Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das Buch ist eine fundierte Einführung in die Gestalttherapie und möchte auf eine kurze, aber intensive Entdeckungsreise einladen. In Abgrenzung zu anderen psychotherapeutischen Verfahren, die sich auf die Suche nach unterbewussten Konflikten machen oder alternatives Verhalten aufbauen, stellt die Gestalttherapie die lebendige Begegnung zwischen Therapeuten und Patienten in den Mittelpunkt. Entsprechend werden psychische Störungen als Störungen des Kontakts verstanden. Viele wirksame gestalttherapeutische Interventionen, wie beispielsweise der "leere Stuhl" oder die Arbeit mit inneren Anteilen, sind längst auch von anderen Therapierichtungen übernommen worden.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 233
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Psychotherapie kompakt
Herausgegeben von
Harald J. Freyberger
Rita Rosner
Ulrich Schweiger
Günter H. Seidler
Rolf-Dieter Stieglitz
Bernhard Strauß
Meiner Frau.
Meinen Eltern.
Meinen Lehrerinnen und Lehrern.
Meinen Wegbegleitern und Mitstreitern.
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.
1. Auflage 2017
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-028695-5
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-028696-2
epub: ISBN 978-3-17-028697-9
mobi: ISBN 978-3-17-028698-6
Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.
Die Psychotherapie hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt: In den anerkannten Psychotherapieverfahren wurde das Spektrum an Behandlungsansätzen und -methoden extrem erweitert. Diese Methoden sind weitgehend auch empirisch abgesichert und evidenzbasiert. Dazu gibt es erkennbare Tendenzen der Integration von psychotherapeutischen Ansätzen, die sich manchmal ohnehin nicht immer eindeutig einem spezifischen Verfahren zuordnen lassen.
Konsequenz dieser Veränderungen ist, dass es kaum noch möglich ist, die Theorie eines psychotherapeutischen Verfahrens und deren Umsetzung in einem exklusiven Lehrbuch darzustellen. Vielmehr wird es auch den Bedürfnissen von Praktikern und Personen in Aus- und Weiterbildung daran gelegen sein, sich spezifisch und komprimiert Informationen über bestimmte Ansätze und Fragestellungen in der Psychotherapie zu informieren. Diesem Bedürfnis soll die Buchreihe »Psychotherapie kompakt« entgegenkommen.
Die von uns herausgegebene neue Buchreihe verfolgt den Anspruch, einen systematisch angelegten und gleichermaßen klinisch wie empirisch ausgerichteten Überblick über die manchmal kaum noch überschaubare Vielzahl aktueller psychotherapeutischer Techniken und Methoden zu geben. Die Reihe orientiert sich an den wissenschaftlich fundierten Verfahren, also der Psychodynamischen Psychotherapie, der Verhaltenstherapie, der Humanistischen und der Systemischen Therapie, wobei auch Methoden dargestellt werden, die weniger durch ihre empirische, sondern durch ihre klinische Evidenz Verbreitung gefunden haben. Die einzelnen Bände werden, soweit möglich, einer vorgegeben inneren Struktur folgen, die als zentrale Merkmale die Geschichte und Entwicklung des Ansatzes, die Verbindung zu anderen Methoden, die empirische und klinische Evidenz, die Kernelemente von Diagnostik und Therapie sowie Fallbeispiele umfasst. Darüber hinaus möchten wir uns mit verfahrensübergreifenden Querschnittsthemen befassen, die u. a. Fragestellungen der Diagnostik, der verschiedenen Rahmenbedingungen, Settings, der Psychotherapieforschung und der Supervision enthält.
Harald J. Freyberger (Stralsund/Greifswald)
Rita Rosner (Eichstätt-Ingolstadt)
Ulrich Schweiger (Lübeck)
Günter H. Seidler (Dossenheim/Heidelberg)
Rolf-Dieter Stieglitz (Basel)
Bernhard Strauß (Jena)
