Gespenster-Krimi 142 - Frank DeLorca - E-Book

Gespenster-Krimi 142 E-Book

Frank DeLorca

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Beschreibung

"Komm, Geliebte, komm zu mir! Ich erwarte dich ..." Die Stimme schwingt in der kühlen Abendbrise mit - sanft, lockend und gleichzeitig gebieterisch.
Joan McGregor spürt nicht, wie sie immer mehr in einen seltsamen Trancezustand verfällt. In ihrem Bewusstsein hallt nur noch diese Stimme, die jetzt von überall zu kommen scheint - von den schroffen Felswänden und aus der Tiefe des Sees.
Joans Bewegungen wirken steif und mechanisch, als sie auf den schmalen Steg tritt, in das schwankende Ruderboot steigt, die Leine losmacht und auf die spiegelglatte Wasserfläche hinausrudert.
Obwohl kein Mondlicht durch die Wolken dringt, schimmern Tausende Lichtreflexe auf dem See. Es ist, als käme das Licht aus der unergründlichen Tiefe von Loch Ormond. Und dann erklingt wieder die Stimme und eine Algenhand streckt sich verlangend aus dem Wasser: "Geliebte, gleich bist du bei mir ..."


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Inhalt

Cover

Der Fluch von Loch Ormond

Vorschau

Impressum

Der Fluchvon Loch Ormond

Von Frank deLorca

»Komm, Geliebte, komm zu mir! Ich erwarte dich ...« Die Stimme schwang in der kühlen Abendbrise mit – sanft, lockend und gleichzeitig gebieterisch.

Joan McGregor spürte nicht, wie sie immer mehr in einen seltsamen Trancezustand verfiel. In ihrem Bewusstsein hallte nur noch diese Stimme, die jetzt von überall zu kommen schien – von den schroffen Felswänden und aus der Tiefe des Sees.

Joans Bewegungen wirkten steif und mechanisch, als sie auf den schmalen Steg trat, in das schwankende Ruderboot stieg, die Leine losmachte und auf die spiegelglatte Wasserfläche hinausruderte.

Obwohl kein Mondlicht durch die Wolken drang, schimmerten Tausende Lichtreflexe auf dem See. Es war, als käme das Licht aus der unergründlichen Tiefe von Loch Ormond. Und dann erklang wieder die Stimme: »Geliebte, gleich bist du endlich bei mir ...«

Das Boot glitt jetzt mit spielerischer Leichtigkeit voran. Joan brauchte keine Kraft mehr aufzuwenden. Wie auf einen geheimen Befehl ließ sie die Ruder los, die leise klatschend ins Wasser fielen und auf der Oberfläche trieben. Das Boot glitt rascher auf die Mitte des Sees zu, wo der Lichtschein aus der Tiefe an Intensität zunahm.

Die Blicke des Mädchens waren wie gebannt auf diese strahlende Helligkeit gerichtet. Ein überwältigendes Glücksgefühl erfasste sie. Das Raunen der geheimnisvollen Stimme erfüllte ihren Körper mit wohligen Schauern.

Bald darauf erreichte das Boot den Mittelpunkt des Lichts, das vom Grund des Sees heraufstrahlte.

Hände reckten sich plötzlich von allen Seiten aus dem Wasser. Es waren diese Hände, die das Boot packten und zum Stillstand brachten. Dahinter waren jetzt Gesichter zu erkennen, rings um das Boot, lachend, frohlockend.

Lächelnd richtete sich Joan auf. Es war eine beglückende Art von Fröhlichkeit, die ihr diese Gestalten vermittelten. Sie schienen im Wasser zu schweben, hatten dunkelgrüne glitschige Haut, die mit unzähligen feinen Härchen matt schimmerte – wie die Algen, die an den Pfählen des Bootssteges wuchsen.

»Nun bist du bei mir«, raunte die Stimme. »Du wirst mir das Glück bringen, Geliebte – komm!«

»Ja«, hauchte Joan.

Die Brise fächerte ihr langes blondes Haar, während sie aufrecht im Boot stand. Das dünne Kleid umspielte ihren Körper.

Die Algenhände zogen und schoben. Langsam kippte das Boot auf die Seite.

Joan breitete die Arme aus, machte einen Schritt über die Bordkante hinweg. Im gleichen Augenblick schlug das Boot um.

Die kühlen, glitschigen Hände griffen nach dem Körper des Mädchens, hielten es fest und schwebten mit ihm in die Tiefe. Der Quelle des Lichtscheins entgegen.

