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Offene Kinder- und Jugendarbeit erreicht besonders benachteiligte Kinder und Jugendliche. Diese lehnen, wie man aus der Jugendforschung weiß, etablierte Politikformen ab, sind jedoch bereit, Probleme zu benennen und sich zu engagieren. Der erste Band "Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern" belegt, dass das Handeln von Kindern und Jugendlichen immer "gesellschaftlich" ist. Diese Erkenntnis gilt es als Fachkraft anzuerkennen und aufzugreifen. Das entspricht auch dem gesetzlichen und konzeptionellen Auftrag der Jugendarbeit: Benachteiligte Jugendliche erfahren gezielt Unterstützung. Sie lernen, ihr demokratisch-gesellschaftliches Engagement in Stadtteil, Kommune und Gesellschaft wahrzunehmen und umzusetzen.
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Seitenzahl: 225
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Benedikt Sturzenhecker
Konzeptionelle Grundlagen für die Offene Kinder- und Jugendarbeit
Unter Mitarbeit von Moritz Schwerthelm
| Verlag Bertelsmann Stiftung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2015 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh Verantwortlich: Sigrid Meinhold-Henschel Lektorat: Heike Herrberg, BielefeldHerstellung: Sabine Reimann Illustrationen: Matthias Berghahn, Bielefeld Umschlaggestaltung: Elisabeth Menke Umschlagabbildung: Veit Mette, Bielefeld Gestaltung, Layout und Satz: werkzwei, Detmold Druck: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld ISBN 978-3-86793-580-7 (Print) ISBN 978-3-86793-706-1 (E-Book PDF) ISBN 978-3-86793-707-8 (E-Book EPUB)
www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
Junge Menschen zur Selbstbestimmung sowie zu gesellschaftlicher Mitverantwortung zu befähigen und zu sozialem Engagement anzuregen – das ist der gesetzliche Auftrag der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Die Förderung von Engagement, Partizipation und Demokratiebildung ist damit ein zentrales Handlungsfeld von Jugendeinrichtungen.
Im Hinblick auf benachteiligte Kinder und Jugendliche entziehen sich Wissenschaft und Praxis jedoch oft dieser Aufgabe. Argumentiert wird, dass problembeladene Heranwachsende wenig bis kein Interesse hätten, ihr gesellschaftliches Umfeld mitzugestalten.
Das Projekt „jungbewegt – Dein Einsatz zählt.“ der Bertelsmann Stiftung hat in den vergangenen vier Jahren gezeigt, wie Kinder und Jugendliche Zugang zu gemeinwohlorientiertem, demokratischem Handeln finden können und ihre Anliegen Gewicht bekommen.
Dabei war es uns besonders wichtig, ein praxistaugliches Konzept zur Unterstützung von benachteiligten jungen Menschen zu entwickeln.
Unter wissenschaftlicher Federführung von Professor Dr. Benedikt Sturzenhecker (Universität Hamburg) ist der Baustein „Gesellschaftliches Engagement Benachteiligter in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit fördern“ (GEBe) entwickelt, erprobt und evaluiert worden.
Nicht das unterstellte Desinteresse der Kinder und Jugendlichen behindert ihre Entwicklung zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern, sondern ihre Mehrfachausgrenzung in gesellschaftlichen Handlungsfeldern: Armut, Schulversagen und soziale Desintegration kennzeichnen vielfach ihre Lebensumstände. Hinzu kommen häufig eine Politik und Pädagogik, die sich nur noch auf die Defizite dieser Adressaten fokussieren.
In dieser Situation darf die Frage nicht lauten, ob es Erfolg versprechend ist, mit diesen Jugendlichen zu arbeiten. Vielmehr muss ein Weg gefunden werden, wie gesellschaftspolitische Bildung unter schwierigen Bedingungen gelingen kann. Nur so kann verhindert werden, dass sich Benachteiligungen und auch die oft mit ihnen verbundenen sozialen, gesellschaftlichen und politischen (Selbst-) Ausgrenzungen zunehmend auf die Zukunft der jungen Menschen auswirken.
Zusammen mit sieben Jugendeinrichtungen wurde das Konzept in den Jahren 2012/2013 erprobt.
Ein erster Transferschritt konnte im vergangenen Jahr mit der Ausbildung von rund 30 Multiplikatoren gemacht werden. Der Ansatz, stets die Anliegen der Heranwachsenden in den Mittelpunkt zu stellen und sich damit auf die anerkannten pädagogischen Arbeitsprinzipien der Jugendarbeit zu beziehen, hat sich als Erfolgsschlüssel erwiesen.
