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Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. Frau Rennert legte ihre Hand über die Muschel des Telefonhörers. »Hol bitte Tante Isi«, sagte sie zu dem kleinen Mädchen, das vor dem offenen Kamin auf dem Bärenfell saß und ein Bilderbuch ansah. Die kleine Heidi sprang sofort auf. Allein in einem Bilderbuch zu blättern fand sie sowieso langweilig. »Tante Isi ist im Aufenthaltsraum«, rief sie laut. »Sie sieht nach, ob die Kinder auch ihre Aufgaben machen. Sie weiß immer alles und kann helfen.« »Pst«, machte Frau Rennert, die Heimleiterin. »Sag Tante Isi, sie soll ans Telefon kommen.« »Mache ich gern. Während Tante Isi telefoniert, lerne ich mit den anderen.« Mit sich und der Welt zufrieden eilte die Fünfjährige durch die Halle auf die Tür des Aufenthaltsraumes zu. Die Halle war der Mittelpunkt des Kinderheims Sophienlust. Von hier aus gelangte man zu allen im Erdgeschoß liegenden Zimmern. Heidi Holsten riß eine der Türen auf. »Tante Isi, Telefon«, brüllte sie.
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Seitenzahl: 141
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Frau Rennert legte ihre Hand über die Muschel des Telefonhörers. »Hol bitte Tante Isi«, sagte sie zu dem kleinen Mädchen, das vor dem offenen Kamin auf dem Bärenfell saß und ein Bilderbuch ansah.
Die kleine Heidi sprang sofort auf. Allein in einem Bilderbuch zu blättern fand sie sowieso langweilig. »Tante Isi ist im Aufenthaltsraum«, rief sie laut. »Sie sieht nach, ob die Kinder auch ihre Aufgaben machen. Sie weiß immer alles und kann helfen.«
»Pst«, machte Frau Rennert, die Heimleiterin. »Sag Tante Isi, sie soll ans Telefon kommen.«
»Mache ich gern. Während Tante Isi telefoniert, lerne ich mit den anderen.« Mit sich und der Welt zufrieden eilte die Fünfjährige durch die Halle auf die Tür des Aufenthaltsraumes zu.
Die Halle war der Mittelpunkt des Kinderheims Sophienlust. Von hier aus gelangte man zu allen im Erdgeschoß liegenden Zimmern. Heidi Holsten riß eine der Türen auf. »Tante Isi, Telefon«, brüllte sie.
Henrik von Schoenecker, er brütete gerade über einer schweren Rechenaufgabe, verzog ärgerlich das Gesicht. »Hier wird man immer gestört.«
»Ich war die ganze Zeit nicht hier.« Beleidigt verzog Heidi ihr Gesichtchen.
»Dafür bist du dann um so lauter«, brummte Henrik. Er sah hoch.
»Mutti«, rief er, als er sah, daß seine Mutter den Raum verlassen wollte. »Ich kapier das einfach nicht.«
»Tante Isi muß gehen, sie muß ans Telefon«, sagte Heidi. Sie lief hinter Denise von Schoenecker her und schloß hinter ihr die Tür. »So, nun helfe ich euch.«
»Puh«, machte Henrik. Er war ein ganz aufgeweckter, stets unternehmungslustiger Junge. Jetzt jedoch war er auf sich selbst wütend. Diese verflixte Rechnung. Er schob das Heft von sich.
Pünktchen, die ihren Spitznamen ihren unzähligen Sommersprossen verdankte, erhob sich. »Ich helfe dir«, sagte sie bereitwillig.
»Danke«, knurrte Henrik. Er zog sein Heft wieder zu sich heran. »Ich kann es selbst, ich bin ja nicht doof.«
»Dann viel Vergnügen«, sagte Pünktchen ungerührt. Sie lebte schon sehr lange in dem Kinderheim. Sie war auch eng mit Henriks sechzehnjährigem Bruder, Dominik von Wellentin-Schoenecker, befreundet.