Joan spürte keine Kälte. Das Wasser umgab sie wie mit wohltuender Wärme. Es war ein berauschendes Gefühl, in dieses Element hinab zu tauchen, in dem sie sich auf unerklärliche Weise heimisch fühlte.

Die Stimme war jetzt ganz nahe.

Gemeinsam mit ihren glitschig-grünen Begleitern schwebte Joan dem gleißend hellen Seegrund entgegen, der ihr in diesem Augenblick wie das Paradies erschien.

Grenzenloses Glück erfüllte sie.

Der alte Mann stand schreckensstarr am Ufer. Das Grauen ließ seinen hageren Körper erzittern. Seine Augen drohten vor Entsetzen aus den Höhlen zu quellen, als er immer noch auf die düstere Wasserfläche hinausblickte.

»Mein Gott!«, murmelte Rufus McIntire immer wieder. »O mein Gott ...«

Der geheimnisvolle Lichtschein versiegte jetzt. Das kieloben treibende Boot war nur noch schattenhaft zu erkennen. Die Brise wehte jetzt stärker über Loch Ormond. Die Wolkendecke riss auf, und fahles Mondlicht ergoss sich über den See im schottischen Hochland.

Als ihm die ersten Windböen entgegenfauchten, erwachte Rufus McIntire aus seiner Erstarrung. Er schlug den Kragen seiner derben Jacke hoch und wandte sich ab.

Rufus McIntire ging nicht in die nahe gelegene Stadt.

Während er über den schmalen morastigen Uferweg voranstrebte, bemühte er sich, keinen Blick mehr auf den See zu werfen, dessen Oberfläche nun von Wellen gekräuselt wurde.

Irgendwann würde das Boot an Land treiben. Vielleicht. Oder es würde von einer Sturmbö gepackt werden und an einer der Felswände zerschellen.

Etwa eine halbe Meile führte der Weg am Ufer entlang, um dann vor einer fast senkrecht aufragenden Felsbarriere rechtwinklig in das Hügelland abzuzweigen. Der Weg verlief mit beträchtlicher Steigung die erste Anhöhe hinauf. Die anwachsenden Windböen fächerten das kniehohe Gras, das hier überall die Hügel bedeckte. Nur vereinzelt gab es spärliche Buschgruppen, die jedoch die Kraft des Windes nicht einzudämmen vermochten.

Der Atem des alten Mannes ging heftig, als er die zweite Anhöhe emporstrebte und schließlich das ausgedehnte Tal vor sich im Mondlicht liegen sah.

Hinter dem Schlafzimmerfenster des Farmhauses brannte noch Licht. Rufus McIntire wurde etwas ruhiger, als er es sah. Hier, bei seinem Heim, herrschte Frieden. Es gab nichts, das die McIntire-Farm bedrohte. Auch in Zukunft nicht?

Den alten Mann packte die Ungewissheit, als er sich den flachen, wuchtigen Gebäuden näherte, die sich, wie Schutz suchend, an den nördlichen Hang duckten.

Würde sich das Grauen von diesem Tal abwenden lassen? Rufus McIntire wusste, dass Zeit und Raum für die Mächte der Finsternis keine Grenzen bedeuteten. Er wusste es so gut wie alle Menschen, die in der Nähe von Loch Ormond wohnten.

Mit bebenden Fingern zog er den Schlüssel aus der Jackentasche und sperrte die Eingangstür des Wohnhauses auf. Wohlige Wärme empfing ihn. Die Torffeuer in den Öfen waren noch nicht heruntergebrannt. McIntire durchquerte den dunklen Vorflur, ohne eine Lampe anzuzünden. Er öffnete die Tür zum Schlafzimmer, das vom blakenden Lichtschein einer Petroleumlampe erhellt war.

Mary McIntire drückte mit beiden Händen die Bettdecke herunter, um ihren Mann sehen zu können. Sie war zu schwach, um den Kopf zu heben.

»Ich habe die Medikamente bekommen«, murmelte der alte Farmer und drückte die Tür zu. Er bemühte sich, seiner Stimme Festigkeit zu verleihen. »Du wirst sehen, es geht dir bald besser.«

Er trat um das Bett herum, zog sich einen Stuhl heran und schob das Päckchen mit den Tabletten auf den Nachttisch.

Erst jetzt spürte er den forschenden, ängstlichen Blick seiner Frau. Ihre Augen tasteten seine Gesichtszüge ab, in denen die Furchen tiefer als sonst schienen.

