Geisteskampf um Israel - Helmut Stücher - E-Book

Geisteskampf um Israel E-Book

Helmut Stücher

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Beschreibung

Seit der Staatsgründung Israels währt ein Krieg der Geister im christlichen Luftraum um die politisch-sinnliche Bedeutung oder das geistliche Verständnis der Propheten und die Johannesoffenbarung. Auslöser in dem Exegetenstreit ist die buchstabistische Bibelzerlegung, die, entgegen der 2000jährigen Kirchenlehre, einen Teil der Bibel der Gemeinde wegnimmt und der Zukunft Israels zuordnet, kurz Israel versus Gemeinde. Damit zerfällt die paulinische Leibeseinheit (Epheserbrief), sodass zwei Völker Gottes, zwei Reiche, zweierlei Hoffnungen und Verheißungen entstehen. Selbst die Wiederkunft Christi wird in zwei Kommen aufgeteilt, eine zur Entrückung der Gemeinde (Vorausentrückung) und eine spätere zum Gericht der Welt und zur Aufrichtung des "Tausendjährigen Reiches". Aus christlich-zionistischer Sicht, die im 19.Jahrh. durch den Dispensationalismus entstand, lassen sich drei "Heilsveranstaltungen", Israel, Gemeinde und zuletzt wieder Israel, in der Bibel erkennen. Diese Lehre ist weit verbreitet und hat eine Flut von Unheil verkündenden Endzeitbüchern hervorgebracht, die einander widersprechen und eine bedrückende Endzeitstimmung hinterlassen. Mit diesen Irrtümern und einer spektakulären "Endzeit" setzt sich der Autor in diesem Buch auseinander und stellt ihnen die Wahrheit vom Reiche Gottes und der Gemeinde gegenüber - nicht zuletzt, um den Menschen das richtige Bild der Apokalypse zu vermitteln und Hoffnung zu geben statt Angst zu schüren.

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„Allen denen, welche die Wahrheit erkannt haben, um der Wahrheit willen, die in uns bleibt und mit uns sein wird in Ewigkeit.“ (2.Joh.1-3)

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Vorwort

Einführung

Endzeiterwartungen

Prophetieverständnisse

Der Dispensationalismus

2.1 Christlich-zionistische Irrtümer

2.2 „Sieben Heilszeiten“

2.3 Der „fünfte“ Schriftsinn

2.4 Die Einschub-These

2.5 Die SCOFIELD-Bibel

Jüdische Apokalyptik

3.1 Etappen apokalyptischer Irrlehren

3.2 Apokalyptiker unserer Zeit

Das Ende einer Bewegung

Die Sicherheitsprüfung

Wer ist der Antichrist?

Die „Geistesgaben“

Das „Tausendjährige Reich“

Geisteskampf um Israel

Das Reich Gottes

Reichserwartung im A.T.

Das Evangelium des Reiches

Der Sohn Gottes

Die Endzeitrede Jesu

Die „Hoffnung Israels“

Wiederbelebung der Hoffnung

Wird das ganze Israel gerettet?

Die Wiederkunft Jesu

8.1 Der Tag des Herrn

8.2 Die Entrückung

Die Gemeinde Gottes

Vorbilder im A.T.

1.1 Personen

1.2 Zeichen

Weissagungen auf die Gemeinde

Gemeindeepochen

3.1 Die Gemeinde Israel in Jerusalem

3.2 Die Gemeinden der Nationen

3.3 Die dritte Gemeindeepoche im Anbruch

Die Offenbarung verstehen

Heimkehr nach „Jerusalem“

Anhang

Briefe

Literaturhinweise

Abkürzungsverzeichnis

Prolog

Ein großer König im Morgenland hatte zwei Söhne. Da er schon alt war, musste bald die Nachfolge geregelt werden. Seit Dynastien wurde der Erstgeborene Thronfolger. Doch diesmal war die Wahl anders. Der ältere Sohn war natürlich der Meinung, dass er es werden würde, zumal er der Liebling des Vaters zu sein schien. Aber eigentlich bestand kein Vertrauensverhältnis zwischen beiden. Der Erstling des Hauses war von Kind auf ein wenig verwöhnt, verhätschelt worden; wenn die beiden Kinder sich zankten, war immer der jüngere gestraft worden. So war der Kronprinz fein raus, vermied große Übertretungen und verhielt sich auch sonst unauffällig. Er war ein sehr schöner Mann, aber eitel, stolz und ziemlich eingebildet. (Das ist so bei Kindern, denen die Zucht gefehlt hat). Sollte der ein Diener seines Volkes werden? Schon hatte er geheime Unterredungen mit den Großen des Reiches, dem Heerführer und dem obersten Priester, die ihn unterstützen sollten. Er sah sich bereits auf dem Thron und machte ein großes Mal und lud etliche seiner Günstlinge. Doch mitten in diesem Festmahl erreichte ihn die Meldung, der Vater habe seinen jüngeren Bruder zum König gemacht. Da erschraken alle die Geladenen und standen auf und jeder ging seines Weges. Ausgerechnet diesem, der ein unmoralisches Leben geführt, sich aber angeblich bekehrt hatte, sollte er sich unterwerfen? Glühender Zorn stieg in ihm auf, zugleich packte ihn die Angst, lief zum Tempel und hielt sich für das Opfer einer Verschwörung.

Der zum König designierte Bruder wurde vom Volk „Friedefürst der Erste“ genannt, wegen seines sanftmütigen, demütigen und friedevollen Wesens. Sein Vater hatte viele Kriege geführt, er aber wollte Frieden mit allen Menschen und lehrte, sogar die Feinde zu lieben. Das Krönungsfest war zugleich die Hochzeit, seine Erwählte war eine Heidin aus Thessalonich. Das verstanden seine Verwandten, Freunde und Nachbarn nicht. Hatten sie doch gedacht, er würde eine ihrer frommen Töchter nehmen. Aber Liebe kann man nicht wecken, bis es ihr gefällt, wo und wann sie will. Darum grollten sie ihm und folgten seiner Einladung nicht. Zu sehr wurden sie bei der Braut an die Gefangenschaft im letzten Krieg erinnert; allgemein schwieg man über diese Zeit. Bisschen fremdgegangen, auch bei Götterverehrung mitgemacht, nur äußerlich, weil sonst der Feuerofen drohte. Gott verzeih!–

Diese für eine Hochzeit ungewöhnliche Absage machte den König zornig. Ihm kam der Gedanke, das gemeine Volk zu laden, zumal sein Herz schon immer zu den Geringen stand. So sandte er schnell seine Knechte aus, und diese brachten allerlei Leute herein, gute und schlechte, und die Hochzeit wurde voll von Gästen. Der König in der Krone, die Braut ganz in Weiß, ein Diadem auf ihrem Haupt – ein Traumpaar, das eine große Zukunft versprach. Lieder und Lob erschollen, ein Jubelgeschrei, das bis in die Ferne gehört wurde.

Könige der umliegenden Länder eilten herbei und brachten dem wunderbaren König Geschenke, Gold und Silber in großer Menge. Seine Weisheit, seine Freundlichkeit, seine Gewaltlosigkeit war sprichwörtlich und zog sie an. Viele Frauen, alles Fürstinnen, suchten seine Gunst. Aber nur eine war die Erwählte, seine Perle, seine Taube, seine Vollkommene, für die er bereit war, sein Leben zu geben. Aus dieser Ehe gingen zahlreiche Kinder hervor, natürlich alles Königskinder, Prinzen und Prinzessinnen, die später ebenfalls große Familien wurden. Die Friedens- und Versöhnungsbotschaft des großen Königs verbreitete sich in der ganzen Welt. Viele Länder und große Reiche wie das römische stellten die Kultur und Politik auf die heiligen Schriften der neuen Religion um. Das herrliche Friedensreich wäre auch heute noch sichtbar, wenn nicht …

Wer seine Bibel kennt oder dem Religionsunterricht aufmerksam gefolgt ist, wird an verschiedene Geschichten erinnert worden sein. In der Tat, sie sind in diesem Prolog zusammengefasst: Sie ergeben den glorreichen Anfang sowie die erstaunlich schnelle Ausbreitung des Christentums.

Geschichte wiederholt sich, auch die Anfangsgeschichte der Kirche Christi. Der Übergang vom Judentum zum Christentum findet seine Entsprechung im neojudaistischen Evangelikalismus, der sich bibeltreu gibt, aber die Bibel, das Volk Gottes und sogar Christus und Sein Reich, ja Leib und Weib zerteilt. Doch „was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden“, weil Israel und Gemeinde im Geiste eins sind.

Vorwort

Aus meiner Betrachtung der Offenbarung, die schon vor 30 Jahren skizziert war, („Geheimnis, Babylon“, erschienen 2014) ergaben sich später weitere Schriften, die sich mit anderen prophetischen Standpunkten auseinandersetzten.

Hier lege ich eine Sammlung meiner biblischen Informations-Blätter und Veröffentlichungen zu dem Thema Israel und Endzeit vor. Ergänzend sind andere Beiträge eingefügt, namentlich von Kurt Klumbies, einem Amateur-Theologen, wie er sich nannte, und Pfarrer Paul Evangelist Paul Schenk, beide inzwischen beim Herrn. Ihnen verdanke ich die Bestätigung, dass ich keine neue Lehre vertrete, sondern das was von jeher bekannt und anerkannte Kirchen- lehre war und mit dem Zeugnis des Evangeliums übereinstimmt.

Siegen, im Juli 2015

Helmut Stücher

Einführung

Was erwarten Christen? Wir leben in der Endzeit, hört man oft sagen. In den Volkskirchen gibt es so gut wie keine Endzeiterwartung, Endzeit sei schon immer gewesen. Ihre Eschatologie (Lehre vom Endschicksal des Menschen und der Welt) hat keine Antwort auf die Fragen unserer Zeit, schon gar nicht auf die Frage, was uns in Zukunft erwartet und wie das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung, zu verstehen ist.

