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Das Heldenepos Schahname befasst sich mit der Geschichte des antiken Persien vor der islamischen Eroberung. Es beginnt mit der Erschaffung der Welt und beschreibt die Entwicklung der Zivilisation. Das Werk ist nicht exakt chronologisch aufgebaut, führt den Leser aber von der Vergangenheit in die Gegenwart. Einige der literarischen Figuren leben für mehrere hundert Jahre, die meisten erleben nur ein Menschenalter. Schahs und Helden kommen und gehen, das einzige was bleibt, ist Persien. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, von denen keiner dem anderen gleicht, beschreiben das Vergehen der Zeit. Das Schahme ist in 62 Sagen bestehend aus 990 Kapiteln mit nahezu 60.000 Versen gegliedert. Hauptfigur ist der mythische Held Rostam, Prinz von Zabulistan, der bei vielen Schlachten die Grenzen des antiken Iran gegen seine Feinde verteidigt. Das Schahname ist nicht nur ein beeindruckendes Denkmal der persischen Dichtkunst sondern auch ein Stück Geschichtsschreibung, da Ferdosi in seinem Werk wiedergibt, was er und seine Zeitgenossen als die Geschichte Irans betrachteten. Friedrich Rückert hat das Werk Ferdosis in geradezu genialer Weise in Verse gefasst. In Band 2 werden die Könige des heroischen Zeitalters behandelt. In den nachfolgenden Bänden werden die Könige des historischen Zeitalters dargestellt.
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Seitenzahl: 192
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Ferdosi – Rückert
Schahname − Das Buch der Könige, Band 2 –
Minotschihr, Naudher, Zau, Gerschasp,
Keikobad
Zu diesem Buch: Während in Band 1 die Sagen über die Könige des mystischen Zeitalters von Gajumarth, dem ersten Schah der Menschheitsgeschichte, bis Feridun erzählt werden, beginnt Band 2 dieser Neuausgabe des iranischen Nationalepos „Schahname“ mit Minotschihr, dem ersten Schah des heroischen Zeitalters, und endet mit Keikobad. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Band die Erzählung von der Geburt und dem Heranwachsen von Rostem, dem iranischen Nationalhelden, vergleichbar mit dem deutschen Siegfried.
Abū ʾl-Qāsim Ferdausi (940−1020), der nahezu sein ganzes Leben in seiner Heimatstadt Tus verbracht hat, verfasste ein Epos, das mit seinen mehr als 60.000 Versen seinesgleichen in der Welt sucht. Obwohl es vordergründig Mythologie und Geschichte des Irans bis zur Eroberung durch die Araber schildert, ist es ein Buch über das Werden der menschlichen Zivilisation, über Krieg und Frieden, Mord und Verrat, über Liebe und Leid.
Friedrich Rückert, 1788 in Schweinfurt geboren, hat bis an sein Lebensende an einer dichterischen Übersetzung des Schahname gearbeitet. Die unvollendet gebliebene Übersetzung wurde von Edmund Bayer nach dem Tode Rückerts im Jahr 1866 aus seinem Nachlass veröffentlicht.
Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe von E. A. Bayer, übernimmt aber nicht deren Orthografie, sondern passt den Text an die heutige Rechtschreibung an. In Anmerkungen werden die heute nicht mehr gebräuchlichen Ausdrücke und mythologische Namen erläutert.
Die eingefügten Grafiken wurden der persischen Schahname-Ausgabe des Amir-Kabir-Verlags aus dem Jahr 2537 (1978) entnommen.
Ferdosi − Rückert
Schahname
Das Buch der Könige
Band 2
Minotschihr
Naudher
Zau
Gerschasp
Keikobad
Herausgegeben von
Die Ausgabe dieses Textes folgt der 1890 im Georg Reimer Verlag erschienenen Erstausgabe.
