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Dieses eBook ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Friedrich Rückert (1788-1866) war ein deutscher Dichter, Sprachgelehrter und Übersetzer sowie einer der Begründer der deutschen Orientalistik. Er ist Namensgeber des Friedrich-Rückert-Preises und des Coburger Rückert-Preises. Rückert beherrschte neben der Muttersprache mindestens 44 weitere Sprachen und gilt als Sprachgenie. Erschütternd sind seine Kindertodtenlieder, in denen er den frühen Tod seiner beiden Lieblingskinder beklagt. Inhalt: Kindertodtenlieder Indische Liebeslyrik Die Makamen des Hariri Rostem und Suhrab Lyrische Gedichte Winterträume Umbildung biblischer Geschichten Mythen und Ueberlieferungen Wanderung Italienische Gedichte Ghaselen Östliche Rosen Pantheon Die Weisheit des Brahmanen Andere Gedichte: Vom Büblein, das überall mitgenommen hat sein wollen Vom Bäumlein, das spazieren ging Der Spielmann Das Männlein in der Gans Chidher Das Irrglöcklein Der Alpenjäger Die beiden Brautringe Maria Siegreich Die goldene Hochzeit Kleiner Haushalt Altes Lieben Die Vermittlung des Dichters Märchen Nachklang Das versunkene Dorf Der fehleude Schöppe Die Nixen Gespräch der Irrlichter Die Räthsel der Elfen Nixenliebe Der Mädelsbronnen Der irre Wandersmann Die Zwei und der Dritte Die Polizei Die Begrüßung auf dem Kynast Bestrafte Ungenügsamkeit Die Riesen und die Zwerge Ottilie... Übersetzungen: Der Koran Dschami - Aus dem Diwan
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Der Liebe Leben ist schnell vollbracht, Es keimet, es reift in einer Nacht; Frühmorgens erwacht, Noch eh du's gedacht, Hüpfts Kindlein frisch Durch Blütengebüsch, Und regt die Glieder Mit Macht, mit Macht. Kommts Abendroth, Ists Kindlein todt, Es legt sich nieder, Ersteht nicht wieder, Ist nimmer erwacht, Gute Nacht, gute Nacht! Dein Lauf ist vollbracht, Dein Grab ist gemacht, Gute Nacht, gute Nacht!
Erwach, o Licht des Gesanges, O Licht der Erinnerung! Rings am Himmel ist banges Gewölk der Trauer genung.
Es soll in meinem Herzen Nicht auch noch finster seyn. Dazu in der Nacht hat man Kerzen, Wenn aus ist Sonnenschein.
Den Schein der Sonn' ersetzen, O Kerze, kannst du nicht; Doch kann das Auge sich letzen An keinem anderen Licht.
Ich zag' ums Herz, wie lang es Ist ohne Freudenschwung; Erwach, o Licht des Gesanges, O Licht der Beseligung!
Wach, holden Überschwanges, O Licht der Erinnerung, Bis ich beschwichtigten Dranges Schlaf ein in Dämmerung!
In meine häuslichen Lieder, Das Tagebuch meiner Lust, Schrieb ich mit Freuden bewußt Nur Freudengewinnste nieder, Nie schrieb ich einen Verlust In meine häuslichen Lieder.
In meine häuslichen Lieder Schreib' ich nun euern Verlust. So hat sich schließen gemußt Die Rechnung! und wohl nicht wieder Schreib' ich sobald eine Lust In meine häuslichen Lieder.
Meine Klagen sollen lieblich wallen, Den Kristallen gleich im Frühlingsbache, Die mit Ache hüpfen auf am Strande, Wo vom Rande sich zwei Blumen neigen Und mit Schweigen sich im heiterblauen Spiegel schauen, aber, eingeladen Sich zu baden, scheu zurück sich biegen, Und sich schmiegen, alsob sie sich schämen; Doch mit Grämen trüben ihren hellen Blick die Wellen, die vorüber müßen, Schmerzlich grüßen sie im Weitereilen, Möchten weilen, müßen doch entjagen.
Meine Klagen sollen lieblich wanken, Wie die Ranken sich am Boden dehnen, Auf sich sehnen nach der Lebensflamme, Nach dem Stamme, der zum Himmel steiget, Der sich neiget, wenn ihn rühren linde Frühlingswinde, doch die stolzen Glieder Hebt er wieder, ohne sich der armen Zu erbarmen, die umsonst sich mühen Aufzublühen, jede Luft benützen, Falsche Stützen, die sie nur erheben, Um mit Beben fallen sie zu lassen Auf den nassen Grund, wo sie verzagen.
Meine Klagen sollen lieblich stöhnen Gleich den Tönen holder Nachtigallen, Die vor allen, Rose, dich zu lieben Sind getrieben, und die Blumenschaaren Nicht gewahren, die zu den Gesängen Rings sich drängen, doch nur dir zum Preise Tönt die Weise: Ros' im Brautgemache Wach', erwache! Tritt vom Duft der Träume In die Räume, daß die rauhe Erde Lieblich werde, daß des Todes Bleiche Schamroth weiche, wenn mit Brautgesange Dir die Wange röthet unser Schlagen.
Was an dir des Tods Unbilden Frevelten, hat mit dem milden Zauberstab gerochen Poesie, die soviel Leben Dir bemüht ist zuzugeben, Als das Schicksal dir hat abgebrochen.
Armer Stab! ihm, der so wichtig Sich geberdend, ist so nichtig, Sei der Stab gebrochen! Frommen dir die Zauberweisen, Die dich in den Himmel preisen, Da der Tod dich hat ins Grab gesprochen?
Doch sie sollen dir nicht frommen, Sondern uns zu Gute kommen, Übers Grab gesprochen; Dir nicht sollen sie dein Leben, Sondern uns zurück es geben, Denn nur uns, nicht dir wards abgebrochen.
Hab' ich jetzt erst eingesehn, Was mir Schönstes lebte, Seit es mir gestorben ist? Nein, ich wußt' es lange.
Wollt' es nur nicht eingestehn, Weil vor dir ich bebte, Schicksal, das du neidisch bist Allem Überschwange.
Nun das Unglück ist geschehn, Und die Zierd' entschwebte, Nicht mehr deine Hinterlist Fürcht' ich nun, o Schlange.
Und im Liede soll es stehn, Daß ein Schönstes lebte Und mir leben jeder Frist Soll es im Gesange.
