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Der BILD-Bestseller - einer der heißesten Romane des Jahres! »Jeder hat eine dunkle Seite«, sagt er und schenkt mir einen Blick aus Augen, die auf den Grund meiner Seele zu blicken scheinen. »Mich interessiert, was Ihre dunkle Seite ist, Miss Jones.« Verbotenes Verlangen In der glitzernden Welt der Londoner Elite verbirgt sich ein dunkles Geheimnis. Cassidy Jones, eine unschuldige Studentin, wird in ein Netz aus Macht, Lust und Verrat gezogen, als sie dem charismatischen Liam McConaughey begegnet. Er ist reich, attraktiv und gefährlich – Mitglied des berüchtigten Hell Fire Clubs, wo jede Fantasie ausgelebt wird. Um ihre Familie zu retten, geht Cassidy einen teuflischen Pakt ein. Doch je tiefer sie in Liams Welt eintaucht, desto mehr erwacht in ihr ein verbotenes Verlangen. "Mir geht es nicht um Liebe, Miss Jones", flüstert er mit einem diabolischen Lächeln. "Mir geht es darum, zu besitzen." Wird Cassidy ihr Herz und ihre Seele an den Mann verlieren, der sie zu zerstören droht? Eine fesselnde Geschichte über Obsession, Unterwerfung und die dunkelsten Begierden des Herzens. Dieses Buch enthält explizite Liebesszenen. Es wird daher empfohlen für Leserinnen und Leser ab 18 Jahren. Der Roman ist in sich abgeschlossen.
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Liebe Leserin, lieber Leser,
vielen Dank für dein Interesse an meinem Buch! Als kleines Dankeschön möchte ich dir gern einen meiner neuesten Romane schenken, den auf meiner Website kostenlos erhältst.
Die Lehrerin Sandy führt ein beschauliches Leben in der Kleinstadt Havenbrook, bis Jake, ihre Sandkastenliebe aus Kindertagen, plötzlich wieder auftaucht - aus dem Lausbuben von früher ist ein superheißer Bad Boy geworden, der in Sandy wilde Leidenschaften weckt.
Doch Jake zu lieben ist ein Spiel mit dem Feuer, bei dem sich Sandy mehr als nur die Finger verbrennen könnte ...
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Ich freue mich auf dich!
Deine
Jean Dark
Prickelnde Dark Romance Thriller von Jean Dark:
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Über das Buch
Liebe, Leidenschaft und mörderische Intrigen. Skandale und Affären in der Welt der Reichen und Mächtigen. Ein dunkles Geheimnis, das bis in die höchsten Ränge der Londoner Gesellschaft reicht.
Macht, Unterwerfung und ein Verrat, bei dem es um viel mehr als nur Millionen geht. Und mittendrin die Studentin Cassidy Jones, die sich von allen Männern ausgerechnet in den Falschen verlieben muss …
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Achtung! Dieses Buch ist kein Märchen!
Dieser Liebesromans handelt von den Geheimnissen eines elitären Clubs innerhalb der höchsten Kreise unserer Gesellschaft, welcher 1719 in London gegründet wurde. Exklusive Clubs dieser Art gibt es seit dem Mittelalter und sie existieren auch heute noch. Wenn Sie Probleme mit der expliziten Darstellung der in einem solchen Club üblichen Praktiken und Rituale haben, ist dieses Buch nichts für Sie. Wenn Sie sich davor fürchten, in die düsteren Abgründe von Liebe und Leidenschaft zu blicken, lesen Sie dieses Buch bitte auf keinen Fall!
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Copyright © 2017 by Jean Dark. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung von Joan Dark. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Autorin reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Alle in diesem Roman beschriebenen Personen sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen oder Unternehmen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Umschlaggestaltung: Ideekarree Leipzig, unter Verwendung von ©micro, Fotolia.com
Lektorat: Anne Bräuer
Korrektorat: Claudia Heinen
Impressum: Jean Dark, c/o Ideekarree, Alexander Pohl, Hallesche Straße 110, 04159 Leipzig, E-Mail: [email protected]
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Für meine Leserinnen und Leser.
Und für alle, die sich trauen, ihre Leidenschaften zu leben. Gebt acht auf euch!
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Die Novizin wird in einen dunklen Raum geführt, der lediglich von wenigen Kerzen in seiner Mitte erhellt wird. Sie kann nicht erkennen, wie groß der völlig fensterlose Raum ist oder wie viele Personen sich darin befinden. Eins aber ist sicher: Die oberen Grade des Ordens sind hier versammelt, um dieser, ihrer letzten Prüfung beizuwohnen.
Das Mädchen, das bereits mehr als zwei Stunden des erschöpfenden Aufnahmerituals hinter sich gebracht hat, unterzieht sich nun dem letzten Teil der Prüfung. Hier und jetzt wird sich der weitere Verlauf ihres Schicksals unwiederbringlich entscheiden. Eine zweite Chance wird es nicht geben.
Die Novizin geht auf den niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes zu, auf dem die Kerzen stehen. Drei weiße Stumpenkerzen und davor ein paar Seiten Pergament und eine Schreibfeder. Sie kniet vor dem Tischlein nieder und wendet sich an den Meister, den sie in dem dunklen Raum nicht erkennen kann. Vermutlich trägt auch dieser eine Maske, so wie sie es seit Stunden tut. Ihr ist bewusst, dass ihr Meister alles über sie weiß, ihr jedes noch so geheime Detail entlockt hat, in den Monaten, die dem Gesuch um die endgültige Aufnahme in den Orden vorausgingen. Er kennt sie inzwischen besser als sie selbst, doch allen anderen muss ihre wahre Identität ebenso verborgen bleiben, wie sie niemals die Gesichter ihrer Gegenüber kennenlernen wird, so intim sie mit jedem von ihnen auch zweifellos werden wird in der kommenden Zeit.
Die Adeptin ist nun bereit, ihre Ausbildung ist beinahe abgeschlossen.
Das Mädchen löst die Schnüre vor der Brust ihrer weißen, schmucklosen Bluse und öffnet sie vorn. Der Stoff gleitet von ihren Schultern und entblößt einen üppigen, wohlgeformten Busen. Für den Bruchteil eines Augenblicks gedenkt sie der Zeit, nur wenige Monate ist es her, da es ihr unmöglich erschienen wäre, sich selbst eine solche Blöße vor anderen zu geben. Sie wäre vor Scham vergangen. Doch all das liegt nun längst hinter ihr.
Der Meister beginnt, aus dem Dunkel zu sprechen: »Sind Sie sich bewusst, Novizin, dass Sie sich mit der Aufnahme in den Orden neue Verbindlichkeiten aufbürden und dass Sie Ihre natürliche Freiheit als Bürgerin damit unwiederbringlich einschränken? Haben Sie bedacht, dass Sie sich verpflichten, Dinge zu tun, die Ihnen möglicherweise unangenehm sind?«
Sie antwortet ohne Zögern: »Ja, all das habe ich bedacht. Ich bin Herr meines Willens und überzeugt, dass ziellose Ausgelassenheit und bedenkenlose Freiheit den Menschen schädlich sind. Ich bin sicher, dass es notwendig ist, die mir innewohnenden Begierden zu leiten, um mich vollends entfalten zu können, als freier Mensch unter freien Menschen.«
»Ich lobe Ihre Gesinnung. Sie entspricht dem Sinne der hier beiwohnenden Gesellschaft. Doch bevor ich Ihnen den Eintritt in den Orden der Ritter und Ritterinnen des Heiligen Sankt Francis gestatte, will ich die Bedingungen hören, unter denen Sie bereit sind, in den Orden einzutreten.«
Sie sagt, auch diesmal, ohne zu zögern: »Ich übertrage die Verantwortung für meinen Geist, meinen Körper, mein seelisches wie leibliches Wohlergehen dem Orden des Heiligen Sankt Francis. Dafür verpflichte ich mich, gehorsam zu sein und alle meine Kräfte zur Ehre und zum Besten des Ordens zu verwenden.«
»Ihr Begehren ist gerecht und vernünftig. Ich verspreche Ihnen daher im Namen des Ordens, aller nahen wie entfernten Mitglieder Schutz und Beistand, so lange Sie auf dieser Erde leben. Jedoch ...«
Aus dem Nichts schießt die Spitze eines Degens heran und findet ihr Ziel auf der linken Brust des Mädchens, genau über dem Herzen. Die messerscharfe Spitze ritzt die nackte Haut der Knienden, und ein Blutstropfen tritt hervor, welcher rasch größer wird.