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Kommentierte Neuausgabe, 2018
Inhalt Band 2
VII. Minotschihr
Die Sage von Zals Geburt
Sam träumt von seinem Sohne
Sam gibt dem Zal die Herrschaft
Zal kommt zu Mihrab von Kabul
Rudabe ratschlagt mit den Mägden
Rudabes Mägde gehen Zal Zer zu sehn
Die Mägde kehren zu Rudabe zurück
Zal kommt zu Rudabe
Zal Zer berät sich mit den Mobeden
Zal schreibt an Sam
Sam ratschlagt mit den Mobeden über
Zals Angelegenheit
Sindocht erfährt Rudabes Liebeshandel
Mihrab erfährt der Tochter Liebeshandel
Minotschihr erfährt von Zal und Rudabe
Sam kommt zu Minotschihr
Sam kommt zu Mihrab
Zal wird an Minotschihr abgesandt
Mihrab ergrimmt gegen Sindocht
Sam beruhigt Sindocht
Zal kommt mit Sams Brief zu Minotschihr
Die Mobeden prüfen den Zal
Zal gibt den Mobeden Antwort
Zal zeigt seine Tapferkeit vor Minotschihr
Minotschihrs Antwort an Sam
Zals Ankunft bei Sam
Von Rostems Geburt
Sam kommt, Rostem zu sehn
Rostem tötet den weißen Elefanten
Rostem zieht zum Berg Sipend
Minotschihrs letzter Wille
VIII. Naudher
Peschang erfährt Minotschihrs Tod
Afrasiab kommt nach Iran
Kampf Barumans und Kobads; Kobad fällt
Afrasiabs zweites Treffen mit Naudher
Naudhers drittes Treffen mit Afrasiab
Naudher wird von Afrasiab gefangen
Weise findet seinen Sohn erschlagen
Schernasas und Chazarwans Angriff auf Zabulistan
Zal kommt dem Mihrab zu Hilfe
Schah Naudher wird von Afrasiab getötet
Zal erfährt von Naudhers Tod
Agrirath wird von seinem Bruder umgebracht
IX. Zau, Sohn des Tahmasp
X. Gerschasp
Zal ruft Rostem zur Ritterschaft
Rostem fängt den Rachs
Zal zieht mit Heeresmacht gegen Afrasiab
Rostem holt Keikobad vom Berg Albors
XI. Keikobad
Kampf Rostems mit Afrasiab
Afrasiab kommt zu seinem Vater
Peschang bittet Keikobad um Frieden
Keikobad kommt nach Istachar in Pars
VII. Minotschihr
Minotschihr – Schah Irans.
Sam Neriman – Pehlewan (Held), Heerführer des Schahs.
Zal Zer, Destan Zand – Sohn des Sam, Schah von Nimros{i}.
Mihrab – Fürst von Kabul, Nachkomme des Dhohhak.
Sindocht – Ehefrau des Mihrab.
Rudabe – Tochter Mihrabs und Sindochts.
Naudher – Sohn des Minotschihr.
Rostem – Sohn des Zal und der Rudabe; der Held der perschen Mythologie (der persische Siegfried).
Die Sage von Zals Geburt
Jetzt eine Geschichte wundervoll
Aus alter Sag’ ich bringen soll.
Merk’ auf, oh Sohn, sieh, was der Tag
Mit Sam dem Helden für Spiele pflag.
Geboren war kein Sohn dem Sam,
Darüber war sein Herz voll Gram.
In seinem Gemach ein Frauenbild war,
Von Rosen die Wange, von Musk{ii} das Haar.
Von diesem Monde hofft’ er den Sohn,
Die sonnenklare war schwanger schon.
Von Sam Neriman trug sie Frucht,
Weh tat ihrem Leibe die schwere Wucht.
Da kam von der Mutter nach einiger Zeit
Ein Bild von Sonnenherrlichkeit;
Sein Gesicht war wie Sonnenglanz,
Aber sein Haar war schneeweiß ganz.
Als solch ein Kind von der Mutter kam.
Verschwieg man es eine Woche dem Sam.
Des Helden ganzes Frauengemach
Warum das Kindlein in Ungemach;
Niemand wagt’ ihm zu sagen, dass
Eines greisen Kindleins die Holde genas.