So kurz war euer Beider Leben, Von euch ist wenig zu berichten In Staats- und Zeit- und Weltgeschichten; Es muß, euch irgend zu erheben, Der Leichenstein so wie daneben Der Leichenprediger verzichten; Und nur der Liebe könnt ihr geben Stoff zu unendlichen Gedichten.
Ich fürcht', es war Entweihung Der stillen Häuslichkeit, Daß ich sie der Beschreiung Liebloser Welt geweiht; In manchem Lied, gedichtet Aus meiner Kinderwelt, Die wie ein Traum vernichtet Jetzt auseinander fällt.
Und recht als wie zum Hohne, Da sie zusammenbrach, Kommt an mit Sündenlohne Der neuste Almanach. Das Honorar, das reiche, Das man dem Vater gab, Reicht, um der liebsten Leiche Zu kaufen grad ein Grab.
Und hab' ich mich versündigt, Daß statt des Herzens Schlag Der Harfe Schlag verkündigt, Was mir am Herzen lag? Nicht hab' ich mich gerühmet, Doch hab' ich mich gefreut, Und mir den Pfad beblümet, Der mir nun Dornen beut.
Die allgemeine Sünde Der Dichtkunst war es nur, Zu decken auf die Gründe Der innersten Natur. Und wie die Lust erklungen Aus meiner Siedelei, Sei nun das Leid gesungen, Und ob es Sünde sei.
Im Verluste zu gewinnen, Ist ein schwieriges Beginnen, Und gelinget andern nie Als der Lieb' und Poesie.
Liebe läßt sich nichts entrinnen, Hat nicht außen, sondern innen; Und das Nichts, sie weiß nicht wie, Macht zum Etwas Poesie.
Nicht dahin ist, was von hinnen, Bleibt im Sinn, nicht in den Sinnen; Fest auf ewig haltens die Beiden, Lieb' und Poesie.
Manches ist mir doch beschieden, Daß ich wohl zufrieden Dürfte sein, so viele Gaben, Die nicht viele haben, Unerschöpflich reiche Flüsse Eigenster Genüsse, Und nicht minder solche Leiden, Die mir würde neiden Wer, wie sie herzlieblich brennen, Könnte recht erkennen, Und wie sanft, wers könnte fühlen, Sie sich selber kühlen; Wie der Speer die Wunde heilet, Die er hat ertheilet, Wie die Aerzt' aus Bitterkeiten Arzeneyn bereiten, Und zur süßen Kost der Bienen Gräberblumen dienen.
Musen, meine Freundinnen, Oft schon in betrübten Lagen Brachtet ihr mir Trost ins Haus, Nie doch wie in diesen Tagen, Als die lieben Kinder mir An der Seuche niederlagen, Deren Todesfunken so Leicht ansteckend weiter schlagen, Freunde viel und Freundinnen Zählt' ich sonst mit Wohlbehagen In der Stadt, die gegen mich Jeder zarten Sorgfalt pflagen; Doch für eigne Kinder jetzt Hatten Sorge sie zu tragen, Keiner durfte einen Schritt In mein Haus zu setzen wagen, Aus gerechter Furcht, das Gift In sein eignes Haus zu tragen. Keiner kam, um meinem Tod Oder Leben nachzufragen, Keiner, um aus Freundes Mund Mir ein Trostwort anzufragen, Und mit mir zu klagen, als Lag mein Liebstes auf dem Schragen. Ihr nur, meine Freundinnen, Ließet nicht in Furcht euch jagen; Denn ihr wisset, Himmlische, In die Flucht die Furcht zu schlagen, Und Ansteckung droht euch nicht; Darum dürft ihr mit mir klagen, Krankenwärterinnen seyn, Und die Küchenschürze tragen. Und solang' ihr bei mir seid, Wird mein Herz nicht ganz verzagen; Und solang' ihr tragen helft, Trag' ich muthig alle Plagen. Drum vor allen Freundinnen, Ohne eine zu verklagen, Weil sie sterblich, hab' ich Dank Euch, Unsterbliche, zu sagen.
Also sei ich selbst, und also mein Gedicht, Wie die Stechpalm' unten rauh von Blättern sticht, Wo das Vieh sie wollte nagen; Aber oben stechen ihre Blätter nicht, Um mit Schaukeln Himmelslüfte, Frühlingslicht, Oder Vogelsang zu tragen.
Immer that ich ihren Willen Meiner Dichtung, und sie meinen; Herzbedürfnisse zu stillen, Seh ich immer sie erscheinen. Und so kommt sie nun, zu weinen Mit mir um zwei theure Schatten; Sollten wir's uns nicht gestatten?
Die von mir das Leben hatten, Haben es zu früh verloren; Soll die Mutter ihrem Gatten Haben sie umsonst geboren? Nein, ich hab' es mir geschworen, Euer Leben fort zu dichten, Daß mir nichts es kann vernichten.
Pflegte stets die Poesie Mir den Zustand zu begleiten, Doch im Anfang pflegte sie Zu begleiten ihn vom weiten.
Immer näher ist gerückt Dann dem Zustand sein Erkennen, Und nun ist es so geglückt, Daß nicht beide sind zu trennen.
Freilich bist du selber krank, Wenn du singst, wo Kinder sterben; Doch der Krankheit sage Dank, Die dir bricht des Todes Herben.
1.
In Gesichten und Gedichten Was mir Schönstes je erschienen, Habt ihr alles überschönet; Und ich staunte, daß ich lebend Sollt' in euch vor Augen sehen, Was ich nur geglaubt, es lebe In Gedichten und Gesichten.
Aus Gedichten und Gesichten Daß wie Bilder aus dem Rahmen Ihr heraus ins Leben tratet, Hat mich immer so gewundert, Daß es nun mich wundert minder, Wie ich sehn muß, daß den Augen Schwindend ihr zurück euch wandelt Zu Gesichten und Gedichten.
2.
In mildem lauem Klima, Wie eines waltet unter Italiens Sonne, oder Auf Raphaels Gemälden, Gedeihn nur solche Knospen Von Schönheit, wie ihr waret, Zu völliger Entwicklung, Ohn' Abbruch und Verkrüpplung. Wie werdet ihr gedeihen, Dacht' ich hier voll Besorgniß, In wildem rauhem Klima?
