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Das richtige Darmfutter Dass es in einem gesunden Darm sehr lebendig zugeht, wissen wir. Doch wenn Darmbakterien oder Pilze aus dem Gleichgewicht geraten, leidet der ganze Mensch: Verdauungsbeschwerden, Hautprobleme, Infektanfälligkeit bis hin zum Brain Fog - unendlich viele Beschwerden haben hier ihre Ursache. Heute wissen wir: auch ein Reizdarm kann so entstehen - das eröffnet neue Ansätze für viele Patienten, denen man bislang nicht helfen konnte. Gesunde Balance für den Darm - Darmdetektiv werden: Wie Candida, Sibo und der "löchrige Darm" zusammenhängen und wie Sie herausfinden, was Sie quält und was Ihnen hilft. - 7-Tage-Darmkur: mit der erfolgreichen THE BELLY FOODS-Methode die krankhaften Keime aushungern und die Darm gesundheit auf Neustart stellen. - Darmpflegend Essen: Ballaststoffe, Superfoods, Probiotika, Fermentation und Co. - leckere Powerfood-Rezepte, die Sie stärken.
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Seitenzahl: 206
Prof. Dr. Martin Storr, Sabine Karpe
1. Auflage 2019
33 Abbildungen
wir sind nicht allein! Unser Körper ist von schätzungsweise 1014 Bakterien besiedelt, die meisten davon im Darmtrakt. Dieses sogenannte Mikrobiom ist eines der spannendsten Felder der aktuellen Forschung. Vieles, ehrlich gesagt das meiste, über die Beziehungen zwischen dem Mikrobiom und unseren Körperfunktionen ist derzeit noch unklar. Aber eins ist sicher: Nicht immer läuft diese Zusammenarbeit reibungslos ab.
Wenn Sie dieses Buch in den Händen halten, leiden Sie vielleicht unter Beschwerden wie Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall oder auch Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten und Hautproblemen. Die Liste ließe sich noch fortführen. Vieles deutet darauf hin, dass Probleme mit dem Mikrobiom dahinterstecken!
Momentan werden drei Erkrankungen im Zusammenhang mit dem Mikrobiom diskutiert: Die Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO; small intestinal bacterial overgrowth), die Candida-Mykose (SIFO; small intestinal fungal overgrowth) und das Leaky-Gut-Phänomen, der »löchrige Darm«. Der Ort des Geschehens ist bei der Dünndarmfehlbesiedlung der eher keimarme Dünndarm, wohingegen die Candida-Mykose sowohl im Dünndarm (als SIFO) als auch im Dickdarm stattfindet. Beim löchrigen Darm, also dem Leaky Gut, der in der Fachwelt noch umstritten ist und bei dem noch vieles unklar ist, sind vermutlich sowohl Dünn- als auch Dickdarm betroffen. Bei allen drei Erkrankungen, so es denn welche sind, ist die medizinische Forschung in vollem Gange. Die Überschneidungen von Dünndarmfehlbesiedlung, Candida-Besiedlung und Leaky Gut sind enorm und eine sichere Abgrenzung ist nicht immer möglich.
Doch auch wenn wir nicht alle Zusammenhänge verstehen, wissen wir heute viel darüber, wie wir eine gesunde Darmflora pflegen oder eine vom richtigen Weg abgekommene Darmflora wieder in die richtige Richtung lenken können. Und dies lässt sich einfach mit Ernährungsmaßnahmen erreichen.
Im vorliegenden Ratgeber haben wir ein Menü von viel Wissenswertem zum Darmmikrobiom und den damit verknüpften Erkrankungen sowie zur Beeinflussung des Darmmikrobioms durch die Ernährung zusammengestellt und Vorschlägen für leckere und abwechslungsreiche Gerichte abgeschmeckt. Wohl bekommʼs!
Mein darmgesunder Tag
Leckere Rezepte für Ihre Darmgesundheit
Ingwer-Gemüse-Aufstrich mit Ofenbrot
Dieses probiotische Frühstück macht lange satt
Ballaststoffquelle, Kohlenhydratquelle
Für 2 Personen
20 Min.
4 Möhren1 Bund frischer Koriander2 cm Ingwer250 g Mandeljoghurt »natur«1 El SesamSchale 1 unbehandelten Zitrone1 Prise Meersalz1 Prise weißer Pfeffer4 Scheiben glutenfreies OfenbrotMöhren schälen und fein reiben. Koriander waschen, trocken tupfen und fein hacken. Ingwer schälen und ebenfalls fein hacken.