Eine Amme trug Löwensinn,
Zum Pehlewan kühn ging sie hin,
Bracht’ ihm die Kunde vom jungen Reis,
Löste die Zung’ und sprach mit Preis:
„Dem Helden Sam sei der Tag beglückt,
Und seiner Feinde Herz zerstückt.
Gott hat dir gegeben, was du begehrt,
Mit welchem Wunsch du dein Herz genährt.
Hinterm Vorhang, oh Ruhmgenoss,
Ist dir gekommen ein Ehrenspross,
Ein löwenherziger Heldensohn,
So jung scheint er so herzhaft schon.
Sein Leib wie Schmelz, wie Bihischt{iii} sein Gesicht,
Ein unschön Glied an ihm siehst du nicht.
Ein Fehl nun ist, dass sein Haar ist weiß;
So war dir’s beschieden, oh Held voll Preis!
Dem Beschiedenen füge dich,
Sei dankbar und begnüge dich!“
Vom Sitz aufstand der Ritter groß,
Trat hintern Vorhang zum jungen Spross,
Sah einen Knaben mit Greisenhaupt,
Desgleichen er nie gesehn noch geglaubt;
Wie Schnee am ganzen Leib sein Haar,
Doch rot und lieblich sein Wangenpaar.
Als weiß des Sohnes Haupt er fand,
Ihm von der Welt alle Hoffnung schwand.
Er fürchtete sich vorm Leumund sehr,
Vom Weg der Einsicht ab kam er;
Das Haupt hub er grad himmelan,
Und mit dem Schöpfer zu rechten begann:
„OH du erhaben, ob Krümm’ und Fehl,
Nur Gutes entspringt aus deinem Befehl.
Wenn ich eine schwere Sünde beging,
Wenn ich Ahrimans Brauch anfing,
Mög’ auf die Unterwerfung mein
Der Schöpfer im Stillen mir verzeihn.
Meine Seele krümmt sich vor Scham.
Und heiß mein Blut in Wallung kam
Ob diesem Kind wie ein Ahrimanskind,
Schwarzaugig, des Haare Jasmine sind.
Wenn her zu Besuch die Recken gehn,
Den übel gezeichneten Knaben sehn,
Was sag’ ich, welch Dewenkind er sei,
Zweifarbiger Pardel{iv} oder Fei{v}?
Mich werden die Großen im Weltenkreis
Darüber verlachen laut und leis.
Iran verlass’ ich ob der Schmach,
Und biet’ ihm nie mehr Gruß hernach.“
So sprach er mit Grollen, wandte den Blick,
Und haderte wider sein Geschick.
Dann befahl er, zu nehmen das Kind,
Aus dem Land es zu bringen geschwind.
Es war ein Berg, Berg Albors{vi} genannt,
Nah der Sonne, der Welt abgewandt.
Die Simurg{vii} hatte dort ihr Nest,
Von Menschen ferne war die Best’.
Dort legten sie’s hin und kehrten zurück;
Darüber verging von Zeit ein Stück.
Solch ein unschuldig’ Fürstenkind,
Dem Schwarz und Weiß noch einerlei sind!
Ein liebloser Vater es von sich stieß,
Einem Säugling tat er dies! –
Die wilde Löwin gesprochen hat,
Als sie ihr Junges gemacht milchsatt:
„Und wenn ich dir gäbe statt Milch mein Blut,
Nicht rechnet’ ich mir’s gegen dich zu gut;
Weil ich mein Herz sehe leben in dir,
Mein Herz entging mir, entgingest du mir.“
Die wilden Tier’ auf Erden sind
Liebreicher als Menschen für ihr Kind.
Das kleine Kind an jenem Ort
Lag Tag und Nacht ohne Hilf’ und Hort.
Bald sog’s an seinen Fingerlein,
Bald wiederum hub’s an zu schrein.
Simurg, als ihre Jungen darauf
Hungerten, schwang vom Nest sich auf.