Geleitwort zur Reihe
Vowort
1 Einleitung – Was ist Gestalttherapie?
2 Entstehung der Gestalttherapie
2.1 Grundlagen und Einflüsse
2.2 Gründerfiguren
3 Zentrale Begriffe und Kernkonzepte, therapietheoretische Grundlagen
3.1 Figur-/Hintergrund-Konzept
3.2 Gestalt und Gestaltbildungsprozess
3.3 Awareness (Gewahrsein) und Awareness-Kontinuum
3.4 Hier-und-Jetzt-Prinzip
3.5 Organismische Selbstregulation, Selbstaktualisierung, Assimilation und Wachstum
3.6 Selbst und Persönlichkeit
3.7 Kontakt, Kontaktfunktionen und Grenze
3.8 Kontaktunterbrechungsmechanismen oder Kontaktstörungen
3.9 Widerstand
3.10 Verantwortung
3.11 Topdog vs. Underdog
3.12 Was ist nun Gestalttherapie?
4 Kernelemente der Diagnostik
4.1 Diagnostik in der Gestalttherapie
4.2 Modelle einer gestalttherapeutischen Diagnostik
4.3 Gestalttherapeutische Diagnostik: Definition und Prozessmodell
4.4 Gesundheit und Krankheit
4.5 Gestalttherapeutisch-klassifikatorische Ansätze einer Diagnostik
5 Kernelemente der Therapie
5.1 Typischer Ablauf
5.2 Techniken der Gestalttherapie
6 Verwandtschaft mit anderen Verfahren
7 Settings und die therapeutische Beziehung
8 Wissenschaftliche und klinische Evidenz
8.1 Eine »besondere« Schwierigkeit für die Gestalttherapie
8.2 Wissenschaftliche Evidenz – Stand der Dinge
9 Schlusswort
10 Institutionelle Verankerung, sowie Infos zu Aus-, Fort- und Weiterbildung
Literatur
Stichwortverzeichnis
Es erscheint vielleicht merkwürdig und unüblich, ein Buch mit einem Hinweis zu beginnen. Wenn es aber um Gestalttherapie geht, dann kann das sehr wohl nötig sein. Fritz Perls, deren Begründer, hat in die Psychotherapie und in die psychotherapeutische Situation zwischen Patient und Therapeut Begriffe eingebracht wie »Kontakt«, »Beziehung«, »Gewahrsein« usw. Für uns heutige Psychotherapeuten sind sie zu einem fachlichen Allgemeingut geworden, aber für die damalige Zeit, in der die klassische Psychoanalyse dominierend war, war das eine Revolution.
Welches Risiko, welches Wagnis ist Perls dabei eingegangen?! Er ist davon ausgegangen, dass ein Mensch, der Therapeut, der mit einem anderen Menschen, dem Patienten, arbeitet, überhaupt in der Lage ist, einen wirklichen Kontakt, eine wirkliche Begegnung, von Mensch zu Mensch (i. S. von Buber 1965; 1984) eingehen zu können. Es ist so einfach zu glauben, dass »man« das schon kann … »Kontakt«, »Beziehung«, »Ich-Du-Dialog«, alles kein Problem! Genau genommen sagt die Gestalttherapie, dass genau das, diese scheinbar »einfache« Beziehung zu sich, der Welt und dem Lebendigen um sich herum nicht möglich ist, ohne eben den Prinzipien, die in der Gestalttherapie formuliert werden, zu folgen.
Lieber Leser, wenn Sie durch dieses Buch zu ersten Mal mit der Gestalttherapie »Kontakt« aufnehmen, dann seien Sie gewarnt: Sie werden darin Begriffe wiederfinden, deren Sinn und Bedeutung Ihnen vermeintlich bekannt vorkommen. Mit den erfahrenen Augen eines Psychotherapeuten gelesen, ist die Gefahr dieses vermeintlichen »kenne ich schon« noch größer …
Doch hier versteckt sich m. E. eine Falle. Nur weil wird durch die Psychologie und Psychotherapie in der Lage sind, Einfaches mit kompliziert klingenden Begriffen zu benennen, so heißt das noch lange nicht, dass man diese wirklich verinnerlicht hat. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich selbst bin mir nach diesem Buch noch unsicherer ob meines Verständnisses geworden. Es gab Augenblicke und z. T. Phasen, wo ich glaubte, endlich etwas »wirklich« verstanden zu haben. Dann versuchte ich, frei nach Einstein, dem man die Aussage nachsagt: »Du hast nicht wirklich etwas verstanden, wenn du nicht in der Lage bist, es deiner Großmutter zu erzählen« mein Verständnis jemandem dar zu legen, schrieb für dieses Buch ein Beispiel oder dachte darüber nach und merkte währenddessen meinen Irrtum.
Ich bin mir nicht sicher, ob Perls sich selbst der Konsequenzen bewusst war, als er diese Begriffe beschrieb und ihr Verständnis der damaligen Zeit revolutionierte. »Kontakt«, »Beziehung«, »Gewahrsein« etc. muten so einfach an, wenn sie in einem Buch gelesen werden. Wenn sie aber im konkreten Kontakt mit einem Menschen, den wir in diesem Fall als »Patienten« bezeichnen, Anwendung finden sollen, dann ist der Unterschied immens.