In einer Schüssel Möhren, Ingwer, Joghurt und Sesam vermischen. Den Aufstrich mit abgeriebener Zitronenschale, Salz und Pfeffer abschmecken.
Die Brotscheiben mit dem Möhrenaufstrich bestreichen und frisch servieren.
Asiatische Gemüse-Bowl mit Lachs
Leicht und gut bekömmlich für die Mittagspause
Eiweißquelle, Ballaststoffquelle
Für 2 Personen
20 Min.
1 rote Paprika1 gelbe Paprika2 cm Ingwer1 Zitrone300 g Lachs (frisch oder aufgetaut)4 EL Ghee400 ml Kokosmilch1 EL Mandelmus1 EL Reissirup1 EL Currypulver1 EL Chiasamen1 Handvoll Koriander1 Prise Meersalz1 Prise weißer Pfeffer200 g ReisnudelnPaprikaschoten waschen und in Streifen schneiden. Ingwer schälen und hacken. Zitrone auspressen und Saft auffangen. Lachs waschen und in Stücke schneiden.
Ghee in eine Pfanne erhitzen, Paprika und Lachs hinzufügen und 2 Min. dünsten. Ingwer dazugeben und mit der Kokosmilch aufgießen. Kurz aufkochen lassen.
Mandelmus, Reissirup, Currypulver, Chiasamen, 1 EL Zitronensaft und gehackten Koriander dazugeben, gut verrühren und 10 Min. auf kleiner Stufe köcheln lassen.Reisnudeln nach Anleitung kochen, in ein Sieb schütten, abtropfen lassen und zum Gemüse geben.
Kürbissuppe mit Kurkuma
Kurkuma regt Verdauungssäfte an
Ballaststoffquelle, Kohlenhydratquelle
Für 2 Personen
35 Min.
1 kleiner Hokkaido-Kürbis1 Kartoffel1 Apfel1 Stängel Zitronengras1 Handvoll Koriander3 TL Kokosöl1 EL frisch geriebene Kurkuma2 Lorbeerblätter1 EL geschrotete Leinsamen1 TL Brotgewürz (aus Fenchel und Anis)500 ml Knochen- oder Gemüsebrühe (keine Instant-, sondern frische Brühe)300 ml Kokosmilch2 Prisen Meersalz1 TL ReissirupKürbis waschen, halbieren, säubern und das Fruchtfleisch in Stücke schneiden. Kartoffel schälen und würfeln. Apfel schälen, entkernen und würfeln. Zitronengras waschen und in 3 Stücke schneiden. Koriander waschen, trocken tupfen und klein hacken.
Kokosöl in einem großen Topf leicht erhitzen und Zitronengras, die Hälfte des Korianders, Kurkuma, Lorbeerblätter, Leinsamen und Brotgewürz darin 2 Min. dünsten. Kürbis, Kartoffeln und Apfel hinzugeben und alles gut verrühren. Mit der Brühe und Kokosmilch ablöschen und aufkochen lassen. Bei schwacher Hitze zugedeckt 20 Min. köcheln lassen.
Lorbeerblätter und Zitronengras herausnehmen, Salz und Reissirup hinzufügen und mit einem Stabmixer glatt pürieren. Suppe in 2 Teller geben und mit restlichem Koriander anrichten.
Titelei
Liebe Leserin, lieber Leser,
Teil I Darmflora – was steckt dahinter?