»Solltest du jedoch zu einer Verräterin oder Meineidigen werden, so siehe hier in jenem Degen alle und jedes einzelne Mitglied des Ordens gegen dich versammelt. Niemals wirst du sicher sein, wohin auch immer du fliehen magst. Die Schande und Vorwürfe deines Herzens und die Rache deiner dir unbekannten Brüder und Schwestern werden dir folgen, bis du zur Strecke gebracht bist. Dann wirst du dich dem Urteil des Ordens stellen und beugen müssen. Verbannung und Tod werden dein Schicksal sein, wenn du dich gegen die Gesetze des Ordens stellst.«
»Ich habe verstanden«, sagt das Mädchen. Schweiß glänzt auf ihrer nackten Haut. Das lange rabenschwarze Haar fällt über ihre Schultern auf den Rücken herab.
»Ich gelobe ewiges Stillschweigen und Gehorsam allen Mitgliedern und den Gesetzen des Ordens gegenüber. Jetzt und immerfort, in alle Ewigkeit. Ich verzichte hiermit auf die Privilegien eines losgelösten Individuums und den selbstständigen Gebrauch meiner Kräfte und Fähigkeiten. Ich verpflichte mich, das Beste des Ordens als mein eigenes zu begreifen und bin bereit, dem Orden mit meinem Blut, meinem Körper und meiner Freiheit zu dienen.«
»Dies schwöre ich.«
»Dann erhebe dich jetzt als Mitglied des Ordens des Heiligen Sankt Francis«, tönt die Stimme aus der Dunkelheit.
Der Degen wird zurückgezogen, und die junge Frau erhebt sich in einer fließenden, eleganten Bewegung.
Dann führt man sie in einen anderen Raum.
* * *
»Der Ruf eines Mannes ist alles, das er je zu besitzen hoffen kann.«
– Sir Geoffrey Jones
London, heute
Ich bin vierundzwanzig und eigentlich ein ganz normales Mädchen. Dachte ich zumindest. Ich dachte sogar, ich hätte so etwas wie eine Zukunft vor mir. Und dass mir irgendwann der Richtige einfach so vor die Nase laufen würde. So irgendwie zwischen dem Abschluss mit Auszeichnung und meinem Aufstieg zum Vorstandsmitglied.
All das dachte ich mal.
Ich bin noch nicht mal besonders ehrgeizig. Finde zumindest ich. Es ist nur so: Wenn ich eine Sache anfange, ziehe ich sie auch durch. Ganz oder gar nicht. Das habe ich vermutlich von Dad. Der war auch schon immer so ein stadtbekannter Sturkopf. Na ja, zumindest, bis das mit Mom passierte. Ich glaube, das hat ihn ganz schön aus der Bahn geworfen und wer wollte ihm da einen Vorwurf machen? Danach war er nie wieder derselbe wie vorher.
Auch mir ist etwas passiert, das mich zu einem anderen Menschen hat werden lassen. Ja, ich glaube, das drückt es am besten aus. Seltsam, wenn man dachte, sich selbst einigermaßen zu kennen – nur, um einen Augenblick später in den Spiegel zu schauen und sich nicht mehr wieder zu erkennen, gewissermaßen.
Lisa, meine Mitbewohnerin, findet, ich würde mich um nichts anderes außer dem Studium kümmern. Aber ich bin keine Streberin, das liegt einfach in der Natur der Sache, wenn man Wirtschaftsrecht studiert. Haben Sie eine Ahnung, wie schwer es ist, ein Praktikum in einer der führenden britischen Beraterfirmen für Wirtschaftsunternehmen zu bekommen oder in Amerika (mein heimlicher Traum)? Ich habe das Gefühl, dass ich seit Monaten nichts anderes mache, als an meinen Bewerbungen zu feilen und ... na ja, vielleicht hat Lisa doch ein bisschen recht, wenn sie meint, ich vernachlässige mein Studentenleben. Aber was kann ich denn dafür, wenn mir eben gerade nicht so wirklich nach Party und Jungs zumute ist?
Ganz oder gar nicht, wie gesagt.
Apropos Jungs: Lisa meint auch, ich solle mich dringend mal flachlegen lassen. Jedenfalls öfter beziehungsweise ständig. So wie sie und Felix das beispielsweise praktizieren, und dank der ausgesprochen dünnen Wände in dem kleinen Häuschen, das wir uns teilen, bekomme ich das auch jedes Mal mit. Manchmal frage ich mich, wann Lisa denn überhaupt noch Zeit findet, zu schlafen oder – Gott bewahre! – was fürs Studium zu tun. Ich liebe sie wie eine kleine Schwester, aber in mancher Hinsicht sind wir das komplette Gegenteil voneinander.
Einmal hat sie mich sogar gefragt, ob ich nicht Lust hätte auf einen Dreier. In einem beiläufigen Ton, als erkundige sie sich, ob ich ihr vielleicht beim Abwaschen helfen mag. Wir waren beide ein bisschen beschwipst, ich sogar ein ganzes Stück mehr als sie, und später hat sie darauf bestanden, es sei nur ein Scherz gewesen. Aber ich glaube, für den Moment war das ihr voller Ernst. Felix ist ein netter Junge und ziemlich attraktiv, keine Frage. Aber es gibt Dinge, die muss ich nicht erst ausprobieren, um zu wissen, dass sie nur in einem Desaster enden können.
Lisa dagegen ist ausgesprochen experimentierfreudig. Was das betrifft, hat sie in Felix wohl echt ihren Seelenverwandten gefunden. Den stört es genauso wenig wie sie, dass ich durch die dünnen Wände alles mitbekomme. Und ich meine wirklich alles.
Aber letzte Nacht hat der Sache die Krone aufgesetzt.
Ein großer Hund hat sich in meinen Traum geschlichen und knurrt mich wütend an. Zumindest glaube ich das noch im ersten Moment nach dem Aufwachen, dann erwache ich irgendwann vollends.
Es ist stockfinster und ich merke, dass ich wohl auf der Couch im Wohnzimmer eingeschlafen sein muss. Mal wieder. Wir teilen uns das große Wohnzimmer und das Bad im Erdgeschoss, oben sind unsere Schlafzimmer und ein Gästezimmer, das wir zu einem kleinen Fitnessstudio umgemodelt haben.
Und ich liebe die Couch. So sehr, dass ich manchmal darauf einschlafe.
Besonders in den letzten Monaten habe ich eine sehr intensive Beziehung zu ihr entwickelt, während ich mich auf die Prüfungen vorbereitet habe und versuchte, herauszufinden, wie man die perfekte Bewerbung auf ein Praktikum bei einer der bekanntesten Beratungsunternehmen der Welt verfasst. Schon möglich, dass ich dabei auch begonnen habe, meine Leidenschaft für blumige Rotweine zu entdecken. Die in meinem Fall übrigens vom Supermarkt an der Ecke stammen und nicht aus einem Weinkeller, wofür mich Dad vermutlich enterben würde, wenn er es wüsste. Aber ich mag nun mal keinen Wein, der schmeckt, als bisse man in ein Stück Torf.
Da liege ich also, den Laptop auf dem Bauch, und erwache aus unruhigen Träumen von knurrenden Hunden. Bloß dass aus dem kehligen Knurren eher so etwas wie ein Hecheln wird, als ich aufwache. Erst dann bemerke ich, dass das Ganze von rhythmischen Quietschlauten begleitet wird. Also definitiv kein Hund, es sei denn, er hat seinen Spielknochen dabei.
Aber dann sagt der Quietschknochen etwas, das ich zwar nicht verstehe, aber in dem Moment wache ich vollends auf. Weil das Geräusch nämlich nicht von oben aus Lisas Schlafzimmer kommt.
Die Geräuschquelle ist näher. Viel näher.
Inzwischen habe ich die Theorie des spielenden Hundes komplett über Bord geworfen und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass niemand eingebrochen ist. Demnach müssen das Lisa und Felix sein, die sich vergnügen. Und zwar direkt hinter dem Rücken der Couch, auf der ich liege.
Mist. Ich halte den Atem an.
Vermutlich hat mein Gesicht gerade eine verblüffende Ähnlichkeit zu einer reifen Tomate, aber zum Glück ist der Raum ja stockfinster. Bis jetzt.
Dann verstummen urplötzlich das Quietschen und Knurren und auch die rhythmischen Stöße gegen den Wohnzimmerteppich hören auf.
Shit, denke ich, sie haben mich entdeckt.
Aber das haben sie nicht.
»Du hast den Kerl angestarrt«, sagt eine raue Stimme, »und er hat zurückgestarrt.« Felix, unverkennbar. Dann irgendetwas, das verdächtig nach Flittchen klingt.
