Genesis 7.0 - Die unsichtbare Macht - Jürgen Trageser - E-Book

Genesis 7.0 - Die unsichtbare Macht E-Book

Jürgen Trageser

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Beschreibung

Mächtige Daten- und Techno-Konzerne kontrollieren die Welt, und das WHRC im Silicon Valley ist die gigantische Spinne im Netz von Facebook, Instagram, Google und Apple. 
Einige wenige Menschen entscheiden unbemerkt über das Schicksal von Milliarden, und Damian Statten ist einer dieser Eingeweihten des Gremiums 7.0. Er ist innerlich zerrissen, ob sein Handeln gut oder böse, richtig oder falsch ist, denn die Weltbevölkerung wächst unaufhörlich, Ressourcen schwinden, Nahrung wird knapp, die Natur kippt, und die kritische Grenze der zehn Milliarden Erdenbürger kommt immer näher. 
Damian und sein Gremium können es ändern, können den Lauf der Dinge beeinflussen, eine neue Genesis bewirken, die Zukunft der Menschheit in eine andere Richtung lenken, ihr Überleben und das der Nachkommen sichern. 
Aber was ist wirklich der richtige Weg? 
Soll er den neuzeitlichen, wahnsinnigen Schöpfungseingriff mit apokalyptischen Ausmaßen stoppen?
Oder soll er die hochintelligenten stillen Eingriffe seines Gremiums zur Rettung der Zukunft unterstützen?

„Dieser futuristische Thriller zeigt erschreckend real die Weltmacht von Daten- und IT-Konzernen mit deren Eingriffen in wichtige Unternehmen und Fernsteuerung menschlicher Handlungen.“
 

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Jürgen Trageser

Genesis 7.0

Die unsichtbare Macht

 

 

 

 

 

 

© 2022 Europa Buch | Berlin www.europabuch.com | [email protected]

ISBN 9791220126984

Erstausgabe: August 2022

 

Gedruckt für Italien von Rotomail Italia

Finito di stampare presso Rotomail Italia S.p.A. - Vignate (MI)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Genesis 7.0

BEOBACHTET –

GESPEICHERT –

GESTEUERT

      

Technischer Fortschritt ist wie eine Axt in den Händen eines pathologischen Kriminellen.

Albert Einstein

Wir sind die Sklaven von dem, was uns nicht glücklich macht.

Hans Arndt

      

 

Prolog

Doktor Lee Hu Wong stieg aufgeregt und in düsterer Vorahnung hastig die zahlreichen Leitern hinab in die Tiefe seiner Mauer. Die Staumauer des „Drei-Schluchten-Staudammes“ war mit 185 Metern Höhe eine der gigantischsten auf der Welt. Sie staute den wasserreichen Jangtsekiang in einem riesigen Stausee von über 600 Kilometern Länge. Der Klimawandel hatte gerade in der Provinz Hubei in den letzten zehn Tagen zu noch nie erlebten Jahrhundert-Regenfällen geführt, mit dauerhaften Niederschlägen von bis zu 200 Litern pro Quadratmeter, so dass der Stausee und das Wasser an der Mauer alarmierend hoch standen. Die Druckmessungen der Mauersensoren zeigten Doktor Wong aber immer noch nur leicht erhöhte Werte an, die eine Öffnung der Sperrschieber und Wehrklappen als aktive Hochwasserentlastung noch nicht auslösten.

Aber Doktor Wong war zu lange technischer Leiter dieses Bauwerkes, zu erfahren und zu skeptisch, um nur der Elektronik und den Computern zu trauen. Und er hatte gerade jetzt ein verdammt schlechtes Bauchgefühl, wo diese Naturgewalten und unvorstellbaren Wassermassen an seinen Damm drückten. Trotz seines Alters von 62 Jahren hatte er solche Regenfälle und Niederschlagsmengen in China noch nie erlebt, und je weiter er nach unten zu den klassischen Wasserdruck-Uhren des Staudammes kletterte, um so panischer wurde er. Er spürte, dass seine Mauern noch nie so an der Grenze waren, dass sie überlastet waren, dass sie brechen könnten, wenn er nicht die Wehrklappen manuell notauslösen würde. Und dann sah er die erste Druckanzeige in 50 Metern Tiefe.

„Mein Gott, ich wusste es“, schrie er sich selbst an und kletterte schnell zur nächsten Druckuhr in 75 Metern Tiefe. „Nein, nein, das darf nicht sein“, wurde er immer fassungsloser und stolperte noch drei weitere Leitern zur Druckmessung in hundert Meter Tiefe. Hier erhielt er die endgültige, knallharte Bestätigung, dass sein Bauchgefühl leider recht hatte, dass die verdammte Elektronik im Kontrollzentrum alles falsch angezeigt hatte, und dass er nicht mehr viel Zeit hatte, die apokalyptische Katastrophe zu verhindern. Der Staudamm drohte zu brechen und das nicht in Tagen oder Stunden, sondern vielleicht schon in Minuten, wenn die hier angezeigten Druckwerte stimmten.

Als Wong die Leitern nach oben hetzte, hörte er die Mauern mehr und mehr krachen. Er musste schnell im Kontrollzentrum anrufen und den Katastrophenalarm für alle Einwohner des Tales auslösen. „Mein Gott, das sind etwa fünf Millionen“, sagte er entsetzt zu sich selbst. Er schwitzte und wählte mit nassen zittrigen Fingern die Nummer seiner Zentrale, wo auch gleich sein Kollege Han Wei abnahm. „Hey Doktor Wong, wir haben Sie hier schon vermisst. Was kann ich für Sie tun?“, fragte einer der Damm-Ingenieure gut gelaunt seinen Chef.

„Han, hören Sie mir jetzt ganz genau zu. Die elektronischen Druckanzeigen der Mauer sind falsch. Ich war gerade unten bis auf einhundert Meter und habe … aaah …“ Plötzlich hörte Han Wei in der Leitung einen Knall oder Schuss und einen kurzen Aufschrei von Doktor Wong.

„Hallo, hallo Chef?“ rief Han mittlerweile äußerst beunruhigt ins Telefon, doch es kam keine Antwort.