Auf Endzeitfragen die Antwort zu geben blieb dem Evangelikalismus vorbehalten. Denn hier versagt die Theologie, weil die Offenbarung nicht hermeneutisch ausgelegt werden kann und sich der Textanalyse entzieht. Außerdem verschließt sie sich jeder kirchlichen Tradition. Umso mutiger gaben sich Endzeitspezialisten an die Deutung des letzten Buches der Bibel und verbreiteten massenweise ihre Produkte. Dabei sind ihnen schwere Irrtümer unterlaufen. Und doch versuchen sie immer wieder, gegenwärtige Prozesse in die prophetischen Schriften des Alten Testaments und der Offenbarung hineinzulegen. Dann erlebt man es, wie bei dem Zusammenbruch der Sowjetunion, dass man sicher geglaubte Interpretationsmuster zurücknehmen muss. Gog und Magog, was Rußland sein sollte, ist nicht in Israel einmarschiert. Und dergleichen Fehlspekulationen mehr.

Die „Endzeit“ hat für evangelikale Christen erst vor 200 Jahren begonnen. Jedenfalls redet und schreibt man seitdem davon. Endzeitthemen werden ausschließlich in bibeltreuen Gemeinden behandelt, verschiedentlich aber kontrovers diskutiert. Eine Flut von Endzeitbüchern erscheint auf dem christlichen Büchermarkt, vornehmlich aus dem angelsächsischen Raum ins Deutsche übersetzt. Sie erzeugen eine bedrückende Endzeitstimmung unter christlichen Lesern, zum Teil neurotische Ängste. Es ist daher sinnvoll, die „Endzeitprophetie“ einmal unter die Lupe des Evangeliums nehmen.

Ein Nährboden der wunderlichsten Auslegungen ist die weit verbreitete Bibelzerlegung, die auf den Dispensationalismus zurückgeht, welcher das prophetische Wort der Gemeinde wegnimmt und der Zukunft eines unsicheren Staates Israel zuweist. Man sah in ihm den „Feigenbaum“ aufblühen. Des Weiteren der judaistische Buchstabenglaube, in dem man die Propheten nicht mehr geistlich verstehen will, sondern auf eine wörtlich-sinnliche Erfüllung nach der Entrückung prophezeit.

Die Endzeit muss nicht das Ende sein, vielleicht für einige, die nicht anders zu belehren sind. Denn wer hat im Rate Gottes gestanden, um zu wissen, dass jetzt das letzte Ende für die letzte Generation gekommen ist? „Letzte Tage“ gab es schon mehrere, wovon die Schrift berichtet, aber darauf folgte stets ein neuer Tag. Wir warten auf den Tag des Herrn. Wer oder was hält ihn auf? Das „Aufhaltende“ sei die Gemeinde? Hoffentlich nicht. Sollen wir ihn doch beschleunigen durch heiligen Wandel und Gottseligkeit (2.Petr.3,12). Wir erwarten nicht das Ende aller Dinge, sondern eine Wende durch Jesu Dazwischenkunft. „Wer aber kann den Tag seines Kommens ertragen, und wer wird bestehen bei seiner Erscheinung“ (Mal.3,1-6)?

Mit dem „Tag des Herrn“ können viele Evangelikale nicht so recht etwas anfangen. Sie sehen in dem großen Abfall der „Endzeit“ und den kommenden „Gerichten der Offenbarung“ einen Ausweg in der Entrückung der Gemeinde, die jeden Augenblick geschehen könne, sollte aber schon Achtzehnhundertundsoviel unmittelbar bevorstehen. Als sie nicht eintraf, errechnete man neue Termine. Gegner der Vorentrückungslehre erwarten noch die „große Drangsal“ zur Läuterung der Gemeinde. Nachdem beide Richtungen die Bibel zerteilt und zerlegt haben, kriegen sie das Puzzle nicht wieder zusammen. Dem mühsamem Versuch möchten wir nicht noch ein Endzeitbuch hinzufügen, sondern die biblische Sicht vom Reiche Gottes und der Gemeinde darlegen.

Es geht in unserem Streit im Kern um die entscheidende Frage, ob Israel Gottes Volk ist, oder Gottes Volk Israel heißt. Viele schauen nach Osten und suchen dort nach den Spuren Jesu. Hat etwa Paulus den Gemeinden geraten, zum besseren Bibelverständnis sich einmal das Land Israel anzuschauen? Eine Reise dorthin ist sicher interessant, aber nicht heilsnotwendig. Um die Propheten zu verstehen muss man nicht in Jerusalem gewesen sein und die Tempelstätte besichtigen. Dort wird sich nichts mehr von Heilsbedeutung abspielen. Jede andere Erwartung muss als Utopie bezeichnet werden.

Besser ist, wir wenden uns dem Evangelium vom Reiche Gottes zu. Viele haben nur einen vagen Begriff vom Reiche Gottes, weil es kaum gelehrt wurde. Gottes Reich ist nicht so rätselhaft und kompliziert, dass es nur Theologen verstehen können. Wenn es den Unmündigen geoffenbart sein soll, dann gehört nicht zuerst großes Bibelwissen und ein kluger Kopf dazu, sondern der Glaube. Man muss das Reich einfältig und mit dem Vertrauen eines Kindes aufnehmen, je begieriger und gläubiger, umso mehr erkennt und besitzt man davon. Andererseits sollen wir auch nicht so kindischnaiv auf eine wörtliche Erfüllung pochen, ohne nach dem Sinn des Wortes, dem Sinn des Geistes zu fragen. Was bei einem buchstäblich-natürlichen Verständnis herauskommt sehen wir bei Nikodemus, einem Lehrer Israels (Rabbiner). Das Reich Gottes an sich war ihm klar, aber wie kommt man hinein: Nicht durch Inkarnation, sondern durch die Wiedergeburt aus dem Wort und Geiste Gottes (Joh.3,1-7). Nur durch geistliches Verständnis erschließt sich die Schrift und somit auch das Verständnis was das Reich ist, und dann öffnet sich eine Fülle von Segen. Diesem Bedürfnis soll unsere Betrachtung des Reiches Gottes den Weg frei machen, „weil die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht schon leuchtet“ (1.Joh.2,8).

Den Jüngern zu unterstellen, sie hätten nach der Auferstehung Jesu noch ein irdisches Reich für Israel im Sinn gehabt, ist ziemlich abwegig. Sie haben lediglich nach der Zeit der Wiederherstellung Israels gefragt, wann sie erfolgt (Apg.1,6), und diese Erneuerung hat am Pfingsttage mit Macht begonnen. Die Frage nach dem Reich Christi und Gottes ist ein Fragen nach der Wahrheit. Was ist Wahrheit? Jesu Antwort ist eindeutig: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt … ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, um der Wahrheit Zeugnis zu geben“ (Joh.18,36). Er ist die Wahrheit, die über uns steht, die uns anspricht, die uns regiert und die uns frei macht von Sünde, Gebundenheit und Irrtum. Nachdem der Heilige Geist gekommen ist, „wird er euch in die ganze Wahrheit leiten“ (Joh.16,13). Die biblische Prophetie geht nicht an dieser Wahrheit vorbei oder darüber hinaus, sondern begründet in gerader Linie das Evangelium Gottes, „welches er durch seine Propheten in heiligen Schriften zuvor verheißen hat“ (Röm.1,2).

Mit Paulus als letzten der Apostel ist das Wort Gottes vollendet; er hat den Gemeinden „den ganzen Ratschluss Gottes verkündigt (Apg.20,27; Kol.1,25). Die Schriften des Johannes können dem paulinischen Evangelium nicht widersprechen, sondern nur die Wahrheit des Evangeliums noch einmal klarstellen. Das gilt auch und insbesondere für das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung.

„Zurück zum Anfang!“ hieß es in der Reformationszeit, aber man ist nicht dort angekommen. „Zurück zum Anfang!“ wollten in den letzten Jahrhunderten verschiedene Heiligungsbewegungen, aber sie verwechselten Jerusalem mit Babylon. Es entstehen neue Gemeinden, die sich als Endzeitgemeinde verstehen, heute aber auch tatsächlich am Ende sind. Sucht man gläubige Christen, findet man sie dort. Leider aber gefangen in starren Formen und falschen Lehren, die wir in diesem Buch beleuchten wollen. Katholisch (allgemein) möchten sie nicht sein, auch nicht evangelisch, weil zu politisch und zeitgeistkonform. Es hat sich für bibeltreue Christen die Bezeichnung „evangelikal“ eingebürgert. Dieser Zwischenbegriff wurde vom amerikanischen Christentum für die vielen Denominationen eingeführt, wovon es 33000 geben soll.

Evangelikale Christen verstehen sich nicht mehr als Kirche, um nicht mit den Volkskirchen verwechselt zu werden. Der Begriff ist enger gefasst: Gemeinde, Gemeinschaft oder Versammlung, zum Teil als Eigenbegriff und Selbstbezeichnung. Insgesamt besteht die universale Kirche oder Gemeinde nicht mehr nur aus Gläubigen, wie im Anfang, die ein Herz und eine Seele waren, – heute sind es drei Gruppen: Heilige, Namens-Christen und Gesetzlose.

Darum ist es angezeigt, die Begrifflichkeiten Reich und Kirche (Gemeinde) neu zu definieren. Am besten geschieht dies im Rückgriff auf das „Reich Gottes“ als Oberbegriff, dem im engsten und weitesten Sinne alle Kirchen und Bekenner zugeordnet werden, das Reich in der Kirche und die Kirche im Reich.