»Und wenn es so ist?«, gibt Lisa zurück.
Ein heftiger Stoß, der die Vasen auf dem TV-Schränkchen zum Erzittern bringt, ist die Antwort, woraufhin Lisa ein wohliges Seufzen ausstößt.
»Wolltest du den Kerl ficken?«, fragt Felix, gefolgt von einem weiteren Stoß, gefolgt von einem Laut himmlischen Entzückens seitens Lisa. Gefolgt von einem Fragezeichen in meinem fraglos knallroten Gesicht.
Was treiben die beiden da bloß? Haben die Sex oder streiten die sich? Oder beides zugleich?
»Nein«, stöhnt sie.
»Was dann?« Rasche Stöße, denen das Hundeknochen-Quietschen antwortet. Lisa kann offenbar eine Menge verschiedenster Geräusche machen. Interessant.
»Ich wollte, dass du mich nimmst, dort mitten auf der Tanzfläche.«
Also waren sie im Club, denke ich zerstreut und höre weiter zu. Ich kann gar nicht anders.
»Ich wollte, dass du mir den Rock hochschiebst und mich im Stehen vögelst. Gleich dort, an der Wand neben der Bar. Und dass sie uns alle dabei zuschauen. Und dass ... oh ... oh, Gott!«
Lisas Stimme zittert, und als ihre langjährige Mitbewohnerin weiß ich, was das zu bedeuten hat. Nur zu gut. Die Wände sind ziemlich dünn, wie gesagt. Was ich bisher noch nicht wusste, war, mit welchen abartigen Fantasien die beiden ihr Liebesleben aufpeppen. Im Club, vor allen Leuten, geht’s noch?
Doch dann kommt mir ein schockierender Gedanke: Was, wenn es sich nun gar nicht um Fantasien handelt?
Ich bemerke, dass sich auch in meinem Kopf Bilder formen. Nicht von Felix, natürlich. Er ist süß, klar, und ich hab ihn schon ab und zu mit nichts als einem Handtuch bekleidet aus unserer Dusche kommen sehen und ja, ich kann absolut verstehen, was Lisa an ihm findet – mal davon abgesehen, dass sie offenbar beide die gleiche schmutzige Fantasie teilen. Aber mit ihm? So etwas könnte ich nie und nimmer. Schließlich ist Lisa meine beste Freundin.
Ich bemerke mit einigem Entsetzen, dass auch mich die Fantasie der beiden durchaus nicht kalt lässt. Gott, allein die Vorstellung, es in irgendeinem Club vor den Augen all der Fremden zu treiben, die dort versammelt sind, sendet mir mehr als nur wohlige Schauer über den Rücken. Vermutlich halten Sie mich jetzt für prüde, aber diese Art von Fantasien hatte ich bisher noch nie, okay?
Unter uns, offengestanden genügt mir häufig schon die Erinnerung an eine romantische Sexszene aus einem Film, oder es mir vorzustellen, wie mich die muskulösen Arme eines Mannes umgeben, um ... na ja, und den Rest tut meist der Duschkopf in der Badewanne.
Aber es geht ja jetzt nicht um mich. Unten auf dem Teppich vor der Sofalehne, hinter der ich mich verstecke, geht das muntere Treiben derweil weiter und erreicht zielsicher seinen Höhepunkt.
»Ich will, dass du mich auf einen Tisch wirfst ...«, bettelt Lisa und gibt sich nun nicht mal mehr Mühe, zu flüstern. Vielleicht kann sie sich auch nicht mehr konzentrieren. Gott, sie klingt, als würde sie jeden Moment kommen – und das nicht mal eine Armlänge von mir entfernt.
»Ja«, stöhnt Felix, »ich zerre das Tischtuch runter und das ganze Zeug fliegt durch die Gegend, dann knalle ich dich auf das nackte Holz.«
Wow, Felix kann ja richtig poetisch sein, denke ich und bekomme einen kleinen Schock, als ich bemerke, dass meine Hand gerade dabei ist, unter dem Bund meiner bequemen Jogginghose zu verschwinden. Hastig ziehe ich sie zurück.
»Oh ja«, seufzt Lisa, »und was machst du dann mit mir?«
»Ich reiße dir dein Kleidchen vorne auf, damit sie alle deine prächtigen Brüste sehen können.«
Und da lügt er kein bisschen, Lisa hat wirklich schöne Kurven und neben ihren wohlgeformten Brüsten übrigens auch echte Endlosbeine. Wobei ich sagen möchte, dass meine eigenen Kurven auch nicht schlecht sind, wenn auch ein ganzes bisschen, na ja ... kurviger, eben.
Zurück zu den beiden hinter der Couch.
Da liegt sie nun also mit aufgerissenem Kleidchen und ich höre, wie Felix umsetzt, was er ihr gerade versprochen hat. Ich höre es nur all zu deutlich, während meine Hände jetzt wieder auf Wanderschaft gehen, und diesmal schaffe ich es nicht, sie zurückzuziehen. Irgendwie ist das jetzt alles auf einmal: erregend, faszinierend und superpeinlich. Und eine kleine akrobatische Leistung, weil ich mich unter meinem Shirt und zwischen meinen Beinen berühre, während ich gleichzeitig meinen Laptop auf dem Bauch balanciere. Dunkel wird mir bewusst, dass mich jetzt keine Ausrede der Welt vor einer gigantischen Peinlichkeit bewahren kann, sollte plötzlich das Licht angehen und die beiden mich entdecken. Oh Gott, was, wenn die beiden die ganze Zeit nur so tun als ob, um mich reinzulegen? Was, wenn sie wissen, dass ich hier auf der Couch liege und sie hören kann.
Der nächste lang gezogene Stöhner von Lisa straft meinen Verdacht Lügen. Das hier ist nicht gespielt, es ist verdammt echt.
»Und dann ...«, sagt Felix, und jetzt ist auch er gehörig außer Atem, »dann kommen sie alle näher. Sie ... fassen dich an. Frauen, Männer, alle. Überall an deinem ... an deinem Körper, da sind überall ihre Hände und ich ... und du ... oh, oh FuckfuckFUCK!«
Die letzten Worte hat er regelrecht herausgebrüllt, davon wäre ich vielleicht sogar aufgewacht, wenn ich oben in meinem Zimmer gelegen hätte, wie ich es hätte tun sollen.
Ich beiße mir auf die Lippen, denn in diesem Moment bekomme ich ernsthafte Schwierigkeiten mit meinem kleinen Balanceakt mit dem Laptop auf meinem Bauch und der Hand in meiner Hose. Ein letzter sanfter Druck meines Zeigefingers auf diese ganz besondere Stelle, dann gibt es kein Zurück mehr.
Ein Stöhnen bricht aus mir hervor, und ...
Ein heißes Kribbeln schießt durch meine Körpermitte, und mein letzter bewusster Gedanke ist: Oh, mein Gott, das können die unmöglich nicht mitbekommen!
Aber dann ist auch das egal.
Mein Körper scheint nur noch aus Flammen zu bestehen, während ich versuche, geräuschlos zu kommen. Und der einzige Grund, warum die beiden das nicht hören, ist vermutlich, dass es ihnen in diesem Moment genauso geht, nur brüllen sie dabei wie Tiere, wofür ich ihnen ausgesprochen dankbar bin.
Oh, Shit, denke ich, während mein kleiner Höhepunkt in sanften Wellen nachklingt. Was zur Hölle war denn das gerade?
Irgendwann später beginnen die beiden, hinter der Couch ihre Klamotten zusammenzusuchen, schleichen davon und geben sich dabei sogar richtig Mühe, leise zu sein. Das ist aus zwei Gründen der reine Hohn: Erstens wäre wohl jeder in diesem Haus (und den Nachbarhäusern vermutlich ebenso) von dem Geschrei aufgewacht, das sie zum Schluss veranstaltet haben, und zweitens quietscht die Treppe jämmerlich, als sie nach oben gehen.
Als ich höre, wie die Tür von Lisas Schlafzimmer oben leise ins Schloss gezogen wird, ist mir klar, dass ich ein Riesenproblem habe. Wenn ich jetzt da hochgehe, werden sie das mitbekommen.
Shit.
Und dann werden sie wissen, dass sie eine heimliche Zuhörerin hatten, und das ... das ginge einfach nicht. Ich könnte ihnen nie wieder in die Augen schauen. Komisch, philosophiere ich, wenn eine Wand zwischen uns ist, können wir am nächsten Morgen ganz einfach so tun, als wäre in der Nacht überhaupt nichts passiert, und es funktioniert. Seltsam, wie sechs Zoll Gipskarton über das Ausmaß einer solchen Peinlichkeit entscheiden können.