»Rufus!«, hauchte sie. »Was ist geschehen? Du hast Böses gesehen! Ich weiß, dass du den Uferweg genommen hast. Du musst es mir sagen, denn ein Mensch kann es nicht allein tragen!«

Er faltete die schwieligen Hände über den Beinen und blickte zu Boden. Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Kehle.

»Ich wusste fast, dass ich es vor dir nicht verbergen kann, Mary. Aber nimm erst deine Medizin. Dann sollst du alles erfahren.«

Seine Frau war einverstanden. Er holte einen Becher Wasser aus der Küche, nahm die vorgeschriebene Menge Tabletten aus dem Röhrchen und begann zu berichten, während Mary die Tabletten schluckte. Ihr ohnehin blasses Gesicht wurde noch weißer, als sie atemlos zuhörte.

»Das Mädchen stammte nicht aus unserer Stadt«, schloss Rufus McIntire. »Du weißt, was das bedeutet ...«

»Ja. Es wird so kommen, wie viele von uns befürchtet haben. Es bringt Unglück, die Vergangenheit heraufzubeschwören. Die Dämonen ziehen ihren grausigen Nutzen aus den Ereignissen.«

»Das ist es nicht allein, Mary. Ich habe gesehen, wie sie sich ein Opfer holten. Ich war Zeuge. Es wird mir nicht viel nützen, dass ich mich rasch abgewandt habe. Sie werden mich aufspüren, und sie werden furchtbare Rache üben. Denn sie dulden nicht, dass jemand ihrem Treiben zuschaut.«

Mary McIntire stieß einen erschrockenen Laut aus.

»Du musst fort!«, rief sie beschwörend. »Geh zum Reverend, Rufus! Er ist der Einzige, der dir helfen kann. Er wird dir sagen, wo die Macht der Dämonen endet, wo du in Sicherheit bist, bis ...«

»Nein«, entgegnete er hart. »Ich werde dich nicht im Stich lassen, Mary. Du bist zu krank. Allein wärest du hilflos und ...«

»Es geht nicht um mich, Rufus!«

»Doch. Es geht um uns. Ja, ich werde mit dem Reverend reden. Es muss eine Möglichkeit geben, das Unheil von uns abzuwenden. Und wenn es dadurch wäre, dass ich öffentlich gegen die Tausendjahrfeier von Boylston protestiere. Wenn ich sage, was ich gesehen habe, werden sich die Veranstalter bestimmt Gedanken machen.«

»Niemand von denen wird dir glauben.«

»Aber der Reverend. Er hat genügend Einfluss.«

»Sprich erst einmal mit ihm, Rufus. Tu nichts Unüberlegtes! Vielleicht forderst du die Mächte der Finsternis erst recht heraus, wenn du redest ...«

Der Farmer barg das Gesicht in den Händen.

»Ich weiß es nicht«, murmelte er bitter. »Vielleicht weiß es nicht einmal der Reverend ...«

»Du solltest doch fortgehen. Ich komme eine Weile allein zurecht. Und ich werde bald wieder auf den Beinen sein.«

Rufus McIntire schüttelte den Kopf. Er wollte es seiner Frau nicht sagen. Nicht jetzt. Die Krankheit machte ihr genug zu schaffen. Wenn sie dazu noch erfuhr, dass die Dämonen nicht davor zurückschrecken würden, auch an ihr ihren Rachedurst zu befriedigen ...

Der Farmer mochte nicht weiterdenken. Er bereute es schon, dass er seiner Frau überhaupt etwas gesagt hatte. War sie nicht in der gleichen Gefahr wie er? Dadurch, dass sie alles wusste?

Ein feines Singen drang in Joans Gehör. Hohe, verhaltene Töne, die nur in zwei oder drei Intervallen wechselten. Dieses Singen war monoton, klang aber dennoch angenehm und beruhigend.

Joan fühlte sich sicher und geborgen in den Händen ihrer stummen Begleiter. Die grünen Algenkörper der Wesen waren für sie ein so selbstverständlicher Anblick, wie ihr das Wasser als ureigenes, angestammtes Element erschien.

Nur einmal warf Joan einen Blick nach oben. Sie sah, dass die Helligkeit mit ihr in die Tiefe versank, sie umgab wie eine Lichtglocke. Die Wasseroberfläche sah jetzt aus wie ein endloser schwarzer Himmel. Auch das war für das Mädchen nichts Ungewöhnliches.

Die sanfte, lockende Stimme war verstummt. Dafür erklang nun nur noch der monoton-heitere Singsang, der von Frauenstimmen zu kommen schien.

Joan sehnte sich plötzlich nach der Stimme, die so unendliche Macht auf sie ausgeübt und ihr das vollkommene Glück verheißen hatte.