Im ersten Teil des Buches werden wir verschiedene prophetische Sichtweisen beleuchten. Prophetie ist nicht etwa nur Voraussage der Zukunft, Prophetie ist zuerst Geschichte. Was die Propheten wie Jesaja, Jeremia u.a. über Juda und Jerusalem voraussagten, ist eingetroffen. Der Prophet Daniel schreibt Weltgeschichte im Voraus, sie hat in den Geschichtsbüchern ihren Niederschlag gefunden. In Bezug auf Christus sind die Propheten buchstäblich erfüllt, alles an dem Einen in Seinem Leben und Sterben, in Seiner Auferstehung und Himmelfahrt. In der Gemeinde finden die Propheten ihre geistliche Erfüllung, so dass sie ein Mittel des Geistes werden, geistliche Dinge mitzuteilen (1.Kor.2,13). Die Propheten sahen die Kirche voraus (1.Petr.1,12), die Apostel lehrten das Alte Testament als in Christus und Seiner Kirche erfüllt, sie betrachteten es nicht länger als für sich selbst stehend, sondern legten es geistlich, im neuen des Geistes aus. Diese Auslegung bzw. Anwendung ist der Kirche verloren gegangen. (Es existiert heute praktisch nur noch eine Stimme, die die Propheten im Kirchenjahr zu Wort kommen lässt, und das ist die Evangelische Brüder-Unität in den bekannten Herrnhuter Losungen. Jeder Tag beginnt mit einem alttestamentlichen Wort und einem neutestamentlichen Lehrtext, sowie als dritten Text ein Lied, Gebet oder Bekenntnis).

Mit der Kritik an anderen Auslegungen soll niemand ihrer Vertreter herabgewürdigt werden. Doch falsche Lehre muss als falsch bezeichnet werden. Als einstiger Verfechter der väterlichen Lehrauffassung weiß ich, wie sehr man in überlieferten Vorstellungen gefangen sein kann und blind für eine „Wahrheit“ eifert, die nur die halbe Wahrheit oder ein ganzer Irrtum ist. Ich wäre glücklich, wenigstens einige von meinen Brüdern von „besseren Dingen“ überzeugen zu können. Wer mit seinen Gedanken an die Öffentlichkeit tritt, muss sich auch Kritik gefallen lassen. Das gilt auch für dieses Buch. Es sind aber weniger die Autoren, die sich über Kritik beklagen, auch wenn sie ungerecht ist und meist in persönlichen Angriffen ausartet, sondern vielmehr ihre Anhänger und Bewunderer. Wenn der Leser den Rat befolgt, stets zwischen Sache und Person zu unterscheiden, wird er alles prüfen und das Gute festhalten.

Ein besonderer Abschnitt behandelt das Evangelium des Reiches und die gegenwärtige Regierung Christi sowie die Wiederkunft Jesu. Der letzte Teil des Buches ist der Gemeinde als Mittelpunkt und Inbegriff des Reiches gewidmet. Die Vorbilder und Weissagungen führen uns die Herrlichkeit des Reiches in der Gemeinde des lebendigen Gottes neu vor Augen. Anhand der Briefe können wir eine interessante Gemeindeentwicklung erkennen, die mit Israel begann, auf die Nationen überging und zuletzt wieder Israel ist. Den Schluss bildet eine Einführung in das Verständnis der Offenbarung, die Heimkehr aus der babylonischen Gefangenschaft krönt das Ganze.

Für mich war es wichtig, die Apostellehre zu ermitteln. Auch Sektierer behaupten, zur urchristlichen Lehre zurückgekehrt zu sein. Niemand kann jedoch neue „Wahrheiten“ entdeckt haben, wenn in der Kirchengeschichte jedes Zeugnis davon fehlt, wie das bei gewissen Gemeindegründern der Fall ist. Gewiss war es nötig, zu verschiedenen Zeiten vergessene Wahrheiten auf den Leuchter zu stellen. Es kann aber nicht sein, dass Gott Seine Kirche 1800 Jahre im Dunkeln gelassen hat. Ich bin erleichtert zu wissen, dass ich keine Sonderlehre vertrete, sondern von den anerkannten evangelischen Bekenntnissen bestätigt werde, wie sie heute noch von reformierten Theologen bezeugt werden. Einer von ihnen war, wie bereits erwähnt, Pfarrer Paul Schenk, den ich auf diese Weise kennenlernte und mit dem mich eine herzliche Bruderliebe verband. Seinen „Geisteskampf um Israel“, den er nicht mehr veröffentlichen konnte, soll in diesem Buch gewürdigt werden. Auch bei den Vätern der Baptisten, Methodisten und Mennoniten findet man dieselbe Lehre vom Reich. Vornehmlich die amerikanischen Mennoniten haben sich das Evangelium vom Reich bewahrt. Endzeitpropheten, die die neuen Lehren in ihre Kirche hineintragen wollten, wurden abgewiesen, so dass an ihnen vieles vorbeigegangen ist, womit sich die Köpfe in Europa heiß geredet haben. Da ich keine theologischen Werke studiert habe, man hatte als Versammlungsbruder keinen Zugang dazu, bin ich nicht durch sie auf die Wahrheit vom Friedensreich in Christus gekommen, sondern allein durch die Schrift. Das war auf der einen Seite eine mühevolle Arbeit, zumal ich auf große Ablehnung stieß; auf der anderen Seite durfte ich in der „Verbannung“ immer neue herrliche Ausblicke gewinnen. Das Buch möchte es dem Leser ermöglichen, auf eine leichtere Weise zum neutestamentlichen Verständnis des Reiches Gottes zu finden (2.Tim.2,1-8). Möge er im Geiste der edlen Beröer selbst die Schrift untersuchen, „ob dies sich also verhält“ (Apg.17,11).

Es war mir ein herzliches Anliegen, „das Wort der Wahrheit recht zu teilen“, das heißt in gerader Richtung zu schneiden (2.Tim.2,15). Bei dieser Methode teilt man nicht die Wahrheit auf, sondern teilt sie mit, indem man zusammenfügt, was zusammen gehört, z.B. das Reich und die Gerechten, und trennt, was getrennt werden muss, und zwar Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit, Licht und Finsternis (2.Kor.6,14). Aus dieser Unterscheidung klären sich schon viele Endzeitfragen.

Die Bibelzitate sind der „Elberfelder Bibel“ von 1978 entnommen. Wiederholte Bibelstellen ergeben sich zwangsläufig durch die Themenzusammenhänge. Orthographische Fehler bitte ich zu übersehen, entscheidend ist der Inhalt und ob das Buch biblischen Grund hat.

I ENDZEITERWARTUNGEN

1 Prophetieverständnisse

Die Revolutionen der letzten Jahrhunderte, angefangen mit der Aufklärung und der französischen Revolution, die industrielle Revolution und der Sozialismus brachten auch für Christen eine Revolution, und zwar im prophetischen Bibelverständnis. Verstand man bisher die Propheten im Geiste des Evangeliums, was gerade jetzt vonnöten war, sollten sie nun nicht mehr für die Kirche gelten, sondern erst zukünftige Erfüllung für Israel haben, und zwar wörtlich. Von den Hinweisen in den Propheten, besonders in Jesaja, auf die Kirche blieb nichts mehr übrig, außer die messianischen Ankündigungen. Betroffen von der radikalen Umdeutung evangelischer Wahrheiten war auch die Offenbarung, die nach dem 6.Kapitel nunmehr ausschließlich auf die Welt und auf Israel gedeutet wurde, natürlich soweit wie möglich buchstäblich. Das verkürzte die Bibel erheblich, für uns als Christen wäre dann ein Viertel der Bibel nicht mehr relevant. Erweckungen, die früher gerade mit der Predigt des prophetischen Wortes stattfanden, sind so nicht mehr möglich.

Die neue prophetische Sicht belebte wieder die Erwartung eines irdischen Reiches, die eigentlich überwunden war. Das hatte noch weitere Konsequenzen. Man war gezwungen, Krieg, Gewalt und Vergeltung, soweit die Propheten und die Offenbarung davon redeten, mit Gottes Plan und Gerechtigkeit zu begründen. Als dann der Staat Israel gegründet wurde, war der Jubel auf christlicher Seite groß. Mit Genugtuung verfolgte man die Erfolge der Israelis im Sinai-Krieg gegen eine Übermacht. Wenn da nicht Gott dahinter stand, Engel sollen erschienen und Wunder geschehen sein, und der gleichen Märchen. Inzwischen ist der Nimbus der Unbesiegbarkeit gewichen, Terroranschläge, gegen die man machtlos ist, erschüttern das „heilige Land“. Was an dem Land heilig sein soll, müsste nach Hesekiel (48) neu vermessen werden, was einen geistlichen Sinn hat. „Machet euch auf und ziehet hin! denn dieses Land ist der Ruheort nicht“ (Mich.2,10).

Ruhe finden die Seelen nur in Jesus (Matth.11,28-30). Darum hätten die Juden keinen eigenen Staat gründen brauchen, zumal er mit viel Blut erkämpft werden musste. Land hätten sie auch in Amerika bekommen können. Nun aber ringsum vom Islam bedroht und von Arabern (Anteil 23% steigend, durch mehr Geburten) mitbestimmt, ist die Zukunft des jüdischen Staates ungewiss. Wie das ausgeht, weiß noch niemand, außer die erleuchteten Israelpropheten, die offenbar der Geist verlassen hat (1.Kön.22,24). Seitdem sich die Aufmerksamkeit der Welt, besonders aus dem Westen auf den Staat Israel richtet, haben wir auch die Aggression des Islam, unter dem früher Juden und Christen leidlich in Frieden leben konnten.

Alle Deutungen des Geschehens in Nahost, die meist neben der Bibel mit der Zeitung in der Hand versucht wurden, sind auch so überholt wie die Zeitung von gestern. Hängengeblieben ist: Das neue weltliche Israel ist das auserwählte Volk Gottes. Was keiner der apostolischen Väter, Kirchenväter und Reformatoren gewusst hat, nicht einmal die großen Erweckungsprediger wie Wesley, Zinzendorf, Finney u.a., wird heute als biblische Wahrheit verkauft, die Paulus untergeschoben wird. Erklärungen des Apostels, dass „alle gesündigt haben und nicht die Herrlichkeit Gottes erreichen“ (Röm.3), scheinen für die Juden nun nicht mehr zu gelten. Vergessen scheint, dass ihnen zuerst das Evangelium verkündigt wurde, anfangend in Jerusalem, sie aber „sich selbst nicht würdig achteten des ewigen Lebens“ (Apg.13,46).