Also entscheide ich mich dafür, noch ein bisschen auf der Couch liegen zu bleiben, in der Hoffnung, dass die da oben zu müde oder zu betrunken für eine zweite Runde sind. Sobald sie eingeschlafen sind, werde ich nach oben in mein Zimmer gehen. Dieser Plan kommt mir auch entgegen, weil meine Knie sich immer noch wie Wackelpudding anfühlen.
Gott!
Ich schaue auf meine Uhr, es ist drei. Ich denke, so gegen vier dürfte die Luft rein sein, dann kann ich nach oben schlüpfen, und wenn ich nur die äußersten Bereiche der Stufen benutze, dann werden sie hoffentlich nicht all zu sehr quietschen und ...
Ich schaffe es nicht mal, diesen Gedanken zu Ende zu denken, bevor ich wieder eingeschlafen bin.
Ich erwache von Kaffeeduft, der mir in die Nase steigt.
Es dauert ungefähr zwei Sekunden, dann fällt mir wieder ein, wieso ich auf der Couch liege – anstatt in meinem Bett, wo ich eigentlich sein sollte. Schlagartig werde ich ganz wach. Zunächst mal lege ich meinen Laptop, der den Rest der Nacht auf meinem Bauch verbracht hat, auf den Tisch. Dann richte ich mich vorsichtig auf und spähe durch die Durchreiche in Richtung Küche. Dort klappert Lisa mit dem Geschirr und ich sehe Neonfarben aufblitzen. Sie war joggen, natürlich, und wie üblich in aller Herrgottsfrühe. Wie viel Schlaf mag sie wohl bekommen haben in dieser Nacht? Zwei Stunden? Drei?
Aber dann überlege ich, dass mir das vielleicht die Möglichkeit bietet, halbwegs glimpflich aus der Sache rauszukommen. Ich stehe leise auf und husche in den Flur, wobei ich die Anrichte angstvoll im Auge behalte. Lisa rührt irgendetwas um, das auf dem Herd köchelt, und bewegt dabei rhythmisch ihren – zugegeben wohlgeformten, schließlich geht sie sehr oft joggen – Hintern hin und her. Ich sehe die weißen Kabelenden, die aus ihren Ohren kommen, sie hört irgendeine Musik mit Kopfhörern, um mich nicht zu wecken.
Wie lieb, denke ich voller Zuneigung und schlüpfe ins Bad – unbemerkt! Yes! Ich mache drei Kreuze, sobald ich die Tür hinter mir geschlossen habe. Ein Blick in den Spiegel enthüllt mir, dass ich so aussehe, wie sich Lisa fühlen sollte, wenn dies eine gerechte Welt wäre. Ist es aber nicht.
Ich spritze mir ein bisschen Wasser ins Gesicht und werfe mir ein aufmunterndes Lächeln zu, das allerdings zur einer Grimasse verkommt, als ich denke: Du kleine Spannerin, du. Hattest du Spaß gestern Nacht?
Und ich denke es mit Lisas Stimme. Oh je.
Zumindest sehe ich nun wieder einigermaßen passabel aus. Ich streiche mir eine rotbraune Strähne aus dem Gesicht, drehe mich um und mache mich geräuschvoll am Verschluss der Badtür zu schaffen, damit Lisa auch wirklich mitbekommt, dass ich nicht aus dem Wohnzimmer komme. Dann gehe ich raus und schließe die Tür, so laut ich kann, ohne dass es vollkommen lächerlich wirkt. Hoffe ich zumindest.
»Morgen, Schatz!«, brüllt Lisa und ich zucke zusammen, woraufhin sie sich mit einem entschuldigenden Lächeln die Stöpsel aus den Ohren pult.
»Hab dich gar nicht runterkommen hören, Liebes«, sagt sie. »Schön geschlafen?«
Ich nicke. Ja, oder so ähnlich. Und hat sie da nicht gerade den Kopf ein wenig schief gelegt, während sie mich angrinst? Ich überwinde meinen kleinen Panikanfall in der Hoffnung, dass sie ihn nicht bemerkt und ich mich damit vollends verrate.
»Wie ein Stein«, lüge ich.
»Dann ist ja gut«, kichert sie. Und ich weiß auch, warum sie kichert. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sie weiß, dass ich weiß, dass sie es weiß. Oh je, geht’s noch ein bisschen komplizierter?
»Kaffee?«, fragt sie und macht eine sexy kleine Bewegung zur Kaffeemaschine hin wie eine dieser Frauen, die beim Glücksrad immer die Buchstaben umdrehen. Was das betrifft, wäre Lisa ein echter Hingucker, sie macht das wirklich gut.
»Du bist ein Schatz«, sage ich und schlurfe zum Kühlschrank. »Die Milch ist alle«, seufze ich. Also kein Müsli heute. Mal wieder.
»Oh, tut mir leid, Schatz«, sagt Lisa. »Hab vergessen, einzukaufen. Ich, äh ...«
»Ich geh dann«, sage ich. Vermutlich ist sie gerade wieder ein bisschen knapp bei Kasse und vermutlich haben ihre ständigen Clubbesuche etwas damit zu tun. London ist eine ausgesprochen teure Stadt. Es ist mir ein Rätsel, wie sie das und ihr Studium auf die Reihe bekommt. Und Felix, natürlich. Ich komme mir für einen Moment unheimlich alt und mütterlich vor. Und mit Recht. Immerhin trennen uns ganze zwei Jahre.
»Ach und wegen der Miete ...«, sagt sie und setzt einen Blick auf, den sie vielleicht mal bei unserem Vermieter probieren sollte. Höchstwahrscheinlich würden wir ein Jahr mietfrei hier wohnen. Das Blöde daran: Bei mir funktioniert er auch.
»Kein Problem«, sage ich, denn das ist es ja nun wirklich nicht. Nicht, wenn man einen Dad wie ich hat, der mein Studentenleben so überaus großzügig unterstützt. Wenn man an einer Elite-Uni studiert, ist die Miete für ein kleines Häuschen an den Londoner Outskirts nämlich das kleinste Problem. Oder, wie Dad es stets auszudrücken pflegt: Wahrer Reichtum zeigt sich durch Großzügigkeit.
Na klar, Dad, denke ich. Und außerdem wird Lisa ihren Anteil natürlich irgendwann zurückzahlen. Nur halt ein bisschen später, ein zinsloses Darlehen, sozusagen. Oder ich könnte versuchen, es als Eintrittskarte zu der kleinen Vorführung zu begreifen, die mir die beiden gestern Nacht geboten haben.
Schnell versuche ich, an etwas anderes zu denken, und verschütte dabei ein wenig von dem Kaffee, den Lisa mir hingestellt hat. Ärgerlich wische ich es weg und führe die Tasse wieder zum Mund. Köstlich. Stark. Kochend heiß. Noch etwas, das Lisa wirklich gut kann.
Ich seufze. Genau, was ich jetzt brauche.
Glücklich strahle ich Lisa an, und die strahlt zurück. Die reine, studentische Unschuld. Und das soll dasselbe Mädchen gewesen sein, das sich gestern auf dem Teppich hinter der Couch gewunden und sich vorgestellt hat, von Fremden begrapscht zu werden, während ihr Freund sie hart rangenommen ...
Genug!
Jeder von uns hat nun mal ein dunkles Geheimnis und das ist eben das Geheimnis der beiden. Oder das dachten sie zumindest. Und was ich denke? Sollen sie. Was immer eine glückliche Partnerschaft ausmacht. Nicht mein Problem. Ich freue mich für sie.
»Wir wollten heut Abend mal in die Stadt, diesen neuen Club auschecken«, sagt sie und wirft mir einen fragenden Blick zu. »Lust, mitzukommen?«
Ein Clubbesuch, schon wieder? Die Party-Energie dieses Mädchens scheint grenzenlos zu sein. Vermutlich hätte sie locker ein Stipendium in der Tasche, wenn sie nur halb so viel Zeit in ihre Abendgestaltung investieren würde. Ich meine, ich habe ein Stipendium, aber ich muss wirklich hart arbeiten, es zu behalten.
»Keine Zeit«, sage ich also und zucke bedauernd mit den Schultern. »Muss noch was für die Uni machen. Und Bewerbungen.«
»Cassidy Jones«, sagt sie und droht mir spielerisch mit dem Zeigefinger, »du solltest dringend mal ein bisschen entspannen.«
»Das kann ich noch, wenn ich ...«, schnappe ich, vielleicht ein wenig zu aggressiv. Aber sie lässt mich gar nicht ausreden.