Im Vorwort des Buches »Therapie der Gefühle – Forschungsbefunde zur Gestalttherapie« (Strümpfel 2006) geschrieben von Prof. Dr. Willi Butollo erscheint eine ähnliche Warnung: »Seid ihr ohne Beobachtung denn wirklich ständig und zu hundert Prozent auf die Belange eurer Klienten konzentriert? Ist es nicht eine Illusion über die Natur unserer Wahrnehmungen und unseres Denkens, diese volle und ungeteilte Aufmerksamkeit ständig einzufordern?« (ebd., S. 18). Ich finde, das ist eine sehr gute Frage!
An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei den Herausgebern dieser Reihe bedanken, allen voran bei Frau Prof. Dr. Rita Rosner, der ich die Einladung verdanke, daran teilnehmen zu dürfen. Ebenso meinen herzlichen Dank an Herrn Dr. Ruprecht Poensgen, Frau Anita Brutler und den Kolleginnen und Kollegen des Kohlhammer Verlags für die stets freundliche und sehr professionelle Zusammenarbeit und Unterstützung. Einen besonderen Dank möchte ich Herrn Christof Weber, Gestalttherapeut (DVG), aussprechen! Er steuerte auf sehr freundliche und unkomplizierte Weise das abgebildete Foto bei. Sein Film2 mit Wolf Lindner über Laura Perls ist mehr als sehenswert. Nicht zuletzt möchte ich Frau M.Sc. Janina Stiebert für die hervorragende Unterstützung bei der Recherche und für die stets anregenden Diskussionen bzgl. der verschiedenen gestalttherapeutischen Konzepte danken. Durch ihren kritischen Geist »zwang« sie mich, mein Verständnis zu hinterfragen.
Folgende Menschen haben mir die Gestalttherapie näher gebracht und dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle meinen tiefsten Dank aussprechen:
Prof. em. Dr. Willi Butollo. Prof. Butollo ist nicht nur mein Lehrer, mein langjähriger Chef, sondern auch mein Mentor gewesen. Ich bin sehr stolz darauf, zu den Menschen zu gehören, die noch einen Mentor haben durften. Mir scheint, dass ein Mentorat immer mehr zu einer Ausnahme geworden ist, gleichwohl ich den Eindruck habe, dass sich nicht wenige eine solche Beziehung zwischen Lehrer und Schüler wünschen. In der heutigen Zeit wird ein Mentor als jemand verstanden, der einem »Türen öffnen kann«. Das mag wichtig sein. Was einen wirklichen Mentor – und somit auch ihn – auszeichnet, ist in meinen Augen jedoch etwas anderes. Neben der kritischen Auseinandersetzung mit der Tiefe des Verständnisses, der Unterstützung und Ermahnung, dem Lob und dem Tadel gehört auch der Mut des Mentors, sich als »Modell« zur Verfügung zu stellen. An diesem sind Reibung und Wachstum möglich.
Dr. Gisela Röper. Frau Dr. Röper gehört zu den Psychotherapeutinnen, welche die Verhaltenstherapie von der Pike auf gelernt haben und sie von England nach Deutschland gebracht haben. Wenn auch in klassischer KVT ausgebildet, so schimmert in Ihrem therapeutischen Handeln in meinen Augen immer ein humanistisches Grundverständnis durch. In ihrer Art, den Studenten (einer von diesen war vor vielen Jahren ich selbst) Psychologie und Psychotherapie beizubringen, schwingt immer etwas Ruhiges und Freundliches mit. Stets bestrebt, die Grenzen des anderen zu wahren und sie nur dann zu tangieren, wenn es dessen Wachstum dient, ist sie in meinen Augen die Gestalttherapeutin unter den Verhaltenstherapeutinnen.
Dr. Thomas Maurer. Mit Herrn Dr. Maurer verbindet mich, schon seit ich als Student in seinen Seminaren saß, eine Nähe, die sonst nur unter wirklichen Freunden möglich ist, ohne jedoch, dass ich ihn im üblichen Sinne einen Freund nennen könnte. Was ihn auszeichnet, ist die unglaubliche Fähigkeit, präsent zu sein, ohne Raum einzunehmen. Vieles von dem, was ich heute »meine therapeutische Haltung« und »mein therapeutisches Werkzeug« nennen darf, ist Ergebnis eines Lernens, das für mich die »Haupt-Art« des Lernens ist, nämlich »Lernen durch Nachahmung«. Obwohl er derjenige war, der mir Vieles durch sein Vorleben beibrachte, versteht er es wie kaum ein anderer, mir heute einen Raum zu offerieren, in dem ich sein darf. Aber die Art, mit der er das tut, ist leicht als eine »bescheidene« zu missinterpretieren. Es ist keine Bescheidenheit; es ist viel mehr als das: er gibt, d. h., er bietet diesen Raum großzügig an. Und indem er das tut, ergibt sich – und das ist der Zauber – nicht nur für mich, sondern auch für ihn eine Öffnung. Erstaunlich leicht – oder?
