Glutvolles Begehren - Linda Lael Miller - E-Book

Glutvolles Begehren E-Book

Linda Lael Miller

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Beschreibung

Als der Ex-Agent Rick Harmon den Auftrag annimmt, Kristin Meyers aus Cabriz zu befreien, macht er es zuerst nur, um ihren Eltern einen Gefallen zu erweisen. Doch in Cabriz stellt er schnell fest, dass er die gefährliche Aufgabe aus einem ganz anderen Grund übernommen hat: Noch immer spürt er heißes Begehren, wenn er Kristin nur sieht. Auf ihrer abenteuerlichen Flucht kommt schon bald die Nacht, in der sich Ricks leidenschaftliche Wünsche erfüllen …

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Seitenzahl: 207

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Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Linda Lael Miller

Glutvolles Begehren

Aus dem Amerikanischen von Sarah Falk

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Copyright dieses eBooks © 2015 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe: 

Escape from Cabriz

Copyright © 1990 by Linda Lael Miller

erschienen bei Silhouette Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.ár.l

Konzeption: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildungen: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Redaktion: Mareike Müller

ISBN eBook 978-3-95576-454-8

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

1. KAPITEL

Das Rauschen des Ozeans verfolgte Rick Harmon bis ins Haus. Er schloss fröstelnd die gläserne Schiebetür, zog sein nasses blaues Sweatshirt aus und warf es achtlos in den großen Wandschrank, in dem Waschmaschine und Trockner untergebracht waren.

Bevor er auch die orangefarbenen Shorts ausziehen konnte, wurde er auf die Bilder aufmerksam, die auf dem Schirm des tragbaren Fernsehers in der Küche flackerten. Wie üblich hatte er vor dem Hinausgehen vergessen, das Gerät abzustellen.

Während er, tropfend vor Nässe und wie gelähmt, in der Küche stand und auf den Bildschirm starrte, machte sich ein schmerzhafter Druck in seinem Magen bemerkbar.

Wie aus weiter Ferne drang die Stimme des Ansagers in sein Bewusstsein: »Die politische Situation in dem kleinen südostasiatischen Staat Cabriz verschlimmert sich stündlich, bedingt durch aufrührerische Gruppen, die einen Regierungsumsturz planen. Laut Aussage eines Sprechers des Außenministeriums befindet Cabriz sich in größter Gefahr … Es ist damit zu rechnen, dass sämtliche ausländische Botschaften geschlossen werden.

Eine wahre Flut von Erinnerungen und Befürchtungen überwältigte Rick bei diesen Worten, und er schloss für einen Moment die Augen. Er wusste, dass der cabrizanische Bauer ein recht träger Mensch war, den außer seinen Reisfeldern und seinen Ochsen nicht viel kümmerte. Aber was die Rebellen betraf … einige dieser Gruppen waren für ihre entsetzlichen Gräueltaten bekannt.

Und Kristin war in Cabriz.

Der Nachrichtensprecher ging zu einem anderen Thema über, und Rick stellte den Fernseher ab. Er blieb nachdenklich stehen, die Hände auf der Anrichte, und rief sich alle Informationen ins Gedächtnis zurück, die er über Cabriz besaß. Was nicht wenig war, da er sich zurzeit seiner Agententätigkeit für den amerikanischen Geheimdienst oft in Cabriz aufgehalten hatte.

Er schenkte sich einen Kaffee ein. Es gab verschiedene aufständische Gruppen in Cabriz, aber fast alle setzten sich aus hitzköpfigen Fanatikern zusammen, die es darauf angelegt hatten, die bestehende Monarchie zu stürzen. Erst vierundzwanzig Stunden zuvor hatte die belagerte Regierung von Cabriz ihre diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Kanada abgebrochen, weil keines dieser Länder zu einer militärischen Intervention in Cabriz bereit war.

Kristin hingegen hatte sich in einem Anfall unfassbarer Dummheit der königlichen Familie von Cabriz angeschlossen. Rick hob die Tasse mit dem dampfenden Kaffee an die Lippen und fluchte verhalten, als er sich den Mund verbrannte. Es fiel ihm auch heute noch schwer, zu akzeptieren, dass Kristin Jascha, den Kronprinzen von Cabriz, heiraten wollte.

