Geschichte der DDR - Jörg Roesler - E-Book

Geschichte der DDR E-Book

Jörg Roesler

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Beschreibung

Jenseits der üblichen Horrorszenarien klärt Jörg Roesler auf über die Geschichte des kleineren deutschen Staates. Sie wird erstens erzählt als Geschichte der Herrschaft der SED. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Gruppierungen, vom Autor als Konservative bzw. Reformer charakterisiert. Dies ist gleichzeitig die Geschichte der Sicherung der Stabilität eines in seiner Existenz ökonomisch und politisch wiederholt gefährdeten Staates. Zweitens wird die Geschichte der DDR als Geschichte der sowjetisch-ostdeutschen Beziehungen erzählt. Es ist die Geschichte von Moskaus 'ungeliebtem Kind', einer durch das Scheitern der sowjetischen Deutschlandpolitik zustande gekommenen Minimallösung, eines schließlich lästig werdenden Vorpostens. Drittens wird die Geschichte der DDR erzählt als Geschichte der Beziehungen zur Bundesrepublik. Sie endet mit der Vereinnahmung des kleineren durch den größeren, sich als stabiler und potenter erweisenden deutschen Staates.

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Basiswissen

Politik / Geschichte / Ökonomie

Jörg Roesler

Geschichte der DDR

PapyRossa Verlag

Eine Übersicht aller Titel der PapyRossa-Reihe Basiswissen Politik / Geschichte / Ökonomie unter: shop.papyrossa.de/basiswissen

Für Bärbel

Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:

ISBN 978-3-89438-499-9 (Print)

ISBN 978-3-89438-909-3 (Epub)

6. Auflage 2023

5. Auflage 2020

4. Auflage 2019

3. Auflage 2016

2., durchgesehene Auflage 2013

© 2012 by PapyRossa Verlags GmbH & Co. KG, Köln

Luxemburger Str. 202, 50937 Köln

E-Mail: [email protected]

Internet: www.papyrossa.de

Umschlag: Willi Hölzel, Lux siebenzwoplus

Alle Rechte vorbehalten – ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

Datenkonvertierung E-Book: Bookwire - Gesellschaft zum Vertrieb digitaler Medien mbH

Inhalt

1. Einführung

2. Entnazifizierung und Wiedergutmachung: Alliierte Entscheidungen und die Politik der sowjetischen Besatzungsmacht (1945 – 1948/52)

3. Wiederaufbau unter antifaschistischem Vorzeichen: Parteipolitik in der SBZ (1945 – 1949/50)

4. Staatsgründung im Kalten Krieg: Entstehung und Ausgestaltung der »Arbeiter- und Bauernmacht« in den ersten Jahren der Ära Ulbricht (1948 – 1952)

5. Existenzgefährdende Sparprogramme: Die Monate vor dem 17. Juni 1953

6. Ansätze strategischer Neubestimmung: Neuer Kurs, Planungsreform und Entstalinisierung (1953 – 1956)

7. Rückbesinnung auf die Vorwärtsstrategie: Gesellschaftspolitische Offensiven mit Eigendynamik (1957 – 1959)

8. Existenzbedrohende Konkurrenz: Vor dem Mauerbau (1960 – 1961)

9. Kurzlebiger Triumph: Die Restaurationspolitik der Konservativen 1961 – 1962

10. Reformer an den Hebeln der Macht: Aufbruchstimmung in den ersten Jahren des NÖS (1963 – 1965)

11. Ökonomische Fortschritte und politische Kompromisse: Vom »Kahlschlagplenum« zum ÖSS (1966 – 1970)

12. Verschleierter Strategiewechsel: Die Ablösung Ulbrichts durch Honecker (1970 – 1971)

13. Geschmückt mit fremden Federn: Die erfolgreichen Jahre der Ära Honecker (1971 – 1975)

14. Ignorierte Warnzeichen: Exportkrise, Biermannaffäre und ungebremste Schuldenmacherei (1976 – 1980)

15. Verheimlichte Konsequenzen: Die ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen rigoroser Entschuldungspolitik (1981 – 1985)

16. Der Weg in die Lähmungskrise: Zunehmende Orientierungslosigkeit in Politik, Ökonomie und Ökologie (1986 – Herbst 1989)

17. Versuch eines Neuanfangs: Die programmatischen Vorstellungen der Bürgerbewegungen und der Regierung Modrow (Herbst 1989 – März 1990)

18. Selbstaufgabe mit Vorbehalten: Die Regierung de Maizière (April – Oktober 1990)

19. Besser, ähnlich oder schlimmer? Die DDR im Vergleich

20. Ansätze für Alternativen: Musste die DDR-Geschichte so und nicht anders verlaufen?

21. Was bleibt erinnernswert? Nutzbare Erfahrungen aus vier Jahrzehnten DDR-Sozialismus

Abkürzungsverzeichnis

Einige Literaturhinweise

1.