»Mir kannst du helfen«, sagte Fabian. »Du weißt ja, rechnen ist nicht meine Stärke.« Er grinste. »Wie wär’s, wenn du die Aufgabe für mich machen würdest?«
»So haben wir nicht gewettet.« Pünktchen beschäftigte sich wieder mit ihren eigenen Aufgaben.
»Ich, wem kann ich helfen?« Heidi sah sich um.
»Mir!« Fabian rutschte von seinem Stuhl. »Hier, diese drei Gleichungen sind noch zu machen. Ich gehe inzwischen spielen.«
Heidi begriff nicht, daß Fabian sie auf den Arm nehmen wollte. Strahlend lief sie zu seinem Platz hin und setzte sich. »Eins und eins ist zwei«, sagte sie und griff nachdem Bleistift.
»Nicht, Heidi! Du darfst nichts in Fabians Heft schreiben«, mischte sich nun Pünktchen ein.
»Warum nicht? Ich kann doch rechnen.« Heidi nahm die Finger ihrer linken Hand zu Hilfe und zählte bis fünf.
Fabian war an der Tür stehengeblieben. Er lachte schallend.
»Warum lachst du? Ich kann rechnen. Ich werde dir helfen. Ich schreibe jetzt eine Eins.« Heidi setzte den Bleistift an. Über die ganze Seite führte sie den Holzstift. Da kam Leben in Fabian.
»Du bist wohl verrückt«, schrie er. »Laß sofort mein Heft in Ruhe.«
Erschrocken ließ das Mädchen den Bleistift fallen. »Ich will dir doch nur helfen.« Tränen stiegen in ihre Augen. »Du hast selbst gesagt, daß du es nicht kannst.«
Wieder einmal griff Angelina Dommin ein. Tadelnd sah sie auf Fabian, dann fuhr sie Heidi liebevoll über das Köpfchen. »Fabian geht schon viele Jahre in die Schule, dem kannst du nicht helfen.«
»Bin ich deshalb dumm?« Heidi starrte auf das Papier. »Ich habe doch einen schönen großen Einser gemacht.«
»Ja, du hast mein Heft versaut« maulte Fabian. Dann besann er sich aber. »Tut mir leid, du kannst nichts dafür. Ich finde es einfach doof, daß man jeden Tag Schulaufgaben machen muß.«
»Ganz deiner Meinung.« Henrik grinste. »Nächstens lasse ich meine auch von Heidi machen.«
»Pünktchen, glaubst du, ich kann das?« fragte die Fünfjährige überglücklich.
»Einmal ganz bestimmt.« Die Dreizehnjährige lächelte der Kleinen zu, dann sagte sie aber energisch:
»Schluß jetzt, es wird höchste Zeit, daß ihr euch wieder an eure Aufgaben setzt, sonst werdet ihr heute überhaupt nicht mehr fertig.«
Da Irmela Groote nicht hier war, war sie die Älteste, und das bedeutete für sie, stets für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Auch kümmerte sie sich im allgemeinen liebevoll um die Kleinen und die Neuen. Träumte sie doch davon, einmal Dominik von Wellentin-Schoeneckers Frau zu werden. Mit ihm zusammen wollte sie dann das Kinderheim führen. Nick, wie er von allen gerufen wurde, war der Erbe von Sophienlust. Bis zu seiner Volljährigkeit verwaltete dieses Heim aber seine Mutter, Denise von Schoenecker. Die Kinder wußten von Pünktchens Wunschtraum, und sie wurde deswegen von ihnen ab und zu geneckt. Sie genoß dadurch auch eine Art Vorzugsstellung. Sie war die einzige, die Alexander von Schoenecker, Nicks Vater, Onkel Alexander nannte. Der Gutsbesitzer kam selten nach Sophienlust. Er bewirtschaftete mit seinen Leuten das Familiengut Schoeneich, das schon lange im Besitz der Schoeneckers war und in der Nähe von Sophienlust lag. Das war auch der Grund, warum die Kinder, Henrik und Nick, sich sehr viel in Sophienlust aufhielten.