Es schmerzte Rick, dass ihre gemeinsame Zeit ihr anscheinend so wenig bedeutet hatte.

Er stellte die Tasse klirrend auf den Tisch zurück. Kristins Lage war bedenklich, um nicht zu sagen, in höchstem Grade gefährlich. Sie konnte im Augenblick in Cabriz nicht viel beliebter sein als Marie Antoinette in Paris nach dem Sturm auf die Bastille.

Rick ballte die Fäuste und schlug zornig auf die Anrichte. Kristin konnte doch nicht in diesen Kerl verliebt sein! Es war einfach nicht möglich.

Um etwas zu tun, griff er nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer, die er nie vergessen hatte.

»Büro Perry King«, meldete sich eine angenehme Frauenstimme.

»Rick Harmon«, war die brüske Antwort. »Verbinden Sie mich.«

Die Sekretärin zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann erklang ein leises Piepen, und Perry war in der Leitung.

»Hallo, Rick«, sagte er herzlich.

Rick ersparte sich jegliche Einleitungen und kam gleich zur Sache. »Welcher Idiot hat Kristin Meyers in dieser Situation die Erlaubnis erteilt, nach Cabriz zu reisen?«

Perry seufzte schwer. »Sie ist hingefahren, um den Kronprinzen zu heiraten. Außerdem ist sie die Tochter eines ehemaligen Botschafters und heutigen Kabinettmitglieds, falls du das vergessen haben solltest. Ein Anruf genügte, und schon hatte sie ihre Reiseerlaubnis.«

»Habt ihr vor, sie dort herauszuholen?«

»Wie du dir sicher vorstellen kannst, sähe der Staatssekretär sie lieber heute als morgen zu Hause, aber wir dürfen nicht vergessen, dass Miss Meyers sich aus freiem Willen in Cabriz aufhält. Schließlich ist sie … wie gesagt, sie wird bald heiraten.«

Seine Worte versetzten Rick einen Stich. »Verdammt, P.K., dieses dumme Ding hat doch keine Ahnung, auf was sie sich da einlässt! Es besteht Gefahr, dass der Prinz sie benutzt, um eine militärische Intervention unserer Regierung zu erzwingen, und Washingtons Einstellung dazu ist dir ja zur Genüge bekannt!«

»Soll das heißen, Rick, dass du bereit wärst, dich persönlich um die Angelegenheit zu kümmern?«

Rick dachte an das stille, friedliche Leben, das er sich aufgebaut hatte. Keine Forderungen, kein Druck, keine dringenden Missionen mitten in der Nacht. Er besaß nicht einmal einen Hund, den er füttern musste.

Alles hatte er sich nach seinen Wünschen eingerichtet. Er unterrichtete politische Wissenschaften am Silver Shores Junior College, weil es eine relativ leichte Aufgabe war und ihm ermöglichte, in der Nähe des Ozeans zu leben. In seiner Freizeit pflanzte er Tomaten an.

»Rick?«, hakte sein Freund und früherer Chef nach.

»Ja, verdammt«, erwiderte Rick und dachte an trotzige grüne Augen und langes braunes Haar, das in der Sonne rötlich schimmerte. »Ich will hinfahren und Kristin herausholen. Sag mir jetzt bloß nicht, dass ich vor achtzehn Monaten den Dienst gekündigt habe. Niemand ist besser für diese Aufgabe qualifiziert als ich. Selbst heute nicht.«

Perry seufzte erneut. »Das ist wahr. Aber ich kann dir keine Zusage geben, bis ich mit einigen Leuten telefoniert habe. Also bleib bitte zu Hause und warte, bis ich mich melde … Hörst du?«

»Ja, ich höre«, knurrte Rick, dann legte er krachend den Hörer auf. Für ihn war es längst beschlossene Sache, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden nach Cabriz aufzubrechen, mit oder ohne Genehmigung aus Washington. Er kannte genug Möglichkeiten, unbemerkt in Cabriz einzureisen und das Land genauso unbemerkt wieder zu verlassen.