Einführung

Ein Buch ausschließlich der DDR gewidmet, von der manche Historiker meinen, dass sie nur eine »Fußnote in der deutschen Geschichte« war?

Anders als vielfach angenommen, nimmt die DDR – am Zeitraum ihrer Existenz gemessen – einen gewichtigen Platz in der jüngeren deutschen Geschichte ein. »Das kurze Leben der DDR« (Leonhard) hat – einschließlich deren Vorgeschichte 1945 bis 1949 – mehr als 45 Jahre gedauert, fast genau so lange wie das deutsche Kaiserreich (1871 – 1918). Die Weimarer Republik kam nur auf 14, die Naziherrschaft auf 12 Jahre.

Die Geschichtsschreibung hat sich im Falle der DDR rascher als je zuvor der abgelaufenen Periode bemächtigt – dabei hat die frühzeitige Freigabe der Archivakten sicher eine wichtige Rolle gespielt. Ungeachtet dessen hat die Mehrzahl der Veröffentlichungen zur DDR Kritik hervorgerufen. Günter Benser ist von einer einseitig »politisch gesteuerten Beeinflussung« der Aufarbeitung der DDR-Geschichte überzeugt (9). Peter Bender spricht in gleichem Zusammenhang von »schrecklicher Vereinfachung« und moniert, die DDR sei »nicht nur ein ›Stasi-Staat‹« gewesen (10, 11) Die grob einseitigen Darstellungen haben nach Benser »Abwehrhaltungen gegen neu verordnete Sichten« provoziert (9). In einigen Publikationen zur DDR-Geschichte – weitaus geringer in der Zahl – wird kräftig gegen gehalten, werden besonders die sozialen Errungenschaften und die friedensorientierte Außenpolitik der DDR hervorgehoben. Auch dabei handelt es sich in bestimmtem Maße um Vereinfachungen.

Die einander widersprechenden Wertungen der DDR-Geschichte machen dem interessierten Leser zu schaffen. Sofern er nicht von vornherein der einen oder anderen Seite zuneigt und nur nach Bestätigung sucht, wird er nach Literatur Ausschau halten, die ihm hilft, sich über diesen Teil der deutschen Geschichte ein eigenes Urteil zu bilden. Dazu muss er sich über das, was in 41 bzw. 45 Jahren im Osten Deutschlands geschehen ist, unvoreingenommen unterrichten können. Die Literatur sollte ihn in die Lage versetzen, wesentliche Geschehnisse in ihren Abläufen und Zusammenhängen zur Kenntnis zu nehmen. Das bedeutet, dass er sachlich über die Vorstellungen und Denkweisen der politischen Akteure, die Motive für ihre Entscheidungen und Handlungen informiert werden muss.

Das klingt selbstverständlich. Doch entsprechende Angebote sind noch rar. Der Leser wird von vornherein auf eine bestimmte Sicht – ob »zweite deutsche Diktatur« oder auch »Unrechtsstaat« – eingeschworen, die DDR zur bloßen Negativfolie für die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik. Zur Unterstützung einer derartigen Sicht werden, zielgerichtet sortiert, jede Menge Fakten beigesteuert.

Dieses Buch versteht sich dagegen als Beitrag zur Behebung solcher Mängel. Für die 17 chronologischen Kapitel hat sich der Autor sowohl der West-Apologie als auch der Ost-Nostalgie enthalten. Erst in den letzten drei Kapiteln – der Leser verfügt dann bereits über genügend Wissen, um sich eine eigene Meinung zu bilden – wird er mit den persönlichen Auffassungen des Autors zur DDR vertraut gemacht.

Die politischen Akteure, mit denen der Leser in den chronologisch geordneten Kapiteln bekannt gemacht wird, waren auf einer Vielzahl von Handlungsfeldern tätig: Sie waren mit der unmittelbaren Gestaltung des Herrschaftsgefüges beschäftigt, bei der Lenkung der Ökonomie engagiert oder im Bereich des Sozialen, der Kultur bzw. des Umweltschutzes tätig, um nur die wichtigsten Politikbereiche zu nennen.