Das Kinderheim war früher ein herrschaftlicher Besitz gewesen. Er wurde Nick von seiner Urgroßmutter Sophie von Wellentin vererbt, mit der Auflage, aus dem alten Herrenhaus ein Heim für elternlose oder Geborgenheit suchende Kinder zu machen.
Denise von Schoenecker hatte diese Bedingung realisiert. Sie war sozusagen die Hauptperson von Sophienlust. Nie scheute sie eine Strapaze, wenn es darum ging, ein gefährdetes, verlassenes Kind nach Sophienlust zu holen. Auch verstand sie es am besten von allen, das Vertrauen ihrer Schützlinge zu gewinnen. So war das Kinderheim erst zu dem geworden, was es heute war. Alle, die es kannten, nannten es das Heim der glücklichen Kinder. Und das entsprach der Wahrheit, die Kinder waren hier alle glücklich und zufrieden.
Frau von Schoenecker wurde nur Tante Isi gerufen, und die Heimleiterin, Frau Rennert, wurde zärtlich Tante Ma genannt.
Denise voh Schoenecker hatte ihr Telefongespräch beendet. »Arme Kinder«, sagte sie mehr zu sich, als zur Heimleiterin.
»Wann kommen die beiden?« fragte Frau Rennert. Da sie sich zuerst mit der Leiterin des Jugendamtes unterhalten hatte, wußte sie ein klein wenig Bescheid.
»Morgen. Herr Vierke, Roland Vierke, wird sie uns bringen«, antwortete Denise sinnend. »Ich kann mich nicht mehr besonders gut an den Mann erinnern. Als wir vor drei Jahren im Harz waren, lernten wir ihn kennen. Nun, er jedenfalls hat sich an uns erinnert.« Nachdenklich schwieg die Frau.
Die Eltern der Kinder fielen einem Verkehrsunfall zum Opfer, nicht wahr?« fragte Frau Rennert.
Denise nickte. »Sie waren zu Besuch im Harz. Es waren gute Freunde von Herrn Vierke. Die einzige Verwandte der Kinder ist im Augenblick nicht erreichbar. Fünf und sechs Jahre sind die Kinder alt. Ein Junge und ein Mädchen.«
»Hier werden sie wieder lachen lernen«, meinte Else Rennert überzeugt. »Dafür werden schon unsere Kinder sorgen.«
»Es steht noch nicht fest, ob sie bei uns bleiben. Das hängt ganz von der Tante der Kinder ab. Sie weiß noch gar nicht, daß ihr Bruder tödlich verunglückt ist.« Denise machte sich bereits ihre Gedanken.
»Mutti, wo bleibst du denn? Hast du uns vergessen?« Henrik kam in die Halle gelaufen. Seine Miene war düster. »Fabian und ich haben beschlossen zu streiken. Wir sind schließlich nicht nur zum Aufgabenmachen auf der Welt. Vor allem nicht für diese doofen Rechenaufgaben.«
»Mal langsam, mein Sohn, was soll das heißen?«
Der Neunjährige sah seine Mutter prüfend an. »Ich will dir nur schonend beibringen, daß wir spielen gehen wollen. Wir haben genug vom Rechnen.«
»Zuerst die Hausaufgaben«, sagte Denise bestimmt.
»Mutti.« Henrik versuchte seine Mutter abzulenken. »Wer war am Telefon?«
»Das Jugendamt. Wir bekommen Zuwachs, aber mehr erzähle ich euch erst, wenn ihr mit den Schularbeiten fertig seid.«
Henrik stürmte auf seine Mutter zu. »Einen Jungen oder ein Mädchen? Wie alt?«
»Nichts da.« Denise packte ihren Sohn an den Schultern und drehte ihn um. »Melde dich wieder bei mir, wenn ihr fertig seid.« Sie schob den Jungen in Richtung Aufenthaltsraum.