In wildem rauhem Klima, Wie wird der reine Spiegel Der Anmuth bald sich trüben, Der Blüthendrang der Knospen Sich im Aufbrechen stumpfen, Verschrumpfen und versumpfen! Darum seid ihr, o Weh mir, Heil euch, ihr seid gegangen, Und blühet nun im Himmel, Und blüht in meinem Liede; Ihr blühet hier und dorten In mildem lauem Klima.
Von Freuden floß um mich vorzeiten Ein Überfluß; Und wie ich schöpfte, blieb beizeiten Ein Überschuß.
Wie dacht' ich, daß versiegen könnte Der Überschwang? Ergossen war nach allen Weiten Der Überguß.
Wohin verlaufen hat das Wasser Sich über Nacht? Es eilt wohl, um mir zu bereiten Nicht Überdruß!
Vorüber eilt des Glückes Fülle, Und rauscht von fern Mir einen noch, und keinen zweiten Vorübergruß.
Ihr Augen, wollt Ersatz ihr weinen? So weinet nur! Und mich durchs Leben soll begleiten Ein trüber Fluß.
Wo ich am Strom der Wehmuth lausche Im Hauch der Nacht, Weht her von jenseit goldner Saiten Herübergruß.
Am Ufer pflanz' ich dunkle Lieder, Ihr Duft weht hin, Bis ich geflügelt selber schreiten Hinüber muß.
Ein leichenbalsamirender Aegypter ist mein Herzensdrang, Ein nach der Kunst verzierender, Was er dem Tod von dir entrang; Das alles, was uns peiniget, Gereiniget, Soll werden ein Gesang.
Ein Todtenasche-sammelnder Hellene sei mein Grabgesang, Auflesend, was hold stammelnder Süßmundigkeit von dir entsprang, Das alles, hier vereiniget, Bescheiniget Des Vaterherzens Drang.
Du bist ein Schatten am Tage, Und in der Nacht ein Licht; Du lebst in meiner Klage, Und stirbst im Herzen nicht.
Wo ich mein Zelt aufschlage, Da wohnst du bei mir dicht; Du bist mein Schatten am Tage, Und in der Nacht mein Licht.
Wo ich auch nach dir frage, Find' ich von dir Bericht, Du lebst in meiner Klage, Und stirbst im Herzen nicht.
Du bist ein Schatten am Tage, Doch in der Nacht ein Licht; Du lebst in meiner Klage, Und stirbst im Herzen nicht.
Wenn ihr solltet gehn einmal, War es gut, ihr gingt zusammen, Nicht, daß ging' in Eins die Qual, Sondern daß als Doppelflammen Ihr im Tod auch ungetrennet Auf dem Hausaltar uns brennet.
Was verloren, ist dahin, Und kein Wunsch kann es regieren, Doch Gefahr läuft schwacher Sinn, Noch einmal es zu verlieren; Denn erst ganz, wenn wir's vergessen, Ist verloren, was besessen.
Darum brennt euch so ins Herz, Ewige Geschwisterflammen, Daß nie der lebend'ge Schmerz Sink' in Aschentod zusammen, Sondern glühe fort in milder Farbenglut wie eure Bilder!
Sie haben ganz, o Kind, um das wir trauern, Mit Blumen dich und Kränzen überdecket; Die werden tief nun, wo du liegst gestrecket, Mitmodernd, deinen Leib nicht überdauern. Und wann des Frühlings Lüfte wieder schauern, Sind neue Blumen deiner Gruft erwecket; Die werden blühn, von keinem Aug' entdecket, Und welken hinter freudelosen Mauern. Dein Vater aber, der sich nennt ein Dichter, Er möchte dich, und dauerhafter, krönen; Sein ganzes Leid für dich in Kränze flicht er. O bliebe nur ein Ton von diesen Tönen Durch Göttergunst entzogen dem Vernichter, Ein ew'ges Denkmal früh verblichnem Schönen!
Du warest klein, und kleine Blumen schling' ich Zum Kranze dir, und kleine Lieder sing' ich, So kleine Gaben großer Liebe bring' ich.
An Blumen hast du wol wie sonst Gefallen, Und Lieder, die hier nicht verstand dein Lallen, Die lernst du singen nun in jenen Hallen.
Auf meine Blumen blickst du lächelnd nieder, Und singt auf Erden Niemand meine Lieder, So tönen sie vom Himmel schöner wieder.
Wie du mir von lustdurchpochter Brust die Tochter Reichtest einst, ein süßes Glück; Hier aus schmerzenslustdurchkochter Brust die Tochter Geb' ich dir als Lied zurück.
Armer Vater! Hoffend flocht er Für die Tochter, Hoffend einen andern Kranz; Armer Vater! nichts vermocht' er, Als die Tochter Nahm der Tod an seinen Tanz.
Zwar der Tod, den Sieg erfocht er, Der die Tochter Nahm, von Klagen ungerührt; Doch hat mein ununterjochter Muth die Tochter Dem Entführer nun entführt.
Ihr habet nicht umsonst gelebt; Was kann man mehr von Menschen sagen? Ihr habt am Baum nicht Frucht getragen, Und seid als Blüten früh entschwebt, Doch lieblich klagen Die Lüfte, die zu Grab euch tragen: Ihr habet nicht umsonst gelebt.
In unser Leben tief verweht, Hat Wurzeln euer Tod geschlagen Von süßem Leid und Wohlbehagen Ins Herz, aus dem ihr euch erhebt In Frühlingstagen Als Blütenwald von Liebesklagen; Ihr habet nicht umsonst gelebt.
O die ihr sanften Schmerz uns gebt Statt eure an der Brust zu tragen, Euch werden fremde Herzen schlagen Von Menschenmitgefühl durchbebt Bei unsern Klagen; Was kann man mehr von Menschen sagen? Ihr habet nicht umsonst gelebt!
Welch plumper Fuß ist mitten hier in meinen Blumenflor getreten? Welch ein vermummter Schauder ist in meinen Freudenchor getreten?
In meinen stillen Wänden war ein Fest der Lieb' und des Gesanges; Unangemeldet ist ein Gast, ein schweigender, ins Thor getreten,
Hat finster um sich her geblickt, daß alle Kerzen düster brannten, Und ist mit Furchteinflüsterungen mir zum entsetzten Ohr getreten.