„Hey, alle mal herhören“, schrie er zu seinen Techniker-Kollegen im Kontrollzentrum. „Wir müssen Alarmstufe Rot auslösen und die Sperrschieber manuell öffnen. Doktor Wong hat gerade von unten panisch angerufen und gesagt, dass unsere Druckwerte falsch angezeigt werden. Dann wurde plötzlich die Verbindung durch einen Knall unterbrochen“, stammelte Han ängstlich zu seinen Kollegen. „Jetzt mal langsam, Mister Wei“, sagte der IT-Chef Doktor Feng Li ruhig. „Wir haben insgesamt 240 Drucksensoren, die zuverlässig minütlich alle Werte an neun Zentral-Rechner weitergeben, und das seit mehr als zehn Jahren. Bei allem Respekt vor Doktor Wong, aber wir können nicht so schnell die Wehrklappen manuell öffnen und gigantische Flächen unbewohnter Getreide-Felder fluten, Ernten und Nahrungsmittel vernichten, wenn doch unsere Druckwerte hier etwas anderes sagen.“

„Aber die Regenfälle sind apokalyptisch, der Stausee übervoll und das Wasser steht nur noch gut fünf Meter unter der Mauerkrone“, erwiderte eine ängstliche Mei Ling, die seit drei Jahren wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team war.

„Verdammt, wenn Wong recht hat, bleibt uns nicht mehr viel Zeit“, brüllte jetzt Han Wei seine Kollegen an. „Jetzt gehen zuerst zwei von Euch schnell nach unten, prüfen die Druckuhren in 50 und 75 Metern und suchen Doktor Wong. Wir checken hier alle nochmal genau die Elektronik und öffnen zumindest zwei kleinere Notwehrklappen“, befahl er weiter und seine Teamkollegen machten sich hektisch an die Arbeit.

Etwa 70 Meter tiefer fluchte Doktor Wong und kletterte schnell wieder einige Leitern hinunter. Der Knall aus der Tiefe hatte ihn so erschreckt, dass ihm sein Handy aus der Hand auf eine unter ihm liegende Plattform fiel. „Was war dieser Knall? Waren weiter unten schon Träger gerissen, Teile gebrochen?“, dachte er mittlerweile voller Todesangst und stürzte seinem Handy entgegen. Mit aufgeschlagenen blutigen Fingern wählte er wieder die Nummer der Kommandozentrale.

Unten in Sandouping im Tal des gigantischen DreiSchluchten-Dammes feierten heute an diesem Sonntag trotz des Dauerregens Hunderttausende meist in Tempeln und ihren Häusern das sogenannte Quingming-Fest, ein chinesisches Totengedenkfest. Überall brannten Räucherstäbchen, Kerzen und Laternen. In vielen Häusern trafen sich die Großfamilien zu einem Festmahl und beteten gemeinsam. Mit ihrem gigantischen Staudamm hatten sie gelernt zu leben. Angst hatte schon lange niemand mehr vor einer großen Flut oder einem Brechen des Dammes. Im Gegenteil kam für die Einwohner der Provinz Hubei und Umgebung mit der Talsperre und dem Wasserkraftwerk der Wohlstand. Tausende Arbeiter bauten mit ihren Familien Häuser, viele Geschäfte und Supermärkte entstanden, Infrastruktur und Straßen wurden ausgebaut. Vor etwa zwanzig Jahren hatten noch Hundertausende gegen den Bau des Monster-Staudammes demonstriert, gegen Zwangsumsiedlungen, gegen die Staatsmacht, aber im totalitären chinesischen Regime hatte damit keiner der Einwohner eine Chance, und jetzt waren die meisten recht zufrieden mit ihrem „Wassermonster“ – die meisten bis auf Chai Than Wu. Er warnte bis heute vor der, wie er sagte, „unnatürlichen Bändigung des Wassers“. Chai war mittlerweile 86 Jahre alt und einer der weisen Ältesten seiner Gemeinde, den viele um Rat baten, weil er mit seinen Ahnungen und Visionen oft richtig lag.

„Meine Kinder, meine Enkel, meine Freunde, nehmt eiligst eure wichtigsten Dinge und flüchtet auf dem schnellsten Wege aus dem Tal auf die Berge. Das Wasser erobert sich seine Freiheit zurück. Der Damm wird brechen. Ihr habt mir oft geglaubt, ich flehe euch an, dies auch jetzt zu tun. Ihr habt kaum noch Zeit, bitte rettet euch!“

Die anwesenden 27 Familienmitglieder und Verwandten waren gleichzeitig überrascht, bestürzt, entsetzt und voller Angst, denn was ihr weiser Ältester sagte, traf schon so oft ein. Und solche sintflutartigen endlosen Regenfälle hatten sie alle noch nie erlebt. Also taten sie wie Chai Than Wu riet und flüchteten. Währenddessen versuchten viele noch ihre Freunde über die beängstigende Ankündigung Chais per Handy zu informieren. Doch fatalerweise funktionierte ausgerechnet jetzt keine Mobilverbindung mehr.

Auch Doktor Wong hatte keine Verbindung mehr zu seiner Kommandozentrale und schrie nur noch verzweifelt nach oben, während er die Leitern im Inneren des Dammes nach oben hetzte. „Hallo, hallo, Hilfe, hört mich jemand?“

Nach wenigen Minuten hörte er von oben Stimmen. „Doktor Wong? Hallo? Sind Sie da unten?“

In der Kommandozentrale versuchte Han Wei und sein Team einige erste Wehrklappen über die Notsteuerung zu öffnen. „Verdammt, was ist denn da los? Warum können wir die Klappen nicht öffnen?“

„Die niedrigen elektronischen Druckanzeigen blockieren die Öffnung anscheinend“, antwortete einer von Han Weis besten Technikern.

„Verflucht, dann müssen wir die Elektronik umgehen. Haben sich Khan und Zing schon gemeldet und Doktor Wong gefunden?“, brüllte Han mittlerweile fast hysterisch in der Zentrale. „Bisher haben wir noch keinen Anruf erhalten“, kam die ernüchternde Antwort seines Kollegen.

„Hey, ich bin hier“, schrie Doktor Wong nach oben.

„Sind Sie in Ordnung? Geht es Ihnen gut?“, riefen Khan und Zing nach unten zu ihrem Chef.