»Und vor allen Dingen solltest du dich dringend mal wieder flachlegen lassen.«
Na bitte, da ist es wieder. Dreht sich denn in Lisas Leben eigentlich alles nur um Sex?
»Lisa!«, rufe ich und verschütte wieder etwas Kaffee. Mal wieder flachlegen lassen? Wenn die wüsste. Aber vermutlich weiß sie. Man wohnt nicht über zwei Jahre im selben Haus, ohne so was zu wissen.
»Das ist mein voller Ernst«, sagt sie und macht ein grimmiges Gesicht, was natürlich nur noch komischer aussieht. »Du bist eine echte Schönheit, und das solltest du nutzen, solange du noch jung und knackig bist. Die Männer würden dir zu Füßen liegen heute Abend ...«
»Ich bin keine Schönheit«, erwidere ich. Ich meine, ich bin auch nicht gerade hässlich, aber ...
Sie schüttelt nur langsam den Kopf. Offenbar sieht sie diesen Punkt als nicht verhandelbar an.
»Und ich verspüre kein Bedürfnis, mich von irgendeinem dahergelaufenen Aufreißertypen flachlegen zu lassen.«
Nun hör sich einer an, wie ich spreche. Aufreißertyp? Die Neunziger haben angerufen und wollen ihr Wort zurück.
Findet vermutlich auch Lisa, weil sie ein bisschen kichern muss. Dann sagt sie aber nur: »Wie du meinst. Aber es ist eine echte Verschwendung, mit dir entgeht der Männerwelt wirklich was. Und umgedreht.«
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ja, schon klar, denke ich. Und ich kenne ein Mädchen, das es offenbar heiß findet, wenn ihr die gesamte Männerwelt dabei zuschaut, wie sie ... aber so bin ich nun mal nicht. Überhaupt nicht.
»Ich will eben erst mal Karriere machen«, kontere ich mit meinem ewig gleichen Argument. Das mir noch nie so schwach vorgekommen ist wie jetzt.
»Siehst du, das ist ja gerade der Punkt«, sagt Lisa. »Du wirst es nicht für möglich halten, aber auch in der Geschäftswelt gibt es Männer. Männer mit Geld, Einfluss, Macht.«
»Ja, und?«, frage ich, weil ich nicht kapiere, worauf sie damit hinauswill.
»Diese Männer spielen gern. Und sie stehen auf Frauen, die diese Spiele mitspielen.«
»Spiele?«, frage ich, »was für Spiele meinst du denn?«
Plötzlich schaut sie kurz zur Seite, dann strahlt sie mich wieder an.
»Macht, Einfluss«, sagt sie, »und Geld. Solche Spiele. Und natürlich jede Menge Sex.«
»Das, meine Liebe«, sage ich, »nenne ich mal eine ziemlich verquere Vorstellung von der Geschäftswelt und der Welt im Allgemeinen. Besonders für jemanden, der Wirtschaftsrecht studiert.«
Meine Liebe? Oh Gott. Habe ich das gerade gesagt oder Jessica Fletcher aus Mord ist ihr Hobby?
»Das findest du dann verquer, Teuerste?«, sagt sie und stößt ein Lachen aus, »was meinst du denn, wieso der Premierminister ...«
Aber sie kommt nicht weiter, denn in diesem Moment klingelt mein Handy. Ich haste zurück ins Wohnzimmer, wo es verräterischerweise immer noch auf dem Couchtisch neben meinem Laptop liegt. Beinahe so, als hätte ich die Nacht auf der Couch verbracht – welch ein lächerlicher Gedanke, Teuerste!
Als ich auf das Display meines Telefons schaue, sehe ich, dass es Dad ist.
Das ist ja merkwürdig, denke ich, um diese Uhrzeit ruft er sonst nie an.
Das, was als strahlender Morgen begann, hat sich in den letzten dreißig Minuten in ein typisches Londoner Schmuddelwetter verwandelt. Glücklicherweise hat Lisa sich bereit erklärt, mich in ihrem Mini mitzunehmen und einen kleinen Umweg zu fahren, was mir die Kosten für ein Taxi erspart. Nachdem ich mich in aller Eile in mein weißes Businesskleidchen gezwängt habe, werfe ich noch meinen kurzen Regenmantel über. Das Outfit ist hübsch und auch einigermaßen passend für den Anlass, aber vermutlich werde ich meine Entscheidung bereuen, falls es später kühler und noch stärker regnen wird.
Aber bis dahin ist es wenigstens ein hübscher Anblick.
An all das denke ich nur flüchtig, denn da war etwas in Dads Stimme, das mir gar nicht gefallen hat. Seit Moms Tod ist er einfach nicht mehr derselbe Mann. Er verlässt kaum noch die unmittelbare Umgebung seines Cottages und verbringt die meiste Zeit im weitläufigen Garten hinter dem Haus. Ich kenne den Garten und das Haus sehr gut, immerhin bin ich dort aufgewachsen und habe den Großteil meiner Kindheit da verbracht.
Von Mom habe ich allerdings deutlich weniger mitbekommen, als ich mir das als kleines Mädchen gewünscht habe. Sie war oft geschäftlich auf Reisen, und das, was ich am deutlichsten von ihr in Erinnerung habe, ist ihre Liebe für die Rosen, welche Dad hinter dem Haus für sie gezüchtet hat.
Unzählige Male hat er mir die Geschichte erzählt, dass sie damals, als sie ein neues Zuhause suchten, bei der Besichtigung einen Strauß wilder Rosen hinter dem Haus entdeckt haben. Damit war die Kaufentscheidung sofort gefallen. Ist das nicht unglaublich romantisch?
In den folgenden Jahren hat Dad diese Rosen veredelt, und so wurde das Gärtnern zu seinem liebsten Hobby neben dem Golfen und dem Sammeln edler Weine, die für mich leider nur als ungenießbar einzustufen sind.
Mom war eine ausgesprochen schöne Frau, das bezeugen die wenigen Fotos, die ich von ihr habe. Sie hatte wunderbares kohlrabenschwarzes Haar, das sie meistens offen trug. In meiner Erinnerung war sie außerdem eine perfekte Frau, was vielleicht daran lag, dass ich sie so selten zu Gesicht bekommen habe. Die Mystik des Unerreichbaren oder so was. Ich weiß, dass Dad sie abgöttisch liebte – und das wohl auch heute noch ungebrochen tut. Ich weiß von keinem einzigen Date, seit Mom vor zwei Jahren nach einem kurzen Kampf plötzlich an Krebs verstarb. Ich glaube, das hat ein Loch in sein Herz gerissen, das nie wieder verheilt ist.
Und vielleicht hat er auch keine rechte Lust, es heilen zu lassen. Noch nicht, hoffe ich.
Davon abgesehen, dass ich gern mehr über meine Mom erfahren hätte, die mir immer so etwas wie eine nette Fremde blieb, hat mich als Kind das Alleinsein nie gestört. Auch Dad, der eine der erfolgreichsten Baufirmen Londons leitet, war selten daheim. Ich wurde hauptsächlich von verschiedenen Kindermädchen großgezogen.
Das mag Ihnen vielleicht seltsam vorkommen, aber mir hat das wirklich nichts ausgemacht. Es gab einfach zu viel zu lernen und zu entdecken in dem riesigen Cottage, oder zumindest kam es mir als kleines Mädchen so vor. Ich bildete mir alle möglichen Abenteuer ein, während ich durch die vielen Zimmer streifte und mich vor Unholden verstecken musste oder unbekannte Kontinente entdeckte. Und wenn mir die Fantasie ausging, schnappte ich mir ein Buch aus Dads gigantischer Bibliothek und machte es mir in seinem Lesesessel gemütlich.
Ich hatte tausend Fragen, ständig und zu allen möglichen Themen. In dieser Hinsicht muss ich ein ungeheurer Quälgeist gewesen sein. So kam rasch ein Privatlehrer zu dem Kindermädchen, um meinen Wissensdurst zu stillen. Außerdem wusste ich ja, dass mein Dad jeden Abend in mein Zimmer kommen würde. Das tat er immer, egal, wie spät er nach Hause kam, um mir einen Gutenachtkuss zu geben. Ohne konnte ich nämlich nicht einschlafen, ausgeschlossen!
Doch ich schätze, es ist etwas anderes, wenn man weiß, dass man für immer allein sein wird. Dass der letzte Gutenachtkuss geküsst und das letzte »Ich hab dich lieb« gesagt worden ist. Manchmal, wenn Dad glaubt, ich sehe nicht hin, fällt sein Gesicht richtig in sich zusammen, dann wirkt er ganz schwach und krank. Einsam und zurückgelassen. Dann gehe ich hin und drück ihn ganz fest, bis er mir übers Haar streicht und mich beruhigt. Es sei alles in Ordnung, sagt er, und er komme bestimmt bald wieder ins Lot.