Unsere Erfahrung: Wenn es um ihre eigenen Themen geht und sie ihre kulturellen Handlungsstile einbringen können, sind benachteiligte Jugendliche sehr wohl für Engagement und Partizipation zu gewinnen.
Konzeptionelle Grundlagen und methodische Anregungen werden mit dieser zweibändigen Publikation nun allen Interessierten zur Verfügung gestellt. Herausragende Praxisbeispiele sind in beiden Bänden zu lesen und zeigen die Potenziale der Offenen Kinder- und Jugendarbeit auf.
Unser Dank gilt allen, die an der Entwicklung, Durchführung und Auswertung des GEBe-Konzepts mitgewirkt haben. Besonders danken möchten wir Professor Dr. Benedikt Sturzenhecker für seinen großen persönlichen Einsatz. Wir danken auch dem Nachwuchswissenschaftler Moritz Schwerthelm, der den Diskussionen, insbesondere durch die Evaluation des Modellvorhabens, wichtige Impulse gegeben hat. Ebenso gilt unser Dank Ariane Hoppler (Learning & Development Consultant, Norfolk County Council) und Heike Schlottau (ehemals Landesjugendpfarramt der Nordkirche) für die kompetente Begleitung der Jugendeinrichtungen.
Wir hoffen, dass die Aufbereitung der Handlungsansätze des GEBe-Konzepts hilfreich für Ihre Arbeit ist, und ermutigen Sie, die Förderung der Stärken und Potenziale von benachteiligten Jugendlichen zum Ausgangspunkt Ihres pädagogischen Handelns zu machen.
Brigitte Mohn
Sigrid Meinhold-Henschel
Mitglied des Vorstands der
Senior Project Manager
Bertelsmann Stiftung
Projektleitung „jungbewegt“Bertelsmann Stiftung
Moritz Schwerthelm, Benedikt Sturzenhecker
„Gefällt den Jugendlichen dein Angebot nicht, stimmen sie mit den Füßen ab. Sie kommen nicht mehr“, sagte eine Fachkraft aus der Offenen Kinder- und Jugendarbeit1 im Projekt „GEBe – Gesellschaftliches Engagement Benachteiligter in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit fördern“. Und da die Teilnahme an Angeboten Offener Kinder- und Jugendarbeit freiwillig ist, haben die Kinder und Jugendlichen auch das Recht, „nicht mehr zu kommen“. Die Aussage der Fachkraft verdeutlicht aber auch, dass die Kinder oder Jugendlichen ihre Meinung bekunden, indem sie wegbleiben: Sie „stimmen (mit den Füßen) ab“. Sie drücken dadurch aus, dass das Angebot nicht zu ihnen passt, es nicht das ist, was sie brauchen, oder es sie nicht interessiert.
Für Fachkräfte der außerschulischen Jugendbildung ist es allerdings oft nicht leicht herauszubekommen, was die Besucherinnen und Besucher eigentlich suchen oder wollen. Viele Kinder oder Jugendliche, die Einrichtungen der Jugendarbeit besuchen, fallen den Fachkräften zuerst eher durch ein Handeln auf, das als abweichend, uninteressiert, defizitär und oft auch als nervig empfunden wird. Sie hängen im Jugendhaus herum, spielen mit ihren Handys oder Gameboys, hören Musik, beschimpfen sich und andere Kids und sind aggressiv. Dies gelte besonders für jene Jugendlichen, die als bildungs- und politikfern beschrieben werden. An Angeboten, gerade der politischen Bildung und des gesellschaftlichen Engagements, würden sie nur sehr begrenzt teilnehmen. Auch hier scheinen die Angebote nicht zu ihnen zu passen – es ist nicht das, was sie brauchen. Das bedeutet aber, es „fehlen zeitgemäße Engagementmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Die traditionellen Formen des Engagements scheinen nicht mehr den Interessen von Kindern und Jugendlichen zu entsprechen“ (Bertelsmann Stiftung 2011: 4). Dies deutet darauf hin, dass die unterstellte Bildungs- bzw. Politik„ferne“ nicht den Jugendlichen zuzuschreiben ist, sondern Einrichtungen der Jugendarbeit nur zu selten herausfinden, was diese Jugendlichen benötigen, was sie interessiert und wie genau daraus Ansätze gesellschaftlichen Engagements werden könnten. Sind dann vielleicht eher die Einrichtungen den Jugendlichen fern und nicht diese einer politischen Selbstbildung (vgl. Bremer und Kleemann-Göhring 2010)? Und wie können Fachkräfte dann Arbeitsweisen konzipieren, an denen die Jugendlichen Interesse haben, die den Jugendlichen also näher sind, und aus denen sich Potenziale gesellschaftlich-politischen Engagements dieser Kids entfalten würden? Woran haben benachteiligte Kinder und Jugendliche überhaupt Interesse, wofür würden sie sich engagieren, was also ist ihnen wichtig und wie finden Fachkräfte das heraus?