„Mir geht’s gut, aber uns allen gleich nicht mehr. Klettern sie schnell nach oben und lösen sie Evakuierungsalarm aus. Der Damm wird brechen“, brüllte Wong mit überschlagender Stimme so laut er konnte. Und sein Schrei wurde von einem weiteren lauten Knall aus der Tiefe der Mauer begleitet, der Khan schnell nach oben flüchten ließ. Zing versuchte auf dem Weg zu Wong mit seinem Handy die Zentrale zu informieren, aber auch er bekam keine Verbindung. Als Khan zurück in die Kommandozentrale stürmte, herrschte dort Chaos und helle Aufregung.

„Wir können die Notwehrklappen nicht öffnen“, brüllte ein Techniker schweißgebadet.

„Wir haben keine Verbindungen ins Tal oder zur Polizei“, rief ängstlich ein anderer.

„Und Doktor Wong schrie uns zu, dass der Damm brechen wird“, berichtete der hereinstürzende Khan.

Plötzlich krachte es laut in den Mauern unter der Zentrale und es brach Panik aus. Jeder wollte weg, raus, runter vom Damm. Han Wei löste alle Sirenen aus, die normalerweise auch im gesamten Tal zu hören waren, aber außer einem leiseren Brummton war nichts zu hören. Doktor Wong war mittlerweile mit Zing auf der Plattform bei etwa 50 Metern zusammengetroffen und beide hasteten völlig erschöpft die weiteren Leitern nach oben, als es nur wenige Meter neben ihnen passierte.

Mit einem fürchterlichen Krachen – ähnlich dem eines umstürzenden Baumes – bildete sich ein etwa zehn Meter langer Riss in der Damm-Mauer. Doktor Wong und Mister Zing kletterten in Todesangst nach oben, aber als etwa 30 Meter unter ihnen plötzlich schon tosendes Wasser eindrang, wussten beide, dass dies ihre letzten Atemzüge sein würden.

Zwei Minuten später brach die Dammmauer auf etwa 70 Meter Länge und nach etwa fünf Minuten stürzte die Talsperre ein, was zu einer apokalyptischen Sturzflut unvorstellbaren Ausmaßes und einer der größten Katastrophen dieses Jahrhunderts führte.

„Mein Gott Tom, komm mal schnell“, sagte Svenja in Stade, als sie im ZDF die Einblendung der Katastrophenmeldung las und auf NTV umschaltete, wo die ersten Bilder aus der Katastrophenregion gesendet wurden.

„Hey Miranda, mein Gott, schau was da in China passiert ist“, rief William in Atlanta, als ABC mit einer Sondersendung das laufende Programm unterbrach.

Alle Fernsehprogramme auf der ganzen Welt sendeten rund um die Uhr Sonderberichte zum Bruch des weltgrößten Staudammes in China und dem unvorstellbaren Ausmaß der Vernichtung und Zerstörung. In den riesigen überfluteten Gebieten lebten etwa fünf bis sieben Millionen Menschen. Hunderttausende Gebäude wurden einfach wie Spielzeug weggerissen und erste Schätzungen gingen von bis zu einer Million Toten aus.

Die Welt stand still und schaute nur noch nach China. Menschen in Europa, den Vereinigten Staaten oder Afrika weinten vor den Bildschirmen und waren in Schockstarre, mehr als damals nach 9/11. Niemand war an irgendeinem Sport- oder Kulturevent interessiert, niemand wollte ausgehen, niemand auf der Welt irgendetwas feiern, die Welt trauerte und konnte das gigantische Unglück nicht fassen, nicht glauben, nicht verstehen, denn es gab ganz viele bohrende Fragen zum nicht vorhergesehenen Bruch des „Drei-Schluchten-Staudammes“ – Fragen, die bisher noch niemand klären konnte:

Warum wurde niemand frühzeitig gewarnt?

Warum gab es keine Notrufe?

Warum heulten keine Sirenen?

Warum haben die zahlreichen Druckmessungen versagt? Warum wurden Wehrklappen oder Sperrschieber nicht zur Druckentlastung geöffnet?

Warum wurden die Tosbecken nicht geflutet? Warum hatten die Einwohner im Tal schon Stunden vor dem Bruch keine Handyverbindungen mehr?

Warum, wieso, weshalb?

Die Menschheit suchte nach Antworten für dieses größte Unglück der Neuzeit, das höchstwahrscheinlich hätte verhindert werden können, wenn die Elektronik und Computer regulär funktioniert hätten, um die Druckwerte richtig zu messen und die Hochwasserentlastung in Gang zu setzen. Unzählige Tote hätten vermieden werden können, wenn die Frühwarnsysteme und Mobilfunkverbindungen funktioniert hätten.

Wenn, ja wenn diese ganzen Techniken alle normal funktioniert hätten, aber warum hatte dies alles in seiner Gesamtheit versagt?

Quälende Fragen, technische Fragen, existenzielle Fragen, die zu diesem Zeitpunkt genau sieben Personen eines Gremiums in ihrem Headquarter, gut 10.000 Kilometer östlich des Staudammes, sehr detailliert beantworten konnten.

„Wow, das war unsere bisher größte Tat. Damit haben wir sogar die Tsunami-Flutwelle von Thailand übertroffen.

Ihr seid wahrlich Genies“, lobte Sir Antonio Rezos Großmeister Yang und sein Team, und Doktor Samuel Lancaster pflichtete bei:

„Unsere Nachkommen werden uns für diese Taten ewig dankbar sein, wenn sie unsere Aktivitäten irgendwann verstehen. Lasst uns die weiteren Genesis-Phasen aktivieren, um die Menschheit noch rechtzeitig zu retten!“

Stade (Deutschland) 17.10.2024

      

1

Es war eine verdammt heiße Nummer. Svenja war so scharf und erregt, und sie wollte alles von ihm und alles aus ihm. Sie atmete schnell und stöhnte laut auf, als sie unter heftigen Zuckungen kam, und Tom ejakulierte fast zeitgleich mit ihr.

„Diesmal hat es garantiert geklappt, das fühl ich“, sagte sie noch voller Endorphine ihres Höhepunktes und kuschelte sich in Toms Arm.