Nicht alle Politikfelder sind aber für eine DDR-Geschichtsbetrachtung gleich wichtig. Für die Mehrheit der zur DDR-Geschichte Schreibenden ist das Handlungsfeld der Politik im engeren Sinne das entscheidende. So hat Hermann Weber in den Mittelpunkt seiner DDR-Geschichte »die Darstellung des Prozesses der Machterringung und Herrschaftssicherung durch die SED« gesetzt (16). Werner Abelshauser hat sich anders entschieden: »Deutsche Geschichte ist seit 1945 vor allem Wirtschaftsgeschichte. Der aus der sowjetischen Besatzungszone hervorgegangene zweite deutsche Staat hatte sein Schicksal von Anfang an eng mit der Verheißung wirtschaftlichen Erfolgs verknüpft. Materielle Errungenschaften standen nicht nur im Mittelpunkt der selbst gesetzten ideologischen Ziele. Sie wurden zum entscheidenden Kriterium des Wettbewerbs der Gesellschaftssysteme im Ost-West-Vergleich.« (11).

Das entspricht auch der Auffassung des Autors. Es bedeutet natürlich nicht, dass DDR-Geschichte sich in Wirtschaftsgeschichte erschöpft, wohl aber, dass machtpolitische Entscheidungen, die Entwicklung des Lebensstandards, die Gestaltung des Sozialsystems, die Umweltpolitik, selbst die Beziehungen der Herrschenden zu den Repräsentanten von Kunst und Kultur in Zusammenhang mit der konkreten ökonomischen Situation und dem eingeschlagenen Wirtschaftskurs betrachtet werden.

Die Hervorhebung der ökonomischen Komponente in der DDR-Geschichte ist nicht nur sachlich richtig, sie erst macht diese spannend. Die Merkmale Entstehung, Entwicklung, Ausprägung und Niedergang teilt das Herrschaftssystem der DDR mit dem deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik und dem »Dritten Reich«. Was die DDR gegenüber ihren historischen Vorgängern in Deutschland (und verglichen mit der Bundesrepublik) einzigartig macht, ist, dass erstmals – und über Jahrzehnte hinweg – versucht wurde, den ausgetretenen Pfad kapitalistischen Wirtschaftens zu verlassen, um zu einer neuen, gerechteren gesellschaftlichen Ordnung, als Sozialismus bezeichnet, zu gelangen. Dabei stießen sich die kühnen Entwürfe von Anfang an an harten Tatsachen. Das führte, anders als bei der Vornahme von Veränderungen an vorhanden Strukturen, eher zum Wechsel von Konzeptionen, zu leidenschaftlichen internen Auseinandersetzungen angesichts der sich verändernden nationalen (d. h. DDR- und gesamtdeutschen) bzw. internationalen Rahmenbedingungen. Kämpfe zwischen sowjetfixierten Konservativen und an DDR-spezifischen Lösungen interessierten flexibleren Reformern führten – bei wechselnden Akteurskoalitionen, aber bis zum Herbst 1989 stets unter Wahrung des Herrschaftsanspruchs der SED – in vier Jahrzehnten mehrmals zu Brüchen in der Wirtschafts- und Gesellschaftsstrategie, zur Rücknahme von Entscheidungen unter konservativen Vorzeichen, aber auch zur Wiederbelebung von Reformvorhaben. Diese vornehmlich ökonomisch bedingten Wechsellagen blieben selten ohne Auswirkungen auf die politischen Strukturen, das Sozialgefüge, mitunter auch auf die Kulturszene und – ab den 70er Jahren – auf die Umweltpolitik.

Eine Darstellung, die darauf zielt, dem Leser verständlich zu machen, warum die Entscheidungsträger in der DDR seinerzeit so und nicht anders gedacht, entschieden und gehandelt haben, muss davon ausgehen, dass die Geschichte offen war und ist. Die Akteure konnten nicht den Ausgang des »sozialistischen Experiments DDR« vor Augen haben. Sie und ihr Handeln können nicht verstanden werden, wenn sie unter dem Gesichtspunkt des späteren Scheiterns der DDR beurteilt werden. Die Geschichte der DDR wäre dann wirklich nicht mehr als ein »Untergang auf Raten« – alternativlos und an Spannungsmomenten rar.

Selbstverständlich wird in diesem Buch der »Lebensbaum« der DDR nicht ausgeklammert, allerdings nicht zur Grundlage der Periodisierung gemacht, sondern in den drei abschließenden Kapiteln des Buches zum Vergleich mit anderen Ländern, zu Alternativen und zu Erfahrungen aus dem DDR-Geschichtsverlauf diskutiert.