1 Sind die Darmbewohner schuld an meinen Beschwerden?
1.1 Wo ist das Problem?
2 Die gesunde Darmflora
2.1 Was tummelt sich in meinem Darm?
2.1.1 Das Mikrobiom verändert sich
2.2 Spannend: Die Enterotypen bestimmen uns
2.2.1 Was machen diese Bakterien?
3 Die kranke Darmflora
3.1 Folgen der veränderten Darmflora
3.1.1 Der Mensch und seine Darmflora: Eine stete Freundschaft?
3.2 Macht Dysbiose krank?
3.3 Früher war alles besser! Auch das Darmmikrobiom?
3.3.1 Inulin sollʼs richten
3.4 Wie gelingt eine darmfloraschonende Ernährung?
Teil II Wenn es im Bauch rumort
4 Aus dem Gleichgewicht: die Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO)
4.1 Was ist eine Dünndarmfehlbesiedlung?
4.1.1 Wer lebt in meinem Dünndarm?
4.1.2 Wie kommen die falschen Bakterien in den Dünndarm?
4.2 Beschwerden der Dünndarmfehlbesiedlung
4.2.1 Wie entstehen Beschwerden einer Dünndarmfehlbesiedlung?
4.2.2 Nicht nur Übersiedlung, sondern wirklich Fehlbesiedlung
4.2.3 Vergiften uns die Dünndarmbakterien?
4.3 Probleme bei der Diagnose
4.4 Medizinische Behandlung
4.5 Schutz vor einer Dünndarmfehlbesiedlung?
4.6 Probiotika bei Dünndarmfehlbesiedlung
4.6.1 Wie sollen Probiotika wirken?
5 Ein Pilz im Darm: Candida
5.1 Candida im Darm – ist das schädlich?
5.1.1 Welche Pilze leben im Darm?
5.2 Candida: harmloser Gast oder Übeltäter?
5.2.1 Beschwerden durch Candida
5.2.2 Wie viel ist zu viel und welche Folgen hat das?
5.3 Einen Versuch wert: die Candida-Diät
5.3.1 Nicht zu streng sein!
6 Der undichte Darm: das Leaky-Gut-Syndrom
6.1 Leaky Gut – Modeerscheinung oder Realität?
6.2 Die Darmbarriere
6.2.1 Tight Junctions unter der Lupe
6.2.2 Probleme bei der Diagnose
6.3 Was schädigt die Tight Junctions?
6.4 Welchen Einfluss hat die Ernährung?
6.4.1 Genügend trinken
6.4.2 Kohlenhydrate
6.4.3 Einfluss der Nahrungsfette
6.4.4 Proteine
6.4.5 Histamin
6.4.6 Lebensmittelzusatzstoffe
6.5 Kann ich die Darmbarriere positiv beeinflussen?
6.6 Wirkung von Probiotika beim Leaky Gut
6.7 Abgrenzung vom Reizdarmsyndrom
6.8 Ein bisschen Statistik
7 Natürliche Behandlung der Fehlbesiedlungen
7.1 Drei Grundsätze
7.1.1 Der Schutz vor Eindringlingen
7.1.2 Aushungern der unerwünschten Bewohner
7.1.3 Ausgeglichene Lebensführung
7.2 Gibt es schützende Lebensmittel?
7.2.1 Hilfe aus der Natur
7.2.2 Magensäure
7.2.3 Ingwertee richtig zubereitet
Teil III Die Darmdiät – wie Ernährung wirkt
8 Sich Gutes tun und gut essen
8.1 Pflegen Sie sich
8.1.1 Der richtige Lebensstil hilft auch Ihrer Darmflora
8.2 Essen und trinken Sie das Richtige
8.2.1 Brot und Backwaren: Hier lohnt sich Ihre Aufmerksamkeit
8.2.2 Entzündungsfördernde Lebensmittel
8.2.3 Süßen mit Zucker und Süßstoffen
8.2.4 Genussmittel Alkohol
8.2.5 Kaffee und Tee
8.2.6 Ballaststoffe
8.2.7 Fermentierte Lebensmittel
8.2.8 Fette und Fettsäuren
8.2.9 Nüsse, Samen und Körner
8.2.10 Industriell produzierte Lebensmittel
8.3 Ein kleines Resümee
9 Die 7-Tage-Darmkur nach THE BELLY FOODS®
9.1 Vorbereitungen für die Darmkur
9.2 Mahlzeitenplanung
9.3 Geeignete Lebensmittel
9.3.1 Lebensmittel, die guttun
9.3.2 Mögliche Nahrungsergänzungen
9.3.3 Neun Superfoods für den Darm
9.3.4 Wie geht es nach der Kur weiter?
Teil IV Die Rezepte
10 Frühstück
11 KleinigkeitenSuppenGetränke
12 Hauptgerichte
13 Süsses und Backen
Autorenvorstellung
Verzeichnisse
Impressum
1 Sind die Darmbewohner schuld an meinen Beschwerden?
2 Die gesunde Darmflora
3 Die kranke Darmflora
Die Darmflora hilft uns bei der Verdauung, schützt uns vor ungebetenen Gästen und versorgt uns mit Nährstoffen und Vitaminen. Was aber, wenn es ein Problem gibt?