„Du warst so scharf, mein Schatz. Auch wenn wir es schon hunderte Male miteinander gemacht haben, wird unser Sex jedes Mal geiler.

Beim durchschnittlichen Samenerguss werden etwa 100 Millionen Spermien freigesetzt – ich glaube, heute hab ich dir eine halbe Milliarde gegeben“, antwortete Tom lachend und schlief friedlich mit seiner Frau ein.

Svenja und Tom wohnten in einem schicken ToskanaHaus in Stade, einer Kleinstadt an der Elbe, etwa 45 Kilometer westlich von Hamburg. Kurz nach ihrer Hochzeit vor gut 6 Jahren konnten sie schon in jungen Jahren bauen, da ihnen Svenjas Vater ein schönes ruhiges Grundstück in Stadtrandlage vermachte. Außerdem hatten sie zur Finanzierung ihres Eigenheims beide schon recht gute Jobs – sie als Bankkauffrau und er als IT-Betreuer derselben Hamburger Commerzbank.

Tom war damals 28 und Svenja 26 Jahre alt, als sie heirateten und schon ihr Haus bauten. Kennengelernt hatte sich die beiden in ihrer gemeinsamen Firma gut drei Jahre zuvor.

Es war die klassische Liebe auf den ersten Blick oder vielleicht auch auf den zweiten, da Tom es gleich zu Anfang fast komplett vermasselt hätte, als er zu einem PCProblem in das Großraumbüro und dort zum Arbeitsplatz von Svenja gerufen wurde.

„Eigentlich funktionieren diese Computer technisch immer einwandfrei und die Probleme kommen nur durch Anwenderfehler. Haben Sie den Monitor auch eingeschaltet?“

Svenja dachte sich, was dieser eigentlich sehr gut aussehende Mann doch für ein arroganter überheblicher Computer-Fuzzi war, der sie für so dämlich hielt, dass sie nicht mal den PC-Monitor anstellen könne.

Und Tom legte auch noch dummerweise einen drauf: „Sie werden es nicht glauben, ich wurde schon mal zu unserer Filiale nach Cuxhaven gerufen, weil die drei Damen dort es nicht bemerkt hatten, dass der Stecker nicht richtig eingesteckt war. Hahaha. Naja, wie ich schon sagte, die User eben oder eher die Userinnen“ und krabbelte lachend zu Svenjas PC unter den Schreibtisch.

Svenja hatte auf den ersten Blick genug von der Arroganz und Frauenfeindlichkeit dieses Mannes, wenn er auch optisch wirklich genau ihr Typ war, doch das (Liebes-)Blatt sollte sich schnell zum Guten wenden: Tom öffnete das Seitenteil des Rechners und erhielt plötzlich einen kleinen Stromschlag, durch den er nach oben schnellte und sich den Kopf mit voller Wucht am Schreibtisch anschlug. Schmerzverzerrt rieb er sich die größer werdende Beule und Svenja konnte sich das laute Lachen mit einem passenden Kommentar nicht verkneifen: „Jetzt war die Userin doch so weit vom PC entfernt, und der hat den Fachmann doch gebissen. Sie werden es nicht glauben, es gibt doch tatsächlich auch IT-Fachleute, die ein Gerät nicht vom Stromnetz trennen bevor sie es öffnen.“

Da war das Eis gebrochen und beide lachten herzlichst mit den anderen Mitarbeitern des Großraumbüros. Tom erkannte jetzt erst, wie wunderschön diese Frau mit ihren langen dunklen Haaren und den Rehaugen war, die mit ihrem Lachen plötzlich tausend Schmetterlinge in seinem Bauch fliegen ließ.

Tja, und drei Jahre später war die Traumhochzeit perfekt. Alle Freunde und Verwandte sahen Svenja und Tom als das ideal zusammenpassende Paar fürs Leben – attraktiv, intelligent, rücksichtsvoll, harmonische Beziehung, gute Berufe, tolles Eigenheim. Die Flitterwochen auf den Seychellen waren unvergessen und dort sprachen beide zum ersten Mal über den großen beiderseitigen Kinderwunsch.

„Schatz, ich werde jetzt bald 27, das wäre doch das beste Alter für einen kleinen oder eine kleine Wilhelmsen, oder was meinst du?“, fragte Svenja eines Abends grinsend und glücklich beim Sonnenuntergang am Strand.

„Und warum nicht eine kleine und einen kleinen? Nicht oder. Also ich meine, nicht unbedingt zusammen, sondern nacheinander“, flüsterte Tom mit feuchten Augen und drückte seine geliebte Frau fest und lange an sich. Beide weinten vor Glück über ihre Beziehung, ihre Liebe und ihren gemeinsamen großen Kinderwunsch.

„Zwei wären super. Und wenn es ein Pärchen ist, optimal. Die Kinderzimmer haben wir ja schon in unserem Haus. Und unsere Eltern können sich beide um die Kleinen kümmern, wenn wir arbeiten müssen. Und im Garten können wir eine Schaukel und eine Rutschbahn aufstellen.“

Svenja und Tom überschlugen sich vor Freude und träumten von ihrer Familie, die in zwei oder drei Jahren mindestens vier Köpfe umfassen sollte.

Heute waren sechs Jahre vergangen seit diesen Träumen und die Kinder-Träume sind manchmal Albträumen gewichen. Von Monat zu Monat, wenn Svenja wieder ihre Tage bekam oder einer der vielen Schwangerschaftstests erneut negativ ausfiel, stiegen Frustration, Niedergeschlagenheit und Zukunftsängste bis hin zu depressiven Phasen bei Svenja und Tom.

Endlose quälende Fragen stellten sich: Woran liegt es? An wem? Wollen wir es zu krampfhaft? Müssen wir geduldiger sein?

„Tom, wir müssen uns jetzt mal genauer untersuchen lassen, ich beim Frauenarzt und du beim Urologen. Wir haben das schon lange genug vor uns hergeschoben. Ich hab schon ’nen Termin bei meiner Gyn nächste Woche. Würdest Du bitte auch einen urologischen vereinbaren?“, fragte Svenja.