Diese Fragen und Anforderungen waren der Ausgangspunkt für das Projekt „GEBe – Gesellschaftliches Engagement Benachteiligter in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit fördern“.
GEBe im Projekt „jungbewegt – Dein Einsatz zählt.“
GEBe ist ein Teilprojekt von „jungbewegt – Dein Einsatz zählt.“ der Bertelsmann Stiftung. Das Projekt „jungbewegt“ ist in den Arbeitsfeldern Kita, Schule und außerschulische Jugendbildung in Kooperation mit den Bundesländern Berlin, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt umgesetzt worden, wobei sich das Teilprojekt „GEBe“ auf das Arbeitsfeld der außerschulischen Offenen Kinder- und Jugendarbeit konzentrierte.
Das Gesamtprojekt „jungbewegt – Dein Einsatz zählt.“ hat das Ziel, dass „gesellschaftliches Engagement von jungen Menschen zu einem politischen Schwerpunkt in Bund, Ländern und Kommunen wird, sich Kindertagesstätten und Schulen zu Orten der Engagementförderung entwickeln, Jugendliche auch außerhalb der Schule attraktive Möglichkeiten finden, um sich freiwillig zu engagieren, [und] in Kommunen gemeinnütziges Engagement anerkannt und langfristig gefördert wird“ (Bertelsmann Stiftung 2011: 2). Das Gesamtprojekt arbeitet darauf hin, dass Kinder- und Jugendbeteiligung politisch stärker unterstützt wird und mehr außerschulische Angebote für Kinder und Jugendliche entstehen; „jungbewegt“ setzt sich also für eine Offene Kinder- und Jugendarbeit ein, deren Auftrag zur Demokratiebildung, zur Aneignung von gesellschaftlicher Mitverantwortung und sozialem Engagement (vgl. §11 SGB VIII) stärker realisiert und politisch deutlicher gefördert werden soll.
Arbeitsweisen und Arbeitsprozess im Projekt GEBe
Das Teilprojekt „GEBe – Gesellschaftliches Engagement Benachteiligter in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit fördern“ startete im Herbst 2012 mit sieben Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit aus den Kommunen Mainz, Berlin, Magdeburg und Halberstadt, die sich die Förderung gesellschaftlichen Engagements benachteiligter Jugendlicher zum Ziel gesetzt hatten. Sie wollten neue Arbeitsweisen und Methoden zur Förderung gesellschaftlichen Engagements entwickeln und erproben, die eben jene Jugendlichen erreichen, die im Alltag des Jugendhauses, aber auch allgemein, nur selten die Chance bekommen, etwas mitzubestimmen und mitzugestalten. Solche benachteiligten Kinder und Jugendlichen haben nur sehr begrenzt die Möglichkeit, sich überhaupt mit ihren Meinungen und Anliegen öffentlich zu zeigen. Wenn sie sich zeigen und ihre Stimme erheben, wird das von Gesellschaftsmitgliedern oft als deviant, also abweichend, wahrgenommen.
Die beteiligten Einrichtungen wollten den benachteiligten Kids (wieder) näherkommen und sie dabei unterstützen, neue Handlungsweisen zu entdecken, um in der Gesellschaft mitbestimmen und mitgestalten zu können. Das entspricht genau dem Auftrag der Kinder- und Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII, der als Ziel setzt, dass sich die Kinder und Jugendlichen in der Jugendarbeit Selbstbestimmung, gesellschaftliche Mitverantwortung und soziales Engagement aneignen. Das Teilprojekt GEBe von „jungbewegt“ richtet sich also auf die Kernaufgabe Offene Kinder- und Jugendarbeit: Sie soll für (benachteiligte) Kinder und Jugendliche gesellschaftliches Engagement ermöglichen.