Die Reformatoren wussten wenig oder nichts mit der Israelprophetie und überhaupt mit Prophetie anzufangen. Für sie war klar, was das Israel des neuen Bundes ist. Die Wiederentdeckung des Evangeliums beschäftigte sie vollauf. Es war auch eine andere Zeit, das Christentum war noch anerkannt, die christlichen Werte noch allgemein gültig. Erst im 19.Jahrhundert begann ein entschiedener Angriff auf die christliche Kultur, gegen Kirche und Glauben und insgesamt gegen die Religion. Erschreckt durch die gewaltige soziale und geistige Revolution, die sich verbreitende Evolutionstheorie, den Rationalismus, die Bibelkritik etc. sehen Christen die Endzeit gekommen. Viele versuchen, den Propheten Daniel und die Offenbarung zu deuten, es entstehen neue prophetische Gemeinden und Sekten. Doch „Offenbarungschristen“, wie sie genannt wurden, waren sie offenbar nicht. Spurgeon gab demütig zu, dass er das gesamte Buch der Offenbarung nicht verstehe, es aber von Herzen glaube. Von den Auslegungen und Einlegungen seiner Kollegen hielt er nichts. Er konnte sich nur abfällig über die neuen „Propheten“ äußern: „Euer Rätselraten über die Zahl des Tieres, eure napoleonischen Spekulationen, eure Mutmaßungen über einen persönlichen Antichristen – vergebt mir, aber in meinen Augen sind das Knochen für die Hunde … Es scheint mir der reinste Blödsinn, unablässig über ein Harmagedon in Sedan zu murmeln und zwischen die verschlossenen Seiten des Schicksals zu schielen, um das Schicksal Deutschlands zu enträtseln. Selig sind, die die prophetischen Worte der Offenbarung lesen und hören, doch die gleiche Seligkeit hat augenscheinlich nicht ihre vermeintlichen Ausleger getroffen, denn Generation für Generation wurden sie allein durch den Lauf der Zeit des Irrtums überführt“ (Murray S. →). An anderer Stelle: „Das alte Evangelium, (in dem alles erfüllt ist, was die Propheten verheißen haben), ist nicht ausgestorben und wird nicht aussterben, solange der Herr lebt.“

Was ohne den biblischen Bezug bis heute an wilden und widersprüchlichen Deutungen herauskommt, kann man in den vielen Endzeitbüchern lesen. Hier wird generell mit zweierlei Maß gemessen und das Evangelium nahezu ausgeschaltet. Die einen deuten die Messung in Offb.11 auf die Gemeinde, andere Ausleger auf Israel. Ganz Kluge teilen den 2.Vers in beide auf. Wer hat nun Recht? Die Gemeinde lässt sich mit dem Rohrstab des Wortes Gottes prüfen, aber an dem ungläubigen Israel gibt es nichts zu messen, es würde wie der „Hof“ hinausgeworfen. Wenn aber Israel und Gemeinde ein und dasselbe sind, wie wir nachweisen werden, klärt sich der Widerspruch auf.

Andere meinen, der wiederkommende Jesus würde gegen seine Feinde und die Feinde Israels mit aller Härte vorgehen, sie massenweise plagen, erschlagen, töten – Ströme von Blut der Sünder würden fließen. Karl-Hermann Kaufmann ist überzeugt, dass es für die, die das „Schwert aus dem Munde dessen, der auf dem Pferde sitzt“, treffen wird Offb.19,21) „kein Überleben geben wird, sie werden alle gnadenlos sterben und die Vögel werden ihr Fleisch fressen. Nur ein Teil der Zivilbevölkerung bleibt übrig“ (Zeitruf 2/15).

Zum Glück trifft das Wort Gottes die Menschen heute nicht tödlich, so dass sie nach einer Evangelisation alles Leichen wären. In Pergamus jedenfalls ist das „Schwert aus seinem Munde“ das Wort Gottes (Offb.2,16); und selbst die „Totschlagkeule“, über die sich „Fundamentalisten“ bei den Medien beschweren, ist immer noch das Wort. Leider ist diesen Exegeten nicht bewusst, dass sie sich im vollkommenen Gegensatz zum Geist Jesu befinden und eher Mohammed gleichen. Sie selbst würden nie Gewalt anwenden, weil sie dem Evangelium verpflichtet sind, aber was nicht ist, soll ja noch kommen, wenn Jesus erscheint. Ihr Verständnis und ihre Vorstellungen im prophetischen Wort sind brutal.

Die Welt ist voll Unruhe und Angst, Schulden und Krisen halten die Menschen in Atem, Kriege und Terror erschüttern die Völker. Und dann kommen Evangelisten mit ihrer Vision von der Apokalypse daher und setzen noch eins drauf, was noch schlimmer auf die Menschheit zukommen soll, um die Leute zu bekehren. Darauf reagiert heute keiner mehr. Gottesfurcht, Sündenerkenntnis, Buße bewirken sie damit jedenfalls nicht.

Vertreter der Gewalt- und Angstprophetie verfahren auch mit denen, die eine andere Erkenntnis haben als sie, nicht gerade sanft. So, wie sie es sehen, so ist es, absolut die Wahrheit; alles andere ist Irrlehre, die abgewiesen und ihre Anhänger ausgestoßen werden müssen. Auf eine sachliche Diskussion lassen sie sich erst gar nicht ein. Da gibt es „geisterfüllte“ Prediger, die wissen mit „Babylon“ nichts anzufangen, außer es sich natürlich vorzustellen und ausgraben zu lassen, damit die Offenbarung sich erfüllt. Unverstand! Und völlig abwegig und sinnwidrig, in dem Kriegsheer am Euphrat auf den Iran zu kommen (Offb.9). Was sollten die christlichen Gemeinden in Kleinasien damit anfangen? Zu jener Zeit war wenigstens Babylon noch nicht versunken, Petrus ließ noch daraus grüßen (1.Petr.5,14). Aber heute?

Haarsträubend ist eine Deutung der Siegel, Auslegung kann man es nicht nennen, wie die von Walter Schäble. Seine Kriegs- und Vernichtungsprophetie bezeichnet er als Siegesgeschichte, worin die Öffnung der vier Siegel durch das Lamm Unheil und Grauen ankündigen, das schon begonnen hat. Seine außenpolitische Deutung führt in die Katastrophe, ja sie selbst ist eine Katastrophe. Eine Auslegung, die weltpolitische Dinge und eine unheilvolle Entwicklung (Weltkriege, Rolle der USA und Israel, Globalisierung, Verfolgung, Teuerung, Tod), in den Reitern kommen sieht und verkündigt, kann keine Erbauung für Gottes Volk sein, auch keinen Sünder überführen, sondern bewirkt eine bedrückende Endzeitstimmung.

Spannend wird es erst bei den Ereignissen in der Offenbarung, die sich wörtlich abspielen sollen, wonach die Erde erbebt und die Sterne, auch Saturn und Jupiter, vom Himmel auf die Erde fallen. Wunderlich ist, dass niemand davon getötet wird, kein Haus beschädigt und auch sonst der Weltbetrieb weitergeht. Oder doch? Schäble verkleinert die Sterne zu Kometbrocken, die bis auf einen Überrest Israels und aus den Nationen die Menschen erschlagen. Glücklicherweise wird in diesem Moment die Gemeinde entrückt. Seine Anhänger gingen noch weiter und machten aus Offb.12 einen Fluchtplan aus der Eurozone, dem eine Gruppe folgte und jetzt im Norden festsitzt. Andere aber von ihnen wollen noch durch die „große Trübsal“. Viel Glück! Das Verfolgungsgespenst geht um. Damit schaffen sie sich selbst die Fälle für die Seelsorge.

Die folgende Auslegung jedoch ist bedrohlich: Das Lamm befiehlt seinen Engeln, die Erde, Fische und Schiffe, Trinkwasser, Licht und Gesundheit zu schlagen, so dass der dritte Teil der Menschen stirbt. Vielleicht im Traum oder als Vision. Salafisten haben ähnliche Vorstellungen von Jesu (Isa) Wiederkunft, wenn er den Antichrist vernichtet. Die buchstäbliche Version der Offenbarung hat jedoch auch etwas satirisch Positives, sie vereinigt Juden, Christen und Moslems heute schon; zumindest sind sich die drei „abrahamitischen Religionen“ über das Ende der Ungläubigen einig, wobei jede die Gegenseite für ungläubig hält und umbringen lässt.

Man könnte solche Auslegungen und Deutungen der Prophetie als Scherz abtun, wenn sie nicht Hochverrat am Evangelium wären. Es gibt meines Wissens keine einzige Auslegung der prophetischen Schriften, die sich als wahr erwiesen hat. Es waren sämtlich politische Spekulationen und falsche Prognosen über die Weltsituation, vor allem aber eine völlige Verkennung des Lammes. Überhaupt ist es eine Anmaßung und Vermessenheit, mit der biblischen Prophetie Politik zu treiben. Die Politik soll man den Politikern überlassen, sie ist Sache der Obrigkeit. Ein Christ, zumal ein Diener des Wortes, hat die geistlichen Mächte zu beurteilen, die wiederum der natürliche Mensch nicht verstehen kann.

Franz Stuhlhofer sieht eine ganze Reihe von Parallelen der Zeugen Jehovas zu manchen evangelikalen Endzeitautoren (Das Ende naht, S. →/27). Einige von ihnen sind als religiöse Schwindler offenbar geworden. Sie täuschten prophetische Erkenntnisse vor, weil sie mit anderen mithalten wollten. Mit Daniel und Sacharja wollten sie die Offenbarung enthüllt haben und enthüllten sich nur selber als Scharlachtane. Judas nennt sie „Wolken ohne Wasser, spätherbstliche Bäume, fruchtleer, zweimal erstorben, Irrsterne“ (Jud.19). Millionen haben sie getäuscht, Millionen daran verdient. Man kann die Falschdeutungen mit den ägyptischen Wahrsagern vergleichen (2.Mo. 7 u. 8): Mose und Aaron taten drei Wunder (Schlange, Wasser in Blut, Frösche), diese ahmten die beiden ägyptischen Zauberer, deren Namen wir in 2.Tim.3 erfahren, nach und vermehrten damit das Unglück, anstatt es zu lindern.