»Wie kann eine Mutter nur so unbarmherzig sein«, murmelte der Neunjährige. Aber nachdem er nochmals einen strafenden Blick seiner Mutter eingefangen hatte, zog er es vor, im Aufenthaltsraum zu verschwinden.
*
Heidi schob das Dessert von sich. »Ich höre jetzt mit dem Essen auf. Wenn der Bub und das Mädchen kommen, dann sollen sie auch noch etwas haben.«
»Du kannst ruhig aufessen«, meinte Regine Nielsen. Sie war Kinder- und Krankenschwester in Sophienlust. Von allen wurde sie Schwester Regine gerufen. »Magda hat für die Geschwister sicher noch etwas aufgehoben.«
»Ich gehe lieber fragen«, meinte Heidi.
»Das ist nicht nötig«, entgegnete Frau Rennert. Sie lächelte Heidi zu. »Ich weiß, daß Magda noch etwas für unsere Gäste hat.«
»Fein, dann kann ich den Pudding ja aufessen.« Eifrig begann Heidi wieder zu löffeln. Die anderen Kinder sahen ihr lächelnd zu. Jedes wußte, daß Heidi ein kleines Schleckermäulchen war. Pudding hatte sie noch nie stehenlassen.
»Wann kommen unsere Gäste denn?« fragte Fabian.
»Sie müßten eigentlich schon da sein, aber sie haben eine weite Strecke zurückzulegen«, gab Schwester Regine Auskunft. Im Laufe des Vormittags war sie schon mehrere Male nach den beiden Neuankömmlingen gefragt worden. Die Kinder waren neugierig und auch voller Mitleid, denn Denise von Schoenecker hatte ihnen erzählt, daß die Eltern der beiden tödlich verunglückt waren.
»Wir hätten mit dem Essen warten sollen«, meinte Fabian. »Wir wollen doch alles mit den beiden zusammen machen, damit sie nicht mehr traurig sind. Ich war auch todunglücklich, als meine Eltern bei einem Zugunglück ums Leben gekommen sind.«
»Dann lach schnell, Fabian«, meinte Heidi. Sie hatte ihr Schüsselchen leergelöffelt. »Dann bist du nicht mehr unglücklich.«
»Das bin ich doch jetzt nicht mehr.« Der Junge schüttelte leicht den Kopf. »Ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, aber ich glaube, ihr wart damals alle sehr lieb zu mir.«
»Stimmt«, bestätigte Pünktchen. Sie konnte sich noch gut entsinnen. Fabian war als komplexbeladener Junge nach Sophienlust gekommen. Damals war er seelisch krank gewesen. Doch inzwischen hatte er sich zu einem richtigen Lausebengel entwickelt.
»Wir müssen zu den beiden genauso lieb sein, wie ihr zu mir damals ward.« Erwartungsvoll sah Fabian von Pünktchen auf Schwester Regine. »Wie heißen die beiden Kinder denn?«
»Florian und Felicitas«, antwortete Frau Rennert.
»Tante Isi hat gesagt, sie sind so alt wie ich.« Heidi strahlte. »Dann sind sie sicher auch gleich groß und gleich gescheit. Ich bin sicher, wir werden uns gut verstehen.« Das Mädchen rutschte vom Stuhl. »Am besten wird sein, ich gehe ihnen bis zum Tor entgegen, dann kann ich ihnen gleich sagen, daß ich ihre Freundin werden will.«
»Wir wollen alle ihre Freunde werden«, sagte Fabian.