Ich hoffe wirklich, dass das stimmt.
Ich vermute, das ist der Grund, warum er sich weitestgehend aus dem Baugeschäft zurückgezogen hat, das er damals mit Graham Marsden, seinem Partner, gegründet hat. Anfangs nannte er das Auszeit, dann Sabbatjahr. Das ist jetzt über zwei Jahre her.
Okay, Themenwechsel.
Lisa schafft es irgendwie, durch den morgendlichen Londoner Verkehr zu kurven, ohne uns beide dabei umzubringen, was ich ihr hoch anrechne. Sie rast wirklich wie eine Furie, wie jeder andere auch im Londoner Berufsverkehr, aber ich bange jedes Mal um mein Leben, wenn ich in ihren aufgemotzten Mini steige. Das kleine Ding ist höllisch schnell. Allerdings hat ihr Fahrstil diesmal einen Vorteil, nämlich den, dass ich noch beinahe pünktlich zu meinem Termin mit Charles Mortimer erscheine. Mr Mortimer gehört zu meinen Kindheitserinnerungen beinahe ebenso wie die unzähligen Kindermädchen, die Rosen und meine Lesestunden in Dads Bibliothek. Er ist geradezu das Klischee eines englischen Lords, mit seinem mächtigen schlohweißen Backenbart und seiner Halbglatze, die er schon hatte, seit ich denken kann. Er trägt stets und ständig einen maßgeschneiderten Anzug von Kilgour, French & Stanbury, und ich habe ihn noch nie in einem anderen Zustand als absolut perfekt geschniegelt erlebt.
In seiner Gegenwart fühle ich mich immer auf eine seltsame Art geborgen, so als wäre der alte Anwalt eine schützende Mauer zwischen mir und der bösen Welt da draußen, die voller Spinner ist, die einen ständig verklagen wollen. Das hat zumindest Dad immer gesagt, und dann haben die beiden gelacht, während sie in der Bibliothek vorm Kamin saßen und an dem Scotch in ihren Gläsern nippten.
Mittlerweile bin ich alt genug, um zu begreifen, dass das nicht wirklich witzig war, sondern eher eine Art Galgenhumor. Erfolg bringt nun mal jede Menge Neid und Missgunst mit sich, und mein Dad war in seinem Geschäftsleben immer ein überaus erfolgreicher Mann.
Ich hopse aus dem Auto auf den Fußweg und Lisa braust davon.
Mir ist, als schütte jemand Wasser aus Eimern über meinem Kopf aus, also stöckele ich hastig in meinen High Heels über den Fußweg und werfe mich unter den schützenden Vorsprung über der Eingangstür wie ein Flügelstürmer beim Rugby. Bloß ist der Schlussmann, gegen den ich pralle, mir in jeder Hinsicht überlegen.
Unser kurzes Tackling endet nach einer knappen Sekunde. Und zwar damit, dass ich in einer Pfütze auf dem Fußweg liege.
Der Kerl, der die Tür zu Charles Mortimers Kanzlei genau in dem Moment geöffnet hat, als ich das Haus betreten wollte, ist ein wahrer Riese von einem Mann. Vielleicht kommt mir das aber auch nur momentan so vor, weil ich zu seinen Füßen in einer Pfütze liege. Seine Silhouette ragt über mir auf wie der Turm in einer mittelalterlichen Burg, während der Regen unbarmherzig auf uns einprasselt.
Ich schaue auf, in dem festen Vorsatz, diesem Grobian einen wütenden Blick zuzuwerfen, aber ...
Oh. Selbst von hier unten fällt mir auf, wie unglaublich attraktiv besagter Grobian ist. Während der nächsten Sekunden registriere ich die eleganten Lederschuhe an seinen Füßen, fraglos eine italienische Maßanfertigung, während mein Blick an den Hosenbeinen seines anthrazitfarbenen Maßanzugs nach oben gleitet. Sein Jackett trägt er offen, ihm scheint der strömende Regen irgendwie weniger auszumachen als mir. Von hier unten ist nicht der Ansatz eines Bauches über seinem Hosenbund zu sehen. Was ich aber sehr wohl erkenne, ist das tadellose, anthrazitfarbene Hemd, das von einer silberfarbenen Krawatte mit passender Krawattennadel veredelt wird. Keine Ahnung, wieso ich dieses beinahe nutzlose kleine Stück Metall an einer Krawatte so unsagbar sexy finde.
Mein Rugbyverteidiger ist jedenfalls eine ausgesprochen elegante Erscheinung. Seine Kleidung drückt so viel Understatement aus, dass es fast schon protzig wirkt. Aber der Kerl kann es wirklich tragen. Meine Güte ...
Und dann erreichen meine Augen sein Gesicht, und in dem Moment beginnt die Zeit urplötzlich, im Schneckentempo zu vergehen. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass mein Unterkiefer herunter klappt, als ich Zeuge dieses beeindruckenden Naturschauspiels werde. Den Anzug und den ganzen Rest habe ich sofort vergessen. Die Welt um uns versinkt zu reinem Hintergrundrauschen, und alle Leute bewegen sich plötzlich in Zeitlupe, so als würden sie durch unsichtbares Gelee waten.
Oh. Mein. Gott. Diese Augen. Dieses Gesicht!
Dunkler Teint. Männliche Züge und volle Lippen, an denen ich auf der Stelle herumknabbern möchte. Und ...
Aber natürlich möchte ich das nicht. Ich kann das nicht wollen. Ich liege schließlich immer noch in einer Pfütze, und der Kerl, der mich hineingestoßen hat, macht noch nicht mal Anstalten, mir aufzuhelfen.
Aber für einen Moment vergesse ich auch das. Sein schwarzes Haar ist zu einer leicht verstrubbelten Scheitelfrisur gelegt. Ich schwöre, es ist wirklich kohlrabenschwarz, ich habe noch nie so dunkles Haar gesehen, und es ist ganz sicher nicht gefärbt oder so was. Seine Haut schimmert in einem seidigen, dunklen Ton, vermutlich von einem kürzlich verbrachten Urlaub an der Riviera, der so gar nicht in das nasskalte, spätsommerliche London passt. Hat der es gut.
Ich blinzle, weil mir dieser Anblick fast zu viel wird. Ungefähr da bemerke ich die breiten Schultern, die sich unter seinem perfekt sitzenden Jackett abzeichnen, weil er sich nun doch zu mir herunterbeugt. Ich liege derweil immer noch in der Pfütze und sauge mich mit Schmutzwasser voll wie ein Schwamm. Londoner Schmutzwasser, zu allem Überfluss. Meine Klamotten werde ich anschließend wegschmeißen können.
Dann ist es vorbei, und ich greife nach seiner Hand. Sie ist groß und kräftig, und als sie sich um meine schließt, verspüre ich beinahe einen Anflug von Geborgenheit. Ich bemerke seine gepflegten Nägel, während ich draufstarre. Ich bemerke auch, dass er eine schwere Breitling am Handgelenk trägt. Wie schön für ihn. Er zieht mich mühelos hoch wie ein Kind, das seinen Stoffteddy aufhebt, der in eine Pfütze gefallen ist. Und ich bin der Teddy.
Er sagt nichts, er lächelt nicht. Er entschuldigt sich nicht.
Er nickt mir nur flüchtig zu. In diesem Moment treffen sich unsere Augen, und mir ist, als würden meine Beine unter mir versagen und mich gleich wieder zurück in die Pfütze befördern, in der ich soeben wenig elegant mein morgendliches Bad genommen habe.
Sie sind nicht wirklich schwarz, diese Augen, das sah nur von unten so aus. In Wahrheit sind sie von einem eigentümlich dunklen Blau. Wie ein Ozean bei Gewitter. Kurz bevor der Sturm losbricht.
Für einen Moment glaube ich fast, dass sein Blick ebenfalls ein wenig länger an mir Hängen bleibt, als normal wäre. Was allerdings ist schon normal an dieser Begegnung? Eine Haarsträhne fällt ihm in die Stirn und ich beiße mir auf die Lippen, was ich erst merke, als es beginnt, wehzutun.
Oh, mein Gott, diese Augen.