Dort einen schreienden Säugling sah;
Umrauscht von Wildnis fern und nah,
Der Stein seine Wiege, seine Amme der Grund,
Sein Leib ohne Kleid, ohne Milch sein Mund,
Der dumpfe Boden sein Gemach,
Und überm Haupte die Sonne, die stach.
Wär’ ein Pardel der Vater sein,
Schirm fänd’ es vorm heißen Sonnenschein.
Durch Gott eine Lieb’ in Simurg erwachte,
Dass sie das Kind nicht zu fressen dachte.
Sie kam aus der Wolke herab und fein
Hob sie das Kind vom heißen Stein,
Trug es sausend zu Albors Forst,
Woselbst war ihres Hauses Horst,
Bracht’s ihren Jungen, dass sie zur Speis
Es nähmen, nicht achteten seines Geschreis.
Der Geber des Guten erbarmte sich sein,
Ihm sollte das Leben behalten sein.
Simurg sah mit den Jungen an
Das Kind, dem das Blut aus den Augen rann.
Sie warfen Lieb’ auf ihn wunderbar,
Und staunten ob seiner Wangen klar.
Sie wählten die zarteste Jagdbeut’ ihm aus,
Blut sog er statt Milch in ihrem Haus.
So ging dahin eine lange Zeit,
Das Kind war dort in der Heimlichkeit.
Als nun das Kind großmächtig ward,
Ging über den Berg Karawanenfahrt.
Wie die Zypresse ragt’ er empor,
Silberbrustig, schlank wie ein Rohr.
In die Welt kam von ihm Bericht;
Gutes und Böses verbirgt sich nicht.
Zu Sam Neriman Kunde kam
Vom herrlichen Jüngling wundersam.
Sam träumt von seinem Sohne
Eines Nachts schlief er grambeschwert,
Vom Geschick war sein Herz versehrt.
Da träumt’ er, dass aus indischem Land
Ein Mann auf arabischem Ross gerannt,
Ihm brächt’ einen Gruß von seinem Sohn,
Von jenem blühenden Sprosse, dem hohn.
Als er erwachte, berief er Mobeden{viii},
Und fing darüber an zu reden,
Sagt’ ihnen, was im Traum ihm kam,
Zu dem, was er von Karawanen vernahm.
„Was“, sprach er, „befindet ihr hierin,
Ist einverstanden euer Sinn,
Dass lebend ist der Knabe gut
Oder verkam in Frost und Glut?“
Alle nun lösten sie alt’ und junge
Gegen den Pehlewan die Zunge:
„Wer gegen Gott ist undankbar,
Der nimmt nirgend das Gute wahr.
Denn Pardel und Leu im Bergrevier,
Im Wasser Fisch und Seeuntier,
Alle ziehen sie auf ihr Kind,
Und dankbar dafür dem Schöpfer sind.
Du brichst dem Geber des Guten den Bund,
Wirfst ein unschuldig’ Kind auf den Grund,
Nimmst Ärger an seinem weißen Haar;
Was schadet das dem Leibe klar?
Sage nur ja nicht, es lebe nicht;
Schnell such’ es und widerstrebe nicht!
Denn wen Gott hat in seiner Hut,
Der verkommt nicht in Frost und Glut.
Nun mit Buße zu Gott dich kehr’,
Denn Gutes und Böses leitet er.“
Beschlossen war’s, dass am andern Tag
Der Ritter zöge zum Bergeshag.
Als es Nacht ward, der Schlaf ihm kam,
Weil müd’ er war von Herzensgram.
Wieder träumt’ er, aus Hindustan
Zöge daher eine seidne Fahn’,
Ein Jüngling erschiene schön von Gesicht,
Hinter ihm drein ein Heer von Gewicht,
Zu seiner Linken ein Mobed,
Zu seiner Rechten ein Mann beredt.
Von zwei Männern trat einer zu Sam,
Und raues Wort auf die Zunge nahm:
„OH Mann unreiner ohne Treu’,
Wuschest vom Auge Scham und Scheu.