Konturen wurden in der finsteren Tiefe unter ihr sichtbar. Der Lichtschein erreichte den Seegrund. Doch für Joan war es eine zauberhafte Märchenwelt, wie ein romantisches Tal in einem fernen Paradies, von dem die Menschheit bisher nur zu träumen vermocht hatte.

Das unterseeische Tal war von hohen Gesteinswänden umrahmt. Wasserpflanzen in leuchtenden Farben bedeckten den Boden des Tales. Hauchzarte Zweige und Fasern wogten in den schwachen Strömungen des Wassers. Die Pflanzen waren in verschwenderischer Vielfalt säuberlich angeordnet. Es glich dem Park eines Schlosses.

Joan schwebte mit ihren Begleitern über die breiten Parkwege hinweg. Der Gesang der Frauenstimmen war jetzt ganz nahe.

Unvermittelt mündete der Hauptweg auf einen halbkreisförmigen Platz, der mit algenbewachsenen Steinen befestigt war. Joans Augen weiteten sich voller Erstaunen. Sie hatte kaum Zeit, alle Eindrücke in sich aufzunehmen.

Im Vordergrund lag ein großes Boot, eher schon als Schiff zu bezeichnen. Der Rumpf mochte fünfzehn bis zwanzig Meter lang sein, war von Algen überwuchert und stellenweise mit Muscheln bedeckt. Die Aufbauten waren zerstört, der Mast abgebrochen. Erst als sie mit ihren Begleitern das Schiff umrundete, sah Joan das Loch, das vorn an der anderen Seite im Rumpf klaffte.

Doch ihre Aufmerksamkeit wurde sofort von einem neuen Eindruck abgelenkt.

Ein Schloss – aus algenbewachsenem Gestein sorgfältig zusammengefügt. Joan registrierte diese Wahrnehmung nicht anders, als hätte sie das Schloss auf der Erdoberfläche erblickt. Ihr Trancezustand, von einer geheimen Macht ausgelöst, bewirkte das.

Das Schloss bestand aus einem wuchtigen Hauptgebäude, zwei Nebengebäuden und einer halbkreisförmigen Mauer, in deren Mitte sich ein Bogenportal befand. Die Gebäude und die Enden der Mauer reichten bis an eine der Gesteinswände, die das unterseeische Tal begrenzten.

Joan glaubte, in den dunklen Fensterhöhlen glühende Augen zu erkennen, die ihr entgegenstarrten. Doch sie war nicht sicher. Und dann hatte sie keine Zeit mehr, zu den Fenstern zu blicken. Denn die Algendämonen schoben sie auf das Portal zu, brachten sie auf den Innenhof des Schlosses, wo sie mit ihr verharrten.

Fasziniert sah sich Joan McGregor um. Der monotone Gesang ging in ein schrilles Freudengeheul über.

Lachende Gesichter schoben sich von beiden Seiten auf das Mädchen zu. Frauen in weißen wallenden Gewändern, die bis zu den Knöcheln reichten. Die Gestalten tanzten verzückt näher. Es schien, als würden sie jeden Moment vor Freude in Ekstase geraten.

Die Algendämonen griffen ein. Fauchend und knurrend drängten sie die Frauen zurück bis an die Umfassungsmauer.

Joan stand allein in der Mitte des Innenhofes.

Das Freudengeheul brach ab.

Stille.

Die Algendämonen formierten hinter Joan eine Linie.

Das Mädchen wagte nicht, sich zu rühren. Mit allen Sinnen, die sie nicht mehr selbst beherrschte, fieberte sie dem Moment der Erfüllung entgegen, dem sie sich jetzt ganz nah glaubte.

Plötzlich ertönten schmetternde Fanfarenklänge.

Joan blickte empor und sah oben am Rand des steinernen Gebäudes zwei Herolde, die diese Signale verursachten. Sie hatten das gleiche glitschig-grüne Äußere wie die Begleiter des Mädchens. Die faserige Algenhaut und die Kleidung der Wesen gingen ineinander über.

Als die schmetternden Fanfarenstöße verstummten, wurde die Stille geradezu andächtig.

Konturen lösten sich aus dem türlosen Eingang des Hauptgebäudes, nahmen Gestalt an.

Ein unausgesprochener Befehl ließ Joan auf die Knie sinken.

Von irgendwo erscholl eine Stimme.

»Der Herzog von Ormond! Gordon Duke of Ormond!«

Joan McGregor hielt den Kopf gesenkt, als sich die Gestalten auf sie zubewegten.