Als er einigermaßen sicher zu sein scheint, dass ich von allein stehen kann (ich selbst bin da allerdings überhaupt nicht sicher), nickt er mir nochmals zu, und ich glaube fast, er lächelt ein bisschen, aber das ist vielleicht nur Wunschdenken. Dann dreht er sich um und geht in Richtung Straße. Erst jetzt sehe ich, dass da eine ziemlich beeindruckende schwarze Limousine steht und daneben ein Chauffeur, der ihm die Tür aufhält. Er steigt ein, und kurz bevor der Chauffeur die Tür sanft ins Schloss drückt, treffen sich unsere Blicke noch ein letztes Mal. Dann ist er für immer hinter blickdicht getöntem Glas verschwunden.
Sein Chauffeur gleitet um den Wagen herum, der kurz darauf aus der Lücke schießt, um sich in den vorbeidrängelnden Verkehr zu quetschen, der das mit wildem Hupen quittiert, dem großen Wagen aber dennoch sofort Platz macht. Der berühmte Londoner Fahrstil eben. Ich glaube, es ist ein Bentley oder so was.
Dann ist er verschwunden, und ich komme langsam wieder zu mir. Beinahe glaube ich, gerade aus einem Tagtraum erwacht zu sein, doch dann blicke ich an mir hinab und bemerke mein ruiniertes Kleid und meinen schmutzigen Mantel. Mein Outfit ist vollkommen ruiniert, und dieser arrogante Schnösel hat sich nicht einmal dafür entschuldigt.
Na ja, vielleicht war es auch ein bisschen meine Schuld.
Kopfschüttelnd mache ich einen zweiten, etwas vorsichtigeren Versuch, die Tür zu der Kanzlei zu öffnen. Diesmal gelingt es, und ich trete in den Empfangsbereich. Charles’ Sekretärin wirft mir eine typisch Londoner Andeutung einer hochgezogenen Augenbraue zu, dann schnappt ihr Gesicht zurück in den Ausdruck gleichgültiger Gelassenheit, mit dem sie den Zustand meiner Kleidung ignoriert, oder vielmehr so tut, als ob. Ich kann ihr das nicht übel nehmen. Ich an ihrer Stelle hätte wohl die Security gerufen.
Sie flüstert etwas in das Mikrofon ihrer Gegensprechanlage und deutet auf die Tür zu Charles Mortimers Büro. Ich folge dem Wink. Witzigerweise glaube ich bis zu diesem Moment, mein kleiner Ausrutscher draußen auf der Straße wäre schon der absolute Tiefpunkt dieses Tages gewesen.
Aber natürlich liege ich damit komplett daneben.
»Guten Morgen, Miss Jones«, sagt Charles Mortimer, als er von seinem gigantischen Queen- Victoria-Schreibtisch aufsteht und mir mit offenen Armen entgegenkommt.
Ich glaube, es gibt auf der Welt höchstens ein halbes Dutzend Menschen, die je in den Genuss einer Umarmung mit Charles Mortimer gekommen sind, und es erfüllt mich mit beinahe kindlichem Stolz, eine von dieser Handvoll Personen zu sein. Aber damit endet unsere Vertrautheit auch schon. So lange ich denken kann, hat er Miss Jones zu mir gesagt: Vermutlich auch schon, als ich ein Baby war. So lange kennen wir uns nämlich schon. Und ich würde im Leben nicht auf die Idee kommen, ihn Charles zu nennen. Nicht mal, wenn ich hundert Jahre alt wäre.
Er lässt einen raschen Blick über mein ruiniertes Kleid streifen, dann umarmt er mich aber trotzdem, auch wenn er seinen unvermeidlichen Tweedanzug vermutlich direkt im Anschluss an unser Treffen in die Reinigung geben wird, um einen frischen und ansonsten völlig identischen Maßanzug anzuziehen. Im Gegensatz zu seiner Sekretärin ignoriert er den Zustand meiner Klamotten allerdings nicht.
»Es ist ein furchtbares Wetter heute Morgen«, sagt er mit einem wehmütigen Blick zum Fenster, »soll ich Eliza bitten, Ihnen einen Mantel oder so was zu besorgen?«
»Nein«, sage ich, »es geht schon. Nur ein bisschen Spritzwasser.«
Jep. Nur stammt das aus einer Pfütze mitten in der vermutlich schmutzigsten Stadt der Welt.
»Wie Sie wünschen«, sagt er diplomatisch, »dann vielleicht etwas zum Aufwärmen? Einen Brandy?«
Schockiert ziehe ich die Augenbrauen in die Höhe. Einen Brandy, um zehn Uhr morgens? Keine Ahnung, ob er das ernst gemeint hat. Bei Charles Mortimer weiß man nie.
»Ein Kaffee wäre toll«, sage ich und er nickt mir lächelnd zu, bestellt das Getränk über die Gegensprechanlage. Was mir vermutlich einen weiteren von Elizas berühmten Augenbrauenblicken einbringen wird. Aber was soll’s? Ich brauche wirklich dringend etwas Warmes.
»Wird Geoffrey sich verspäten, Miss Jones?«, fragt er und bringt es dabei zustande, diese förmliche Frage trotzdem ein bisschen herzlich klingen zu lassen. Natürlich weiß er, wie es um Dad steht. Dann deutet er auf einen der bequemen Sessel, die dem Schreibtisch gegenüberstehen. Ich setze mich.
»Mein Vater wird nicht kommen«, sage ich, »er fühlt sich nicht so gut, fürchte ich.«
Was eine glatte Untertreibung ist, weil es irgendwie unbestimmt nach einer Erkältung klingt. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein, wem versuche ich etwas vorzumachen? Am Telefon klang Dad vollkommen fertig. Er war seit fast zwei Jahren nicht mehr in der Stadt. Oder sonst irgendwo außerhalb der Grenzen des Grundstücks. Und ich habe wirklich alles versucht, bis ich kapierte, dass ich ihn nicht umstimmen kann. Das kann nur er selbst. Manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit, glaube ich.
»Ich verstehe«, sagt Charles, »aber ich fürchte, damit wird unser Treffen hier ziemlich hinfällig. Ich habe ihn gebeten, unbedingt persönlich zu erscheinen.«
»Ja, ich weiß«, sage ich, »er hat’s mir erzählt, am Telefon. Aber er ...« Ich stocke. Keine Ahnung, wie ich Charles das erklären soll. »Es geht einfach noch nicht.«
»Ich verstehe«, sagt er wieder und setzt sich neben mich in den Besuchersessel, anstatt an seinen gewohnten Platz gegenüber dem Schreibtisch. Etwas in meinem Bauch krampft sich zusammen. Das hat er noch nie gemacht. Das kann einfach nichts Gutes bedeuten.
Für eine Weile starrt er auf das Bild, das hinter seinem Bürosessel an der Wand hängt. Ein Landschaftsgemälde von Richard Wilson, selbstverständlich ein Original.
Die Tür öffnet sich, und Eliza stellt ein Tablett mit Kaffee und dem üblichen Zubehör auf das Tischchen neben meinem Sessel. Ich sehe dankbar zu ihr auf, und diesmal bleibt mir ihre Augenbraue erspart. Sie lächelt kurz zurück, und ich glaube, einen Anflug von Mitleid in ihrem Blick zu sehen, aber da kann ich mich auch irren. Geräuschlos verschwindet sie aus dem Zimmer.
Charles seufzt, dreht sich auf seinem Sessel zu mir um, zupft am Knie seines rechten Hosenbeins und schlägt es über sein linkes Knie. Dann greift er nach meiner Hand und sieht mir in die Augen. Das Mitleid scheint von Elizas Gesicht auf seines übergesprungen zu sein, während er mich anlächelt. Der Krampf in meinem Magen wird schmerzhaft.
»Ich fürchte, ich habe schlechte Neuigkeiten, Cassidy.«
Nein, denke ich, Sie haben keine schlechten Neuigkeiten, Mister Mortimer, Sie haben erschütternde Neuigkeiten! Dabei bekomme ich gar nicht mit, dass er mich soeben bei meinem Vornamen genannt hat, vermutlich zum ersten Mal in seinem ganzen Leben.