Dr. Hanne Dirlich-Wilhelm. Im Rahmen meiner psychotherapeutischen Ausbildung habe ich Frau Dr. Dirlich-Wilhelm als meine Selbsterfahrungsleiterin kennengelernt und ich komme seitdem nicht mehr von ihr los. Was mich schon damals bei ihr beeindruckte, war ihr steter Versuch, »präsent« zu sein. Ich durfte lernen, dass das Aufrechterhalten von Kontakt ohne eine Anstrengung nicht möglich ist. Diese Anstrengung lohnt aber! Es gibt etwas an ihr, was stets wach ist, immer im Versuch, bereit zu sein, an dem teilzunehmen, was gerade passiert.
»I do my thing and you do your thing.
I am not in this world to live up to your expectations
And you are not in this world to live up to mine.
You are you, and I am I,
and if by chance we find each other, it’s beautiful.
If not, it can’t be helped.«
Perls 1969, o. S.;
s. a.: https://www.youtube.com/watch?v=QM0BwCFVxQ4
(Zugriff am 13.02.2016)
»Ich bin ich und du bist du.
Ich bin nicht auf dieser Welt, um deinen Erwartungen zu genügen.
Und du bist nicht auf dieser Welt, um meinen zu genügen.
Ich ist ich und du ist du.«
Perls 2013, S. 163
»Lebe jetzt. Kümmere dich um die Gegenwart statt um die Vergangenheit und die Zukunft. Vergangenheit und Zukunft, das sind Phantasien, Gedanken …
Lebe hier. Beschäftige dich mit dem Anwesenden statt mit dem Abwesenden. Es müssen viele ›unerledigte Geschäfte‹ aus der Vergangenheit erledigt, ›unfertige Gestalten‹ geschlossen werden, bis man im Hier und Jetzt leben kann.
Höre auf, dir etwas vorzustellen. Erfahre die Realität. Die Therapie besteht im Wesentlichen darin, dem Klienten zu helfen, zwischen seiner Phantasie und der Wirklichkeit zu unterscheiden.
Höre auf, unnötig zu denken. Besser: probier und schau. Experimentiere mit dir!
Drücke dich lieber aus, anstatt zu manipulieren, zu erklären, zu rechtfertigen und zu urteilen.
Lass dich auf Unerfreuliches und Schmerz ebenso ein wie auf Freude. Schränke deine Bewusstheit (awareness) nicht ein. Also: vermeide nichts!
Akzeptiere kein ›sollte‹ oder ›müsste‹ außer deinen eigenen. Bete keine Götzenbilder an.
Übernimm die volle Verantwortung für deine Handlungen, Gefühle, Gedanken.
Akzeptiere dich (und die anderen), wie du jetzt bist (wie sie jetzt sind).
Nur wenn wir die Unausweichlichkeit des jetzigen Zustandes akzeptieren, können wir neue Bewusstheiten akzeptieren, können wir neue Bewusstheiten entwickeln und neue Seinsweisen im nächsten Augenblick ausprobieren.«
(Kriz 2014, S. 212; s. a. Marcus 1979; Naranjo 1970)
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text die männliche Form verwendet. Gemeint sind natürlich stets beide Geschlechter.
2 »An der Grenze – Lore Perls und die Gestalttherapie«. Ein Dokumentarfilm von Christof Weber und Wolf Lindner (http://www.dvg-gestalt.de/?q=publikationen/dokumentarfilm-%C3%BCber-das-leben-von-laura-perls; Zugriff am 30.01.2016).
Sie sind mit Gestalttherapeuten beisammen und möchten sie in »Verlegenheit« (Fuhr 1999, S. 417) bringen oder gar einen Streit vom Zaun brechen? Nichts einfacher als das! Bringen Sie das Thema auf die Frage, was denn nun genau Gestalttherapie ist und wie sie definiert werden kann. Sie werden garantiert Erfolg damit haben!
Diese nicht ernst gemeinte Aufforderung lässt erahnen, dass es kaum eine befriedigende Antwort auf diese Frage gibt. Eine gewagte These sei vorangestellt: Gestalttherapie endgültig und ein für allemal definiert und verstanden zu haben, ist unmöglich. Dies würde bedeuten, man hätte ihr eine (endgültige) Form gegeben, sie und ihre Grenzen definiert, ihren Anfang und ihr Ende bestimmt. Damit hätte man sie jedoch gleich zu Grabe getragen, denn Gestalttherapie ist so ziemlich das Gegenteil.