Eine Stunde später hatte Rick geduscht und stand in Jeans, Tennisschuhen und einem marineblauen Sweatshirt am Herd und wärmte eine Dose Spaghetti auf. Dabei schaute er sich die Nachrichten im Fernsehen an. Als das Telefon schrillte, hatte er den Hörer schon in der Hand, bevor das erste Klingeln verstummte.

»Harmon«, meldete er sich knapp.

Der Anrufer war ein Mann, der sich zwar beim Präsidenten großer Beliebtheit erfreute, Rick jedoch ausgesprochen unsympathisch war: Kirstins Vater. »Kenyan Meyers«, sagte er brüsk. »Ich habe gerade mit Perry King gesprochen. Er meinte, Sie seien bereit, Kristin zurückzuholen.«

»Richtig.« Kenyan Meyers beeindruckte Rick nicht, er hatte mächtigere Männer als ihn gekannt. Aber nach seiner langen Beziehung mit Kristin war er vorsichtig geworden. Der Staatssekretär besaß den Ruf, es an Giftigkeit mit einer Kobra aufnehmen zu können.

Meyers schwieg einen Moment, bevor er fortfuhr: »Es ist Ihnen natürlich bewusst, dass Kristin vielleicht in Cabriz bleiben will. Vor allem, wenn ihre Hochzeit mit dem Prinzen bereits stattgefunden hat.«

»Das Risiko gehe ich ein.«

»Gut. Eine unserer Maschinen wird Sie in genau zehn Stunden in Seattle abholen – ich nehme an, das Verfahren ist Ihnen bekannt. Während des Fluges erhalten Sie genaue Informationen über den Stand der Dinge in Cabriz.«

»Danke.« Rick wollte schon auflegen, als Meyers hinzufügte: »Bringen Sie meine Tochter nach Hause, Harmon, ob sie will oder nicht. Sie hat keine Vorstellung, in welche Lage sie sich gebracht hat.«

Rick machte sich über Meyers’ Motive, Kristin zurückholen zu lassen, nichts vor. Der Staatssekretär fürchtete nur den politischen Konflikt, der durch die Anwesenheit seiner Tochter in Cabriz ausgelöst werden konnte. »Ich melde mich, sobald ich kann, Mr Meyers«, sagte Rick daher nur, bevor er auflegte.

Kristins Mut ließ merklich nach, als sie neben der verschleierten Frau am Fenster stand und Jaschas Truppen beobachtete, die in den staubigen Straßen von Kiri, Cabriz’ Hauptstadt, aufmarschierten. Die Stadt war sehr verändert, fast nicht wiederzuerkennen. Es fiel Kristin nicht leicht, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass sie nur ein paar Häuserblocks entfernt, in der amerikanischen Botschaft, aufgewachsen war.

Seufzend setzte sie sich auf einen Rattansessel, legte den Kopf zurück und dachte mit geschlossenen Augen an jenen Tag, an dem sie Cabriz verlassen hatte. Sie war siebzehn Jahre alt gewesen und hatte gerade ihren Highschoolabschluss gemacht. Damit war der Moment gekommen, nach Amerika zurückzukehren.

»Ich will mich nicht von dir trennen«, hatte sie im Garten der Botschaft, unter einem blühenden Zitronenbaum, von dem weiße, duftende Blumenblätter herabsanken, weinend zu Jascha gesagt.

Jascha war ein Prinz, in jeder Hinsicht. Mit seinem dunklen Haar, den schwarzen Augen und der eleganten Kleidung, die vom besten Schneider stammte, sah er aus wie ein echter Märchenprinz. Er küsste Kristin sanft auf die Stirn und legte ihr die kräftigen Hände auf die Schultern. »Weine nicht, Kristin«, sagte er rau. »Eines Tages kehrst du nach Cabriz zurück, und dann wirst du meine Königin sein.«

Kristin schluckte. Es fiel ihr schwer, seinen Worten Glauben zu schenken, obwohl sie unzählige Male darüber gesprochen hatten. »Dein Vater hat sieben Frauen«, wandte sie zweifelnd ein. Sie sprach damit das Hauptargument ihrer Mutter aus, warum nie etwas Ernsteres aus Kristins und Jaschas Romanze werden konnte.