»Und eigentlich bin ich nicht berechtigt, diese jemand anderem als Ihrem Vater mitzuteilen.« Er seufzt. »Aber da ich nun schon so lange sein ... vielmehr, Ihr Anwalt bin, glaube ich, es ist in Ordnung.«
»Mein Vater«, sage ich, »er hat mir gesagt, dass Sie mir alles sagen können, egal, was es ist. Sie können Ihn gern anrufen und es sich bestätigen lassen.«
»Das wird nicht nötig sein«, sagt er schließlich, dann nickt er. »Na gut. Es betrifft Jones & Marsden Construction. Es gibt offene Forderungen. Erhebliche Forderungen.«
»Oh«, sage ich, aber dann fällt mir etwas ein. »Aber Dad war seit zwei Jahren nicht mehr in der Firma, um das alles hat sich Graham gekümmert.«
»Mr Marsden, ja«, sagt Charles und schüttelt den Kopf. »Der ist leider seit einigen Tagen unauffindbar und es ist zu vermuten, dass dieser Umstand in Zusammenhang steht mit ... nun ja, den nicht beglichenen Außenständen. Es fehlt eine ziemliche Menge Geld.«
Ich begreife noch gar nicht recht, was Charles mir da zu sagen versucht.
»Wie viel Geld? Ich ... meine«, stottere ich, »Graham hätte nie ... er würde meinem Dad so etwas nie antun, sie sind Freunde. Partner. Schon seit Ewigkeiten.«
Charles nickt und schaut mich traurig an. »Leider besagen die Bücher da etwas gänzlich anderes. Ich habe natürlich bereits Einsicht genommen, und auf den ersten Blick sehen die Zahlen ... nun ja, schockierend aus.«
»Aber«, sage ich, »dann ist Graham dafür verantwortlich. Ich verstehe nicht, was das mit Dad zu tun hat. Er war seit fast zwei Jahren nicht mehr in der Firma.«
»Zunächst ist es nach wie vor zur Hälfte Geoffreys Firma, und das schließt alle Verbindlichkeiten ein. In diesem Fall leider bis hin zu seinem Privatvermögen.«
»Wie bitte? Seinem Privatvermögen?«
»Er haftet in vollem Umfang, und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann, Miss Jones. In dieser Hinsicht sind mir leider vollkommen die Hände gebunden. Es war der ausdrückliche Wunsch Ihres Vaters, das so zu regeln.«
Oh Dad, denke ich. Ich weiß, wieso du das gemacht hast. Der gute Name einer Firma war für ihn schon immer das Wichtigste, einhergehend mit dem Namen einer Firma. Der Ruf eines Mannes ist alles, das er je zu besitzen hoffen kann. Das hat er immer gesagt. Erst jetzt begreife ich, welch gigantisches unternehmerisches und privates Risiko er damit einging. Und das von einem der versiertesten Geschäftsleute, die ich kenne. Ich begreife einfach nicht, wie mein Vater so etwas machen konnte.
»Wie konnten Sie das zulassen?«, fahre ich Charles an, und als ich seinen verletzten Blick sehe, tut mir mein scharfer Ton sofort leid.
»Ich bin sein Anwalt und sein Freund«, sagt er, »aber wenn Ihr Vater sich etwas in seinen Kopf setzt ...«
Ich schaue zu Boden. Ich weiß nur zu gut, was er meint. Ich habe nämlich denselben Sturkopf wie mein Vater.
»Es tut mir leid«, sage ich, und das tut es wirklich. Schließlich kann Charles nichts für diese Misere. »Was können wir also tun?«
»Im Moment nicht all zu viel, fürchte ich. Solange Mr Marsden unauffindbar bleibt, wird sich die Gegenseite mit ihren Forderungen direkt an Ihren Vater wenden. Und er wird diese Forderungen erfüllen müssen, zumindest in dem Rahmen, in dem er es kann.«
»In dem Rahmen?«, schnappe ich. »Von wie viel Geld reden wir hier überhaupt?«
»Mehrere Millionen, meiner vorsichtigen Schätzung nach.«
»Aber ... so viel Geld hat Dad doch gar nicht. Schon gar nicht in Privatvermögen.« Der Firma ging es gut, und wir hatten nie wirkliche finanzielle Sorgen, aber mehrere Millionen?Dann begreife ich allmählich.
»Das Cottage«, kann ich nur noch hauchen.
Charles nickt mitfühlend.
»Er würde alles verlieren, und zwar in einem öffentlichen Prozess.«
Also auch seinen Namen. Und das wäre das Allerschlimmste für Dad. Ich bezweifle, dass er den Verlust des Cottages ohne Probleme verkraften würde. Die Rosen, die ihn an Mom erinnern. Es wäre furchtbar. Aber dass er öffentlich als Betrüger und unlauterer Geschäftsmann dargestellt würde, das würde er keinesfalls verkraften. Er würde ... er würde vielleicht etwas ganz und gar Dummes anstellen. Das kann ich keinesfalls zulassen.
»Das geht nicht«, sage ich, »es würde ihn ruinieren. Und ich meine damit nicht nur das Geld.«
»Ich verstehe«, sagt Charles.
Und ich verstehe durch einen roten Nebel aus Trauer und Wut, dass es wirklich nicht mehr gibt, das er dazu sagen oder tun könnte. Meine hervorragende Ausbildung war schließlich nicht umsonst. Auch wenn ich die natürlich jetzt auch ebenfalls in den Wind schreiben kann. Bald werden wir kein Geld mehr für etwas zu essen haben, ganz zu schweigen von den laufenden Kosten für unser kleines Häuschen, und mein Stipendium werde ich dann vermutlich auch verlieren.
Mir kommen die Tränen. Und dennoch gibt es einen kleinen Teil meines Gehirns, der davon völlig unbeeindruckt zu rattern beginnt. Nach einer Lösung sucht wie eine gefangene Maus, die sich in ihrer Falle immer wieder um den eigenen Schwanz dreht.
»Wer ist die Gegenseite?«, schluchze ich, und der stets vorbereitete Charles Mortimer streckt mir eine Box mit Papiertaschentüchern hin. Ich nehme dankbar eins.
»Das kann ich nicht sagen«, sagt Charles.
»Wie bitte?«
»Ich weiß es nicht. Sie haben einen Anwalt geschickt, den sie mit der Sache betraut haben. Alles, was dieser mir unter die Nase gehalten hat, waren Dokumente, in denen die Stellen geschwärzt waren, welche den Gläubiger betreffen. Aber wir dürfen davon ausgehen, dass sie diese Dokumente tatsächlich auch besitzen und die Sache vor Gericht beweisen können. Die Schulden und den Betrug.«
»Den Betrug?«
»Ja. Die Zahlen machen ziemlich deutlich, dass die Jones & Marsden Construction bei mehreren Projekten deutlich mehr Material und Arbeitskräfte verkauft hat, als sie letztlich zur Verfügung gestellt haben. Darunter sind auch staatliche Bauvorhaben. Wenn das an die Öffentlichkeit gerät ...«
»Er könnte ins Gefängnis gehen?«, flüstere ich entsetzt. Diese Möglichkeit ist mir bisher noch gar nicht eingefallen. Aber natürlich besteht sie. »Oh, mein Gott.«
»Ich sehe nur eine Chance, Cassidy«, sagt Charles und legt seine Hand sanft auf meinen Arm. Am liebsten würde ich mich jetzt einfach in seine Arme flüchten und heulen wie ein kleines Kind. Bloß, dass ich jetzt nicht mehr in einer Welt lebe, in der die Sorgen einfach dadurch verschwinden, dass man ein bisschen heult und eine Nacht drüber schläft. Ich bin kein kleines Mädchen mehr, diese Erkenntnis trifft mich jetzt mit aller Macht.
»Es gibt eine Chance, auch wenn es eine sehr kleine ist«, sagt Charles und ich horche sofort auf.
»Was?«
»Als Ihr Vater sich zur vorläufigen Ruhe setzte, also etwa vor zwei Jahren, könnte er mit Marsden eine Art Erklärung verfasst haben.«
»So etwas wie eine Abtrittserklärung?«
»In der Art. Irgendein offizielles Dokument, das beweist, dass er in der fraglichen Zeit nichts mit den geschäftlichen Entscheidungen der Firma zu tun hatte. Das könnte helfen, zumindest vorläufig.«
»Das würde die Sache aussetzen, bis Graham Marsden wieder auftaucht, und es würde Dads Namen reinwaschen. Schließlich konnte er nicht wissen, welchen Mist sein Partner baut, sobald er ihm nicht über die Schulter schaut.«
»Ja«, sagt Charles. »Falls ein solches Dokument existiert, könnte es helfen.«
»Ich muss auf der Stelle zu Dad«, sage ich und stehe auf.
»Das würde ich auch vorschlagen, Miss Jones«, sagt Charles und erhebt sich ebenfalls, um mir zur Tür voranzugehen. »Ich lasse Eliza ein Taxi rufen. Finden Sie heraus, ob solch ein Dokument existiert, und veranlassen Sie Ihren Vater in jedem Fall, sich bei mir zu melden.«
Ich verspreche es.
»Er muss mich auf jeden Fall anrufen, hören Sie?