Man könnte der Auffassung sein, DDR-Geschichte sei nur von Interesse für ehemalige DDR-Bürger oder Personen, die nach 1990 im ostdeutschen Milieu aufgewachsen sind bzw. die nach der »Wende« ihre berufliche Tätigkeit oder ihren Wohnsitz aus dem Westen in die »neuen Bundesländer« verlagert haben, wo sie immer wieder mit der DDR-Vergangenheit, sei es in der Architektur oder in den Köpfen, konfrontiert werden.

Der Kreis der an DDR-Geschichte Interessierten sollte sich jedoch nicht allein auf diese Gruppen beschränken. Für die DDR sollten sich aus guten Gründen auch »gelernte Bundesbürger« interessieren. Denn manche Entwicklung, manche Auseinandersetzung in der Bundesrepublik kann ohne jedes Wissen um die Geschichte der DDR nicht vollständig verstanden werden. Die DDR war Hauptgegner der Bundesrepublik im Kalten Krieg und ihr wichtigster östlicher Partner in der Zeit der Entspannung. Die großen Parteien der Bundesrepublik definierten sich in Wahlkämpfen auch über ihr Verhältnis zum anderen deutschen Staat. Auf sozialpolitischem Gebiet war und blieb die DDR eine Herausforderung für die Bundesrepublik. Selbst im ökonomischen Bereich wurde sie für einige Jahre – man will es heute kaum glauben – von westdeutschen Ökonomen, die von den Wachstumsraten der DDR-Wirtschaft in der zweiten Hälfte der 50er Jahre beeindruckt waren und der Konvergenztheorie anhingen, als Konkurrent durchaus ernst genommen. Die ökonomischen Strukturen der Bundesrepublik waren noch ein Jahrzehnt nach der Teilung Deutschlands und der Integration beider Staaten in systemisch ganz unterschiedlich funktionierende Wirtschaftsblöcke – ausgehend von der historisch gewachsenen Arbeitsteilung im Deutschen Reich – auf Kooperation mit Ostdeutschland ausgerichtet, auch wenn der Wirtschaftskrieg diese Beziehungen immer wieder (zer-)störte. Und schließlich gab es – wenn auch seitens der DDR wider Willen – bis 1961 einen gesamtdeutschen Arbeitsmarkt.

Um Bundesbürgern von heute, insbesondere Schülern und Studenten, die Lektüre zu erleichtern, wurden im Buch – soweit inhaltlich zu rechtfertigen – DDR-spezifische Begriffe vermieden bzw. erläutert. Gleichzeitig wurde auf die in Mode gekommenen Begriffe derjenigen Autoren, für die die DDR nicht mehr ist als die (nach dem deutschen Faschismus) »zweite deutsche Diktatur«, verzichtet. Was die – sicherlich noch reichliche – Verwendung von DDR-typischen Begriffen betrifft, so bittet der Autor den westdeutschen Leser um Verständnis. Seine DDR-Sozialisation will und kann er nicht verleugnen. Er ist der DDR-Geschichte mehrfach verbunden – als Zeitzeuge seit den 60er, als Zeithistoriker (mit »privilegiertem« Archivzugang) seit den 70er und als alternativer Aufarbeiter der DDR-Geschichte seit den 90er Jahren.

Im Rahmen der Reihe, in der dieser Titel erscheint, ist der Platz bemessen. Bei der vorliegenden Publikation dürfte es sich um die kürzeste DDR-Geschichte handeln, die bisher erschienen ist. Das zwingt zu einer Überblicksdarstellung. Die hat für denjenigen, der sich in die DDR-Geschichte einlesen möchte, unzweifelhaft ihre Vorteile. Sich so kurz zu fassen, ist für den Autor allerdings nicht unproblematisch. Er kann nicht die gesamte Palette der Gesellschaftsgeschichte behandeln, musste sich vielmehr auf Politik-, Wirtschafts-, Sozial-, Umwelt- und Kulturgeschichte beschränken und kann diese Felder auch nicht in allen Kapiteln durchgehend behandeln. Die Entscheidung über Auswahl und Intensität der Darstellung der verschiedenen Wirkungsfelder der Politik folgt der Schwerpunktsetzung auf die Ökonomie. Aber selbst im Bereich der Ökonomie war Mut zur Lücke angesagt. Mehr als einmal fiel es dem Autor sehr schwer, diesem Gebot unbedingt Folge zu leisten.