Wenn ein Vogel ist Amme für dich,
Was soll dir die Ritterswürde, sprich!
Ist weißes Haar ein Fehler am Mann,
Sieh deinen ergrauten Bart doch an!
Dieses und jenes Gott dir gab;
So leugnest du ihm die Wohltat ab.
Geh nur, entsage dem Schöpfer ganz,
Weil dir nicht gleich bleibt des Leibes Glanz!
Wenn du dein Kind hast ausgesetzt,
Ward es zu Gottes Pflegekind jetzt.
Denn keine Amm’ ist ihm zärtlicher,
Doch du bist ganz von Liebe leer.“
Im Schlafe laut schrie Ritter Sam,
Wie ein Leu, wenn ins Netz er kam.
Ihn schreckte der Traum, es möcht’ einen Schlag
Zu böser Lehr’ ihm bringen der Tag.
Als er erwachte, berief er die nützen
Männer und ließ die Schar aufsitzen;
Eilend kam er zum Berg hinan,
Um seinen Weggeworfnen zu sahn.
Er sah einen Berg, in den Wolken die Stirn
Als wollt’ er herniederziehn das Gestirn,
Darauf ein Nest in hoher Hut,
Dem selbst Saturn keinen Schaden tut,
Aus Ebenholz und Sandel gewoben,
Aus Aloeholz ineinander geschoben.
Einen Jüngling von Sams Gestalt
Sah er, der droben das Nest umwallt’.
Dem Schöpfer rief er Preis und Dank
Und in den Staub anbetend sank.
Lobpreisend umwandelt’ er die Höhn
Und sah keinen Ort hinaufzugehen.
Er sprach: „OH du höher als der Raum,
Als Sonn’ und Mond und Menschentraum,
Zur Buße senk’ ich das Haupt vor dir,
Voll Furcht lieg’ ich im Staub vor dir,
Wenn dies der Sohn ist meiner Kraft,
Kein böser Spross und ahrimanhaft,
So reiche dem Knecht zum Aufstieg die Hand,
Sei diesem Sünder mit Huld zugewandt!“
Als er so sich zum Herrn gekehrt,
Ward sein Gebet alsbald erhört.
Simurg blickte vom Berghaupt her,
Merkte beim Anblick von Sam und dem Heer,
Dass er um willen des Sohnes kam,
Nicht für Simurg den Weg hernahm.
So sprach Simurg zum Heldenspross:
„Der du im Nest unter Not wardst groß!
Ich gab dir den Namen Destan Zand,
Weil dich misshandelt hat Vaterhand,
Sage nun, wenn du von hier bist getrennt,
Dass man mit diesem Namen dich nennt.
Dein Vater Sam, der Weltpehlewan,
Der allen Fürsten leuchtet voran,
Ist her zu Berges Pfaden gekommen,
Du bist bei ihm zu Gnaden gekommen,
Ich muss jetzt mit sanften Schwingen
Dich fassen und zu ihm hinbringen.“
Als dies von Simurg der Jüngling vernahm,
Das Auge voll Wasser, das Herz voll Gram,
Schau, was zu Simurg Destan sprach:
„Du bist des Genossen wohl satt im Gemach.
Dein Genist{ix} ist mein leuchtender Thron,
Zwei Flügel dein mein’ Ehrenkron’.
Dir dank’ ich’s und dem Schöpfer: Von dir
Ward leicht hier alles Schwere mir.“
Zur Antwort gab Simurg: „Wenn Kron’ und Pracht
Du erst erschaust und fürstliche Macht,
Sieh, ob dir dann dies Nest gefällt;
Versuche nur erst einmal die Welt!
Nicht aus Feindschaft verjag’ ich dich,
Dahin zu der Herrschaft trag’ ich dich.
Dein Bleiben wäre lieber mir,
Doch besser ist jenes als dieses dir.
Nimm eine Feder von mir zum Putz
Mit dir und sei in meinem Schutz!
Wenn irgend man einen Harm dir macht,
In Gutem und Bösem warm dir macht,
Leg’ aufs Feuer das Federchen,
Alsbald wirst du meine Größe sehn.