Auf jedem Weg ins Herz zurück ist das erschrockne Blut geflohen, Und aus den Thränenschleusen ist die Fluth ins Aug' empor getreten.
Wie ernst hat eine schwere Hand ins leichte Saitenspiel gegriffen! Wie fremd ist geisterhafter Hauch ins lustgestimmte Rohr getreten!
So ungeahnet plötzlich ist der Tod aus vollen Lebens Mitte, Wie aus der Blüte Blätterschmuck die nackte Frucht, hervorgetreten.
Es ist der Tod des Lebens Kern, als wie die Frucht der Kern der Blüte; Er war vom Anfang drin verhüllt und ist nun aus dem Flor getreten.
Nicht wußt' ich was mir fehlte, Noch fühlt' ich was mich quälte; Es war mir nur Behagen Zu klagen und zu klagen.
Nun fühl' ich was mich quälet, Nun weiß ich was mir fehlet, Nicht klag' ich aus Behagen An bloßem Unbehagen.
Und nun, was dort mir fehlte, Weiß ich, und was mich quälte, Daß böse Ahnung zagte Und in die Zukunft klagte.
Trauriger Ahnung Gedanken Schlage sogleich danieder, Eh sie in Körperschranken Treten und werden Lieder.
Lebendig gewordne Gedanken Sind nicht Schatten, sind Wesen. Daß nicht sterben die Kranken, Sprich aus, daß du fühlst, sie genesen.
Greifst du darum in die Schranken, Die Gott sich vorbehalten? Nein, wenn er eingibt Gedanken, So will er sie auch halten.
Ich hatte mir zwei Pforten Am Hause gemacht, Und glaubt' an allen Orten Mich trefflich bedacht.
Verschlossen war die eine, Die andere nicht, Und recht verschlossen keine, Besehen beim Licht.
Zur offnen Pforte flogen Die Freuden hinaus, Ein zur verschlossnen zogen Die Sorgen ins Haus.
Die hatt' ich nicht verschlossen, Durch die sie entflohn, Was wußt' ich, daß verdrossen Sie wollten davon?
Die hatt' ich wol versiegelt, Was hilfts da sie nahn? Sie haben sie entriegelt Und weit aufgethan.
Nun mögen offen bleiben Zwei Pforten am Haus; Sie lassen doch sich treiben Zu keiner hinaus.
Sie halten hier verschlungen Im Mondschein den Tanz, Wo aus Erinnerungen Sie flechten den Kranz.
Man merket kaum im Hause Die schwebende Schaar, So still ists, wo vom Brause So laut einst es war.
Ihr weiten Räume schienet So voll, nun so leer, Seit euch zur Füllung dienet Von Schatten ein Heer.
Ach daß ohne Wehen Wie ein Blütenstrauch Kinder könnten gehen Aus dem Boden auch!
Daß sie ohne Leiden Sinken in den Staub Dürften und verscheiden Wie ein Rosenlaub!
Mutter unterm Herzen Trug sie schmerzenvoll, Die sie unter Schmerzen Sterben sehen soll.
Ihr fünf Rosendorne, Ihr fünf Rittersporne, Ihr fünf Eisenhütchen, Löwenrachenblütchen!
Ihr fünf Rosendorne, Was habt ihr im Zorne Röslein nicht vertheidigt, Als es ward beleidigt?
Ihr gespornten Ritter, Ihr, als euch vom Schnitter Ward die Braut entführet, Habt euch nicht gerühret.
O ihr Eisenhütchen, Kühlet euer Mütchen Doch am Sensenmann, Der sie hält im Bann!
Ach ihr Löwenmündchen Klafft wie Löwenhündchen, Wie ihr sie im Rachen Seht dem grausen Drachen.
Jüngster wollt' es wagen, Sich für sie zu schlagen, Aber mitgefangen Ist er mitgegangen.
Bleibt, daß ich verliere Nicht auch euch, ihr viere! Bleibt mit mir zu trauern Unter Regenschauern!
Als mein Seelchen schied, Sollte sich erheben Sanft ein Engellied, Das es lehrte schweben, Fliegen in den Wind.
Doch ein wilder Sturm War die Nacht unbändig, Selbst der alte Thurm Wollte wie lebendig Fliegen in den Wind.
Das ist wohl ein Hauch Für des Aaren Schwinge; Wird es glücken auch Einem Schmetterlinge, Fliegen in den Wind?
Rauhe Winterluft, Schone, schonungslose! Du verwehst den Duft, Soll die schöne Rose Fliegen in den Wind?
Doch als wie der Blitz Fährt der Sturm hernieder, Wird zum hohen Sitz Auch der Funke wieder Fliegen in den Wind.
Selber flög' ich gern, Und das ist ein Wetter, Daß ein Mensch auch lern' Als wie dürre Blätter Fliegen in den Wind.
Nicht nur Sand und Staub, Sondern Kies und Steine, Nicht nur welkes Laub, Sondern ganze Haine Fliegen in den Wind.
Doch nicht obenaus Kann ich Flügel schlagen, Wie der Vogel Straus Nur mir selbst entjagen, Fliegen in den Wind.
Auch die Sehnsucht nicht Kann sich dorthin heben, Wo du schwebst im Licht, Und so muß das Leben Fliegen in den Wind.
Die kein Weh gethan auf Erden, Muß nun leiden diese Wehn; Daß sie dir erträglich werden, Denke, daß sie auch vergehn.
Wenn das Leben überwindet, Und sie blühet frisch und jung; Dir und ihr wie bald verschwindet Dieser Kämpf Erinnerung.
Aber wenn sie unterlieget Dieser Noth und Todespein; Wo sie dort als Engel flieget, Wird es auch vergessen sein.
Ärzte wissen nach den Regeln Aus der Welt kein Kind zu schaffen, Ohne mit abscheul'chen Egeln Die Naturkraft hinzuraffen.
Nie mehr werd' ich mich in Quellen Unbefangen spiegeln; Immer werd' ich in den Wellen Schaudern vor Blutigeln,
Die das Leben mit dem Blute Meines Kinds entsogen; So mißhandelt ist das gute Seelchen, ach, entflogen.
Aber nicht aus reinen Quellen, Sondern styg'schem Sumpfe Holt man diese Blutgesellen Zu des Tods Triumphe.