Über einen Zeitraum von 1,5 Jahren entwickelten und erprobten die Fachkräfte pädagogische Handlungsansätze, Methoden und Arbeitsmaterialien zur Förderung gesellschaftlichen Engagements. Dabei wurden sie von einem Beratungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker (Universität Hamburg) und unter Mitarbeit von Heike Schlottau, Ariane Hoppler und Moritz Schwerthelm unterstützt. Jeweils zwei Fachkräfte aus jeder beteiligten Einrichtung dokumentierten regelmäßig (etwa zwei Arbeitsstunden pro Woche) ihren Arbeitsprozess und luden die Berichte auf eine Online-Plattform hoch, wo sie von dem Beratungsteam Kommentare und Anregungen erhielten. Die Berichte wurden auch von den anderen beteiligten Fachkräften gelesen und kommentiert, wodurch diese ebenfalls Einblicke in die Arbeitsweisen und Herangehensweisen der anderen Einrichtungen bekamen.
Ein regelmäßiger Austausch und die damit verbundene Reflexion der pädagogischen Arbeit wurden also durch Online-Beratungen ermöglicht sowie eine Online-Materialiensammlung verschiedenster sozialpädagogischer Fachliteratur, Methoden und Übungen zu den Themen gesellschaftliches Engagement, Partizipation und Demokratiebildung, die sukzessiv – am Arbeitsprozess der Fachkräfte orientiert – erweitert wurde. Ergänzend fanden drei ganztägige Treffen aller Beteiligten statt, bei denen aus den Projekten der Einrichtungen berichtet wurde, gemeinsam beraten wurde und das Beratungsteam neue methodische Vorschläge machte. Außerdem wurden zur Unterstützung der einzelnen Teams oder Fachkräfte Telefonkonferenzen abgehalten.
Zu Beginn des Projekts hatten die Fachkräfte eine längere Beobachtungsphase, in der sie zunächst genau hinschauen sollten, was ihre Besucherinnen und Besucher beschäftigt und was deren Themen und Anliegen sind. Diese Phase war entscheidend für die weiteren Entwicklungen im Projekt, denn die Themen der Jugendlichen wurden zum Ausgangspunkt für Ansätze gesellschaftlichen Engagements. Diese vielseitigen und unterschiedlichen Angebote wurden im Dialog gemeinsam mit den Jugendlichen entwickelt und durchgeführt. Dabei ging es nicht um spektakuläre Großprojekte politischer Bildung, sondern darum, das Gesellschaftliche im alltäglichen Handeln der Kinder und Jugendlichen im Jugendhaus und in der Kommune zu entdecken. So konnten auch ganz kleine, doch hoch relevante alltägliche Formen und Themen gesellschaftlichen Engagements entdeckt und realisiert werden.
Sowohl die Fachkräfte und die Beraterinnen/Berater als auch die Kinder und Jugendlichen haben dabei wichtige Erfahrungen zur Förderung gesellschaftlichen Engagements gesammelt. Gemeinsam haben sie Handlungsweisen entwickelt, die den Jugendlichen Mitbestimmung und Mitgestaltung ermöglichen, sie bei ihrer Selbstbildung unterstützen, indem sie Selbstwirksamkeit erfahren und Selbstbestimmung entwickeln und so ihr gesellschaftliches Engagement gefördert wird.
Dokumentation und Arbeitshilfe
In diesem Zusammenhang sind zwei Bücher entstanden: der vorliegende Band 1 sowie als Praxishandbuch: „Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern – Band 2. Methodische Anregungen und Praxisbeispiele für die Offene Kinder- und Jugendarbeit“ (Sturzenhecker und Schwerthelm 2015). Diese beiden Publikationen greifen die Projekterfahrungen auf, um sie für interessierte Pädagoginnen und Pädagogen, für andere Projekte sowie für den Fachdiskurs zur politischen Bildung und Förderung gesellschaftlichen Engagements mit benachteiligten Jugendlichen zugänglich und nutzbar zu machen. Dabei wird deutlich, dass alle entwickelten methodischen Herangehensweisen und Arbeitsmaterialien in den Projekten sowie die dabei gesammelten Erfahrungen in GEBe bereits bekannte Arbeitsweisen der Jugendarbeit beinhalten. Diese werden allerdings neu kombiniert und aktualisiert.