Jeder kennt das Gefühl, wenn sich der Darm meldet: Luft im Bauch, Blähungen und vermehrter Abgang von Winden, ein gelegentliches Rumoren oder Gluckern, manchmal auch zu harter Stuhl, zu weicher Stuhl oder gar Durchfall. Bei vielen treten solche Beeinträchtigungen nur sporadisch auf, sie werden nicht als problematisch empfunden. Aber der Übergang von »nicht-störend« zu »störend« ist fließend und bei vielen kommen solche Verdauungsbeschwerden zu häufig vor. Und oft geht es weit über die Verdauungsbeschwerden hinaus. Viele Betroffene wandern von Arzt zu Arzt, fühlen sich manchmal auch gar nicht ernst genommen und werden mit Worten wie »Sie sind aber auch empfindlich« unverrichteter Dinge nach Hause geschickt. Dabei sind Ihre Beschwerden doch Realität:
Flatulenz, Blähungen, Bauchschmerzen
weicher Stuhl, Durchfall
Gewichtsverlust
Erschöpfung
Konzentrationsschwierigkeiten
Hautprobleme
Vitamin-B12-Mangel
Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Heißhunger
Allergien
Stimmungsschwankungen
Depressionen
Panikattacken
Angsterkrankungen
In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise, dass die Ursache vieler Beschwerden im Darm zu suchen ist. Unzählige kleine Helferlein, meist Bakterien, wohnen in diesem Organ und verrichten dort eine enorm wichtige Arbeit. Heute weiß man, dass ein Zuviel an Bakterien oder die falsche Bakterienmischung, die sogenannte Dünndarmfehlbesiedlung ( ▶ SIBO), für viele Probleme verantwortlich ist. Und manchmal machen sich auch ungebeten Gäste, wie der Pilz ▶ Candida, im Darm breit. Und wenn es ganz blöd kommt, wird der Darm sogar »löchrig« ( ▶ Leaky Gut).
Warum ist es so schwer, eine eindeutige Diagnose zu erhalten? Dies liegt an den unspezifischen Beschwerden, die durch die Erkrankungen Dünndarmfehlbesiedlung, Candida-Befall und Leaky Gut verursacht werden. Blähungen, Bauchkrämpfe, Völlegefühl und Durchfall sind heftige und sehr unangenehme Beschwerden, die aber leider auch im Zusammenhang mit vielen anderen Erkrankungen auftreten können. Häufige Krankheiten mit ähnlichem Beschwerdebild sind Reizdarmsyndrom, Zöliakie, Fruktosemalabsorption, Laktoseintoleranz, Glutensensitivität, chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung und entzündliche Darmerkrankungen akuter oder chronischer Natur.
Es gibt heutzutage geeignete Test, um eine Dünndarmfehlbesiedlung einigermaßen sicher zu diagnostizieren, aber in der Abklärung dieser Beschwerden sind andere Krankheitsbilder einfach häufiger. Für Erkrankungen wie die Candidabesiedlung oder Leaky Gut, für die geeignete und sichere Testverfahren nicht etabliert sind, trifft dies umso mehr zu. Auch wenn wir viele Zusammenhänge bis heute nur erahnen können, wissen wir doch mittlerweile ziemlich gut, welchen Anteil unsere Ernährung an diesen Vorgängen hat. Und damit haben wir ein probates Mittel an der Hand, uns selber zu helfen. Lernen Sie Ihren Darm und seine Mitbewohner kennen und erfahren Sie, wie Sie sich selbst etwas Gutes tun können!
Wenn wir essen und verdauen, arbeiten unsere Verdauungsorgane auf Hochtouren. Die Nahrung wird durch den Verdauungstrakt transportiert und zerlegt. Neben Enzymen leisten zahlreiche Mikroorganismen im Darm wertvolle Dienste.
In unserem Darm leben unglaublich viele Bakterien und auch einige ▶ Pilze. Hier geht es zunächst um die Bakterien, mit den Pilzen beschäftigen wir uns später. Man schätzt die Zahl der Bakterien auf hundert Billionen, das entspricht einer 1 mit 14 Nullen! Diese große Zahl verteilt sich auf 1000 – 1500 verschiedene Arten. Zusammen bilden sie das sogenannte Mikrobiom.
Eine gesunde, artenreiche Darmflora bezeichnet man als Eubiose. Die Mikroorganismen bringen etwa 150 Mal mehr genetische Informationen mit, als unsere Körperzellen aufweisen, insgesamt sind im Moment zwischen 3 und 4 Millionen Gene der Darmbakterien bekannt. Das Mikrobiom des Magen-Darm-Traktes ist das tatsächlich größte und schon vom Gewicht her sehr beeindruckend. 1,5 bis 2 Kilogramm bringt unser Darm-Mikrobiom auf die Waage. Es gibt noch weitere Mikrobiome, zum Beispiel auf der Haut, in der Lunge oder auch in den Nasennebenhöhlen.