Denn unterm Gefieder hegt’ ich dich,
Mit meinen Jungen pflegt’ ich dich.
Alsbald komm’ ich in Wolkengestalt,
Und bring’ ohne Harm dich in diesen Wald.
Vergiss deiner Amme Liebe nicht,
Denn Liebe zu dir das Herz mir bricht.“
Sie sprach ihn zufrieden und hob ihn auf,
Nahm schwebend mit ihm durch Wolken den Lauf.
Sie bracht’ im Flug ihn dem Vater dar,
Es wallt’ unter ihrem Flügel sein Haar.
Der Leib war riesig, die Wang’ bildschön;
Der Vater, ihn schauend, erhob ein Gestöhn.
Er senkte sein Haupt vor Simurg tief
Und lauten Preis zu Gott er rief:
„Oh Fürst der Vögel, der Schöpfer verleiht
Dir dazu Macht und Herrlichkeit,
Dass du seiest der Hilflosen Schutz,
Und gegen jeden Trutzer ein Trutz.
Vor dir sei jeder Feind gebückt,
Bleib ewig so mit Kraft geschmückt!“
Simurg entschwang sich zum Bergaltar,
Ihr folgten die Blicke von Sam und der Schar.
Von Kopf zu Fuß nun beschaut’ er den Sohn,
Und alles war würdig für Kron’ und Thron:
Ein Löwennacken, ein Sonnengesicht,
Ein Heldenherz und ein Arm von Gewicht,
Die Wimpern schwarz und die Augen Glut,
Die Lippen Korallen, die Wangen wie Blut,
Außerm Haar war kein Fehl an ihm,
Zu suchen kein böser Hehl an ihm.
Das Herz von Sam war ein Lustparadies,
Und laut den einen Sohn er pries.
„Mache“, sprach er, „dein Herz mir lind
Und denke nicht ans Vergangne, mein Kind!
Der Knechte Gottes geringster bin ich,
Und seit ich wieder gewonnen dich,
Gelobt’ ich es Gott, der mir gnädig ward,
Nie mein Herz dir zu machen hart.
Ich will nur tun, was begehrt dein Mut;
Was du von nun an verlangst, ist gut.“
Er hüllt’ ihm den Leib in ein Fürstengewand,
Und führt’ ihn weg von der Bergeswand.
Er kam ins Tal, las ein Pferd ihm aus,
Las Decken von fürstlichem Wert ihm aus.
All seine Ritter kamen zu Sam,
Jeder vergnügt und voll Wonne kam.
Auf Elefanten die Pauken voran,
Ein Strom von Staub stieg himmelan,
Der Hörner Klang und der Trommeln Gedröhn,
Silberne Zinken und Schellengetön,
Alle Reiter erhoben Geschrei,
In dieser Lust ging die Fahrt vorbei.
In Wonne zogen zur Stadt sie ein,
Wie mochte die Herrlichkeit größer sein!
Sam gibt dem Zal die Herrschaft
Sam brachte für den Sprössling jung
Fürstliche Tugenden nun in Schwung.
Erfahrne Männer des Lands er entbot,
Mit denen besprach er alles, was not.
Also sprach er zu allen und jeden:
„Reingesinnte, weise Mobeden!
So ist der Befehl vom Schah der Welt,
Dass ich das Heer soll führen ins Feld.
Mazenderan{x} und Kergesaren{xi}
Soll ich bezwingen mit kriegrischen Scharen.
Bei euch lass ich den Sohn nun zurück,
Meines Herzens und Lebens ein Stück.
Im übermütigen Jugendwahn
Hab’ ich ein großes Unrecht getan.
Gott gab mir ein Kind, ich warf es hin,
Voll Torheit erkannt’ ich nicht den Gewinn.
Gering galt mir’s, einem Vogel wert,
Der hat es zum stattlichen Baum aufgenährt.
Als nun die Zeit der Gnad’ erschien,
Schenkte der Weltherr mir wieder ihn.