Es ist sehr schwer zu beschreiben, was damit ausgedrückt werden soll; vielleicht können Metaphern helfen, die zugleich ein Gedanken- und Erfahrungsexperiment sein können: Kann man ein und für alle mal, also endgültig, einatmen? Kann man ein und für alle mal, also endgültig, ausatmen? Das ist nicht möglich, denn das Einatmen braucht, um existieren zu können (damit es »das Einatmen« gibt), ein Ausatmen, aber das Ausatmen braucht, wiederum für seine eigene Existenz (damit es »das Ausatmen« gibt), ein Einatmen. Das eine (Einatmen) kann es ohne das andere (Ausatmen) nicht geben und möchte man das Eine verstehen, so benötigt man dafür das andere. Beide zusammen, der Prozess ihres Zusammenwirkens und das gegenseitige sich Bedingen, machen ein Verständnis erst möglich.
Es ist so, als würde man die Frage stellen: »Was war zuerst da? Der Tag oder die Nacht?« Beantwortet man die Frage mit »der Tag«, muss man auf die Nacht zurückgreifen; beantwortet man die Frage mit »die Nacht«, muss man auf den Tag zurückgreifen. Das eine ist ohne das andere nicht existent. Die Antwort kann auch nie vollständig und endgültig sein, ohne darauf hinzuweisen, dass sobald eine gegeben wird, ein weiterer Aspekt betrachtet werden muss und dann noch einer und noch einer. Diese Idee der Prozessualität und gegenseitigen Bedingtheit ist fest verwurzelt im menschlichen Dasein. So findet sie sich auch in einem der ältesten Epen der Menschen, der indischen Mahabharata. An einer bestimmten Stelle wird der durstige Yudhisthira vom Gott Dharma, getarnt als Teich, geprüft. Bevor er seinen Durst stillen kann, muss er mehrere Fragen beantworten. Eine davon lautet tatsächlich: »Was war zuerst da, der Tag oder die Nacht?« Yudhisthira antwortet: »Der Tag, aber er war der Nacht nur um einen Tag voraus.« Dharma war mit der Antwort zufrieden und er erlaubte Yudhisthira zu trinken …
M. a. W. es handelt sich nicht um ein teleologisches, sondern um ein prozessuales Geschehen; es geht nicht um ein feststehendes Ergebnis, sondern um Kontinuität. Ohne die Betrachtung der Kontinuität (nach jedem Tag folgt eine Nacht und ihr wiederum ein Tag, dem eine Nacht folgt usw.) wäre die Antwort nicht vollständig. Gleichzeitig ist dieser Prozess – soweit wir das sagen können – ein unendlicher, denn es ist ein Streben in ihm verbogen, eine Abfolge von Ereignissen, die sich gegenseitig bedingen und sich zu ihrer gegenseitigen Aufrechterhaltung brauchen.
Gestalttherapie ist die Therapieform, die diese prozessuale Perspektive der Existenz zu ihrem Herzstück gemacht hat. Die Gestalttherapie als Prozess zu verstehen, setzt aber voraus, sich selbst als Prozess zu betrachten. Wer sich mit Hilfe dieses Buches ihr annähern möchte, dem sei der freundliche Rat gegeben, auf die Art und Weise zu achten, wir er sich selbst sieht und versteht. Für viele Menschen kann diese Frage irritierend bis sinnlos sein. »Ich bin, wie ich halt bin …«, könnte eine Entgegnung sein. Die Gestalttherapie stellt aber – wie bereits angedeutet wurde – nicht die teleologische Frage nach dem Was, nach einem endgültigen, festen Zustand, sondern die Frage nach dem Wie, nämlich eben die Frage nach dem Prozess.
Eine weitere Metapher, die diesen Umstand näher beschreibt: Genauso wie man nie wirklich einen Fluss in derselben Stelle betreten kann, sucht die Gestalttherapie, anstatt nach festen und endgültigen Zuständen, nach dem »Wie bin ich jetzt?«. Einen Augenblick später stellt sich die gleiche Frage: »… und jetzt?«. Wieder einen Augenblick später noch mal: »… und jetzt?«. Es wird deutlich, dass es weniger um eine Frage geht, sondern um einen Frage-Zustand. Anstatt im Augenblick stecken zu bleiben (»ich habe Hunger«), lädt die Gestalttherapie dazu ein, sich im Augenblick als hungrig zu erleben und zu prüfen, was als nächstes angemessen ist. Sich selbst als einen Prozess, der immer nur ein Frage-Zustand sein kann, zu erleben und zu erfahren, der wiederum Teil eines größeren Prozesses ist, den wir »Leben« nennen, ist die nächst mögliche Annäherung – sowohl an sich als auch an die Gestalttherapie.