Im nächsten Moment hörte sie wieder die Stimme, nach der sie sich gesehnt hatte.

»Sieh mich an, Geliebte! Jetzt bist du bei mir, und nichts wird uns mehr trennen. Du gehörst von nun an mir, dem Herzog von Ormond!«

Joan blickte auf.

Der Herzog stand nur zwei Schritte von ihr entfernt. Geradezu körperlich spürbar war die Macht, die von ihm ausging. Joan fühlte, dass sie völlig in seinem Bann stand. Doch es war ihr nicht unangenehm. Es schien die größte Selbstverständlichkeit zu sein, diesem Mann zu gehorchen.

Das Äußere des Duke of Ormond war imposant, fast monumental. Sein mächtiger Oberkörper war von einem Umhang verhüllt, der bis zu den Knien reichte. Darunter trug er Kniebundhosen, dünne Strümpfe und Spangenschuhe.

Das Gesicht des Herzogs war von etwas hellerem Grün als bei den anderen. Seine Augen glühten in einem verzehrenden Rot. Dies unterschied ihn von den übrigen Wesen, deren Augen stumpf und blicklos wirkten. Der Vollbart des Herzogs war aus dickfaserigen, verfilzten Algensträngen. Desgleichen sein Haupthaar, das unter einer flachen, barettähnlichen Kopfbedeckung hervorlugte.

Das Gefolge des Duke of Ormond bestand aus vier Gestalten, die sich äußerlich nicht von den Wesen unterschieden, die Joan auf dem Weg in die Tiefe begleitet hatten.

»Ich danke Euch, mein Gebieter«, hörte Joan sich sagen. »Ich weiß, welche Ehre es ist, Euch dienen zu dürfen!«

Die Glutaugen des Herzogs sprühten Funken.

»Erhebe dich!«, rief er. »Tritt an meine Seite, denn von nun an stehst du an erster Stelle, zauberhaftes Geschöpf!«

Ein aufgeregtes Raunen setzte unter den weißgekleideten Frauen ein. Die Algendämonen nahmen eine drohende Haltung ein, bereit, die Frauen von Neuem auf ihre Plätze zu verweisen.

Joan gehorchte dem Befehl. Als die feuchte, glitschige Hand des Herzogs die ihre ergriff, spürte sie ein brennendes Glücksgefühl, das durch ihren Körper strömte. Sie begriff nicht, was die Aufregung unter den anderen Frauen zu bedeuten hatte.

Sie sollte es bald erfahren.

Der Herzog gab ein kurzes Handzeichen. Sein Gefolge verschwand im Innern des Schlosses. Fanfarenstöße ertönten vom Dach des Gebäudes. Dann herrschte wieder Stille.

»Du stehst an erster Stelle in der Rangfolge«, wandte sich der Herzog an seine neue Geliebte. »Es ist eine große Ehre für dich, und du wirst sehr lange bei mir bleiben können ...«

»Ja, mein Gebieter«, hauchte Joan dankbar. Sie hielt demütig den Kopf gesenkt.

»Ich pflege stets zwölf Gespielinnen um mich zu haben«, fuhr der Duke of Ormond fort. »Es werden deine Gefährtinnen sein, die du hier um dich siehst! Und du wirst dich gut mit ihnen verstehen.« Es klang wie ein Befehl.

Joan blickte lächelnd in die Runde. Sie zählte nur elf Frauen, deren Augen wie gebannt auf sie gerichtet waren. Joan spürte, dass eher Respekt in diesen Blicken lag. Denn sie stand ja nun an erster Stelle. Es war eine bedeutende Position, das wurde ihr in diesen Augenblicken klar.

Die vier Gefolgsleute des Herzogs tauchten wieder auf. Sie waren nicht allein.

Die Frau, die sie gepackt hielten, trug Ketten an Händen und Füßen. Sie war ebenso gekleidet wie die elf anderen, die sich vor dem Schloss versammelt hatten. Nur ihr Gesichtsausdruck war völlig apathisch, voll stummer Resignation.

Die Gefolgsleute traten an dem Herzog vorbei, schoben die Frau in drei Schritt Abstand vor ihn hin.

»Sie war die zwölfte«, sagte der Herzog leise zu seiner neuen Geliebten. »Doch als ich dich auswählte, an die erste Stelle zu treten, wurde sie zwangsläufig zur dreizehnten. Und eine dreizehnte Gespielin ist zu viel. Du verstehst?«

»Ja«, erwiderte Joan. »Sie bringt Unglück, mein Gebieter.«