Jascha strich mit dem Daumen über ihre Wange. »Du wirst meine einzige Frau sein, kleine Pfirsichblüte. Das verspreche ich dir.«

Kristin vertraute ihm, weil sie siebzehn war und er der erste Mann, in den sie je verliebt gewesen war. Sie warf sich in seine Arme, während ihr Vater ungeduldig von der anderen Seite des Botschaftsgeländes nach ihr rief. Jascha küsste sie zärtlich, bevor er sich von ihr löste, die Ankunft des Botschafters zu erwarten.

Mit leisem Bedauern kehrte Kristin in die Gegenwart und Wirklichkeit zurück. Ihre damalige Beziehung zu Jascha war von ihren Eltern als mädchenhafte Schwärmerei abgetan und nie ernst genommen worden. Einer Heirat hatten sie sich energisch widersetzt. Sie wären vermutlich auch dann nicht zur Hochzeit erschienen, wenn kein politisches Chaos im Land geherrscht hätte.

Kristin seufzte, von einer unerklärlichen Einsamkeit ergriffen. Aber ich liebe Jascha doch! Sie liebte ihn schon seit ihrer Kindheit, seit jenen glücklichen, unbeschwerten Tagen, in denen sie zusammen im Palast gespielt hatten.

Und doch war es nicht Jaschas Gesicht, das ihr in den Sinn kam, als sie ans Fenster trat; stattdessen dachte sie an Rick Harmon.

Schon die Erinnerung an ihn genügte, ihren Zorn zu wecken. Wie lächerlich, an Rick zu denken – er war nichts als ein eingebildeter Abenteurer, der unter Bindungsängsten litt und Verantwortung scheute. Sie hatte ihn nie wirklich geliebt.

Doch die sinnlichen Gefühle, die bei diesen Überlegungen in Kristin erwachten, straften diesen Gedanken Lügen. Es war möglich, dass keine emotionelle Bindung mehr existierte, aber ihr Körper reagierte mit der gleichen Heftigkeit wie früher, wenn sie an Rick dachte.

Zum Glück passiert das nicht oft, überlegte sie ärgerlich. Sie wandte sich vom Fenster ab und schaute sich in dem prunkvollen Raum um, der bis zur Hochzeit ihr Schlafzimmer war. Ein zarter weißer Überwurf bedeckte das breite Bett aus massivem Teakholz, und auf den Rattansesseln lagen bequeme geblümte Kissen. In weniger als vierundzwanzig Stunden würde Kristin dieses Zimmer gegen Jaschas eintauschen.

Sie nahm ihre Kamera vom Tisch und biss sich unbewusst auf die Lippen, als sich ihr die Frage aufdrängte, wie Jascha als Liebhaber sein mochte. Dann strich sie den Gedanken energisch aus ihrem Bewusstsein. Sie würde schon sehr bald Gelegenheit haben, es festzustellen.

Nachdem sie ein Teleobjektiv angeschraubt hatte, ging sie mit der Kamera zur Terrassentür, um Aufnahmen von Jaschas Truppen zu machen. »Das Fototagebuch einer angehenden Prinzessin«, murmelte sie belustigt.

Kristin war so vertieft in ihre Beschäftigung, dass sie die Tür zu ihrem Zimmer nicht aufgehen hörte. Jaschas Anwesenheit nahm sie erst wahr, als er sie sanft zu sich herumdrehte.

Wie immer war sie fasziniert von seinem bemerkenswert guten Aussehen. Sein im Exil lebender Vater war Asiate; doch seine Mutter stammte aus Indien, und von ihr hatte er die großen mandelförmigen Augen geerbt. Er trug elegante Hosen, ein Jackett und ein seidenes Hemd. Eine Uniform legte er nur zu Repräsentationszwecken an. Er nahm Kristin die Kamera aus der Hand – etwas ungeduldig, wie ihr schien – und legte sie beiseite.