Das Rad ist hier nicht neu erfunden worden; manchmal erscheinen die Inhalte der realisierten Projekte unspektakulär und bescheiden. Das war so beabsichtigt, denn die Themen der Kinder und Jugendlichen im Alltag der Jugendarbeit führen zurück auf die grundsätzlichen Aufgaben Offener Jugendarbeit: die Förderung von Selbstbestimmung und gesellschaftlich-demokratischem Engagement. Das beginnt oft mit kleinen Schritten. Aber die Projektergebnisse zeigen deutlich, dass solche Schritte der Aneignung von Gesellschaft und Demokratie für die Kinder und Jugendlichen wichtig und förderlich sind. Damit wird auch bestätigt, dass die klassische Offene Kinder- und Jugendarbeit einen unverzichtbaren non-formellen Bildungsort für Kinder und Jugendliche schafft.
Der vorliegende Band 1 vermittelt die konzeptionellen Grundlagen für die Förderung gesellschaftlichen Engagements von benachteiligten Kindern und
Jugendlichen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Er begründet die in Band 2 (siehe oben) vorgestellten Arbeitsprinzipien und Methoden des Projekts.
Inhalt und Aufbau dieses Buches
Der erste Beitrag dieses Bandes über die Jugendlichen im Projekt sowie die beteiligten Einrichtungen und Fachkräfte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit zeigt, mit welchen Adressatinnen und Adressaten die Fachkräfte gearbeitet haben, welche Kinder bzw. Jugendlichen sich in den Projekten beteiligt haben: Was zeichnet diese Jugendlichen aus? Durch welche Handlungsweisen machen sie sich im Jugendhaus bemerkbar? Was finden sie gut, was nicht? Und wie werden sie von den Fachkräften im Alltag des Jugendhauses wahrgenommen? Außerdem soll dargestellt werden, welche Erwartungen die Fachkräfte an GEBe hatten, welche Projekte wie entstanden sind, was die Einrichtungen verändert hat und welches ihrer Meinung nach die wichtigsten Erfahrungen im Projekt waren. So gibt der Beitrag erste Einblicke in die Projekte, Arbeitsprozesse und Erfahrungen der Einrichtungen und illustriert beispielhaft die Herangehensweisen in GEBe – detailliert werden die Erfahrungen aus dem Projekt in Band 2 (Sturzenhecker und Schwerthelm 2015) berichtet.
Der dann folgende Hauptteil des Buches stellt die konzeptionellen Grundlagen des Projekts vor. Es wird gezeigt, dass die Förderung gesellschaftlichen Engagements die Kernaufgabe Offener Kinder- und Jugendarbeit ist. Dabei wird nicht nur auf die gesetzlichen Vorschriften Bezug genommen, sondern auch auf die theoretische Debatte der Kinder- und Jugendarbeit. Um genauer zu erläutern, was unter gesellschaftlichem Engagement verstanden wird, führen wir in den Zusammenhang von Subjekt und Gesellschaft ein. Darauf aufbauend wird die aktuelle gesellschaftliche Situation von Kindern und Jugendlichen (besonders mit Blick auf Benachteiligungen) analysiert. Es wird geklärt, wie Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit als „Gesellschaft im Kleinen“ gesellschaftliches Engagement in den Jugendhäusern, aber auch darüber hinaus in Kommune und der gesamten Gesellschaft, ermöglichen können.
Der abschließende Teil beinhaltet als Erweiterung zwei Texte, die zeitlich vor dem Projekt entstanden sind und wichtige Anregungen für GEBe waren. Dabei werden wissenschaftliche Erkenntnisse zur Bereitschaft politisch gesellschaftlichen Handelns der benachteiligten Kinder und Jugendlichen eingebracht und konzeptionelle Grundlagen einer Jugendarbeit als Demokratiebildung erläutert.
Wer sich aneignen will, wie man – ausgehend von der Beobachtung der Themen der Kinder und Jugendlichen im Alltag der Offenen Kinder- und Jugendarbeit – praktisch und machbar gesellschaftliches Engagement entwickelt, oder wer wissen will, wie man mit vorgegebenen Projektinhalten und didaktisch geplanten Vorgehensweisen startet, sollte auf Band 2 (ebd.) zurückgreifen.
Band 2 beinhaltet die detaillierte Beschreibung von Arbeitsprinzipien und methodischen Schritten der Förderung gesellschaftlichen Engagements von benachteiligten Kindern und Jugendlichen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Anregungen und Ideen bietet eine Sammlung der Arbeitsmaterialien, die von den einzelnen Einrichtungen im Projekt GEBe entwickelt und erprobt wurden. In Band 2 finden sich außerdem eine ausführlichere Schilderung des Modellprojekts GEBe mit sieben Einrichtungsporträts und drei Porträts beteiligter Jugendcliquen sowie ergänzende Texte zu anderen Praxisprojekten der Förderung von gesellschaftlichem Engagement benachteiligter Kinder und Jugendlicher (zum Inhalt von Band 2 siehe Seite 172).