Hat die Psychoanalyse ihren Fokus auf die Bedingtheit durch das Unterbewusste gelegt, die Verhaltenstherapie auf die Bedingtheit durch die aktuell auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen, so legte die Kognitive Therapie den ihrigen auf die Kognitionen, d. h. auf die Zuschreibung von Bewertungen und Bedeutungen. Die Körpertherapie betont ihrerseits den Körper als Empfindungsorgan und Stätte des Ausdrucks von psychischem Geschehen. Und die Gestalttherapie? Sie legt ihren Schwerpunkt auf das »Wie des Erlebens«, auf die Färbung, das Gefühl und die Emotion, aber immer die Kognition und den Körper im Blick bewahrend. Sie ist tatsächlich eine »Therapie der Gefühle« (s. a. Strümpfel 2006), aber m. E. eigentlich die integrativste Therapieform, die man sich vorstellen kann.
Eine von Perls zahlreichen »Definitionen« von Gestalttherapie lautet:
»Gestalttherapie beruht auf der grundlegenden Theorie, dass Reifen ein kontinuierlicher Wachstumsprozess ist, in dem eine Umweltabhängigkeit (environmental support) in Selbständigkeit (self-support) verwandelt wird.« (Perls 1990, S. 178).4
Dieses Kapitel hat dann seinen Zweck erfüllt, wenn Sie, lieber Leser, sich dabei ertappen, wie Sie kurz inne halten, um zu beschauen, wer Sie in diesem Moment sind!
3 Ein interessantes Interview zu dieser Frage mit Dr. Lotte Hartmann-Kottek findet sich unter: https://www.youtube.com/watch?v=vddb-nTm2SM (Zugriff am 14.02.2016).
4 Eine Zusammenstellung von Filmausschnitten, wo Perls selbst verschiedene Definitionen von Gestalttherapie gibt, findet sich unter: https://www.youtube.com/watch?v=T3jYcDbcpUs (Zugriff am 14.02.2016).
Die Gestalttherapie zählt als Verfahren zur humanistischen Psychologie und hat sich zu weiten Teilen aus der Psychoanalyse und der Abgrenzung zu ihr entwickelt. Ihre Entstehung ist eine »Vernetzung von Zeitgeist, Lebensgeschichten und zeitloser Thematik« (Hartmann-Kottek 2012, S. 222); insofern kann sie – dies gilt natürlich für jede andere Therapieschule auch – in ihrem Wesen erst dann verstanden werden, wenn Feld und Hintergrund ihrer Entstehungszeit berücksichtigt werden.
Ihre Gründerfiguren wurden im Zwischenstadium des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts geboren, einer Zeit starker Umbrüche in politisch-gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und philosophischen Bereichen, die im 1. Weltkrieg einen schrecklichen Höhepunkt fand. Wirft man einen genaueren Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Gestalttherapie, zeigt sich, dass nicht nur Fritz Perls ihr Begründer war. Sie kann mehrere Väter wie auch Mütter ihr eigen nennen.
Abbildung 2.1 fasst die Einflüsse zusammen, ohne dass Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden soll. Einen sehr guten und tiefergehenden Überblick über die Geschichte der Gestalttherapie im Allgemeinen und ihre gestalttheoretischen Hintergründe im Besonderen findet der interessierte Leser bei Nausner (2004), Schmidt-Lellek (2004), Soff et al. (2004) sowie Rumpler (2004).
Abb. 2.1: Die Wurzeln der Gestalttherapie
Sowohl Fritz als auch Lore Perls waren ausgebildete Psychoanalytiker. Dieser Einfluss findet sich sehr deutlich in der der Gestalttherapie zugrunde liegenden Psychodynamik wieder und ordnet sie als Therapieverfahren den psychodynamischen psychotherapeutischen Zugängen zum Menschen zu. Perls verwendete sogar für die von ihm entwickelte Art der Therapie noch längere Zeit die Bezeichnung »Psychoanalyse« und änderte diese erst später in seiner ersten Publikation (»Ego, Hunger and Aggression«, Perls 1946) in »concentration therapy«. Unter den Begründern wurde auch die Bezeichnung »Existenzialistische Therapie« diskutiert. Letztendlich nahm man jedoch Abstand davon, legte sich doch die ungewollte Assoziation zu den damaligen nihilistischen Ausprägungen des Existentialismus, die in jenen Jahren verbreitet waren, nahe (s. a. Doubrawa und Doubrawa 2005). Schließlich entschied sich Perls für die Bezeichnung »Gestalttherapie«.