Bis vor kurzem sind wir noch davon ausgegangen, dass die Zusammensetzung der Darmflora durch eine Besiedlung des Darms zum Zeitpunkt der eigenen Geburt und von der eigenen genetischen Ausstattung bestimmt wird. Dies ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht mehr ganz richtig, denn inzwischen weiß man, das schon im Mutterleib ein plazentares Mikrobiom besteht, mit dem der Körper und damit auch der Magen-Darm-Trakt des Ungeborenen schon vor der Geburt in Kontakt steht. Das Mikrobiom des Darms ist auch von der Art der Geburt, also eine Entbindung durch einen Kaiserschnitt oder eine natürliche Geburt durch den Geburtskanal, abhängig, da eine Teil der Vaginalflora und der Darmflora der Mutter auf das Kind übertragen werden.
Im Laufe des Lebens verändert sich die Zusammensetzung des Mikrobioms. Einen wichtigen Einfluss hat zunächst die Ernährung im Säuglingsalter. Aber auch der Lebensstil, die Körperhygiene, die Umgebungshygiene, der Gebrauch von Antibiotika und selbstverständlich Umweltfaktoren wie Umweltverschmutzung und Lebensraum beeinflussen die Zusammensetzung des Mikrobioms. Von besonderer Bedeutung ist der Einfluss unserer Ernährung auf das Mikrobiom. Damit sind sowohl die langfristige Ernährungsweise als auch die kurzfristige Auswahl der Lebensmittel gemeint. Denn das Darmmikrobiom passt sich an jedes Lebensmittel, das aufgenommen wird, umgehend an.
Diese kurz-, mittel- und langfristigen Mikrobiomveränderungen bedeuten aber nicht, dass unser Mikrobiom sich täglich neu zusammenfindet. Die Zahl der 1000 – 1500 Arten bleibt immer in etwas gleich, jedoch verschieben sich je nach Nahrungszufuhr die Mengenanteile der jeweiligen Arten.
Das Darmmikrobiom ist auch, je nachdem an welcher Stelle im Verdauungstrakt man nachsieht, anders zusammengesetzt. Im Magen und im Zwölffingerdarm haben wir nur sehr wenige Bakterien und nur wenige Arten, da die Magensäure und die Verdauungsenzyme aus der Bauchspeicheldrüse die Bakterien vernichten. Im Dünndarm nimmt vom Anfang bis zum Ende die Anzahl der Bakterien allmählich zu (104 – 105 Bakterien pro ml). Erst im Dickdarm erreicht das Darmmikrobiom sein wahres Ausmaß, hier finden sich zwischen 1011 und 1013 Bakterien pro Gramm Stuhl. Weil im Dickdarm kaum noch Sauerstoff vorhanden ist, gibt es dort hauptsächlich sogenannte Anaerobier, also Bakterien, die ohne Sauerstoff leben können.
Die Darmflora besteht aus Vertretern verschiedener Bakterienstämme, die so komplizierte Namen haben wie Firmicutes, Bacteroidetes, Proteobacteria, Actinobacteria, Fusobacteria und Verrucomicrobia. Das brauchen Sie sich nicht zu merken.
Etwas einfacher und zugleich spannender wird es aber, wenn Sie sich klarmachen: In Abhängigkeit davon, welcher Bakterienstamm im Darm am häufigsten auftritt, werden drei Darmflora-Typen unterschieden. Diese Darmflora-Typen werden Enterotypen genannt und sind im Laufe des Lebens stabil, ein Wechsel des Enterotyps erfolgt nicht.
Enterotyp 1: Bacteriodes-dominanter Typ
Enterotyp 2: Prevotella-dominanter Typ
Enterotyp 3: Ruminococcus-dominanter Typ
Welchen Effekt diese verschiedenen Enterotypen haben, ist Gegenstand der aktuellen Forschung. Sie entscheiden vermutlich zum Beispiel, ob unser Darm ein guter oder ein weniger guter Energieverwerter ist, also ob wir eher zu leicht oder nicht so leicht an Gewicht zulegen.
Das symbiotische Zusammenleben des Menschen mit der Darmflora hat sich im Laufe der Evolution eingespielt und wir kennen viele der Funktionen, die das Darmmikrobiom für uns ausführt, leider noch nicht. Aber sicherlich werden andere Körperfunktionen wie das Immunsystem und andere Prozesse des Stoffwechsels durch die Funktion der Darmmikroben beeinflusst. Daher werden auch nicht nur Verdauungsbeschwerden, sondern auch andere Erkrankungen aus dem Autoimmun- und Stoffwechselbereich mit dem Darm-Mikrobiom bzw. den Enterotypen in Zusammenhang gebracht. Zu diesen Mikrobiom-abhängigen Erkrankungen zählen Diabetes mellitus, Übergewicht, das metabolische Syndrom, verschiedene entzündliche Erkrankungen, zahlreiche Autoimmunerkrankungen und sogar neurologische, psychiatrische und onkologische Erkrankungen. Ich bin gespannt, welche Erkenntnisse sich hier noch ergeben werden.