»Würdest du gern in die Vereinigten Staaten zurückkehren?«, fragte er mit einem Blick auf seine Truppen, die sie gerade fotografiert hatte. »Es kann jeden Augenblick zu einem Aufstand kommen.«

Kristin kämpfte mit Gefühlen, mit denen sie sich im Moment lieber nicht auseinandersetzte. Aber sie wusste, was Loyalität bedeutete. Deshalb legte sie Jascha die Hand auf die Schulter und schüttelte lächelnd den Kopf. Schon als Kinder hatten sie zusammen gespielt, sich dann als Teenager ineinander verliebt, und später war Jascha nach Massachusetts gekommen, um dasselbe College zu besuchen, an dem auch Kristin studierte. In jener Zeit waren sie täglich zusammen gewesen.

Später, als Kristin nach Kalifornien gezogen war, um ihr Studium weiterzuführen, und Jascha nach Hause zurückgekehrt war, hatten sie sich lange, sehnsüchtige Briefe geschrieben.

Bis Rick in ihr Leben trat. Kristin war überzeugt gewesen, ihn zu lieben, aber vielleicht war es nur sein geheimnisumwobener Beruf gewesen, der sie fasziniert hatte. Jedenfalls war sie bei ihm eingezogen.

Ihre Trennung von ihm hatte eine derartige Verzweiflung in ihr ausgelöst, dass es sie nicht mehr kümmerte, ob sie lebte oder starb. Aber Jascha hatte irgendwie erfahren, was geschehen war, und flog nach Amerika, um ihr in jenen schlimmen Tagen beizustehen. Er war vierundzwanzig Stunden am Tag für sie da, überhäufte sie mit Blumen und Schmuck, entführte sie in seinem Privatjet an ferne Orte und schwor, ihr niemals wehzutun.

In Kristins verwundbarer Position war es ein Leichtes gewesen, sich den Fantasien hinzugeben, die Jascha ihr vorgaukelte. Aber jetzt, weit entfernt von Freunden und Familie, ließ die Benommenheit, die Kristin seit ihrer Trennung von Rick beherrschte, allmählich nach, und sie konnte ihre Zweifel nicht mehr ignorieren.

Jascha senkte den Kopf und küsste sie, ganz leicht zunächst, dann mit zunehmender Leidenschaft. Kristin wartete auf eine körperliche Reaktion ihrerseits, wie sie sich früher, vor Rick, bei Jaschas Zärtlichkeiten eingestellt hatte. Aber es rührte sich nichts in ihr.

Immer noch unwillig, sich mit dem wachsenden Verdacht, einen Fehler gemacht zu haben, auseinanderzusetzen, schob Kristin ihre innere Kälte auf die natürliche Nervosität einer jungen Braut vor der Trauung.

Jascha trat zurück und musterte sie bekümmert. Dann streichelte er ihre Wange und murmelte: »Kristin. Meine schöne, bezaubernde Kristin. Ich habe Angst um dich. Ich hätte dich nicht hierherbringen dürfen.«

Aus der Ferne war das dumpfe Knallen von Gewehrschüssen zu hören. Kristin zwang sich zu einem Lächeln. »Was auch geschehen mag, Jascha, ich möchte an deiner Seite sein.«

Er beugte den Kopf, biss sie zärtlich in den Nacken und berührte ihre Brust.

Zu ihrer eigenen und Jaschas Überraschung schrak Kristin zurück.

Jascha war nicht ohne Temperament. Sein schön geformter Mund verzog sich zu einem königlichen Schmollen. »Du denkst noch immer an ihn«, sagte er anklagend. »An den Mann, mit dem du in Kalifornien zusammengelebt hast.«

Kristin schüttelte den Kopf, obwohl ihr bewusst war, dass er recht hatte. »Nein. Aber ich finde, wir sollten damit warten, bis wir verheiratet sind.«

Jascha verschränkte die starken Arme und maß Kristin mit prüfendem Blick. Zum ersten Mal, das spürte sie, zog er in Betracht, sie gewaltsam seinen Wünschen gefügig zu machen. Obwohl er bisher stets freundlich und zuvorkommend zu ihr gewesen war, kannte Kristin sein legendäres Temperament.