„Klaro, find ich auch wichtig“, sagte Tom, jedoch hatte er wie auch Svenja natürlich die große Angst im Kopf, dass bei den Terminen herauskam, woran oder an wem es lag, und dass nach diesen Ergebnissen ihre Beziehung nicht mehr so sein könnte wie zuvor.

Svenja hatte den Termin bei Frau Dr. Kramer als Erste. Sie hatte schon lange keine großen Hemmungen oder Ängste mehr vor gynäkologischen Untersuchungen bei ihrer gefühlvollen Frauenärztin, da sie nun doch schon seit ihrem 17. Lebensjahr Patientin bei ihr war, also seit 15 Jahren.

Frau Dr. Kramer wusste natürlich vom langjährigen Kinderwunsch ihrer Patientin und dem ihres Mannes.

„Frau Wilhelmsen, unser Körper ist leider keine Maschine, wo man einen Knopf drückt, und ein Produkt erzeugt wird. Die Zeugung eines Kindes ist immer wieder ein Wunder, das bei manchen Paaren nur Monate dauert, bei vielen Paaren aber auch Jahre.

Ich hatte nicht nur eine Patientin, die es mit allen Mitteln, ständigen Basaltemperatur-Messungen, genauester Eisprungberechnung bis hin zu regelmäßigen eigenen Gebärmutterhals-Untersuchungen über fünf, sechs oder sogar zehn Jahre mit ihrem Partner versucht hat, und als es dann beide aufgegeben und sich damit abgefunden hatten, kam das ungeplante späte Kinderglück.“

Frau Dr. Kramer war Mitte der Fünfziger und hatte schon so viele schöne Entbindungen vorgenommen, so viele Paare mit neugeborenen Kindern überglücklich gemacht, aber sie hatte leider auch Totgeburten erlebt, behinderte Kinder entbunden und in ihrer Praxis viele Eierstock- oder Brustkrebsfälle behandelt, die nicht alle gut endeten. Für Frau Dr. Kramer war ein unerfüllter Kinderwunsch sicher nicht die schlimmste Besprechung mit einer Patientin:

„Trotzdem darf ich Ihnen, liebe Frau Wilhelmsen, auch nicht verschweigen, dass nach einer aktuellen Statistik immerhin 15,7 Prozent der europäischen Paare ungewollt kinderlos bleiben, weil es einfach aus den verschiedensten Gründen biologisch nicht funktioniert. Das ist doch fast jedes sechste Paar. Dabei kommt eine Unfruchtbarkeit bei beiden Geschlechtern ungefähr gleich häufig vor. Hat sich Ihr Mann schon einmal urologisch

untersuchen lassen und ein Spermiogramm durchgeführt?“

„Tom hat Ende nächster Woche einen Termin bei Dr. Hauenstein“, erwiderte Svenja mit frustrierter, ja fast trotziger Stimme.

„Prima, dann können wir ja vielleicht den nächsten Termin bei mir schon gleich in vier Wochen zu Dritt machen und mit Ihrem Mann gemeinsam die Ergebnisse und die Situation besprechen. Ich werde mir nun erst nochmal Ihre Organe genauer anschauen, etwas Blut abnehmen und Sie untersuchen. Ist das okay, Frau Wilhelmsen?“

Svenja antwortete nur gedanklich abwesend mit einem kurzen „Ja“ und dachte beim Ausziehen ihrer Hose und ihres Slips immer noch an die letzten Worte von Frau Dr. Kramer: „die Situation gemeinsam besprechen“ klang in ihren Ohren so wie „Stunde der Wahrheit“, „Enddiagnose“ oder gar „Urteilsverkündung“.

Die Untersuchung ihrer Vagina und Gebärmutter sowie den Abstrich nahm Svenja kaum wahr. Viel zu viele Gedanken kreisten in ihrem Kopf, viel zu viele Ängste machten sich breit.

„Ihre Eileiter sehen hervorragend aus, sie sind frei und nicht verengt. Die Gebärmutter ist schön und völlig normal, Blase prima …“, diagnostizierte Frau Dr. Kramer während der Ultraschall-Untersuchung.

„Hervorragend, schön, völlig normal, prima; verdammt, nichts ist völlig normal und prima“, dachte sich Svenja.

„Also Ihrerseits ist alles in Ordnung, Frau Wilhelmsen. Alle Gebärorgane und Funktionen gesund und normal. Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken. Wir sehen uns schon in vier Wochen gemeinsam mit Ihrem Mann und schauen dann weiter. Ich wünsche Ihnen bis dahin erstmal eine gute Zeit und liebe Grüße auch an den Gatten.“

„Ihrerseits ist alles in Ordnung“, hallten die Worte von Frau Dr. Kramer in Svenjas Kopf nach, als sie die gynäkologische Praxis verließ und nach Hause fuhr. Noch im Auto erhielt sie eine WhatsApp von Tom: „Und Schatz, wie war’s? Alles in Ordnung?“ Als sie zuhause ankam, schrieb sie gleich zurück: „Alles in Ordnung und normal mein Hase. Erzähl dir dann alles abends, wenn du von der Arbeit kommst.“ Irgendwie fiel es Svenja aber sehr schwer, Tom „alles in Ordnung“ zu schreiben, denn irgendwie war ja absolut nichts in Ordnung.

Als Tom gut eine Woche später in die urologische Praxis zu Dr. Heribert Hauenstein fuhr, war er doch sehr nervös und fühlte sich alles andere als wohl. Schließlich war es für ihn mit 34 Jahren der erste Termin bei einem Urologen und von Freunden hat er schon erfahren, dass dieser ihm zur Prostata-Untersuchung seine Finger in den Arsch stecken würde und einen Ultraschall-Stab noch dazu.

„Guten Tag, Herr Wilhelmsen“, sagte die nette Sprechstundenhilfe am Empfang und gab Tom direkt einen beschrifteten Plastikbecher in die Hand mit der Bitte in der gegenüberliegenden Toilette Urin in besagtem Becher abzugeben.

„Alles klar, mach ich“, antwortete er und ging in die Toilette. Zum Glück hatte er auch durch seine Nervosität gerade eine recht volle Blase, füllte den Becher bis zum obersten Rand und drückte dann gerade noch vor Überlaufen des Bechers seine Harnröhre ab.