Wisst, dass er mein einziges Kleinod ist,
Euch anvertraut zu dieser Frist.
Euch übergeb’ ich ihn zu lehren,
Mit Tugenden seinen Geist zu klären,
Haltet ihn wert, gebt ihm euern Rat,
Und leitet ihn an zu hohem Pfad!
Denn ich geh’, wie der Schah gebeut,
Gegen den Feind mit dem Heer zum Streit.“
Dem Zal dann wandt’ er sein Antlitz zu:
„Tu’ Liebes und Gutes, pflege der Ruh’!
Ganz Zabul{xii} ist zum Haus dir bestellt,
Und dir zu Gebot steht alle Welt.
Dein Haus und Hof sei wohl geschmückt,
In dir der Freunde Herz beglückt.
Die Schlüssel der Schätze sind vor dir;
Was lieb dir und leid ist, ist’s auch mir.
Was dir dein heller Sinn mag raten,
Treibe von Friedens- und Kriegestaten!“
Zu Sam der junge Destan sprach:
„Wie soll’ ich hier nun leben, ach!
Gebar je die Mutter ein Kind schuldvoll,
Das bin ich, mit Recht ich klagen soll.
Nicht scheide mich, wie du mich einst geschieden,
Nun wieder, nachdem du gewährt hast Frieden!
Ein Nest war mein Thron und ein Vogel mein Hort,
Als zu den Vögeln ich zählte dort.
Jetzt bin ich meinen Pflegern entrückt,
So hat’s das Schicksal mit mir beschickt.
Von der Ros’ ist der Dorn mein Los;
Wer rechtet darob mit dem Schöpfer groß?“
Der Vater sprach: „Dein Herz auszuleeren
Ist recht, leer’s aus, sag’ all dein Begehren!
Sternkundige mit den Adspecten{xiii} bekannt,
Verkünden dir guter Adspecten Stand,
Dass hier für dich sei das Ruhequartier,
Hier sei dein Volk, deine Herrschaft hier.
Den Sphären ist nicht zu widerstreben,
Du musst dich in Lieb’ hier zufriedengeben.
Versamml’ um dich hier einen Kreis
Von Rittern und von Forschern weis’!
Lern’ alles, was ist wissenswert;
Von jedem Wissen ist Lust dir gewährt.
Wend’ auf, spend’ aus ohn’ Unterlass,
Lern’ alles, was recht ist, übe bass{xiv}!“
Sprach’s, und Paukengetön erscholl,
Die Erde ward ehern, die Luft nachtvoll.
Klang der Zinken und Schall der Schellen
Kam von des Heergezeltes Schwellen.
Der Feldherr kehrte zum Krieg seine Macht
Mit streitbarem Heere gerüstet zur Schlacht.
Auf zwei Stationen begleitet’ ihn Zal,
Zu sehn, wie der Vater das Heer führ’ ins Tal.
Da drückte der Vater den Sohn ans Herz,
Laut aufzuseufzen begann er vor Schmerz;
Nun umzukehren gebot er dem Sohn,
Und fröhlich zu bleiben bei Kron’ und Thron.
Heim kam Zal Destan sorgenvoll,
Wie ohne Vater er leben soll’.
Er saß auf dem Throne von Elfenbein,
Zu Häupten der leuchtenden Krone Schein,
Mit Armspang’ und der Keule Hort,
Mit goldnem Halsband und goldnem Gurt.
Mobeden aus jedem Gau er berief,
Alles durchforscht’ er und alles durchlief.
Kenner der Stern’ und Meister der Sitte,
Helden im Kampf und Meister im Ritte,
Die waren um ihn bei Tag und Nacht,
Und sprachen von Groß und Klein mit Bedacht.
So war durch Lehre Zal gediehn,
Dass wie ein Stern er zu leuchten schien.
An Sinn und Rat so weit kam er da,
Dass er seinesgleichen auf Erden nicht sah.
Solch ein Ritter er ward auf der Welt,
Dass bei den Fürsten von ihm ward erzählt.