Nicht allein zu Schmerzerbeutung Unheilvoller Worte Deutung Sprech' ich, wie ich hörte, nach, Wie zum Kind die Mutter sprach:
Was zu naschen, was zu spielen Von so schönen Sachen vielen Magst du Kind? Das Kind sprach schwer: Mutter, ich mag gar nichts mehr.
Lieber noch aus liebem Munde Gutes Wort zur bösen Stunde Preis' ich, froh zu dem gewandt, Der das Wort herabgesandt.
Als das Schwesterlein gegangen, Kam ums Brüderlein das Bangen; Als es unser Bangen sah, Sprach es: Nein! ich bleibe da.
Ja! wir nehmen dich beim Worte; Zugeschlossen sei die Pforte Hinter deiner Schwester Tritt, Daß sie dich nicht nehme mit.
Zwar ihr beiden ungetrennet, Oft von uns im Scherz genennet Messerchen und Gäbelchen; Weg mit diesem Fäbelchen!
Wird uns auch kein Bissen schmecken, Wenn wir unsern Tisch nun decken, Und das Gäbelchen gebricht, Messerchen, nur fehle nicht!
Zierlich wart ihr im Vereine, Zierlich ist auch jedes eine; Jene ziert den Himmel dort, Ziere du das Leben fort!
In meinen Blumengarten ist Ein Mehlthau gefallen, Davon gewelkt du Rose bist, Die schönste von allen.
Und von den Blumen welken nach, Ich weiß nicht, wie viele; Sie hängen, seit der Tod dich brach, An welkendem Stiele.
Es bringt die Magd die Todeskunde Vom Schwesterchen der Knabenschaar; Da rufen sie mit Einem Munde: Sie ist nicht todt, es ist nicht wahr.
Sie sehen sie mit blassem Munde Mit weißer Wang' im dunklen Haar, Und flüstern leiser in die Runde: Sie ist nicht todt, es ist nicht wahr.
Der Vater weint aus Herzenswunde, Die Mutter weint, sie nehmens wahr, Und bleiben doch bei ihrem Grunde: Sie ist nicht todt, es ist nicht wahr.
Und als gekommen war die Stunde, Man legt sie auf die Todtenbahr, Man senkt sie ein im kühlen Grunde: Sie ist nicht todt, es ist nicht wahr.
So bleibe sie mit euch im Bunde Und werde schöner jedes Jahr Und werd' euch lieber jede Stunde! Sie ist nicht todt, es ist nicht wahr.
Mein Engelchen, mein Engelchen, Du willst gewiß entfliegen! Gefällt dirs nicht bei uns? o sprich! So ungeduldig seh' ich dich Auf deinen Schwingen wiegen.
Mein Engelchen, mein Engelchen, Du willst gewiß entschweben! Du wirst ja schöner jeden Tag, Es zittert meines Herzens Schlag, Du wirst zu schön fürs Leben.
Mein Engelchen, mein Engelchen, Du willst gewiß entfallen Wirst jede Stunde lieber mir, Ich fühls mit Furcht, ich hab' an dir Zu großes Wohlgefallen.
Sie haben nun ihre Possen Getrieben, mir wars kein Scherz, Das Neujahr angeschossen, Jeder Schuß traf mein Herz;
Gesichtchen todtenbleiche Im Bettchen mir aufgeschreckt, Im Nebenzimmer die Leiche Haben sie nicht erweckt.
Ich kann es nicht begreifen, Wie ichs einst mitgemacht, Durch die Straßen zu schweifen Jubelnd um Mitternacht.
Hier und dort sieht man brennen Aus einem Fenster ein Licht; Was drinnen für Bande sich trennen, Das weiß man draußen nicht.
Da sind die Neujahrsgratulanten, Die Thürmer und Stadtmusikanten, Zum neuen Jahr sie wünschen Glück Und fordern ihr Sechsbatzenstück.
Ihr Thürmer und Stadtmusikanten, Ihr wünscht als Neujahrsgratulanten Zu spät mir Glück ins neue Jahr, Es starb mir noch im alten gar.
Ihr Thürmer, Kirchner und Verwandten, Kommt recht als Neujahrsgratulanten; Stimmt an den hellen Glockenlaut Zum Himmelskirchgang meiner Braut!
Und ihr, o ihr Stadtmusikanten, Geht, fiedelt allen sonst Bekannten! Wo sie nun tanzt den Hochzeitsreih'n, Bedarfs nicht eurer Fiedeley'n.
Der grelle Schrei der rohen Lust, Der sonst zerriß mein Ohr, Zerreißt mir nun das Herz in der Brust, Seit ich mein Liebstes verlor.
Und soll ich nicht der Sitte fluchen Ein Fest zu feiern beim Begraben? Man bäckt im Hause Mandelkuchen, Weil wir der Tochter Leiche haben, Und ofenwarm läßt ihn versuchen Die Leichenfrau den kranken Knaben; Er soll wol auch den Ort besuchen, Den sie der armen Schwester gaben! Und soll ich nicht der Sitte fluchen Ein Fest zu feiern beim Begraben?
Gestorben seyn, muß eine Wonne seyn, Zu sterben auch ist keine große Pein; Als sterben schwerer ist es sterben sehn Das, was man liebt, doch wirds vorübergehn; Wenn sie uns dann nur Ruhe ließen haben, Wenn nicht das Ärgste wäre, das Begraben; Wo von Zudrängern rückt, von Müßiggängern Ein Heer einher, die Qual dir zu verlängern, Die zur Hinrichtung macht den Leichenzug, Bis endlich die Erlösungsglock' anschlug, Daß man dein Liebstes nur trag' aus dem Haus, Das du nun selber wünschen mußt hinaus, Daß aus nur sei, nur aus Das Gräßliche, der Leichenschmaus, Was schauderhaft dein Innerstes empört, Dir die Besinnung, dir die Andacht stört, Die dieser Stunde wohl gehört; Als hätten wir für Thoren Gezeugt nur und geboren, Erzogen und verloren Ein Kind, damit sie möchten fein versuchen Die Kindtaufs- erst und nun die Leichenkuchen! Still, bete, Herz, damit du nicht mußt fluchen!
Ich habe so mit Rosen Dich zugesteckt, Es blieb, daß du gestorben, Mir unentdeckt.
Bald dacht' ich, daß du lebend Noch seyest mein, Bald, daß du mir gewesen Nur stets ein Schein.
Doch wenn der Wind die Decke Der Rosen hebt, Entdeck' ich, und erschrecke, Daß du gelebt.