Mit einem randvollen warmen Urinbecher ging er dann wieder zum Empfang, wo sich mittlerweile noch zwei weibliche Patientinnen anmelden wollten. Irgendwie schauten sie beide ihn etwas merkwürdig und schmunzelnd an, und Tom war es ziemlich peinlich, so mit seinem frischen Pipi in einem durchsichtigen Becher im Empfangsbereich zu stehen.

Und noch peinlicher wurde es ihm, als die Arzthelferin meinte: „Ach Entschuldigung, Herr Wilhelmsen, Sie sind ja das erste Mal bei uns. Für Ihren abgegebenen Urin gibt es ein Abstellfach direkt im Toilettenbereich. Würden Sie es bitte dorthin zurückbringen und reinstellen?“

Tom errötete und wäre beim Zurückgehen zur Toilette mit seinem übervollen Becher fast noch über eine Teppichwelle gestolpert. „Na, das kann ja heute noch heiter werden“, dachte er sich und ging noch nervöser ins Wartezimmer.

Nach etwa 15 Minuten wurde er ins Sprechzimmer gerufen, in das kurz darauf auch ein grauhaariger hagerer Mann mit Nickelbrille kam, der sich mit Doktor Hauenstein vorstellte.

„Herr Wilhelmsen, Sie sind das erste Mal bei einem Urologen? Gibt es spezielle Probleme? Was kann ich für Sie tun?“, leierte er mit monotoner Stimme wahrscheinlich schon bei seinem zehntausendsten Patienten der letzten Jahrzehnte herunter.

Tom nahm sein Herz in die Hand und antwortete: „Meine Frau und ich sind nun bald sieben Jahre verheiratet und versuchen schon seit fünf oder sechs Jahren ein Kind zu zeugen, aber leider bis heute ohne Erfolg. Nun wollte ich mich bei Ihnen mal ausführlich durchchecken lassen, um vielleicht herauszufinden, ob dies an meiner Zeugungsfähigkeit liegen könnte.“

„Dies ist natürlich eine sehr komplexe Sache, die sehr viele Ursachen haben kann, daher müsste ich Ihnen vor meiner Untersuchung doch noch einige Fragen stellen, Herr Wilhelmsen. Und hierfür benötige ich bitte auch Ihre Offenheit und Ehrlichkeit, da die Fragen durchaus in Ihren Intimbereich und Ihre Privatsphäre gehen“, wurde die Stimme von Dr. Hauenstein langsam etwas wärmer und vertrauter:

„Wie alt ist Ihre Frau?“

„Sie wird jetzt 32“, antwortete Tom kurz.

„Wie verhält es sich mit Ihrem Sexualleben? Wie oft haben Sie durchschnittlich Geschlechtsverkehr pro Woche?“ Tom dachte sich zuerst, was das diesen Doc wohl angeht, sah aber dann den Sinn darin, und überlegte, wie oft Svenja und er es eigentlich pro Woche machten.

„Ich denke so ein- bis dreimal“, setzte Tom den Wert eher etwas höher und in einer auslegbaren Spanne an.

„Und Sie kommen immer zum Orgasmus? Erektionen und Ejakulationen immer normal?“

„Mein Gott“, dachte Tom und langsam kamen zur Röte in seinem Gesicht auch noch leichte Schweißausbrüche.

„Ja, meistens schon“, brachte er etwas zögerlich heraus.

„Meistens, also nicht immer?“, fragte Dr. Hauenstein mit Blick über seine Nickelbrille.

„Naja, durch den vorgeplanten terminierten Sex, zum fruchtbarsten Zeitpunkt meiner Frau, bin ich eben manchmal nicht gerade zu diesem Zeitpunkt auch erregt … und dadurch geht es bei mir natürlich auch nicht immer auf Knopfdruck.“

„Das kann ich sehr gut verstehen,“ erwiderte Doktor Hauenstein verständnisvoll und analysierte weiter:

„Erfolgsdruck mit Sex nach Zeitplan und nicht nach Erregung und Lust ist immer sehr kontraproduktiv und führt meist zum Gegenteil, zu Verkrampfung, zu Stress und in Folge zu mehr gegenseitiger Unlust auf die schönste Sache der Welt.

Um eine eventuelle Unfruchtbarkeit Ihrerseits auszuschließen, benötigen wir bitte ein Spermiogramm von Ihnen. Dabei wird die Anzahl und Aktivität bzw. Beweglichkeit Ihrer Spermien analysiert. Anschließend werde ich Sie noch manuell und per Ultraschall untersuchen, um die Organbeschaffenheit, -funktionsfähigkeit und -größe von Niere, Blase, Prostata und Hoden zu überprüfen.“

Die Spannung und Nervosität bei Tom hinterließen schon große Schweißflecken unter seinen Armen.

„Kommen Sie bitte mit in den Nebenraum, Herr Wilhelmsen“, sagte Doktor Hauenstein und ging voraus.

„Für unser Spermiogramm erhalten Sie hier ein Glas, in das Sie ejakulieren müssten. Da die Spermien an der Luft eine kurze Haltbarkeitsdauer haben, die Qualität schnell abnimmt und diese gleich gekühlt werden müssen, sollte dies im Idealfall hier direkt bei uns passieren, wenn Sie das können. Lassen Sie sich Zeit, entspannen Sie sich! Ein paar erotische Hefte liegen da drüben auch zu Ihrer Unterstützung bereit. Die Türe können Sie von innen abschließen. Wenn Sie fertig sind, stellen Sie das Glas mit Ihrem Ejakulat in dieses Abstellfach an der Wand und melden sich draußen bei meiner Sprechstundenhilfe. Die wird Sie dann in den Ultraschallraum führen.“

So stand Tom nun da, mit seinem Glas in der Hand, in einem Arztsprechzimmer und sollte einfach mal so spontan onanieren und zum Orgasmus kommen – ohne seine geliebte Svenja oder andere größere Anreize, abgesehen von den drei alten vergriffenen Playboy-Heften. Also zog er seine Hosen runter, machte die Augen zu, ließ alle sexuellen Fantasien, ob mit oder ohne Svenja, spielen und musste seine Handgelenks- und Unterarmmuskeln bis zur völligen Erschöpfung einsetzen, um glücklicherweise nach etwa zehn Minuten den gewünschten Erfolg zu erzielen.