»Du möchtest also keusch bleiben«, bemerkte er gelassen. »Und doch hast du zwölf Monate lang in Rick Harmons Bett geschlafen. Du siehst sicher ein, dass hier ein beachtlicher Widerspruch besteht.«

Kristin trat noch einen Schritt zurück. Diesen Ton hatte Jascha noch nie bei ihr benutzt, es musste an dem Stress liegen, dem er im Moment ausgesetzt war. »Meine Zeit mit Rick war ein Irrtum«, entgegnete sie ruhig. »Wenn ich sie ungeschehen machen könnte, würde ich es tun.«

Jascha kam auf sie zu und schloss sie zwischen sich und dem Bett ein. »Du wirst sehen, dass ich ein mehr als zufriedenstellender Liebhaber bin«, bemerkte er in anzüglichem Ton, während er an ihrer Bluse zerrte.

Panik überfiel Kristin. Während sie früher alles dafür gegeben hätte, diesem Mann zu gehören, fürchtete sie ihn nun, fühlte sich geradezu abgestoßen von seiner Berührung. »Nein, Jascha!«, flüsterte sie erschrocken und kreuzte unbewusst die Arme vor der Brust.

Aber er stieß sie auf das Bett und hielt ihr die Hände über den Kopf. Mit der freien Hand begann er ihre Bluse aufzuknöpfen.

Kristin wand sich verzweifelt und versuchte, sich loszureißen, erfüllt von Angst und Zorn. Plötzlich glaubte sie, wieder die Warnungen ihrer Eltern und Freunde zu hören: ‚Er wird absolute Kontrolle über dich haben – in seinem Kulturbereich sind Frauen Besitzgegenstände – du hast nur den Jascha gesehen, den du sehen wolltest …‘

Gerade als Jascha Kristins Brust halb entblößt hatte und sie mit der Hand umschloss, ging eine der Schlafzimmertüren auf, und May kam mit dem Nachmittagstee herein. Obwohl sie den Blick gesenkt hielt, wie es Sitte war für eine Dienerin in Gegenwart ihres Herrschers, konnten ihr die Vorgänge im Raum nicht entgangen sein. Jedenfalls machte sie keine Anstalten, das Zimmer wieder zu verlassen.

Jascha fluchte unterdrückt. Er ließ Kristin los, stürmte wütend hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.

Kristin schämte sich zu sehr, um May anzusehen. Sie richtete sich rasch auf und richtete ihre Bluse und ihren BH. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, blieb sie stumm.

May beschäftigte sich mit dem Servieren des Tees und stellte kleine Glasschalen mit den süßen Kuchen bereit, die Kristin so gern aß. »Wetter heiß«, sagte sie in ihrem holprigen Englisch. »Vielleicht Miss Kristin baden im Swimmingpool.«

Kristin war ganz übel vor Schreck. Mit Jascha stimmte etwas nicht, das war eindeutig zu erkennen. In all den Jahren ihrer Freundschaft hatte er sie nie körperlich bedroht, selbst wenn sie zugeben musste, dass er manchmal sehr arrogant gewesen war. Aber eben schien er tatsächlich vorgehabt zu haben, sie zu vergewaltigen! Ohne den Tee zu beachten, ging sie zum Telefonapparat neben ihrem Bett.

»Ich habe keine Lust zum Schwimmen«, murmelte sie, sich innerlich eine romantische Närrin schimpfend. Sie hätte es kommen sehen müssen. Sie hätte sich denken können, dass ihre alten Gefühle für Jascha nur aus Kummer über Ricks Verlust wieder aufgelebt waren. »Ich möchte meinen Vater anrufen.«

»Leitung ist tot«, erklärte May flach.

Kristin spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Sie hob den verzierten Hörer auf und legte ihn ans Ohr. Nichts. Kein Ton drang aus der Leitung.

Aber Jascha hatte ihr doch angeboten, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren, bevor er wütend geworden war und sie auf das Bett geworfen hatte? Sie musste ihn suchen und ihm sagen, dass sie ihre Meinung geändert hatte.

Zornig riss sie die Tür auf, stürmte über den mit wertvollen Teppichen ausgelegten Korridor und die breite Treppe hinunter, die in eine prächtige, von glitzernden Kristalllüstern erhellte Eingangshalle führte.

An der Eingangstür stand eine Palastwache. »Wo ist der Prinz?«, herrschte sie den Posten an, ohne sich Gedanken über ihr zerzaustes Haar zu machen oder die Bluse, die ihr noch immer aus der Hose hing.