Dass die Welt mit solchen Auslegungen nicht zu überzeugen ist, weil zu viele Ungereimtheiten, ist nicht verwunderlich. Die Endzeitpropheten haben geradezu die bösen Geister geweckt, die gerade das verhindert haben, was die Kirchen und Gemeinden wollten: Neu-Missionierung, Erweckung. Man kann beobachten, wie der Erfolg der Evangelisationen mit der Verbreitung der Endzeitbücher in den letzten 40 Jahren rapide zurückging und jetzt fast ganz erstorben ist.

Vielleicht richtet sich der Zorn des Lammes (Offb.6,17) gerade gegen die falschen Propheten, die Seinen Namen missbrauchen und aus dem Lamm wieder den Löwen machen und selbst den Löwen gespielt haben. Doch Gott sei gepriesen! Der Löwe aus dem Stamme Juda ist das Lamm geworden (Offb.5,6). Das Lamm ist immer ein Lamm, „gestern und heute und in Ewigkeit“ derselbe Jesus (Hebr.13,8). Mit der Horrorprophetie kann man die Menschen nicht gewinnen, eher abschrecken. Wer sich trotzdem bekehrt, tut es aus Angst, nicht aber weil sein Gewissen vor Gott erweckt ist. Es ist nicht ratsam, einem Ungläubigen die Bibel ohne Erklärung zu geben, besser nur ein Evangelium. Doch wie will man ihm die Offenbarung erklären? Dies zwingt geradezu zu einer geistlichen Auslegung der Offenbarung, das heißt sie muss mit dem biblischen Wort des Alten und Neuen Testaments ausgelegt werden und praktisch, d.h. moralisch anwendbar sein.

Die evangelikale Prophetie ist zu 99% jüdische Apokalypse. Ihre Erwartung eines irdischen Königs (Weltherrschers) und irdischen Reiches hat Christus ans Kreuz gebracht. Jetzt existiert kein Christus nach dem Fleische mehr und ebenso wenig ein Israel nach dem Fleische (2.Kor.5,15-17). Es blieb dem Evangelikalismus vorbehalten, „den Sohn Gottes für sich selbst zu kreuzigen und ihn (als Gewaltherrscher) zur Schau zu stellen“ (Hebr.6,6). Eigentlich müssten sie Gewalttäter genannt werden, denn ihre Prophetie verherrlicht Gewalt. Möge so eine Buchstaben-Auslegung niemals dem Verfassungsschutz in die Hände kommen.

Der einzige Punkt, was sie richtig sehen, ist die letzte Verantwortung vor Gott: Jeder Mensch wird einmal vor dem großen weißen Thron stehen und Gott Rechenschaft geben müssen über sein Tun, „… sie wurden gerichtet an jeder nach seinen Werken“ (Offb.20,11-15). Mögen sie dann wenigstens den Menschen dieses vorstellen, auch den Gläubigen.

Die Apostel leiten uns an, wie wir die Propheten zu glauben und zu verstehen haben, und zwar im Lichte des Evangeliums. Dieselben reden von der Errettung und Befreiung der Seele, nicht von leiblicher und zeitlicher Befreiung, für eine große Errettung. Die Väter und Söhne Israels, die Glaubenszeugen und Glaubenshelden haben nicht irdische Ziele und Segnungen erwartet, sondern darüber hinaus nach dem Himmlischen und Ewigen ausgeschaut (Hebr.11,9-16), „über welche Errettung Propheten nachsuchten und nachforschten, die von der Gnade gegen euch geweissagt haben“ (1.Petr.1,10). Diese Verheißung, von der hier und im Hebräerbrief die Rede ist, ist die Errettung der Seele, „da Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, auf daß sie (die altt.Gläubigen), nicht ohne uns vollkommen gemacht würden“ (Hebr.10,39; 11,1). Das Verlangen des Herzens nach Seelenerrettung ist der Schlüssel zum Verständnis der Offenbarung. Handelt es sich um die Seele, dann sind Gesetz und Propheten geistlich zu verstehen, wozu uns Paulus reichlich Anleitung gibt. Damit sind wir auch wieder beim Evangelium und bei der Lehre Jesu und der Apostel. Anhänger und Vertreter der fundamentalistischen Prophetie müssten ihre überkommene Sichtweise hinterfragen. Sie sollten bedenken, dass wir im neuen Bund leben, der seit dem Kreuz für die Juden zuerst und für alle Menschen und alle Zeiten gilt; es ist ein ewiger Bund (Hebr.8,10; 2.Kor.3,6), der nach einer geistlichen Anwendung verlangt und für ein geistliches Leben gestiftet ist. „Indem er sagt: ‚einen neuen‘, hat er den ersten alt gemacht; was aber alt wird und veraltet, ist dem Verschwinden nahe“ (Hebr.8,13).

2 Der Dispensationalismus

2.1 Christlich-zionistische Irrtümer

Mit dem im 19.Jahrhundert aufkommenden Zionismus als einer politischen und sozialen Bewegung verbanden auch Christen prophetische Verheißungen mit Israel. Da Gemeinde und Judentum mit ihren unterschiedlichen Zielen nicht nebeneinander laufen konnten, ordnete man beide zwei verschiedenen Heilsveranstaltungen zu: Dem Zeitalter der Gemeinde sollte nach der Entrückung das jüdische Millennium folgen. Das bedeutete auch, dass der Kirche, die sich bis dahin als das geistliche Israel verstand, diese Identität streitig gemacht wurde. Der Gegensatz Kirche – Israel war geboren. Die Propheten hatten nun keine Bedeutung mehr für die Gemeinde Christi, alle Verheißungen galten jetzt dem jüdischen Volk. Das waren damals die Vorstellungen christlicher Zionisten, die sich mit dem religiösen jüdischen Nationalismus deckten, der eine Rückkehr in „das Land der Väter“ und Errichtung eines jüdischen Staates forderte.

Gewiss wollte man nichts mit den militanten Zionisten zu tun haben, stand man doch himmelweit über dem „irdischen Volk Gottes“. Doch unbemerkt war ein christlicher Zionismus geboren, der weitere Kinder gebar. So erfanden zionistisch angehauchte christliche Bibellehrer weitere zum Zionismus passende Auslegungsmodelle, zum Beispiel das Modell der „Haushaltungen“, später Dispensationalismus genannt, eine moderne Form des Judaismus, den John Nelson Darby (1800-1880), ein ehemaliger anglikanischer Priester in England begründet hat.

Unter „Dispensationalismus“ versteht man die Lehre von den Heilsepochen oder Heilshaushaltungen im Gegensatz zur überlieferten Reichslehre der Kirche. „Dispensation“ ist die lateinisch-englische Übersetzung des griechischen Wortes oikonomia (Hausgesetz), das im Neuen Testament als „Verwaltung“ vorkommt (Eph.1,10; 3,2). Dabei machten etliche Dispensationalisten sieben Epochen ausfindig, andere nur drei: Israel (altes Bundesvolk), dann die Kirche aus Juden und Heiden als himmlisches Volk, zuletzt die Wiederannahme Israels als irdisches Volk Gottes. Diese Form der eschatologischen Bibelauslegung, richtiger Bibel-Zerlegung ist heute einer der populärsten theologischen Strömungen unter evangelikalen Christen. Die biblischen Texte gelten dabei üblicherweise als irrtumsfrei und ihre Auslegung versteht sich zumeist als wörtlich.

Darby spaltet in einem komplizierten System das Reich und das Volk Gottes in zwei getrennte Heilsveranstaltungen, wodurch auch die Wiederkunft Jesu in zwei Kommen aufgeteilt werden musste, das erste zur Entrückung, das zweite die Erscheinung an Seinem Tage für Israel. Dieser Aufteilung steht das Zeugnis des Neuen Testaments vollkommen entgegen. Was dort als „auf dass die Schrift erfüllt würde“ und „die Zeit ist erfüllt“ aus den Propheten des Alten Testament zitiert wird, ist auch heute noch „erfüllt“ und erfüllt sich an jedem Glaubenden; es darf daher nicht wieder so wörtlich in die Zukunft gesetzt werden, wie es die jüdisch-christliche Prophetie tut. Gott hat Seinen Sohn in der „Vollendung der Zeitalter“ (Hebr.9,26) in die Welt gesandt, „auf daß er alles erfüllte“. Wir leben in der „Fülle der Zeit“. Erfüllter wird sie nicht. Keine alttestamentliche Verheißung ist unerfüllt. Wer davon nicht erfüllt ist, ist vielleicht von anderen Dingen und fremden Lehren oder der Nahost-Politik erfüllt, aber nicht von Christus. Jesus kommt nur noch einmal wieder, denen, die Ihn erwarten zur Seligkeit, den übrigen zum Gericht (Hebr.9,28; 2.Tim.4,1).

In Amerika ist die Diskussion um den Dispensationalismus schon länger im Gange. In Europa haben lediglich Übersetzungen aus dem Englischen das Thema aufgerissen. In jüngster Zeit haben ihn insbesondere zwei Bücher kritisch unter die Lupe genommen, das eine von dem Wiener Historiker Franz Stuhlhofer, „Das Ende naht – Die Irrtümer der Endzeitspezialisten“, das andere von den beiden amerikanischen Autoren Albertus Pieters und John H.Gerstner, „Scofield und die Heilszeiten auf dem Prüfstand“.

Der Alttestamentler Oswald T. Allis geht noch weiter. „Ihm fiel auf, wie ähnlich sich doch der Dispensationalismus und die radikale Bibelkritik sind. Dispensationalisten sind im Allgemeinen sehr konservativ und anti-kritisch. Sie sind sich einig, dass die Bibel Gottes Wort ist, im Gegensatz zum Bibelkritiker, der davon ausgeht, dass sie ein menschliches Machwerk ist. Insofern ist Allis selbst von seiner Feststellung überrascht, dass diese Ultrakonservativen mit den Ultrakritischen in der radikalen Weise übereinstimmen, wie sie die Bibel beschneiden. Radikale Forscher zerlegen das Alte Testament in unterschiedliche, sich widersprechende Dokumente mit gegensätzlichen theologischen Konzepten“ (Pieters, S. →).