Nach wie vor wissen wir aber nicht ganz genau, welche Funktionen die Darmflora im Dünndarm genau ausübt. Das perfekte Zusammenspiel zwischen Mensch und Darmflora hat sich über Jahrmillionen herausgebildet. Dabei handelt es sich nicht um ein passives Nebeneinander-her-Leben wie in einem Wohnheim, sondern vielmehr um ein symbiotisches Miteinander-Leben wie in einem perfekt organisierten Dorf.
Wir wissen heute, dass Bakterien untereinander kommunizieren. Außerdem kommunizieren sie mit uns und wir mit ihnen:
Die Bakterien geben Signale an die Nervenzellen des Darmes und sind dadurch an der Regulation von Sekretionsleistung, der Transportgeschwindigkeit, der Schmerzwahrnehmung sowie von Mikroentzündungen beteiligt.
Die Bakterien geben Signale an Immunzellen und identifizieren und präsentieren Eindringlinge und Schädlinge und sind dadurch tatkräftig an Abwehrfunktionen beteiligt. Dies geht sogar so weit, dass die Darmflora unsere Abwehrfunktionen trainiert und abwehrbereit hält. Sie ist sozusagen der Drillsergeant.
Die Bakterien versorgen die Zellen der Darmschleimhaut mit Nährstoffen, insbesondere mit kurzkettigen Fettsäuren. Die Darmflora ernährt uns also sogar.
Die Bakterien der Darmflora kommunizieren sehr intensiv untereinander, dieses Zusammenspiel der Darmflora haben wir im Moment noch nicht verstanden. Solange wir dieses Zusammenspiel noch nicht verstanden haben, können wir eine fehlerhafte Zusammensetzung der Darmflora oder eine krankmachende Überwucherung der Darmschleimhaut auch noch nicht gezielt beeinflussen.
Obwohl wir also die normale, die gesunde Zusammensetzung der Darmflora noch nicht kennen oder verstanden haben, haben wir schon eine Bezeichnung für eine ungesunde Darmflora. Diese ungesunde Zusammensetzung wird als Dysbiose bezeichnet. Eine Dysbiose gilt es zu vermeiden und Ernährungsmaßnahmen sind ein geeigneter Weg zu diesem Ziel.
Einige der Darmbewohner kennen wir heute mit Namen (die sich ganz schön kompliziert anhören). Eine gesunde Darmflora hat hohe Anteile von Bakterien der Gruppen Bacteroidetes und Bifidobacterium und relativ niedrige Anteile von Vertretern der Firmicutes und Proteobakterien. Diese guten Bakterien befinden sich hauptsächlich im Darmlumen und in der äußeren Schicht der schützenden Schleimbarriere. Das Mikrobiom bildet selber als schützende Schicht einen Teil der Darmschleimhautbarriere und kleidet die Oberfläche des Darm-Trakts mit schützenden Bakterien aus. Dieser Schutz ist zum einen ein mechanischer Schutz, denn durch den Platzbedarf verdrängen die Darmbakterien krankmachende Keime. Eine solche eubiotische Darmflora produziert auch wenig entzündungsfördernde Membrankomponenten wie Lipopolysaccharide oder Flagellin. Zum anderen ist es aber auch ein sehr aktiver Schutz, denn die Darmbakterien produzieren Substanzen, die schädliche Bakterien bekämpfen, bevor diese die Darmschleimhaut erreichen. Die Hauptfunktion der im Dünndarm lebenden Normalflora ist vermutlich genau dies: die Unterstützung bei der Abwehr und Verhinderung der Ansiedelung krankmachender Bakterien oder Bazillen.
Durch die Dünndarmfehlbesiedlung wird die Verdauungsleistung reduziert, da die Bakterien Verdauungsenzyme inaktivieren und durch den Bakterienfilm der Fehlbesiedlung der Kontakt zwischen Darminhalt und Darmschleimhaut reduziert und damit die Aufnahme von Nährstoffen beeinträchtigt wird.
Aus der Wissenschaft
Ein wechselnd keimfreier/keimbesiedelter Zustand in Mäusen kann zur Erforschung eines Fehlbesiedlungszustands beim Menschen herangezogen werden. Diesen keimfreien Zustand kann man im Tierexperiment herbeiführen. Auffällig ist, dass in diesen Tieren sowohl strukturelle, also anatomische, als auch funktionelle Veränderungen auftreten.