Ob seiner Schöne war Weib und Mann
Erstaunt, still standen sie, wo sie ihn sahn.
Jedem in Fern’ und Näh’ er roch
Wie Muskus{xv} und Kampher war er doch.
Zal kommt zu Mihrab von Kabul
So fasst’ er eines Tages den Rat,
Dass er durchs Reich eine Reis’ antrat.
Er zog mit vertrauten Recken dahin,
Die mit ihm waren von seinem Sinn.
Er wandte sich gegen den indischen Gau,
Gen Kabul, Dember und Murgau.
Überall schlug er auf einen Thron,
Und rüstete Wein und Saitenton,
Er spendet’ und lebte sorgenfrei,
Wie Brauch ist im Weltkarawanserei.
Von Zabul schritt er nach Kabul jetzt
Mit lachendem Herzen und wohlergötzt.
Dort war ein Fürst Mihrab genannt,
Der reich war und hatte den Wunsch in der Hand,
An Wuchs wie eine Zypresse lang,
Ein Lenz an Wang’, ein Rebhuhn an Gang.
Von Dhohhak, dem Araber war er entstammt,
In Kabul war sein Erb’ und Amt.
Er zahlte jährlich Tribut an Sam,
Weil er’s mit ihm nicht im Kampf aufnahm.
Als er von dessen Sohn nun vernahm,
Er des Abends aus Kabul kam,
Mit Schätzen und Rossen von edlem Blut,
Mit Sklaven und mit jeglichem Gut;
Alle Hauptleut’ und Kabuls Heer
Führt’ er mit sich des Weges her.
Als zu Destan die Kunde gelangt,
Es komm’ ein Mond, der glänzend prangt,
Zog er entgegen, ihn zu empfahn,
Und tat nach Brauch ein’ Ehr’ ihm an.
Zu Destans Throne kamen sie,
Vergnügt und in Wonne kamen sie.
Gerüstet ward ein fürstliches Mahl,
Die Gäste saßen fröhlich bei Zal.
Die Schenken reichten Wein und Pokal,
Den Helden Mihrab beschaute Zal.
Sein Anblick stand gar wohl ihm an,
Sein Herz ward ihm eifriger zugetan.
Er sah, wie voll Einsicht war Mihrab, der Held,
Und sprach: „Seine Mutter segne die Welt!“
Als Mihrab wegging von Destans Mahl,
Schaut’ ihm an Nacken und Schulter Zal,
Zu seinen Rittern redet’ er:
„Wer schnallt den Gürtel zierlicher?
An Wuchs und Gestalt siegt er überall,
Niemand macht ihm streitig den Ball.“
Einer von jenen Edlen sodann
Sprach also zum jungen Pehlewan:
„Ihm ist hinterm Vorhang ein Töchterlein,
Das schöner ist als der Sonne Schein,
Von Kopf zu Fuß wie aus Elfenbein,
Von Wuchs wie eine Platan’ im Hain;
Zwei Augen, die wie Narzissen strahlen,
Und Wimpern, die Raben die Schwärze stahlen.
Siehst du den Mond, er ist ihr Gesicht;
Riechst Muskus, ihr Haar ist’s, zweifle nicht!
Sie passt zu Dir, oh klarer Held,
Die wie der Mond ist am Himmelszelt.“
Als Zal anhörte den Bericht,
Bewegt’ ihn Liebe zum Mondgesicht.
Er hatt’ ihm das Herz in Aufruhr gebracht,
Verloren ging ihm Ruh’ und Bedacht.
Er sprach bei sich: „Ohne Zweifel, sie thront
An Schönheit höher als Sonn’ und Mond.
Wenn schon der Vater hat solchen Schein,
Von welchem Glanz muss die Tochter sein?“
Die Nacht kam, er war in Gedanken betört,
Über die Nichtgesehene verstört.
Als die Sonn’ auf dem Berg hob ihr Schwert,
Die Welt wie ein Kristall ward verklärt,
Tat Destan den Saal auf, es traten die Reihn