Klaus Berger führt in „Die Bibelfälscher“ den kranken Zustand der Volkskirchen (ev. und kath.) auf die bibelkritische Wissenschaft zurück. Ein ebenso schlimmes, wenn nicht noch größeres Übel ist die Bibelzerlegung auf evangelikaler Seite. Sie bekennt Bibeltreue, hat aber viele Christen irregeführt und bei vielen eine typisch laodicäische Anmaßung und Blindheit bewirkt.

Ich würde Dispensationalisten nicht als Bibelkritiker bezeichnen oder gar als Bibelfälscher betiteln. Das sind sie durchaus nicht. Eher sind sie Geschichtsfälscher, indem sie das, was Geschichte geworden ist, wieder in die Zukunft setzen und somit das Wort Gottes verfälschen, wie Paulus solche nennt (2.Kor.2,17). Man tut ihnen nicht Unrecht, wenn man sie als Bibelräuber offenbart, und das um Mitternacht, „kurz vor 12“, wo wir die Ermunterung der Schriften brauchen. Sie nehmen dir die Bibel aus der Hand und reißen einen Teil heraus, der angeblich nicht für uns bestimmt sei, sondern für das „Tausendjährige Reich“. Heimlich machen sie aber selbst von der ganzen Bibel Gebrauch. Es ist nicht der Irrtum, der ihnen zur Last gelegt wird, denn jeder Mensch kann im guten Glauben irren. Es ist vielmehr die Unbelehrbarkeit, ja die hartnäckige Weigerung, sich auf Fehldeutungen hinweisen zu lassen, geschweige denn darüber nachzudenken.

In dieser Reihe, die den Dispensationalismus von außen betrachten, fehlt noch das Zeugnis eines überführten Insiders, wie mich, der sogar darin geboren ist und seine Begründung und Entwicklung kennt. Ergänzend zu den genannten Werken stellt ihm mein Buch von innen her das Zeugnis des Evangeliums gegenüber. Es mehren sich die Stimmen auch im dispensationalistischen Lager, die Zweifel an ihrer Position äußern.

Die christlich-zionistische Sicht ist ein fataler Selbstbetrug, ihre Widersprüchlichkeit (eigentlich Schizophrenie) ist greifbar: Bibelausleger versus Bibelgemeinde, sie legen das Wort Gottes gegen die Gemeinde aus. Dieselbe Person, die sich als bibeltreu bekennt, zerlegt die Bibel, indem sie die halbe Bibel zur eigenen Bibel macht. Bibelzerleger sind selbst zerlegte Leute, indem sie sich selbst zerlegen, Kopf und Herz trennen, anders leben als lehren, anders sprechen als glauben, anders handeln als bekennen. Ich war selbst ein solcher, der Erste, dem seine laodicäische Doppeldeutigkeit bewusst wurde, nicht heiß für Jesus und nicht kalt, eben lau gegen Seine wunderbare Offenbarung, und doch ein Eiferer für das Wort Gottes. Möge Gott uns von dieser Zwiespältigkeit befreien. Die Spannungszauberei der Endzeitpropheten würde dann zweifellos schnell entlarvt und die Seelen von der künstlich geschürten Angst vor Verfolgung erlöst werden. „Laßt uns das Künftige hören, verkündet das späterhin Kommende, damit wir erkennen, dass ihr Götter seid … ein Greuel ist, wer euch erwählt“ (Jes.41,22-24).

Durch die vielen Endzeitbücher, die oft die widersprüchlichsten Aussagen enthalten und deren Voraussagen sich nicht erfüllt haben, ist eine heillose Verwirrung entstanden. Andererseits passieren jetzt so viele Dinge, die erst nach der Entrückung geschehen dürften, so dass verunsicherte Gläubige fragen, was denn die eigentliche christliche Hoffnung ist. Nach den gewaltigen Veränderungen der letzten Jahre sind Endzeitler vorsichtiger geworden mit ihren Prognosen und prophetischen Spekulationen. Dennoch meinen manche sichere Aussagen über die Zukunft machen zu können, indem sie theologisch zu begründen versuchen, dass Gottes Reich doch einmal als ein irdisches Reich für die Juden (Millennium) erscheinen werde. Dabei berufen sie sich auf die frühe Kirche, in der die Christenheit angeblich in dieser Überzeugung lebte. Es gab einige Kirchenväter, die die Idee eines irdischen Reiches (Chiliasmus) vertraten, aber ausschließlich als Reich für die Christen. Wie weit diese Lehre verbreitet war, kann aus den vorhandenen Zeugnissen nicht nachgewiesen werden. Mit dem Aufkommen des Zionismus kam jedoch das jüdische Element hinein, so dass es ein jüdisches Millennium geworden ist, das einmal alle Völker anziehen soll.

Die Israeleuphorie, bei manchen sogar eine Verbissenheit in ihre Israelidee, lässt immer noch nicht nach, obwohl in dem sogen. Judenstaat die Zahl der Juden stark zurückgeht und jetzt nur noch 77 % beträgt, während der übrige Teil Araber, Moslem, Christen (2%) usw. sind; der größte Teil der Juden lebt außerhalb des Staates Israel (USA, Westeuropa u.a.) und denkt nicht an eine „Heimkehr“.

An der Israelfrage scheiden sich offenbar die Geister. In der Nazizeit wurden die Juden verwünscht, weil sie nach der Bibel ein Fluch seien unter den Völkern. Es fanden sich kaum Christen, die mit gläubigen Juden etwas zu tun haben wollten. Juden raus! Auch aus den Gemeinden und Versammlungen. Wo war da die „Liebe zu Israel“? Wer bekannte sich zu dem „auserwählten Volk“? Wer hat für Israel gebetet? Keiner, auch nicht einer, und doch waren ihre Versammlungen gesegnet gewesen, wie sie gerne erzählten.

Nach 1945 drehte sich der Wind. Plötzlich waren alle pro Israel: Israel, Israel ... Gottes auserwähltes Volk, biblische Verheißungen erfüllen sich ..., und dergleichen Parolen mehr. Wie sich doch die Meinungen ändern! Aber das Evangelium haben sie nie befragt. Jetzt gelten diejenigen als Irrlehrer, die ihre Israelsicht nicht teilen.

Den Israelfreunden fehlt offenbar das einfachste geistliche Unterscheidungsvermögen zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Deshalb halten sie die ungläubigen Juden für die Auserwählten, die wahren Gläubigen aber für verirrt, verdammt. Ein Jude, der nicht glaubt, ja gottlos ist, und das sind nun die meisten in der israelischen Gesellschaft, und vielleicht die Christen hasst, genießt bei ihnen größere Ehre und Liebe als ein gottesfürchtiger Christ, der nicht genau auf ihrer Linie ist. Sie messen mit zweierlei Maß, und das sind Prediger.

„Israel ist der Augapfel Gottes“? Wer das meint, muss auch folgern, dass die Juden das „Volk der Heiligen“ sind (Dan.7). Sind neuerdings Ungläubige die Heiligen? O, hast du mal von einem solchen gehört oder ist dir einer in Israel begegnet, von dem du sagen könntest, das ist ein Heiliger Gottes? Und doch spricht man die Juden heilig. Die Heiligen sind nach dem Zeugnis des Nationenapostels nur die in Christo Berufenen (Eph.1,1; 1.Kor.1,2).

„Israel ist das auserwählte Volk?“ Wozu auserwählt? Hast du mal darüber nachgedacht, was mit den Juden geschehen ist, wenn sie, ohne mit Gott versöhnt zu sein, in ihren Sünden gestorben sind? Auserwähltes Volk im 3.Jahrh., im 8.Jahrh., im 12.Jahrh., im 17.Jahrh., und doch gestorben und verdammt? Darauf gibt es nur eine Antwort, der kein Christ ausweichen kann, wenn er nicht der Allversöhnungslehre anhängt: „Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mark.16,16). Was für alle Menschen gilt, gilt auch für Juden. Warum sollen die Juden ausgerechnet im 20. u. 21.Jahrh, also nach fast 2000 Jahren wieder das auserwählte Volk Gottes sein? Juden sind Menschen wie wir, nicht weniger wertzuachten, aber auch keine höhere Klasse. Wollen sie auch nicht sein.

Wir werden gegenwärtig wieder stark an die Nazizeit erinnert, besonders an das schreckliche Geschehen in Auschwitz vor 70 Jahren. Damals war ein Jude, auch ein Halbjude oder wenn die betriebene Ahnenforschung jüdische Herkunft nachwies, äußerst gefährdet, ebenso Leute, die sich zu Juden bekannten oder gar beherbergten. Hier ist leider auch ein Stück Kirchen- und Gemeindegeschichte, insbesondere Brüdergeschichte noch unbewältigt bzw. aufzuarbeiten. Kaum ein Christ wagte, sich zu der Judenfrage zu äußern oder sich zu einem jüdischen Bruder zu bekennen, geschweige denn ihn ins Haus aufzunehmen, wie meine Eltern es taten. Die jüdische Familie wohnte bei einem Nazimenschen, der sie sehr bedrängte. Als die Eltern 1937 einen Mieter suchten, entschieden sie sich für diese Familie. „Er ist mein Bruder“, sagte Vater vor Gericht. Der Richter: „Sie haben wohl nicht eher Ruhe, bis sie im Gefängnis sind“. Darauf Vater: „Lieber mit gutem Gewissen im Gefängnis, als …“, weiter sprach er nicht. Vor den drei „Stolpersteinen“ vor meinem elterlichen Haus, von der Stadt angebracht, bleibt so mancher nachdenklich stehen: Hier wohnten also Juden, „deportiert 1942 nach Theresienstadt“.