Zu den strukturell morphologischen Veränderungen zählen die Verkürzung der Dünndarmzotten und Dünndarmkrypten, die Veränderung der Schleimhautzellen in ihrer Form und Größe, die Reduktion der für die Abwehr wichtigen Lymphfollikel und Abwehrzellen sowie eine Veränderung der Entzündungszellen und Entzündungsbotenstoffe.
Funktionell lässt sich nachweisen, dass die Reinigungsfunktion des Dünndarms beeinträchtigt ist, weil die wichtigen Darmkontraktionen, die der Reinigung dienen, seltener auftreten. Eine bestehende Dünndarmfehlbesiedlung unterhält sich im Verlauf also selbst und stellt demnach eine fortschreitende Erkrankung dar. Prinzipiell ähnliche Veränderungen lassen sich auch beim Menschen nachweisen.
Der Artenreichtum der Darmflora ist ein wesentlicher Marker für Darmgesundheit. Die Artenvielfalt spiegelt die Stabilität des Darmmikrobioms und damit der Widerstandskraft des Darms gegenüber schädlichen Einflüssen wider.
Ein Kennzeichen für eine dysbiotische Flora ist das Weicherwerden des Stuhlgangs. Ein weicherer Stuhlgang ist mit einer verminderten Artenvielfalt der Darmflora verbunden, ein flüssiger Stuhlgang enthält fast 25 Prozent weniger Arten als ein Stuhlgang von normaler Festigkeit.
Bei einem weichen Stuhlgang sind vermehrt Bakterien der Gruppe der Prevotellen nachzuweisen, wohingegen fester Stuhlgang von Vertretern der der Ruminococcus-Bacteroides-Gruppe dominiert wird. Je härter der Stuhlgang ist, umso mehr Bakterien der Gattungen Methanobrevibacter und Akkermansia sind im Stuhl zu finden. Dies erklärt, weshalb Menschen mit einem harten Stuhlgang oftmals zu Blähungen neigen, denn Methanobrevibacter fördert die Methanproduktion im Darm. Methan führt auch zu einer zusätzlichen Verlangsamung des Darmtransports, sodass die Aktivität von Methanobrevibacter dazu führt, dass der Stuhl immer härter wird. Methanobrevibacter schafft sich sein ideales Milieu sozusagen selber.
Auch die bakterielle Eiweißverdauung im Darm führt zu einer Methanproduktion und damit zu einer Verlangsamung des Darmtransports. Hieraus können wir schließen, dass ein ausreichender Proteingehalt in der Ernährung den Darmtransport verlangsamt und festeren Stuhl begünstigt. Obwohl uns die gasbildenden Bakterien gut bekannt sind, sind Versuche, die Gasbildung durch Darmfloraänderungen zu beeinflussen wenig hilfreich. Die Beeinflussung der Gasbildung durch Ernährungsumstellung ist hingegen sehr wirksam.
Auch wenn wir derzeit die genauen Funktionen vieler Bakterien noch nicht kennen, können wir einen Zustand der Dysbiose beschreiben, also einen Zustand, in dem die Zusammensetzung der Darmflora ungünstig verändert ist.
Eine Veränderung der Darmflora kann weitreichende Folgen haben:
Dünndarmfehlbesiedlung Wenn wir im Dünndarm zu viele oder die falschen Bakterienarten haben, kann es zu einer sogenannten Dünndarmfehlbesiedlung kommen. Da es sich im Wesentlichen um eine zahlenmäßige Vermehrung von Dünndarmflora handelt, sollte dieses Krankheitsbild besser Dünndarmübersiedlung heißen. Durch diese dysbiotische Zusammensetzung können Veränderungen und Störungen der Verdauungsfunktion entstehen.
Candida Eine veränderte Immunantwort im Darm macht den Darm anfällig für das Verweilen von möglicherweise krankmachenden Keimen (Candida) oder die Besiedlung durch krankmachende Keime (z. B. Clostridium difficile). Dies kann den Dünn- und den Dickdarm betreffen.
Leaky Gut Wenn sich die Darmflora von der Idealzusammensetzung entfernt, also eine Dysbiose entsteht, werden mehr entzündungsfördernde Substanzen gebildet. Die Darmbakterien wandern näher zur inneren Schicht der schützenden Schleimbarriere, bis sie sogar direkten Kontakt mit den Darmschleimhautzellen aufnehmen. Eine direkte Folge dieser Dysbiose kann eine gesteigerte Durchlässigkeit der Darmbarriere (»Leaky Gut«) sein, weil die zur Abdichtung wichtigen Tight Junctions aufbrechen. Transportstörungen im Darm oder Schmerzwahrnehmungsstörungen (hypersensitiver Darm) treten auf.
