterung für ihn darstellen.«
Ihre Hand glitt über seine Brust. »Sei vorsichtig. Das musst du mir versprechen.«
Philippe hielt ihre Hand fest und führte sie an seine Lippen. »Ich verspreche es.«
Dann zog er sie zu sich und nahm ihren Mund, linderte ihre Ängste mit der Hitze seiner Leidenschaft.
Die Versammlung enger privater und politischer Freunde in Comte Desjardins’ Salon war laut und ausgelassen. Der Comte selbst lachte und amüsierte sich prächtig, als ihm eine Bewegung im Eingangsbereich ins Auge fiel.
Er erhob sich entschuldigend und ging mit wohldosierter Unbekümmertheit auf den Diener zu, der ihm diskret ein Zeichen gegeben hatte.
Er trat hinaus auf den marmornen Flur und schloss seine lärmenden Gäste mit einem Klick der Klinke aus. Mit hochgezogenen Augenbrauen bedachte er den Kurier, der im Schatten auf ihn wartete.
»Ich habe getan, was Ihr mir aufgetragen habt«, sagte Thierry.
»Hervorragend.« Der Comte lächelte.
Thierry streckte die Hand aus und reichte ihm ein nicht adressiertes Schreiben mit schwarzem Wachssiegel. In das Siegel eingelassen war ein Rubin, vollkommen rund und glitzernd im Licht des Lüsters, der im Foyer hing. »Man hat mich nicht weit von hier auf der Straße abgefangen und mir das hier übergeben.«
Desjardins erstarrte. »Von wem? Habt Ihr ihn gesehen?«
»Nein. Auf der Kutsche war kein Wappen zu sehen, und die Vorhänge waren zugezogen. Er trug Handschuhe, mehr konnte ich nicht erkennen.«
Wie immer. Der erste Brief war vor ein paar Monaten angekommen, und immer wurden die Schreiben durch einen beliebigen Kurier übergeben, was Desjardins zu der Schlussfolgerung verleitete, dass der Mann ein Mitglied der Vereinigung Secret du roi war. Wenn er nur wüsste, wer es war, und welchen Groll er gegen Saint-Martin hegte.
Der Comte nahm das Schreiben entgegen und entließ Thierry. Er kehrte nicht ins Wohnzimmer zurück, sondern nahm von der Küche aus die Treppenstufen hinunter in den Keller, wo er seinen Wein aufbewahrte. Der Brief wanderte in seine Tasche. Es würde nichts drinstehen. Nachdem er schon ein Dutzend solcher Schreiben erhalten hatte, war er sich dessen sicher.
Es gab lediglich einen Stempel, der eigens angefertigt worden war, damit niemand die Handschrift erkannte, und ein einziges Wort: L’Esprit. Der Rubin war ein Geschenk für seine Zusammenarbeit, ebenso wie die anderen gelegentlich überreichten Säckchen mit losen Edelsteinen. Eine kluge Bezahlung, denn Desjardins’ Frau liebte Juwelen, und Steine ohne Fassung konnten nicht zurückverfolgt werden.
Das geschäftige Lärmen aus der Küche klang nur noch gedämpft in seinen Ohren, nachdem Desjardins die Kellertür hinter sich geschlossen hatte. Er umrundete ein deckenhohes Regal und trat auf die kleine, grob gezimmerte Tür zu, die in die Katakomben führte. Sie stand einen Spalt weit offen.
»Stehen bleiben!« Die leise, heisere Stimme erinnerte an zerstoßenes Glas, das gegeneinandergerieben wurde, knirschend und unheilverkündend.
Desjardins hielt inne.
»Ist es erledigt?«
»Der Samen wurde eingepflanzt«, erwiderte der Comte.
»Gut. Saint-Martin wird noch beharrlicher an ihr festhalten, nun, da er sich bedroht fühlt.«
»Ich hätte geglaubt, dass er seiner Bettgenossin schon nach kurzer Zeit überdrüssig würde«, murmelte Desjardins.
»Ich habe Euch ja gewarnt, dass Marguerite Piccard anders ist. Was ein Glück für Euch ist, denn es hat zu einträglicher Verbundenheit zwischen uns geführt.« Es entstand eine gewichtige Pause. Dann fuhr er fort: »De Grenier ist jung und gut aussehend, und er begehrt sie. Für Saint-Martin wäre es ein Stachel im Fleische, wenn er sie an ihn verlöre.«
»Dann werde ich dafür sorgen, dass de Grenier sie bekommt.«
»Ja, tut das.« Als er die Endgültigkeit in L’Esprits Stimme hörte, empfand Desjardins Dankbarkeit, dass er der Verbündete dieses Mannes war und nicht sein Feind. »Saint-Martin darf nicht den leisesten Funken von Glück erfahren.«
Prolog 2
»Der Vicomte de Grenier macht seine Aufwartung.«
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