Zurück zum Dispensationalismus. Die reformierte Eschatologie bewahrte zunächst viele Kirchen vor den neuen Theorien. So haben die evangelischen Kirchen, die Mennoniten und Baptisten, die Adventisten und fast alle Allianzgemeinden, den Dispensationalismus zunächst abgelehnt. Mit der Gründung des Staates Israel schien die dispensationalistische Prophetie in Erfüllung zu gehen, sie fand im evangelikalen Raum und weit darüber hinaus viele begeisterte Anhänger. Wie ein Steppenbrand wurden ganze Gemeinden von dem Israelfeuer, das von namhaften evangelikalen Endzeitautoren (Wim Malgo etc.) angezündet worden war, erfasst. Für die Popularisierung der modernen Israelprophetie im evangelikalen Raum sorgte insbesondere Frau Dr.Wasserzug der Bibelschule Beatenberg. In Pfingstlerkreisen gehört die Erwählung Israels schon zum Glaubensbekenntnis. Als die rußlanddeutschen Christen heimkehrten, wurde ihnen gleich der christliche Zionismus übergestülpt. Wer hat da noch geprüft, ob diese phantastische Schau mit dem Evangelium vereinbar ist? Oder wer von ihnen forschte nach, was die Väter ihrer Bewegung über Israel und das Reich Gottes gelehrt haben? Nichts dergleichen was dem fleischlichen Israel einen besonderen Vorrang gäbe. Darbysten, zu deren Lehre es gehört, die Juden für alle Zeiten als „Gottes Volk“ zu betrachten, sind selbst viel weniger von dem Israelfieber angesteckt worden, sie interessiert auch kaum der aktuelle politische Stand. Ist doch ihre Prophetie festgeschrieben und muss sich alles so erfüllen, komme, was da kommen mag. Obwohl nicht einmal orthodoxe Juden ihren neuen Staat anerkennen, ist er für Evangelikale das göttliche Zeichen geblieben.

Diese wunderliche Prophetie stellt eine Fiktion dar, die als die „tröstlichere Hoffnung“ vornehmlich die Gläubigen ansprechen will; sie sieht die Gemeinde (Versammlung) bereits entrückt, bevor die „letzten Dinge“ geschehen. Darbysten „möchten ganz einfach und in logischer Reihenfolge die biblischen Aussagen zu diesem Thema entfalten, denn die Heilige Schrift lehrt uns ganz deutlich, was wir in der Zeit vor und nach der Wiederkunft Jesu zu erwarten haben“ (Clouse, S. →). Für mich, der ich in diesem System großgeworden bin, waren Bezeichnungen wie „Haushaltungslehre“ oder „Vorentrückungslehre“ Fremdwörter, man hat nie etwas davon in der Versammlung gehört. Ich wusste nicht, dass ich ein Dispensationalist war, ich war einfach überzeugt, die Wahrheit zu haben, während alle anderen Kreise nicht die Erkenntnis hatten wie „die Brüder“. Meiner Meinung nach warfen jene die Dinge durcheinander, die nach väterlicher Überlieferung fein säuberlich getrennt zu betrachten waren. „Diese Haltung ist für Dispensationalisten typisch“, bemerkt Franz Stuhlhofer als Außenstehender sehr treffend: „So wie sie die Bibel verstehen, so sei sie wirklich gemeint. Diese feste Überzeugung, die eigene Endzeitsicht sei die eindeutig richtige und sie sei als solche von allen Menschen guten Willens erkennbar, erschwert ein Ernstnehmen der Kritik an der eigenen Position“ (S. →). Das trifft meines Erachtens jedoch nur auf Darbysten zu. Bezeichnend für sie ist ihr absoluter Wahrheitsanspruch, mit dem sie nicht nur die Inspiration der Bibel vertreten, sondern darüber hinaus auch ihre eigenen, meist angelesenen Auslegungen und Deutungen mit den Aussagen der Schrift gleichsetzen. Alle Darbysten sind Dispensationalisten, aber umgekehrt sind nicht alle Dispensationalisten Darbysten. Dagegen würden sie sich mit Recht wehren.

Ganz gewiss können und sollen wir eine feste Überzeugung aus der Schrift gewinnen, vor allem in den fundamentalen Wahrheiten. Bei dem Verständnis der Prophetie bleiben aber Vorbelehrungen, „Meinungsauffassungen, gewohnte Denkkategorien, gelesene Bücher usw. nicht ohne Einfluss“ auf die Deutung, wie zumindest auch jeder Dispensationalist zugeben muss (Heide S. →). Jede Lehre muss sich prüfen lassen, ob sie wirklich Schriftlehre ist. Prüfstein kann aber nur die Heilige Schrift selber sein, wobei wir uns einigen müssen, von welchem Standpunkt wir die Schrift betrachten. Die rechte biblische Sicht kann nur die des Evangeliums sein.

2.2 „Sieben Heilszeiten“

Im dispensationalistischen System ist die „Unterscheidung der Zeitalter“ oder der „Haushaltungen“, wie sie es nennen, von fundamentaler Bedeutung. William MacDonald, ein Lehrer der neueren dispensationalistischen Schule, unterscheidet mindestens vier Zeitalter oder „Hauhaltungen“. Das Wort kommt so nicht in der Bibel vor, nur als Familienhaushalt. Den Zeitfaktor haben Dispensationalisten hineingebracht, um nach beliebiger Unterscheidungsmethode die Geschichte der Menschheit in Zeitalter einteilen zu können. Gott hätte das gemacht, wobei man auf den Hebräerbrief (1,2) verweist, dass Gott durch den Sohn „die Welten gemacht hat“. „Die Welten“, die sichtbare und die unsichtbare, haben aber nichts mit Zeitalter zu tun. Gott benötigt keine Zeit, um etwas zu schaffen: „Er gebot, und es stand da“ (Ps.33,9). Dr.C.I.Scofield, der Herausgeber der Scofield Bibel, listet sieben Haushaltungen auf und schreibt sie gleich am Anfang in seine Bibel: „1.Die Zeit der Unschuld im Paradies, 2.Die Zeit des Gewissens (bis zur Sündflut), 3.Die Zeit von Noah bis Abraham, die er „die Zeit unter der Verwaltung durch den Menschen“ nennt, 4.Die Zeit der Verheißung (der Patriarchen), 5.Die Zeit des Gesetzes (bis Pfingsten), 6.Die Zeit der Gemeinde oder die Zeit der Gnade (bis zur Entrückung) und 7.die Zeit des Königreichs: die tausendjährige Regierung Christi auf der Erde“ (Anm. zu. 1.Mose 1). Sehr zu bemängeln ist an den Heilszeiten Scofields, dass er keine Schriftbeweise für seine Dispensationen liefert, „aus dem einfachen Grunde, weil es keine gibt. Auch nennt Scofield nicht die Grundlage, auf die er seine Behauptung stützt, dass es gerade sieben sind“ (Pieters S. →).

„Über die Zahl der Haushaltungen oder ihre Bezeichnungen sind sich nicht alle Christen einig, dass es aber überhaupt Haushaltungen gibt, möchten wir wie folgt beweisen: Erstens gibt es mindestens zwei Haushaltungen – Gesetz und Gnade“ (Pieters S. →). Richtiger würden wir hier von zwei „Heilsordnungen“ sprechen, eine nach dem alten Bund und eine andere nach dem neuen Bund. Auf dieser Basis behauptet MacDonald eine dritte Haushaltung: „Wenn wir damit übereinstimmen, dass es zwei Haushaltungen gibt, sind wir auch zur Annahme gezwungen, dass es drei gibt, die Zeit vor dem Gesetz“ (Pieters S. →). Zu dieser Annahme sind aber nur Dispensationalisten gezwungen. Wo steht denn, dass vor der Sündflut oder die Zeit danach bis zur Gesetzgebung für Israel auf dem Sinai die Menschen kein Gesetz hatten? Viel wahrscheinlicher ist die Annahme, dass wo ein Gewissen und eine moralische Verantwortung (Scofields 2.Haushaltung) ist, auch ein Gesetz Gottes gewesen sein muss. Denn wo kein Gesetz ist, ist auch keine Sünde, ohne Gesetz aber ist auch kein Gericht, keine Bestrafung möglich. Es muss ein Sittengesetz gegeben haben, noch ungeschrieben, aber von Gott eingeführt für die damalige Welt. Zeitgenossen wie Henoch und Noah waren gerecht und vollkommen, was sie nur sein konnten, weil sie nach den Geboten Gottes lebten. Und wie konnte Noah den Menschen Gerechtigkeit predigen, wenn es kein Gesetz gab? Nun war ja in seinen Tagen eine Zeit wie heute, wo die Menschen durchaus kein moralisches Bewusstsein, ja überhaupt kein Gewissen mehr hatten, weshalb Gott sie nicht mehr länger ertrug und eine Sündflut kommen ließ, welche alle umbrachte. So bleibt von der „Zeit des Gewissens“ nur noch ein Haushalt übrig, die Familie Noahs. „Gott sprach zu Noah: Gehe in die Arche, du und dein ganzes Haus“ (1.Mo.7,1).

Nicht anders war es in der „Zeit der Verheißung“ (Scofields 4.Haushaltung). Nur die Väter des Glaubens (Patriarchen) standen unter der Verheißung, für sie und nicht etwa für die Welt war Verheißungszeit. Abraham bekam die Verheißung, dass er der Welt Erbe sein sollte, und zwar auf Grund seines Glaubens und Gehorsams. Hatte sonst noch jemand in dieser Zeit eine Verheißung, außer sein Same? In welchem Zeitalter lebte die übrige Menschheit in dieser Zeit? Wenn die Schrift von „Haus“ oder „Haushaltungen“ spricht, dann meint sie den persönlichen Haushalt, eine oder mehrere Familien, eine Sippe. Auch hier ist die Zeit der Verheißung noch einmal eingeschränkt bei denen, die sich der Verheißung unwürdig erwiesen. Für Esau war keine Zeit der Verheißung, die Linie der Verheißung geht mit Jakob weiter und sie ist noch nicht ausgestorben. Wenn es je eine „Zeit der Verheißung“ gab, dann ist sie heute, aber nur für die Glaubenden.