Heidi hielt in ihrer Bewegung inne. Sie zog ihre Stirn kraus, dann entschied sie: »Dann kommt doch alle mit.«
»Nein, wir müssen noch warten, bis Nick und Henrik dann auch hier sind«, ergriff Pünktchen für die Abwesenden Partei. »Sie wollen die Neuen sicher auch begrüßen. Sie haben gesagt, daß sie gleich nach dem Essen wiederkommen.«
»Und wenn Florian und...« Heidi wußte nicht mehr weiter. Nach kurzem Überlegen fuhr sie fort: »Florian ist der Bub, dann ist die andere seine Schwester. Also«, sie holte Luft, »wenn Florian und seine Schwester jetzt schon kommen, dürfen wir sie dann nicht empfangen?«
»Psst, ich höre was«, rief Fabian, ehe Frau Rennert die gestellte Frage beantworten konnte. »Los, gehen wir mal nachsehen.« Er riß erwartungsvoll die Tür auf. Enttäuscht brummte er: »Es sind bloß Nick und Henrik.«
»Mutti ist auch schon da«, rief Henrik. »Wir haben uns beeilt. Puh!« Er stieß hörbar die Luft aus. Wie stets standen seine braunen Haare etwas wirr in die Höhe. »So schnell sind wir noch nie hiergewesen.«
»Das war toll von euch. Tante Ma«, Heidi lief zu Frau Rennert, »jetzt können wir die Neuen begrüßen. Was meinst du, soll ich meine schöne Puppe holen? Sie gefällt den beiden sicher.« Die Kleine schmiegte sich an die mütterliche Frau. Sie war ein lebhaftes, aber auch ein besonders einfühlsames Kind, das von allen geliebt wurde.
»Du hast sicher noch oft Gelegenheit, Felicitas deine Puppe zu zeigen«, meinte Frau Rennert. »Wahrscheinlich ist sie sehr müde, wenn sie kommt.«
»Ich kann sie ja fragen«, meinte Heidi.
»Ein Auto«, schrie plötzlich Henrik in der Halle. »Sie kommen, seid ja anständig. Mutti hat gesagt, wir sollen uns nicht so aufdrängen.« Er setzte eine wichtigtuerische Miene auf, doch dann rannte er als erster durch das Portal.
»Was ist aufdrängen?« fragte Heidi. Als sie aber sah, daß die Kinder alle ins Freie stürmten, wartete sie nicht auf die Beantwortung der Frage, sondern eilte hinterher.
Roland Vierke, ein hochgewachsener, schlanker Mann von dreißig Jahren, war bereits ausgestiegen. Nun öffnete er die Hintertür. »Wir sind da«, sagte er freundlich. »Gefällt es euch hier?«
»Das kann ich noch nicht sagen, Onkel Roland«, antwortete der fünfjährige Florian. »Soll ich aussteigen?«
»Ja, komm.« Roland half dem Jungen heraus, dann streckte er seine Hände Felicitas entgegen. Doch diese rührte sich nicht.
Roland unterdrückte einen Seufzer. Felicitas war weit schwieriger als ihr Bruder. Sie hatte während der Fahrt kaum den Mund aufgemacht.
»Felicitas, wir sind am Ziel. Sieh nur das schöne Haus und den großen Park. Hier werdet ihr sehr schön spielen können.«
Die Sechsjährige hob nicht einmal den Kopf. »Ich heiße Fee«, sagte sie nur.
»Natürlich, ich werde nur noch Fee zu dir sagen.«
»Eigentlich ist es mir egal.« Der Kopf des Mädchens sank noch tiefer.
»Schau nur, da sind viele, viele Kinder«, rief Florian. Er hatte sich bereits neugierig umgesehen.
»Hallo, ich bin Tante Isi«, sagte da Denise von Schoenecker. Sie beugte sich zu dem Kleinen hinunter. »Und wer bist du?«
»Ich bin Florian, besser gesagt Flori. So haben mich Papi und Mami immer genannt.«
»Darf ich auch Flori zu dir sagen?« fragte die Verwalterin freundlich.
»Weiß nicht, da muß ich erst Fee fragen.« Florian drehte sich zu dem Auto um. »Fee, wo bleibst du? Komm, wir müssen grüß Gott sagen.«
»Ich will nicht«, kam es aus dem Innern des Autos.