Diese drei Erkrankungen werden im Kapitel ▶ »Wenn es im Bauch rumort« genauer unter die Lupe genommen! All diese genannten Faktoren tragen auch zu einer leichten Darmentzündung bei, die uns dauerhaft nicht guttut und die mit vielen Darmerkrankungen oder Darmbeschwerden in Zusammenhang gebracht werden kann.
Ganz streng genommen leben wir mit unserer Darmflora nicht in einer reinen Symbiose, also immer zu gegenseitigem Nutzen, zusammen: Das Zusammenleben entspricht eher einer Freund-Feind-Situation, also einem Zusammenleben unter Freunden, das aber durchaus das Potenzial dafür hat, problematisch zu werden.
Wenn alles gut funktioniert, leben wir harmonisch zusammen. In dem Moment aber, in dem sich ein Keim mengenmäßig vermehrt oder die Schutzbarriere der Darmschleimhaut aus irgendeinem Grund geschwächt wird, kann ein eigentlich guter Keim plötzlich zu einem schädlichen Keim werden.
Es ist daher sehr wichtig, unsere Darmbewohner so gut zu pflegen, wie es nur geht. Dabei ist tatsächlich die beste Maßnahme: ein gesunder Lebensstil kombiniert mit einer Darmflora-freundlichen ▶ Ernährung. Und genau das wollen wir Ihnen in diesem Buch nahebringen. Passende ▶ Rezepte finden Sie im zweiten Teil des Buches.
Bei vielen Verdauungsstörungen ist der Zusammenhang mit Veränderungen im Darmmikrobiom sehr naheliegend. Sehr häufig werden mengenmäßige und artenmäßige Variationen der Darmflora im Zusammenhang mit Darmbeschwerden nachgewiesen. Viele Indizien stützen diesen Zusammenhang:
Oftmals ist ein Auslöser von langanhaltenden Verdauungsbeschwerden eine infektiöse Durchfallerkrankung im Urlaub. Hier nehmen die Beschwerden ihren Ausgang, man spricht dann von postinfektiösen Beschwerden.
Manchmal sind Verdauungsbeschwerden mit einer nachweisbaren Reduktion methanproduzierender oder butyratproduzierender Mikroben verbunden.
Insbesondere bei Darmbeschwerden, die mit weichem oder flüssigem Stuhl einhergehen, ist häufig eine Vermehrung der ungünstig wirkenden Clostridien nachweisbar.
Weitere Hinweise auf den krankmachenden Aspekt einer veränderten Darmflora ist die Häufigkeit der Dünndarmfehlbesiedlung, die an späterer Stelle in diesem Ratgeber sehr intensiv besprochen wird.
Auch die Verbesserungen von Verdauungsbeschwerden unter einer FODMAP-reduzierten Ernährung sind ein guter Beleg für die potenziell krankmachenden Eigenschaften einer ungünstigen Darmflora. Auf diese Form der Ernährung wird an späterer Stelle eingegangen werden.
Aber auch indirekte Hinweise wie die Veränderung von Verdauungsbeschwerden durch Antibiotika, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn, und die Verbesserung von Verdauungsbeschwerden durch Probiotika (lebende Bakterienkulturen, die für die Darmflora förderlich sind) oder Präbiotika (durch Verdauungsenzyme nicht abbaubare Nahrungsbestandteile, die auf die Darmflora positiv wirken) sind klare Belege für den Zusammenhang.
Zu den Verdauungsbeschwerden gehören Veränderungen der Darmtransportgeschwindigkeit, Schmerzen und Entzündungen – alles Prozesse, an deren Regulation die Darmflora beteiligt ist.
Problematisch wird es, wenn man die konkrete Zuordnung der Veränderung einzelner Bakteriengattungen zu bestimmten Verdauungsstörungen untersucht. Ganz pauschal gesagt sind bei Verdauungsbeschwerden die günstigen Bifidobakterien und Lactobacillusarten zahlenmäßig reduziert und die Menge eher ungünstigen Vertreter von Enterobacter erhöht.
Schwierig wird es aber im Einzelfall. Bei weichem Stuhl sind Bifidobakterien eher reduziert, die Zahl der Enterobakterien erhöht und Faecalibacterium prausnitzii findet man kaum. Bei hartem Stuhl können Bakterien der Veillonellagruppe erhöht sein. Ausgeprägte Reduktionen von Laktobazillen