Als Joseph sich seinen Brüdern offenbarte, sagte er: „Tut dieses: Beladet eure Tiere und ziehet hin, geht nach dem Lande Kanaan, und nehmet euren Vater und eure Haushaltungen und kommt zu mir“ (1.Mo.45,18). Für alle Länder ringsum war Hungersnot, aber Joseph versorgte seine Brüder und das ganze Haus seines Vaters; für sie begann eine Segenszeit. Auf diesen Unterschied weist weder Scofield noch MacDonald hin, sie gebrauchen den Begriff „Zeit“ oder „Zeitalter“, wie man von der Zeit vor und nach dem 2.Weltkrieg spricht, von dem die ganze Welt betroffen war.

In diesem Sinne gibt es auch keine „Zeit des Gesetzes“. Der unkundige Bibelleser muss bei Scofield den Eindruck gewinnen, als ob das Gesetz für Israel allen Völkern gegeben wäre. Es gab große Nationen, Weltreiche, denen das mosaische Gesetz gar nicht bekannt war. Wahr ist, dass sie sich selbst ein Gesetz sind, „welche das Werk des Gesetzes geschrieben zeigen in ihren Herzen, indem ihr Gewissen mitzeugt und ihre Gedanken sich untereinander anklagen oder auch entschuldigen“ (Röm.2,15). Das war aber schon vor der Sündflut so und ist auch heute noch nicht anders. Für diesen Teil der Menschheit ist nicht die „Zeit des Gesetzes“, sie leben nach dem Zeitlauf dieser Welt, der gesetzlos ist. Gleichwohl werden sie nach dem Gesetz Gottes gerichtet.

Mit Pfingsten ist in Wahrheit die Zeit aller Haushaltungen gekommen: Die Zeit einer neuen Schöpfung, die Zeit unter der Gnade, die Verwaltung durch den Menschen, die Zeit der Verheißung, auch die Zeit der Gebote Gottes und die Zeit des Königreiches Christi. Wunderbare Zeit! „Ihm sei die Herrlichkeit in der Versammlung in Christo Jesu, auf alle Geschlechter des Zeitalters der Zeitalter hin! Amen“ (Eph.3,21). Das Gemeindezeitalter ist das Zeitalter aller Zeitalter, danach die Ewigkeit.

Einig sind wir mit Scofieldisten lediglich darin, dass es eine Zeit der Unschuld gegeben hat. Das leugnet kein Christ. Vermutlich war das aber keine so lange Zeit, dass man sie „Zeitalter“ oder „Epoche“ nennen könnte, vielleicht nur ein paar Jahre oder Monate. Statt „Haushaltungen“ sollte man aber biblischer „Verwaltung“ sagen. Paulus spricht von der „Verwaltung der Gnade“, „Verwaltung des Geheimnisses“ oder „Verwaltung Gottes“, nicht etwa von Haushaltungen. Gott ist nicht umgezogen, Er hat nur einen Haushalt in Seinem Hause, „dessen Haus wir sind“ (Hebr.3,6). Zwar musste mit dem Kreuz in Seinem Hause die Ordnung geändert werden, die natürlichen Gegenstände sind ausgeräumt worden, um dem Geiste Raum zu geben und statt Mose den Sohn des Hauses einzuführen. Aber es ist noch immer dasselbe Haus des Vaters, und Seine Kinder sind Seine Hausgenossen, die lebenden in der unteren Etage, die abgerufenen in der oberen. In diesem Hause wohnten auch unsere Väter Abraham, Isaak und Jakob; sie nannten es „Beth-El“ (1.Mo.28,19).

Von dem gegenwärtigen Zeitalter als dem der Gnade zu sprechen, als ob Gott „jetzt den Menschen auf dem Boden der Gnade erprobe und damals auf dem des Gesetzes“ (MacDonald, S. →), ist ebenso irreführend, wie die oft von Christen zu hörende Rede, dass „jetzt noch Gnadenzeit ist“, das heißt, es sei noch nicht Gerichtszeit für die Welt. Gnadenzeit währt solange, wie Menschen auf der Erde leben. Auch in der Gerichtszeit und gerade im Gericht ist die Gnadentüre weit offen. Wann anders sollten Menschen der Gnade bedürfen und nach Gnade rufen, außer wenn sie unter den Gerichtsplagen leiden? Deshalb muss das Gericht gepredigt werden wie in Ninive. Gnadenzeit im eigentlichen Sinne hat der Gläubige, der von der Gnade lebt.

Auch im Alten Testament ist Gott gnädig gewesen, „ich werde begnadigen, wen ich begnadige“ (2.Mo.33,19). Die Gnade Gottes ist in dem eingeborenen Sohn des Vaters Fleisch geworden, „heilbringend für alle Menschen“ (Tit.2,11). Sie ist nicht erschienen, um „den Menschen zu erproben“, sondern ihn zu heilen. Schon David hatte eine Gnadenzeit, und Jesajas ruft für Israel das „Jahr der Annehmung“ und „den Tag des Heils“ aus (Jes.49,8). Die Gnadenzeit, die mit dem Kommen des Heilandes begonnen hat, ist für alle, die nach Gnade verlangen und sie empfangen haben. „Siehe, jetzt ist die wohlangenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ (2.Kor.6,2), sagt der Apostel den Korinthern. Man kann aber aus der Gnade fallen und fällt dann wieder unter das Gesetz und wird vom Gesetz gerichtet (Gal.5,4).

Die Welt hat keine Gnadenzeit in dem Sinne, dass sie noch nicht gerichtet ist. In ihr ertönt lediglich die Gnadenbotschaft, weil sie unter Gericht steht. Für die Welt gab und gibt es keinen Sonderhaushalt, die „Haushaltungen“ (im darbystischen Sinne) sind offensichtlich an den Völkern vorbeigegangen. Länder im Fernen Osten, die noch nicht christianisiert wurden, haben keine Gnadenzeit. Wo sollen dort Christen die „Zeit der Gemeinde“ einordnen? Im Abendland ist die Situation wieder anders. Hier geht die „Zeit der Gemeinde“ offenbar zu Ende, denn der allgegenwärtige Welt- und Zeitgeist verdrängt mehr und mehr das Christentum und verändert Kirchen und Gemeinden im Sinne des Humanismus.

Nachdem MacDonald uns drei Haushaltungen nachgewiesen hat, bietet ihm der Ausdruck „zukünftiges Zeitalter“ (Hebr.6,5) schon Beweis genug, uns auf eine vierte Haushaltung festzulegen: „Natürlich ist das die Zeit, wenn der HErr Jesus Christus zurückkommen wird, um auf der Erde zu herrschen, auch bekannt als tausendjähriges Reich“. Darauf wollen Dispensationalisten eigentlich hinaus, daran sind sie auch als Neojudaisten zu erkennen. Endlich ein Zeitalter für die ganze Welt. Dieses Zeitalter soll auch in Eph.1,10 begründet sein, wo in der „Verwaltung der Fülle der Zeiten“ alles unter Christus als Haupt zusammengebracht werden wird. Das ist nicht erst zukünftig, es begann schon durch den Apostel der Nationen. Es ist geschehen und geschieht noch, wie das der Epheserbrief eindeutig zeigt: Christus das Haupt, die Nationen und Juden unter Ihm als Sein Leib völlig zusammengefügt. Völliger geht’s nicht. Der Gedanke, dass die „Fülle der Zeit“ gekommen war (Gal.4,4) und das „zukünftige Zeitalter“ bereits angebrochen ist, in dem wir die „zukünftigen Güter“, das heißt die Segnungen, welche Christus eingeführt hat (Hebr.9,11), genießen, war mir von der Brüderlehre her völlig fremd.

Was Scofield getan hat, ist lediglich die Bibel in „Heilszeiten“ eingeteilt, nicht die Weltzeit, denn die Bibel ist kein Geschichtsbuch der antiken Welt. Im Alten Testament finden wir nicht einmal die nationale Geschichte Israels fortgeschrieben. Gott schreibt Geschichte anders, denn die Bibel ist Heilsgeschichte, es ist die Geschichte von auserwählten Personen und ihrem Samen, der zu einem Volke wurde. Die Heilszeiten Israels sind unsere Heilszeit, wie ich in meiner Auslegung der Sendschreiben (Geheimnis, Babylon) nachweise. Die Welt hat sich nicht geändert und wird sich auch bis zu ihrem Ende nicht ändern, aber Gott hat Sich ein Volk aus der Welt, aus allen Stämmen und Völkern und Sprachen genommen für Seinen Namen. Unser HErr Jesus Christus hat Sich für uns hingegeben, „damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters, welchem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (Gal.1,3-5).

Wir fragen, welchen Sinn nun die Zeiteinteilungen haben sollen, und welchen Nutzen für das geistliche Leben? Scofield findet „die Kenntnis der Heilszeiten von höchstem Wert“. MacDonald fürchtet, dass wir „sonst Schriftaussagen, die andere Zeiten betreffen, auf uns selbst beziehen“ (S. →). Jesus hält sich offenbar nicht daran, Er bezieht die Zeit Noahs und zugleich die Tage Lots direkt auf die gegenwärtige Zeit. Es bedarf keiner Zeiteinteilung, um das Alte Testament zu verstehen. Das Neue Testament legt klar, was für uns aus dem alten Bunde noch buchstäblich gilt, z.B. die vier Stücke in Apg.15. Alles andere ist jetzt geistliche Wahrheit und Wirklichkeit, basierend auf der Geschichte. Die Gefahr, die Dispensationalisten sehen, ist nicht so sehr, dass man dann wie die unter dem Gesetz lebenden Juden kein unreines Fleisch essen dürfe, sondern dass sich dem Bibelleser die gehütete siebte Heilszeit auflöst. Das ist es, was Dispensationalisten am meisten fürchten, denn dann bricht ihr ganzes Lehrgebäude in sich zusammen. So ist es mir geschehen, gnädigerweise. Mein Weltbild musste vor Dem zusammenbrechen, „der über das Haus Jakobs herrschen wird ewiglich, und seines Reiches wird kein Ende sein“ (Luk.1,33).

Man kann im Grunde die Heilszeiten einteilen wie man will, zuletzt sind es immer die 1000 Jahre Königreich Christi auf Erden. Alle Faktoren sind variabel, nur das Tausendjährige Reich ist eine feststehende Größe, auf die alles hinausläuft und von der alles