Was hilft der Sonnschein dann, Wo man nicht sehn ihn kann, Weil Nacht das Aug' umspann?
Der Sonnschein aber flieht, Das Auge Nacht umzieht, Wo man nichts Liebes sieht.
Ich sehe nicht mein Kind, Und frage nicht, ob blind Sonn' oder Augen sind.
Wenn du an das Knie dich setztest Deiner Mutter, sie ersetztest Mit unschuld'gen Plaudereien, Waren es mit lautem Schreien Brüder die dazwischen stürzten, Die dich überall verkürzten. Deiner Mutter schnell entrissne! Da um dich die grambeflissne Wollt' in Kummerangedenken Sich vertiefen, sich versenken, Ward sie von den Brüdern wieder Aufgestöret, die danieder Sterbkrank, als du starbest, lagen. So in Tod- wie Lebenstagen Hast du, Sanfte, Noth gelitten, Wie die Taub' in Geier Mitten. Gott sei Dank, daß sie genesen! Und nun trittst du, liebes Wesen, In des Hauses Trauerstille Unsichtbar, wie einst mein Wille War du solltest sichtbar walten, Lauten Braus im Einklang halten, Bild der Anmuth und der Sitte In der jungen Wilden Mitte. Werden sie dich früh vergessen, Den Verlust nie ganz ermessen, Wie ich ihn ermessen habe; Doch ein Hauch von deinem Grabe Soll mir siegreich helfen kämpfen, Jugendliche Stürme dämpfen. Brüder, denkt, euch ist das Leben Für der Schwester Tod gegeben. Wenn ihr aus den Bettlein steiget Neulebendig; schweiget, schweiget, Junge Geyer, muntre Schreier, Unsrer Taube Todtenfeyer!
Ich hatte dich lieb, mein Töchterlein! Und nun ich dich habe begraben, Mach' ich mir Vorwürf', ich hätte fein Noch lieber dich können haben.
Ich habe dich lieber, viel lieber gehabt, Als ich dirs mochte zeigen; Zu selten mit Liebeszeichen begabt Hat dich mein ernstes Schweigen.
Ich habe dich lieb gehabt, so lieb, Auch wenn ich dich streng gescholten; Was ich von Liebe dir schuldig blieb, Sei zwiefach dir jetzt vergolten!
Zuoft verbarg sich hinter der Zucht Die Vaterlieb' im Gemüthe; Ich hatte schon im Auge die Frucht, Anstatt mich zu freun an der Blüte.
O hätt' ich gewußt, wie bald der Wind Die Blüt' entblättern sollte! Thun hätt' ich sollen meinem Kind, Was alles sein Herzchen wollte.
Da solltest du, was ich wollte, thun, Und thatst es auf meine Winke. Du trankst das Bittre, wie reut michs nun, Weil ich dir sagte: trinke!
Dein Mund, geschlossen von Todeskrampf, Hat meinem Gebot sich erschlossen; Ach! nur zu verlängern den Todeskampf, Hat man dirs eingegossen.
Du aber hast, vom Tod umstrickt, Noch deinem Vater geschmeichelt, Mit brechenden Augen ihn angeblickt, Mit sterbenden Händchen gestreichelt.
Was hat mir gesagt die streichelnde Hand, Da schon die Rede dir fehlte? Daß du verziehest den Unverstand, Der dich gutmeinend quälte.
Nun bitt' ich dir ab jedes harte Wort, Die Worte, die dich bedräuten, Du wirst sie haben vergessen dort Oder weißt sie zu deuten.
Wo sonst ich im Frühlingswind Flocht Kränze mit dir, mein Kind, Wie pflegt' ich zu theilen? sprich! Die Dorne für mich, Die Rose für dich! Ich theilte wol väterlich.
Und als du im Winterwind Mir flogest hinweg, mein Kind, Wie hast du getheilet? sprich! Die Rose für dich, Die Dorne für mich! Du theiltest untöchterlich.
Nun flecht' ich im Frühlingswind Dir wieder den Kranz, mein Kind, Wie soll ich nun theilen? sprich! Die Dorne für mich, Die Rose für dich! So theilen wir ewiglich.
Nun, mein Köpfchen flachsen, Glaubt' ich dich entwachsen Jeglicher Gefahr, Da so hoch du reichest, Daß dem Tisch du gleichest, Und darüber gar Ungehindert mit den Blicken streichest.
Wenn dich mit Behagen Nun die Brüder jagen, Mädchen, um den Tisch, Wirst nicht an die Ecken Stoßen mir zum Schrecken, Und bald wirst du frisch Selbst den Tisch mit deiner Hand mir decken.
Ach, da streckst du nieder Deine müden Glieder, Hebst dein bleich Gesicht Nicht mehr aus den Decken. An des Tisches Ecken Stößst du nun dich nicht, Und den Tisch wirst du mir auch nicht decken.
Wollt den Tisch ihr decken, Setzet an die Ecken Hier und dort ein Licht, Um die Nacht zu schrecken, Um die Lust zu wecken, Auch ein Leibgericht! Doch für eine minder müßt ihr decken.
An des Tisches Ecken Leuchtet nicht das Licht, Und das Leibgericht Will uns auch nicht schmecken.
Als Knabe war mein größtes Wohlbehagen, Ein Schwesterchen im Arm zu tragen, Geflüchtet aus der engen Stub' hinaus, Im weiten Garten hinter'm Haus.
Doch hatte bald der Tod mein Wohlbehagen Mir aus dem Arm zu Grab getragen, Und in des Lebens Braus vergaß der Knab Das Schwesterchen im stillen Grab.
Doch hab' ich mit wehmüthigem Behagen, Vom Zufall jüngst ins Dorf getragen, Wo ich die Kinderjahre sah vergehn, Nach ihrem Grab mich umgesehn.
Inzwischen hatt' ich, größres Wohlbehagen, Ein Töchterchen im Arm zu tragen, Das, kommend still nach lauter Buben Troß, Mein halbes Dutzend lieblich schloß.
Nun hat der finstre Störer im Behagen, Der Tod, auch dieß davon getragen, Und an des Herzens leergewordnem Platz Was ist zu hoffen für Ersatz?
Soll ich noch mit Großvaterwohlbehagen Im Arm ein Enkelinnchen tragen? Ich fürchte, der die Beiden hat geraubt, Daß er das Dritte nicht erlaubt.