Fritz und Lore Perls waren beide von der Gestaltpsychologie sehr stark beeinflusst. Diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts neu aufkommende Richtung der Psychologie hatte den Kerngedanken, dass der Mensch durch seine Wahrnehmung die Umwelt nicht einfach passiv in sich abbildet und so zum Teil seines Bewusstseins macht, sondern aktiv strukturiert (s. a. Metzger 1963, 1976). Das Wahrgenommene ist somit eine vom Wahrnehmenden selbst aktiv konstruierte Entität. Das tatsächliche Objekt und dessen subjektive Abbildung im Wahrnehmenden sind nicht identisch; es geschieht ein Transformationsprozess. Die Gestaltpsychologie beschäftigte sich mit diesem Gestaltbildungsprozess: Wie wird aus Wahrnehmung eine Gestalt? Die Gestalttheorie ist als erstes ein »Ansatz zum Verständnis von Ordnung, die uns am seelischen Geschehen und damit zugleich am Verhalten von Menschen und Tieren auffällt« (Metzger 2007, S. 1).
Ein häufiges Missverständnis ist, dass die Gestalttherapie die Anwendung der Gestaltpsychologie ist. Anders als für die Beziehung zwischen Verhaltenstherapie und Lerntheorie, wo dies durchaus zutrifft (s. a. Kriz 2014), ist dies für die Gestalttherapie nicht der Fall. Die Gesetze der Gestaltpsychologie dienten Perls mehr oder minder als Metapher und Analogie, denn als eineindeutige Vorlage seiner Therapieform (ebd.).
Kurt Goldstein (1878–1965) war ab 1918 Ordinarius für Neurologie in Frankfurt und behandelte u. a. Soldaten des 1. Weltkrieges, die unter einer einsatzbedingten Hirnschädigung litten. Er gilt als Vater der Neuropsychologie. Lore Posner wird seine Seminare besuchen und hauptsächlich dafür verantwortlich sein, dass seine Organismustheorie Eingang in die Gestalttherapie findet. Fritz Perls wird zwischen 1926 und 1927 sein Assistent.
Goldstein vertrat – ganz im Gegensatz zur damals vorherrschenden Auffassung – kein atomistisches, sondern ein ganzheitliches Konzept des Gehirns sowie des Aufbaus und der Funktion des menschlichen Organismus als Ganzes und ermöglichte damit eine völlig neue Sicht auf die menschliche Psyche. Bezeichnend für seine Haltung ist folgendes Zitat aus seinem Hauptwerk »Der Aufbau des Organismus« (Goldstein 2014, S. 7): »Für uns ist ja ein einzelnes Organ nicht ein System mit besonderen
Der Begriff »Gestalt« ist nicht nur ein sehr schwieriger, sondern auch ein sehr seltener, findet er sich doch wohl nur in der deutschen Sprache (s. a. Staemmler 2009). Der Begriff »Ganzheit« kommt ihm sehr nahe. Staemmler setzt ihn in seinem kulturhistorischen Hintergrund, vor dem er einen Ausdruck einer Art Gegenbewegung zum atomistisch-mechanistischen Menschenbild der damaligen Zeit des Übergangs vom 19. ins 20. Jahrhundert darstellt. In dieser Hinsicht steht er in Verbindung mit dem Gedankengut Goethes, den Staemmler wie folgt zitiert: »In jedem lebendigen Wesen sind das, was wir Teile nennen, dergestalt unzertrennlich vom Ganzen, dass sie nur in und mit denselben begriffen werden können« (ebd., S. 59). Anders als die Atomisten und Mechanisten und ihre Annahme, man müsse die Welt in ihre Atome zergliedern, um sie zu verstehen (diese Art des Denkens schlug sich in der Assoziationspsychologie nieder), betrachteten Goethe und im Gefolge die Gestaltpsychologie die Ganzheit (die Gestalt) und sprachen ihr Eigenschaften zu, die sich nicht allein durch die Eigenschaften ihrer sie konstituierenden Elemente erklären ließen – so genannte »Gestaltqualitäten« (vgl. auch von Ehrenfels 1890; Henle 2005).
Gestalten sind somit strukturierte Ganzheiten und heben sich von ihrer Umgebung ab (s. a. Staemmler 2009). Sie verfügen über Qualitäten, die sich nicht einfach aus ihren Elementen ableiten lassen. Sie bestehen aus Beziehungen und durch sie werden Beziehungen ausgedrückt, nämlich die ihrer jeweiligen Teile. Eine Gestalt ist somit »die Gesamtbeziehung der Beziehungen« (Erismann 1960, S. 132; s. a. Staemmler 2009).