Wir danken zunächst der Bertelsmann Stiftung und den verantwortlichen Kolleginnen im Projekt „jungbewegt“: Sigrid Meinhold-Henschel, Nicole Henrichfreise und Ina Bömelburg. Sie haben das Projekt GEBe sehr kollegial-kooperativ und außerordentlich engagiert ermöglicht und befördert. Wir danken der Bertelsmann Stiftung dafür, dass sie die großen Potenziale der Offenen Kinder- und Jugendarbeit für eine Ermöglichung demokratischen Mitentscheidens und Mithandelns der (benachteiligten) Kinder- und Jugendlichen (an)erkennt und fördert. Das ist angesichts der vielerorts anzutreffenden Bestrebungen, diese Form der Kinder- und Jugendarbeit aufzulösen und an Schule oder in Hilfen zur Erziehung zu verlagern, eine wichtige Unterstützung für den Erhalt dieses chancenreichen Handlungsfeldes.
Ein ganz herzlicher Dank geht an die Kolleginnen Ariane Hoppler und Heike Schlottau, die das Modellprojekt GEBe durch die Konzeptentwicklung und Beratung mit den Fachkräften und Einrichtungen entscheidend qualifiziert haben. Ihr konzeptionelles Wissen, ihre genaue Kenntnis der Praxis, ihre breiten methodischen Erfahrungen und ihr Engagement für benachteiligte Kinder und Jugendliche haben das Projekt außerordentlich bereichert. Benedikt Sturzenhecker dankt besonders Raingard Knauer, Sigrid Meinhold-Henschel und Heike Schlottau für ihre kritischen und konstruktiven Rückmeldungen zum Entwurf des Manuskripts.
Das gesamte Projekt hätte nicht stattfinden können ohne die Fachkräfte in den sieben Einrichtungen, die es gewagt haben, ihren anforderungsreichen und anstrengenden Alltag reflexiv zu befragen, aus Routinen auszusteigen und sich die vorgeschlagenen Methoden anzueignen. Dabei hat uns besonders gefreut, dass sie damit oft ihnen eigentlich schon bekannte und geschätzte Arbeitsprinzipien wiederentdeckt haben. Die Fachkräfte haben erneut die Erfahrung gemacht, dass die Kinder und Jugendlichen „richtig aus dem Quark kommen“, wenn man ihre Themen ernst nimmt. Dann macht die pädagogische Arbeit (wieder) Freude und ist erfolgreich.
Wir danken den Jugendbehörden der beteiligten Bundesländer, den Leitungen in lokalen Jugendämtern und bei den beteiligten Trägern für die Ermöglichung des Projekts und für die Unterstützung der Einrichtungen vor Ort.
Die wichtigste Gruppe, der Dank gebührt, sind die beteiligten Kinder und Jugendlichen. Sie haben erneut gezeigt, dass die oft verbreiteten Vorurteile über ihre „Bildungsferne und Politikdistanz“ falsch sind. Das Gegenteil ist richtig: Die (benachteiligten) Kinder und Jugendlichen sind stark engagiert, wenn es um die für sie wichtigen Themen und Probleme ihres Alltags und Lebens geht. Sie betreiben aktiv ihre Selbstbildung und bringen sich in die Polis, das heißt in die kleinen Gemeinschaften der Jugendhäuser, der Nachbarschaften, der Stadtteile und der Kommune ein. Trotz vieler Erfahrungen von Abwertung und Beschämung ringen sie darum, ihre Stimme zu erheben und sich gesellschaftlich einzumischen. Sie sind solidarisch, sozial engagiert und konstruktiv.
Zusammen mit den Fachkräften haben diese Kinder und Jugendlichen kleinere und größere Schritte gesellschaftlichen Engagements getan. Sie haben sich und der Gesellschaft gezeigt, dass sie nicht auf die Probleme und Defizite reduziert werden können. Solche Schwierigkeiten haben sie zwar oft auch, aber trotzdem darf man nicht verkennen, dass sie berechtigte und aktive Bürgerinnen und Bürger dieser Gesellschaft sind und demokratisch mitbestimmen und mitverantworten wollen und können.
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