Als er nach dieser Zeit mit leichten Krämpfen in den Unterarmen aus dem Behandlungszimmer ging und zwei lächelnden Arzthelferinnen begegnete, kam er sich irgendwie schäbig, ja fast erniedrigt vor. Auf der anderen Seite war Tom aber auch froh, dass er keinen Offenbarungseid leisten und Dr. Hauenstein gestehen musste, dass er nicht ejakulieren konnte.

„Herr Wilhelmsen, kommen Sie bitte noch mit in den Ultraschall“, sagte die Sprechstundenhilfe. „Bitte machen Sie sich unten herum komplett frei und legen sich auf diese Liege!“

Tom dachte nur: „Oh Herr im Himmel, jetzt haut der mir gleich noch ’nen Stab in den Arsch und fasst mir an die Klöten“ und bevor er einen weiteren Schweißausbruch bekommen konnte, kam Doktor Hauenstein schon in den Behandlungsraum.

„So, Herr Wilhelmsen, jetzt kriech ich Ihnen noch in den Hintern“, meinte er lachend, um Tom ein wenig aufzuheitern, was jedoch nicht so ganz gelang. In Sekundenschnelle hatte Doktor Hauenstein seine Gummihandschuhe übergezogen und Toms Hoden in der Hand. Nicht gerade sanft knetete und drückte der Urologe seine edelsten Teile genau prüfend zwischen den Fingern, so dass Tom ein kurzes „Autsch“ entfuhr. Nur einen Wimpernschlag später hatte Doktor Hauenstein schon Toms Vorhaut zurückgezogen und begutachtete kurz sein intimstes Teil, das bis dato nur ein einziger Mann vor etwa 32 Jahren in der Hand hatte, nämlich sein Vater, als er ihm das Pinkeln beibrachte.

„Alles prima, sieht normal aus“, meinte der gute Doktor Heribert Hauenstein zu Toms Gemächt. „Und jetzt bitte auf die Seite legen mit dem Hintern zu mir!“

Mit ebensolcher Schnelligkeit wie zuvor hatte er nach einem kurzen „Jetzt ganz locker bleiben!“ den Mittelfinger in seinem Anus und nach maximal zwanzig Sekunden schon wieder draußen.

„Das war ja doch gar nicht so schlimm“, dachte Tom. Allerdings dachte er das nur ganz kurz, denn er sah jetzt den langen Ultraschallstab, den Doktor Hauenstein nun mit einem Gummi überzog. „Das Teil ist ja doppelt so lang wie Svenjas Vibrator“, schoss es ihm in den Kopf und dann aber doch mit einem Grinsen, „aber zum Glück nicht doppelt so dick.“

„Bitte noch einmal entspannen!“ Und da wars schon passiert. Ein kurzer Schmerz, ein stöhnendes „Aua“ von Tom, und das Ding war weit drin. Doktor Hauenstein präsentierte Tom nun voller Enthusiasmus die Ultraschallbilder seiner, Zitat: „wunderschönen Prostata“.

Die abschließende äußerliche Ultraschall-Untersuchung von Blase, Leber und Nieren war gegen alles Vorherige ein Kinderspiel für Tom und wurde von Doktor Hauenstein auch nur mit einem kurzen „Alles bestens.“ kommentiert.

„So Herr Wilhelmsen, jetzt nur kurz noch einmal ins Wartezimmer zurück, und dann kann ich Ihnen schon zur Abschlussbesprechung nachher gleich die Ergebnisse des Spermiogrammes mitteilen, denn die Analyse muss direkt bei uns im Labor innerhalb von 30 bis 60 Minuten nach der Abgabe geschehen. Sonst werden Ihre kleinen Fischlein schnell wieder passiv, unbeweglich oder sterben weg“, erklärte er lachend und war sich sicher, er hätte wieder einen guten Witz gerissen.

„Ha ha ha, du Witzbold, Scherzkeks verschluckt“, dachte sich Tom nur unbelustigt und ging in nervöser Erwartung des Ergebnisses noch einmal ins Wartezimmer. Nach etwa zehn Minuten wurde er wieder ins Sprechzimmer zu Doktor Hauenstein gerufen.

„Herr Wilhelmsen, wir haben nun die Analyse Ihrer Spermien. Pro Milliliter Ejakulat werden von einem gesunden fruchtbaren Mann zwischen 80 und 120 Millionen Spermien produziert. Bei Ihnen liegt die Zahl mit 70 Millionen zwar leicht unter dem Durchschnittswert, jedoch noch weit über dem Wert von 15 Millionen pro Milliliter, den die WHO als Mindestwert für die Fruchtbarkeit eines Mannes angesetzt hat. Weiterhin ist die Motilität, das heißt die Beweglichkeit der Spermien mindestens genauso wichtig wie die Anzahl. Mindestens 40 Prozent der Samenzellen sollten aktiv und gut beweglich sein. Hier haben wir bei Ihnen zwar nicht überragend viele aktive Spermien, aber dennoch mit circa 45 Prozent noch ausreichend bewegliche Samenzellen festgestellt.

Summa summarum Herr Wilhelmsen ist also alles noch im grünen Bereich und kein Grund zur Sorge – Prostata, Hoden, Blase, Samenproduktion altersgemäß und normal. Aufgrund der leichten Tendenz zu den unteren Toleranzwerten der Spermaproduktion sollten wir nochmals einen Termin in spätestens einem Jahr vereinbaren“, diagnostizierte Doktor Hauenstein.

„Bis dahin bleiben Sie entspannt, und haben Sie möglichst viel spontanen erotischen Sex mit Ihrer Frau, nicht nach Zeitplan und Eisprung, sondern nach Lust und Laune“, gab der Urologe als letzten schmunzelnden Ratschlag, bevor er Tom nach fast zwei Stunden in der Praxis verabschiedete.

Als Tom ins Auto stieg, hatte er schon zwei Nachrichten von Svenja auf seiner Mailbox. Sie wunderte sich, was er denn über zwei Stunden in der Arztpraxis machte und war natürlich auf das Ergebnis gespannt.