Die Gestaltqualitäten zeigen, in welcher Beziehung die einzelnen Gestaltelemente zueinander stehen. Verändert sich ein Element der Gestalt, verändert sich auch die Gestalt selbst und ihre Gestaltqualität. Auf der anderen Seite ist es jedoch auch so, dass die Gesamtheit jedem einzelnen Teil seine Bedeutung gibt. Ohne den Kontext (das Ganze, die Gesamtheit, die Gestalt) zu berücksichtigen, kann die Bedeutung eines Elementes nicht verstanden werden.
Ein Beispiel soll das illustrieren: Stellen Sie sich vor, zwei Freunde treffen sich zufällig auf der Straße und einer fragt den anderen mechanisch: »Wie geht’s?«. Dieser antwortet auch mechanisch mit »Gut. Danke!« Ist diese Interaktion inhaltlich zu verstehen, ohne sie in einen Kontext einzubetten? Nein, denn es kann mehrere solcher Kontexte geben, bspw.:
• Es sind zwei Freunde, die einen heftigen Streit hatten, sich seitdem nicht mehr gesehen haben und sich nun wieder zum ersten Mal begegnen.
• Der Gefragte hat sich gerade – nach langem Hin und Her, worunter er sehr gelitten hat – von seiner Frau getrennt.
• Die Frau des Gefragten hat sich von ihm getrennt, er nimmt aber diese Trennung nicht ernst und ist sich sicher, sie kommt wieder zurück.
• Der Gefragte hat gerade im Lotto einen hohen Geldbetrag gewonnen, möchte das aber für sich behalten, weil er vermutet, der Fragende würde sich sonst sofort Geld von ihm leihen wollen.
Je nach Kontext bekommt also diese kurze Interaktion eine völlig neue Bedeutung. Ist der Kontext nicht bekannt, kann auch nicht die richtige Bedeutung erkannt werden und die Interaktion erhält nicht ihren tatsächlichen Sinn. Zusammengefasst: »… das größere Ganze ist Träger von Sinn.« (Staemmler 2009, S. 64).
Funktionen, sondern nur ein künstlich aus dem Ganzen des Organismus herausgehobener Teil, an dem wir die Leistungen des Organismus studieren.« Entsprechend betrachtete Goldstein bei seinen Patienten niemals nur deren Symptome und Beschwerden, sondern bettete diese in die Gesamtheit des Organismus und diesen in seine Umwelt ein.
Seine Theorie postuliert, dass im Organismus selbst eine eine Kraft zu finden ist, die ihn zu seiner eigenen Entwicklung antreibt. Vordringliches Ziel der Gestalttherapie ist es, die Blockierungen dieser Tendenz zu identifizieren, sie aufzulösen und somit den Fluss dieser organismischen Selbstregulation wieder in Gang zu setzen, was einer Gesundung des Patienten gleichkommt. Umgekehrt wird Krankheit als ein Stocken (im Extremfall: eine Unterbrechung) dieser organismischen Selbstregulation verstanden.
Jan Christiaan Smuts (1870–1950), Philosoph, Politiker und zeitweilig Premier- und Justizminister in Südafrika, gilt als der Vater des Holismus. Perls lernte dieses Konzept vergleichsweise früh in seinem beruflichen Leben – während er noch Assistent bei Kurt Goldstein war – kennen und zwar durch die Lektüre seines Hauptwerkes »Holism and Evolution« (Smuts 1926).
Smuts ging davon aus, dass alle sozialen und naturgegebenen Lebensräume miteinander verschränkt sind. Dies gelte nicht nur für die äußere, sondern auch für die innere Welt des Menschen. Organismen haben somit eine selbstregulierende, selbstorganisatorische Fähigkeit, die als »Weisheit des Organismus« (Hartmann-Kottek 2012, S. 229) bezeichnet wird.
Diese »Weisheit des Organismus« findet sich auch in der respektvollen und machtgebenden Haltung des Therapeuten gegenüber seinem Patienten wider. Letzterer »weiß« im Grunde, was er für sich und seine Genesung braucht und dies besser als sein Therapeut. Dieser wiederum hat lediglich die Aufgabe, ihm dabei zu helfen, die Hindernisse zu beseitigen und/oder zu integrieren, die den Zugang zu diesem Wissen verhindern.
Der Holismus ist eng verwandt mit der Organismustheorie von Kurt Goldstein. Beiden ist gemein, dass sie sich dem »Primat der Ganzheit« (s. a. Nausner 2004, S. 38) verpflichtet fühlen.
Die philosophische Richtung des Existentialismus geht davon aus, dass die Welt keinen angeborenen Sinn hat. Die Fragen der menschlichen Existenz werden in den Mittelpunkt gestellt. Es geht nicht um das Sein, sondern allein um die Existenz, vielleicht noch um Handlungsmaximen des Lebens