Zutraulich wandte der Junge sich wieder an Denise. »Du darfst nicht böse mit ihr sein, sie ist sonst ganz lieb. Nur jetzt hat sie zu gar nichts Lust. Sie wollte auch nicht Auto fahren.«
Felicitas war nach langem Zögern, Rolands hilfsbereite Hand übersehend, doch aus dem Auto geklettert. Mit großen Augen sah sie sich um.
Um ihre Mundwinkel zuckte es.
Roland Vierke begrüßte inzwischen Frau von Schoenecker. »Ich bin so froh, daß mir im letzten Augenblick Ihr Kinderheim eingefallen ist. Fürs erste sind Felicitas und Florian hier sicher gut aufgehoben.« Er legte seine Arme um die Kinder. »Das ist Fee und das Flori.«
»lch heiße Felicitas«, sagte das Mädchen, ihren Blick auf den Boden gerichtet.
»Wie du willst.« Roland lächelte ihr zu. »Fee ist ihr Kosename«, setzte der Mann erklärend hinzu. »Es herrschte sehr viel Verkehr, und zu allem Übel gerieten wir auch noch in einen Stau, daher waren wir länger als geplant unterwegs. Flori und Fee waren aber sehr brav.«
»Wir sind immer artig«, plapperte Florian. Er sah zu Denise auf. »Ich habe wieder vergessen, wie du heißt.«
»Tante Isi.« Die Frau strich ihm über das dunkle Haar.
»Tante Isi«, wiederholte Florian, dann stieß er seine Schwester in die Seite. »Du, wir haben eine neue Tante bekommen.« Da seine Schwester nicht reagierte, setzte er hinzu: »Du, ich glaube sie ist lieb.«
Henrik, der bereits ungeduldig von einem Bein auf das andere trat, hielt es nun nicht mehr aus. »Mutti, dürfen wir die beiden nun auch begrüßen?« fragte er. »Sie müssen doch wissen daß sie nicht nur eine neue Tante bekommen haben, sondern auch viele neue Freunde.«
Denise nickte. Begeistert kamen die Bewohner von Sophienlust nun heran. Florian reichte jedem der Kinder die Hand. Er wiederholte die Namen und lachte. Felicitas hingegen stand unbeteiligt da. Pünktchen und Nick wechselten einen Blick, dann traten sie an das Mädchen heran.
»Du bist Felicitas. Wir haben schon auf euch gewartet.« Pünktchen lächelte das Mädchen an. »Ich heiße Angelina, aber mich nennen alle nur Pünktchen. Willst du wissen warum?«
Die Sechsjährige sah nur kurz hoch, dann zuckte sie die Achseln. »Ist mir egal, ich kenne dich doch nicht.«
»Ich wohne hier und möchte dich gern näher kennenlernen.«
»Ich muß jetzt auch hier wohnen, nicht wahr?« fragte Felicitas unerwartet.
Pünktchen nickte. »Es wird dir hier sicher gefallen. Wir haben einen großen Spielplatz.«
Sie erzählte noch mehr von Sophienlust, aber Felicitas reagierte überhaupt nicht. Sie starrte wieder vor sich hin, und Pünktchen wußte nicht, ob ihr die Kleine überhaupt zuhörte. Hilfesuchend sah sie Nick an. Der Sechzehnjährige ging nun in die Knie. So konnte er Felicitas in die Augen sehen. »Ich bin Dominik«, sagte er, »aber ich habe wie du einen Kosenamen, nämlich Nick.«
Die Kleine sagte nichts. Sie wandte Nick einfach den Rücken zu. Dabei fiel ihr Blick auf ihren Bruder, der von den Kindern umringt war. Er plapperte munter und unbefangen mit ihnen. Felicitas eilte auf ihn zu. Energisch ergriff sie seine Hand. »Du redest zu viel«, sagte sie und zog ihn aus dem Kreis der Kinder.
*