Er rief sie gleich zurück und teilte ihr nur kurz die abschließende Diagnose mit:

„Dr. Hauenstein meinte, dass alles im grünen Bereich sei und kein Grund zur Sorge bestehe. Die gesamte Story der Untersuchungen erzähl ich dir dann zuhause.“

2

William Davenport fuhr mit seinem V8-Mustang auf den Parkplatz der Coca-Cola Company in Atlanta, Area C, Block 5, Ebene 2. Die Zentrale des weltgrößten Getränkeherstellers brauchte viele Parkplätze bei knapp 23.000 Mitarbeitern.

William war seit 31 Jahren treuer Angestellter bei dem Konzern, der mittlerweile sage und schreibe 1,5 Milliarden Flaschen täglich verkaufte. „1,5 Milliarden täglich!“ Er konnte es selbst kaum glauben, das waren mehr als eine halbe Billion Flaschen pro Jahr, die Coca-Cola absetzte.

Kürzlich sah er abends in CNN einen längeren TV-

Beitrag über die Geschichte und Entwicklung von CocaCola, in dem faktisch belegt wurde, dass über 5 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt mehr oder weniger häufig Coca-Cola-Getränke konsumieren; das hieß tatsächlich, dass mehr als die Hälfte der ganzen Erdbevölkerung die hauptsächlich in seiner Zentrale abgefüllten Getränke zu sich nahmen.

Irgendwie war das für William ein sehr erhabenes Gefühl: Er versorgte die halbe Welt mit Getränken. Wenngleich natürlich in Atlanta nur ungefähr 15% des Weltbedarfs abgefüllt wurden … also gut, dann waren es halt nur ungefähr eine Milliarde Menschen, die er von Atlanta aus versorgte. „Eine Milliarde, eine Zahl mit neun Nullen. Das ist echt Wahnsinn“, grübelte er noch auf seinem gewohnten Weg zum Firmeneingang.

„Guten Morgen Joe“, grüßte er freundlich den Wärter am Tor von Area C und zeigte seinen Firmen-Ausweis.

„Hey William, pünktlich wie immer, nach dir kann man echt die Uhr stellen“, erwiderte Joe.

William Davenport schloss an der Georgia State University vor fast 32 Jahren ein Maschinenbau-Studium ab und begann dann relativ bald als Ingenieur bei CocaCola. Er leitete schon früh verschiedene Produktions- und Abfüll-Abteilungen und zeichnete sich immer durch Fleiß, Disziplin und Zuverlässigkeit aus.

In der gigantischen Halle, wo jeden Tag hunderttausende Flaschen abgefüllt werden, hatte er bis heute die technische Aufsicht und vor 20 Jahren noch ein Team von fast 200 Mitarbeitern und Kollegen um sich. Vor 10 Jahren waren es nur noch etwa 50 und heute beaufsichtigte er in dieser Abfüllhalle gerade noch sieben echte menschliche Mitarbeiter, dafür aber 21 große Maschinen, 14 Computer und zahlreiche Förderbänder.

Tja, es war ruhig geworden – menschlich ruhig geworden – in seiner Produktionshalle. Die Roboter, Maschinen und Computer hatten für technischen Fortschritt, für höhere Produktionen, für Erleichterungen, aber auch für viel Rationalisierung der Mitarbeiter und Menschen gesorgt.

Manchmal kam sich William schon selbst fast wie ein Roboter vor, denn in den acht Stunden seiner Tagesarbeit hörte er eigentlich keine menschlichen Stimmen mehr, sondern nur noch das ewige Klirren der Millionen Flaschen, das Zischen der Abfülldüsen, das Rattern der Förderbänder und das Stampfen der Maschinen. Statt mit seinen Kollegen und Mitarbeitern zu reden, überwachte er die Kontrolllampen, kontrollierte die Computer und ihre Netzwerkverbindungen, die funktionieren mussten, damit die wichtige geheime Rezeptur der Cola-Getränke, deren genaue Zusammensetzung und die Abfüllungen auch präzise stimmten. Mit diesen modernen Technologien, Computersteuerungen und Robotern hatte William mit seinen mittlerweile 56 Jahren doch des Öfteren so seine Problemchen und musste sich immer wieder gewisse Spickzettel schreiben oder auch Notizen zu PC-Zugängen und technischen Anleitungen im Handy machen, um sich alles merken zu können.

Um 16.00 Uhr beendete William seine Schicht und wurde von Dave abgelöst, einem 33-jährigen Elektro-Ingenieur, der erst vor drei Jahren von Coca-Cola Los Angeles in die Zentrale nach Atlanta gekommen war.

„Hey William, alles okay? Haben unsere Aliens gut gearbeitet? Gabs heute mal keine Netzwerk-Probleme?“, fragte er seinen Kollegen, der heute zufrieden antworten konnte.

„War alles im grünen Bereich. Die Rechner der Tanks für E150d und Phosphorsäure meldeten Nachfüllbedarf in 46 Stunden. Hab gleich die Anlieferung ans Chemielager weitergegeben. Kann sein, dass in deiner Schicht vielleicht das Koffein-Aroma unter die 50 Stunden fällt, dann müsstest du das auch bitte noch ordern!“

„Alles klar William, dann viel Spaß heute Abend noch in eurem Garten. Das Wetter ist ja super. Und ganz liebe Grüße auch an Miranda“, verabschiedete Dave sich und ging konzentriert an die Arbeit.

E150d, Phosphorsäure, Koffein, Zucker, Wasser, Kohlensäure und einige geheimnisvolle Zutaten machten das berühmte Coca-Cola-Getränk aus. Als William auf dem Firmenparkplatz in seinen Mustang einstieg und das Verdeck öffnete, dachte er an die vielen geheimnisvollen Mythen, die sich seit über 100 Jahren um das Rezept ihres Getränks rankten. So hieß es viele Jahrzehnte, dass nur zwei Firmenangehörige das Original-Rezept kennen und diese beiden nie in einem Flugzeug sitzen oder einem Auto fahren durften.

Angeblich bewahrte die Coca-Cola Company Niederschriften des Rezeptes immer noch unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen in Banktresoren auf und die Zutatenliste ist eines der größten Firmengeheimnisse.