Ich fürchte nicht, daß er mit Unbehagen Das Enkelinnchen fort wird tragen; Er selber wird zuvor mich führen ein Zu Schwesterchen und Töchterlein.
Von Beiden welches werd' ich mit Behagen Am liebsten dort im Arme tragen? Ich fürchte daß die Schwester und das Kind Dort meinem Arm entwachsen sind.
Ob ich sie werd', ob sie mich werden kennen? Wie ich sie werd' und sie mich nennen? Ich denke, daß vorm großen Vater muß Verstummen Vaterkindesgruß.
Doch wird der Schwesterbrudergruß noch gelten, Und auch den Tausch werd' ich nicht schelten, Wenn, die auf Erden meine Tochter war, Sich dort mir stellt als Schwester dar.
Von den Brüdern jedem war ein Lieblingsschwesterchen geboren, Der Mutter ein Lieblingstöchterchen, Und mir selber eines.
Von den Brüdern jeder hatt' ein Lieblingsschwesterchen erkoren, Die Mutter ein Lieblingstöchterchen, Und ich selber eines.
Von den Brüdern jeder hat sein Lieblingsschwesterchen verloren, Die Mutter ihr Lieblingstöchterchen, Und ich selber meines.
Jedem Bruder ist in einer Nacht die liebste Blum' erfroren, Des Mutterherzens Lilienreis, Und die Rose meines.
Soviel Herzen sind nun Gräber, Die dich, Himmelsblum', umfloren, O Schwesterchen, o Töchterchen, Du einziges und eines!
Diese Weise klang mir In Ohren immerdar, Eh sie sich entschwang mir, Die meine Freude war.
Diese Weise klang mir Drei Tage schon zuvor; Wie ich thäte Zwang mir, Sie ging nicht aus dem Ohr.
Diese Weise klang dir, Die ich verklagen muß, Daß zum letzten Gang dir Sie schwingt deinen Fuß.
Diese Weise klang dir, Warum verklag' ich sie? Gott wies deinen Gang dir, Und mir die Melodie.
Nicht ein Rosenknöpfchen Mit gesenktem Köpfchen, Mit dem Wurm im Herzen, Sank vom schwachen Stiel.
Nicht ein Apfel, tödtlich An den Bäckchen röthlich, War es morsch im Herzen, Der vom Baume fiel.
Rose lust- und liebreich, Jugendfrühlingstriebreich, Ohne Weh im Herzen, Ward des Windes Spiel.
Apfel frisch und saftvoll, Schwellend lebenskraftvoll, Kerngesund im Herzen, War des Sturmes Ziel.
Ob mich das soll freuen, Oder doppelt reuen, Macht der Tod im Herzen Mir Gedanken viel.
Seufzer, die ihr wehet, Thränen, die ihr gehet, Könnt' ich selber mit euch gehn, So entging' ich meinen Wehn.
Seufzer, die ihr wehet, Von mir angeflehet: Bringt zurück einmal mein Glück! Kommt ihr immer leer zurück.
Thränen, die ihr gehet Und nie stille stehet, Steht einmal im Auge still, Das in euch zergehen will.
Seufzer, die ihr wehet, Thränen, die ihr gehet, Wär' ich selber, was ihr seid, Aufgelöstes Liebesleid!
Freilich klag' ich nicht um dich, Daß du sterbend habest was verloren; Freilich klag' ich nur um mich, Dem du Hoffnung warst umsonst geboren.
Freilich nur in andrer Art, Höh'rer, schönrer, lebst du, als wirs denken; Aber deine Lebensfahrt Hofft' ich eben selber hier zu lenken.
Eine Zukunft ausgemahlt Hatt' ich dir zu meines Herzens Gnüge, Daß dort deine schöner strahlt, Seh' ich, doch erkenn' ich nicht die Züge.
Daß du lebest, weiß ich zwar, Aber wie du lebest, möcht' ich wissen; Und von Allem ist mir klar Eines nur, daß du mir bist entrissen.
Meine Gute kam zu mir im Traume, Aber gleichsam wie in fremdem Raume, That sie blöde, scheu und unbekannt, Alsob hier mit ihr nichts sei verwandt.
Auf das Tischchen stellt' ich Spielgeräthe, Daß ich eine Lieb' und Ehr' ihr thäte; Doch sie rührte nichts an, und blieb still, Wie ein Kind das heim zur Mutter will.
Und es drängten sich zu ihr die Knaben, Die am Spielwerk wollten Antheil haben; Da verwies ich ihnen ihre Hast: Thut ihr nichts! sie ist ja hier zu Gast.
Ach, nur Gast bist du in diesen Räumen, Selbst ein Gast in deiner Mutter Träumen, Fremd geworden in dem Mutterhaus, Seit der Tod dich hat entführt daraus.
O Knospe roth im Morgenlicht, womit hast du's verdient, Daß man im frühen Thau dich bricht? womit hast du's verdient? O Rose, der zu fremdem Schmerz kein Dorn gegeben war; Daß dich der Dorn der Schmerzen sticht, womit hast du's verdient? Wehrlose Unschuld, nicht zum Kampf gerüstet mit dem Tod; Daß dich der dunkle Feind ansticht, womit hast du's verdient? Es schaukelt unbefangen dich in Frühlingsluft der Zweig; Des Wintersturmes Zorngewicht, womit hast du's verdient? Und wenn der Zweig, weil er zu kühn und stolz die Krone trug, Verdient hat dieses Strafgericht; womit hast du's verdient? O armer Zweig, die Lust ist hin, die du nicht würdig trugst, Nun trag das Leid, und frage nicht: Womit hast du's verdient? Es war ein Gut dir zugetheilt, deß Werth du nicht erkannt; Entzog man dirs, so thu Verzicht! womit hast du's verdient? Womit hast du's verdient, daß dir die Rose deiner Lust Solang geblüht vorm Angesicht, womit hast du's verdient? Und daß sie, die ein Augenblick erbleichte, neu und frisch In deines Lebens Kranz sich flicht; womit hast du's verdient? Die Schmerzen Freimunds werden ein Gedicht zum Schmuck der Welt; Welt, undankbare, dieß Gedicht, womit hast du's verdient?
1.
