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Intelligenz – das ist "der" Maßstab für die Leistung unserer Hirnzellen. Leicht zu messen, leicht zu vergleichen – und leicht misszuverstehen. Denn Intelligenz ist keine mentale Leistungsgröße, die man einfach so in der Natur findet. Doch was macht tatsächlich die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns aus? Ticken hochbegabte Gehirne wirklich anders als "normalbegabte"? Und welchen Einfluss können die Gene oder Hirnjogging auf den IQ nehmen? Zeit für eine neurobiologische Spurensuche nach der Grundlage unserer Intelligenz.
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Seitenzahl: 40
Henning Beck
Geisteskraft
Die Tricks intelligenter Gehirne
Neulich ist mir im Internet eine tolle Seite aufgefallen: »IQ-Test – Gehören Sie zur Grips-Elite?«, hieß es da. Klasse Sache, habe ich mir gedacht, schnell ein paar Testaufgaben durchgeklickt und sogleich ein fundiertes Ergebnis, eine solide Zahl erhalten. Ein hoher IQ-Wert sagt schließlich angeblich eine Menge über einen aus: Beruflicher Erfolg1, sozialer Aufstieg2, sogar gesünderes und längeres Leben3 – alles soll mit einem hohen IQ zusammenhängen.
Kein Wunder, dass ein jeder seinen IQ nicht nur testen, sondern auch verbessern will. Mit professionellem »IQ-Training« oder individuellen Übungen soll man auf diese Weise seine Hirnfitness steigern und sogleich zu einem besser denkenden Menschen werden. Schließlich ist der IQ der Maßstab schlechthin, um die Leistung unserer Hirnzellen zu bestimmen. Denn ein IQ bringt drei Dinge mit, die ihn besonders populär machen: Erstens ist er offenbar leicht und verlässlich zu ermitteln. Zweitens ergibt er eine handliche Messgröße (eine simple Zahl), die sich leicht vergleichen lässt: je größer, desto besser. Und drittens fasst er etwas schwer Greifbares (die menschliche Geisteskraft) kompakt zusammen. Prima, so können wir selbst die unübersichtlichsten biologischen Vorgänge auf eine praktische Größe bringen. Die Welt kann so einfach sein!
Zeige mir deinen IQ, und ich sage dir, wer du bist: So wird der IQ zu einer mächtigen und modernen Persönlichkeitsgröße. Mit dieser Kennzahl wird jedem sofort verdeutlicht, welche Gehirn-Power er tatsächlich besitzt. Die Visitenkarte unseres Verstandes, gewissermaßen. Und keine Sorge, wenn Sie nicht sofort Ihren Wunsch-IQ erzielen. Heutzutage bleibt die Intelligenz nicht nur auf die rein geistige Leistungsfähigkeit beschränkt. Suchen Sie einfach ein bisschen länger, bis Sie die Intelligenz gefunden haben, in der auch Sie ein Meister sind. Wie wäre es mit emotionaler, sozialer, kultureller, kooperativer, spiritueller oder ökologischer Intelligenz? Denn der Intelligenzbegriff ist hip und wird längst für alle möglichen geistigen Lebenslagen herangezogen.
Doch so gerne man den Begriff der Intelligenz verwendet, so unklar und missverständlich ist er im Detail. Passiert in einem intelligenten Gehirn etwas Besonderes, das es von einem normal denkenden unterscheidet? Hat es irgendwelche Tricks auf Lager, die wir vielleicht sogar trainieren können? Oder ist alles vererbt und festgelegt?
Begeben wir uns also auf eine anatomisch-neurobiologische Spurensuche und ergründen die Ursachen für intelligentes Denken. Denn ein menschliches Gehirn verfügt tatsächlich über allerhand Besonderheiten, die es zum intelligentesten Denkorgan der ganzen Welt machen.
Wenn ich etwas messen will, geht das in der Regel ganz leicht, ich brauche nur zwei Sachen dafür: etwas, das gemessen werden soll, und ein Messverfahren. Wenn ich also wissen will, welche Power ein Sportwagen hat, kann ich mich vor ihn stellen, den Hubraum und den Motor vermessen. Anschließend noch eine kleine Testfahrt, schon weiß ich, was das Auto leistet. Viele stellen sich vor, dass das beim Vermessen der geistigen Leistungsfähigkeit genauso geht: Auch hier macht man einfach eine kleine Testfahrt (einen Intelligenztest), und schon weiß man, wie gut so ein Gehirn tickt. Schließlich hat man ja den Intelligenzquotienten bestimmt. Doch so einfach ist es nicht. Denn ein Gehirn ist keine Maschine.
An dieser Stelle daher gleich eine Klarstellung: Der IQ ist nichts, was Sie einfach so in der Natur finden. Die Geschwindigkeit eines Autos kann ich messen: Ich schaue auf den Tacho und weiß Bescheid. Wenn ich Sie jedoch einen Intelligenztest machen lasse, weiß ich noch nicht sofort, wie »gut« Sie wirklich denken. Denn dazu muss man Ihr Testergebnis ins Verhältnis zum Ergebnis vieler anderer Teilnehmer setzen, die denselben Test gemacht haben. Indem man anschließend alle Testergebnisse miteinander vergleicht, erhält man den Intelligenzquotienten und normiert das mittlere Testergebnis einfach auf den Wert von 100. Ein hoher IQ von 130 sagt also nicht automatisch, dass sie absolut gut denken, sondern nur relativ besser als knapp 97,7 % der anderen Testteilnehmer. Vielleicht haben alle anderen Teilnehmer beim Test versagt? Dann braucht man selbst nicht gut zu sein, sondern nur weniger schlecht – und hat trotzdem einen hohen IQ.
Damit genau das nicht passiert, muss man eine Gruppe untersuchen, die ausreichend groß ist, um solche Schwankungen auszugleichen. Man sagt: Die Grundgesamtheit muss statistisch belastbar sein. Ein guter Intelligenztest sollte also etwas umfangreicher sein als auf einer dahergelaufenen Internetseite, auf die selbst der übereifrige Autor dieses Textes schnell hereinfällt. Erst wenn Sie viele tausend Teilnehmer vor stundenlangen Tests brüten lassen, erhalten Sie verlässliche und wiederholbare Daten.