Die geforderte Kürze betrifft auch die Quellenhinweise. Nur Schlüsselzitate werden im Text mit Verfasser und Seitenzahl kenntlich gemacht. Dafür wird um Verständnis gebeten. Einige grundlegende bzw. weiterführende Standardwerke, auf die sich der Verfasser stützte, sowie einige andere dem Autor wichtig erscheinende Titel, sind am Ende dieses Bandes aufgelistet.

1992 wünschte sich der gelernte Historiker, renommierte Journalist und Publizist Peter Bender einleitend zu einer seiner Publikationen über die DDR, dass »auch andere, die aus erlebter Erfahrung berichten und urteilen« können, »sich der Frage annehmen: Was war die DDR?« (13). Seinem Ruf bin ich gefolgt.

2.

Entnazifizierung und Wiedergutmachung: Alliierte Entscheidungen und die Politik der sowjetischen Besatzungsmacht (1945 – 1948/52)

Deutschland war nach der bedingungslosen Kapitulation Anfang Mai 1945 Objekt alliierter Politik. Die vier Besatzungsmächte übten ihre oberste Regierungsgewalt autoritär mittels Proklamationen, Direktiven und Befehlen aus, und zwar durch den Alliierten Kontrollrat, der für ganz Deutschland betreffende Regelungen zuständig war, und jede Macht für sich in ihrer Besatzungszone. Wie mit Deutschland und den Deutschen zu verfahren war, darauf hatten sich die USA, die Sowjetunion und Großbritannien auf Konferenzen in Jalta (Februar 1945) und Potsdam (Juli/August 1945) verständigt. Frankreich stimmte später zu. In Deutschland sollte der Faschismus, der während des Zweiten Weltkrieges fast allen Völkern Europas Leid und Zerstörungen gebracht hatte, bis in die Wurzeln ausgemerzt werden. Das Land wurde zur Wiedergutmachung für die von ihm zu verantwortenden Kriegsschäden verpflichtet.

Zu realisieren waren diese Ziele am ehesten in einem entmilitarisierten, bündnisneutralen Deutschland, dessen gesamtes wirtschaftliches Potenzial – vor allem ging es um das Ruhrgebiet – für Reparationsleistungen zur Verfügung stehen sollte. Das in der sowjetischen Führung durchaus vorhandene Interesse, in der eigenen Besatzungszone ähnliche gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen wie in der UdSSR, musste hinter diesem Hauptziel zurückstehen.

Die Bestrafung der Kriegsverbrecher und die Entnazifizierung trieb die für die Regionen zwischen Elbe/Saale und Oder/Neiße zuständige Sowjetische Militäradministration (SMAD) mit besonderem Nachdruck voran. Gemäß Direktive Nr. 38 des Alliierten Kontrollrats wurden in der SBZ 10.000 Angehörige der SS, 2.000 der Gestapo sowie einige tausend weitere Angehörige des NS-Führungskorps, insgesamt 18.300 Personen vor Gericht gestellt und verurteilt. Bei aller Rigorosität des sowjetischen Vorgehens gab es in den Verfahren aber auch Freisprüche. Ein weitaus größerer Teil der ostdeutschen Elite war von einem zweiten Entnazifizierungsschritt betroffen: Gemäß Kontrollratsdirektive 24 waren vormals aktive Nazis »aus der öffentlichen Verwaltung und allen Stellen, die ein öffentliches Vertrauen erforderten oder mit besonderer Verantwortung für das Wohl der Gesamtheit verbunden waren«, auszuschließen: In der SBZ wurden 74.000 Personen aus ihren Positionen in Regierungsbehörden entfernt, fast 14.000 aus der Polizei, 29.000 aus der Volksbildung, 27.000 aus den Führungsetagen der Wirtschaft. Bis Anfang 1947 waren über 300.000 Personen entlassen (Badstübner, 228, 254, 267). Damit waren in der SBZ die Voraussetzungen für einen umfangreichen Eliteaustausch gegeben.