Wenn zur Thür herein Tritt dein Mütterlein Mit der Kerze Schimmer, Ist es mir als immer, Kämst du mit herein, Huschtest hintendrein Als wie sonst ins Zimmer
Träum' ich, bin ich wach, Oder seh' ich schwach Bei dem Licht, dem matten? Du nicht, nur ein Schatten Folgt der Mutter nach. Immer bist du, ach, Noch der Mutter Schatten.
2.
Wenn dein Mütterlein Tritt zur Thür herein, Und den Kopf ich drehe, Ihr entgegen sehe, Fällt auf ihr Gesicht Erst der Blick mir nicht, Sondern auf die Stelle Näher nach der Schwelle, Dort wo würde dein Lieb Gesichtchen seyn, Wenn du freudenhelle Trätest mit herein Wie sonst, mein Töchterlein, O du, der Vaterzelle Zu schnelle Erlosch'ner Freudenschein!
Sie haben dir die Augen Vergessen zu schließen, Die nun nicht ferner taugen Mein Licht zu ergießen.
Doch nütz' ich ihre Fehle Und sehe noch immer Im Auge meiner Seele Von Seel' einen Schimmer.
Wie hinter Fensterscheiben Sein Liebchen gesehen Ein Liebender, es bleiben Die Züg' ihm da stehen.
Er glaubet süß betreten Zu sehn sie noch immer, Wenn sie zurückgetreten Schon längst in das Zimmer.
So scheint mich noch die Seele Vom Auge zu grüßen, Wie längst das Leben fehle Von Haupte zu Füßen.
Vielleicht, eh ganz sie räumte Das Haus, das zu schwache, Daß sie noch einmal säumte Im schönsten Gemache;
Daraus noch einmal blickte Ins irdische Leben, Eh sie den Flug beschickte Um höher zu schweben.
Und ist's nicht drin die deine, Die Seele, die stralet, So mag es seyn die meine, Im Spiegel gemahlet.
Solange noch beseelet Ein schmerzliches Brennen Dein dunkles Aug', entseelet Nicht kann ich dich nennen.
Solange mich beseelet Mit Schmerzen das Brennen Des dunklen Augs, entseelet Wie kann ich dich nennen?
Reizender als alle Sprachen, Die ich jemals lernt' und sprach, Tönt, was deine Lippchen brachen, Mir noch jetzt im Traume nach.
Wenn man dir von Großpapachen Und von Großmamachen sprach, Bildeten in deinen Sprachen Neue Formen kühn sich nach:
Kleinpapachen, Kleinmamachen, Vater, Mutter, nanntest du, Wenn sie für dich Blumen brachen, Oder trugen Früchte zu.
Kleinpapachen! Kleinpapachen! Riefst du recht als wie zur Schmach, Wann dich deine Kitzel stachen, Deinem großen Vater nach.
Kleinmamachen aber sprachen Nicht die Lippchen halb so gern, Weil die Kleinheit von Mamachen Wirklich stand nicht halb so fern.
Du gingest nicht, du flogest, Geflügelt war dein Tritt, Daß du kein Hälmchen bogest, So schwebtest du, und zogest Bei jedem leichten Schritt Der Mutter Blicke mit.
Oft wenn du so entflogest, Rief ich: Ich bitt', ich bitt', O fall nicht, Kind! du wogest Und wiegest! doch du trogest Bei jedem kühnen Schritt Die Furcht und mich damit.
O wie du mich betrogest! Ich weiß nicht, wie ichs litt, Ich weiß nicht, ob du flogest, Ob glittest, doch du zogest, Bei deinem letzten Schritt Das Herz der Mutter mit.
Weihnachten frisch und gesund Im frohen Geschwisterrund, Am Neujahr mit blaßem Mund, An den drei Kön'gen im Grund. So thaten die Feste sich kund Mit Tod und Grab im Bund. Mein Herz bleibt bis Ostern wund Und wird nicht bis Pfingsten gesund.
Gar zu schnakisch, gar zu schnakisch War mir anzusehn dein Tanz; Ob kosakisch, ob hanakisch, Ob polakisch, ob morlakisch, Wußt' ich nicht zu sagen ganz. Gar zu schnakisch, gar zu schnakisch War mir anzusehn dein Tanz.
Immer feiner, immer feiner Tanztest du im Jugendglanz; Weil dir deiner Brüder keiner Glich in seiner Kunst, nicht einer, Tanztest du allein den Tanz. Immer feiner, immer feiner Tanztest du im Jugendglanz.
Noch gesungen und gesprungen Vor acht Tagen unterm Kranz; Heut bezwungen und umrungen, Und umschlungen, und gedrungen Von dem Tod an seinen Tanz! Noch gesungen und gesprungen Vor acht Tagen unterm Kranz!
Sie haben das Herz aus der Brust mir genommen Und habens gelegt in ein Grab; Das Leben, es ist mir abhanden gekommen, Es ist mir gegangen hinab. Ihr Seufzer beklommen, Ihr Augen umschwommen, Wie seid ihr entkommen? Ich gab Euch alle ja mit ihr ins Grab.
»Ich konnte recht im Ernste fragen: Wo ist mein jüngstes Knäbchen? Um dann mit Lachen mir zu sagen: Gott Lob, es ist ein Mädchen Und soll kein Höschen tragen!
»Ich konnt' es wirklich weiß mir machen: Es ist nur eins der Knäbchen! Und dann wie aus dem Traum erwachen: Es ist mein einziges Mädchen! Und über mich selber lachen.
»Der Tod versteht nicht Scherz und Lachen, Er nahm mein einziges Mädchen, Und als die Zugab' in den Rachen Mein wirklich jüngstes Knäbchen; Pfui über den garstigen Drachen!
Als ich aus dem Fenster schaute Nach dem wintergrauen Himmel, Wo ein einz'ger Streifen Lichtes Mir die Bahnen schien zu zeichnen, Die mein Engel angeflogen; Fielen meine Thränentropfen, Und ich merkte, daß sie fielen, Nur weil sie auf Gläsern klangen, Die da vor dem Fenster standen. Soviel Arzeneiengläser, Mit den myst'schen Signaturen, Zugezählt nach Stund' und Tropfen, Konnten nicht ein Leben fristen. Soviel erdentstiegne Geister, Von der Kunst gebannt in Flaschen, Konnten nicht den Tod bekämpfen. Soviel unterird'sche Mächte, Fremd dämonische Gewalten,