Dringender noch als die Entfernung der Nationalsozialisten von den Kommandohöhen in Verwaltung und Wirtschaft war für die Sowjetunion die Wiederherstellung ihrer kriegszerstörten Produktionskapazitäten mittels Reparationen. Unmittelbar nach der Besetzung ostdeutscher Regionen begann im Rahmen der sogenannten Trophäenaktion der noch weitgehend unkoordinierte Abtransport von Rohstoffen und Fertigprodukten aus den Firmenlagern. Demontagen, d. h. der Abzug von Maschinen, Geräten und Apparaten aus den Fertigungsstätten, schlossen sich an. Wurde die Produktion in den ostdeutschen Betrieben wieder aufgenommen – woran die SMAD sehr interessiert war – dann ging auch ein beachtlicher Teil dieser Erzeugung als »Entnahmen aus der laufenden Produktion« an die Sowjetunion. Die Stationierungskosten mitgerechnet, erhielt die Besatzungsmacht 1946 fast die Hälfte (48,8 %) des in der Ostzone erzeugten Bruttosozialprodukts, in den Westzonen beliefen sich die Reparationen auf nur ein Siebentel (14,6 %) (Karlsch 234).

Dass diese Art Belastungen für die Ostzone so hoch waren und vergleichsweise hoch blieben – 1949 lagen die Transfers noch bei 20 % im Osten, bei 6 % im Westen –, hatte auch mit dem Scheitern der eigentlich nur in Ansätzen zustande gekommenen, ganz Deutschland betreffenden Reparationspolitik zu tun. Zwar hatte sich der Kontrollrat im März 1946 auf einen Industrieniveauplan geeinigt, der vorsah, die deutsche Industriekapazität – nach rüstungsnahen und rüstungsfernen Zweigen untergliedert – auf 70 bis 75 % des Standes von 1936 herunter zu demontieren, und beschlossen, der Sowjetunion auch Demontagegüter aus den Westzonen zukommen zu lassen. Jedoch schon im Mai 1946 stoppten die Amerikaner erstmals diese Lieferungen. Daraufhin befriedigte die sowjetische Seite ihren Ausrüstungsbedarf umso intensiver aus ihrer Zone.

Die Auseinandersetzungen um den sowjetischen Reparationsanteil waren nur ein Moment der mit Beginn des Kalten Krieges zunehmenden Differenzen zwischen den Besatzungsmächten. Doch bis zur Beendigung der Tätigkeit des Kontrollrates im März 1948 favorisierte die Sowjetführung ein in Kooperation mit den Westalliierten zu schaffendes neutrales, friedliches Gesamtdeutschland. Dass in diesem Deutschland die Kommunisten nicht die Regierung stellen würden und die ökonomischen Strukturen überwiegend marktwirtschaftlich bleiben würden, wurde in Kauf genommen, ja Moskau bereitete sich darauf vor. Als im Sommer 1946 ursprünglich für die Demontage vorgesehene ostdeutsche Betriebe in Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) umgewandelt wurden, die Reparationsgüter zu liefern hatten, gab man den neu ernannten Direktoren im Kreml den Hinweis: »Wenn es passieren sollte, dass unsere Regierung beschließt, unsere Truppen aus Deutschland abzuziehen, werdet ihr allein dort bleiben und einen harten Kampf mit den kapitalistischen Konkurrenten führen.« (Karlsch 111) Für die SAG-Betriebe galt das deutsche Aktienrecht, der Handlungsspielraum der »Sowjettrusts« war bedeutend größer als der von Betrieben in der Sowjetunion. Die SAGs wurden später schrittweise – 1947, 1950, 1952 und zum 1.1.1954 – wieder in die ostdeutsche Industrie eingegliedert.

Nachdem durch die Währungsreform in den drei Westzonen im Juli 1948 die wirtschaftliche Spaltung Deutschlands manifest geworden war, gewannen diejenige Kräfte in der Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), die Ostdeutschland in den entstehenden Block osteuropäischer Satellitenstaaten integrieren wollten, an Einfluss. Doch ungeachtet der Proklamierung einer Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Westen 1949 kam im Frühjahr 1952 aus Moskau nochmals ein konkretes Angebot für ein neutrales, entmilitarisiertes, aller Wahrscheinlichkeit nach marktwirtschaftlich-kapitalistisch organisiertes Gesamtdeutschland – allerdings vergeblich. Die SED konnte im Juli 1952 den »Aufbau des Sozialismus«, seit 1948 erklärtes Anliegen der Partei, zum Staatsziel machen.

3.

Wiederaufbau unter antifaschistischem Vorzeichen: Parteipolitik in der SBZ (1945 – 1949/50)

Politische Parteien wurden in der SBZ bereits im Frühsommer 1945 neu gegründet bzw. wieder gegründet. Sie hatten sich im Rahmen der Vorgaben der sowjetischen Besatzungsmacht zu