»Dort«, sagte der Wachtposten mit unbewegter Miene in cabrizanischer Sprache und deutete mit dem Gewehrlauf auf die breite Flügeltür, die in Jaschas Arbeitszimmer führte.

Kristin klopfte kurz und trat ein, ohne eine Aufforderung abzuwarten. Jascha war in ein hitziges Gespräch mit einem seiner Generale vertieft. Seine ärgerliche Miene verriet, dass er über die Unterbrechung nicht begeistert war.

»Ich habe es mir anders überlegt«, sagte Kristin scharf. »Es wird nichts aus der Hochzeit. Ich möchte nach Hause, und zwar sofort.«

Für einen winzigen Augenblick erschien die alte Zärtlichkeit in Jaschas Augen, aber dann wurde sein Blick hart wie Ebenholz. »Dazu ist es zu spät«, entgegnete er schroff, während der General gaffend danebenstand. »Geh in dein Zimmer, Kristin, und bleib dort, bis du gerufen wirst.«

Kristin öffnete vor Verblüffung den Mund und blieb wie angewurzelt mitten im Arbeitszimmer stehen. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt und seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr in ihr Zimmer geschickt worden!

»Geh!«, sagte Jascha mit einer Handbewegung, die bedeutete, dass sie entlassen war.

Aber Kristin trat noch näher an ihn heran. »Was hast du bloß?«, flüsterte sie ihm zu. »Warum führst du dich so auf?«

»Wir sind in Cabriz, nicht in Amerika«, erklärte Jascha kalt. »Hier ist alles anders. Tu jetzt, was ich dir befohlen habe, bevor ich beschließe, dass du gezüchtigt werden musst.«

»Gezüchtigt?« Kristins Zorn war so überwältigend, dass ihr der Atem stockte und sie kein weiteres Wort hervorbrachte.

Ihr mangelnder Gehorsam empörte Jascha. Er rief ein Wort, das Kristin nicht übersetzen konnte, und der Wachtposten vom Eingang kam herein. Ein rascher Wortwechsel erfolgte zwischen beiden, von dem Kristin nicht viel verstand. Dann packte der Posten sie am Arm und zog sie unsanft zur Tür.

Kristin wehrte sich, aber es nützte ihr nichts. »Jascha!«, rief sie entgeistert und voller Zorn, während sie aus dem Raum und die Treppe hinauf geführt wurde.

Kurz darauf stieß der Mann sie grob in einen großen Raum. Dann drehte sich der Schlüssel im Schloss.

Kristin schaute sich blitzschnell um. Es war ein sehr geräumiges, mit kostbaren Möbeln eingerichtetes Zimmer. Sessel und Sofa waren mit farbenfrohen Seidenstoffen bezogen, das riesige Bett war von schweren Damastvorhängen umgeben. In einer Ecke befand sich ein elfenbeingeschmückter Kamin, obwohl in diesem Teil von Cabriz nie Temperaturen herrschten, die ein Feuer gerechtfertigt hätten. Vor einem der Fenster stand ein wunderschöner Schreibtisch aus der Epoche von Louis XIV.

Als Kristin bewusst wurde, dass sie sich in Jaschas Zimmer befand, wuchs ihr Zorn ins Unermessliche. Er besaß die Frechheit, sie einsperren zu lassen wie eine ungehorsame Konkubine, um sie sich zu Willen zu machen, wann immer ihn danach verlangte! Sie warf sich gegen die massive Tür, hämmerte mit beiden Fäusten dagegen und schrie: »Lass mich heraus! Verdammt, Jascha, lass mich sofort heraus!«

Nach einer Weile sank sie erschöpft gegen die Wand. Es war hoffnungslos. Niemand im ganzen Palast, nicht einmal May, würde sich Jaschas Autorität widersetzen und sie befreien. Sie musste schon selber einen Fluchtweg finden.

Sie ging zur Terrassentür, aber ihre Hoffnung verflog, als sie sich über die Brüstung lehnte und die Entfernung zum Hof abschätzte. Sie betrug mindestens neun Meter, und es befanden sich weder Bäume noch Regenrinnen in der Nähe, an denen sie sich herablassen konnte.

Entmutigt ging sie ins Zimmer zurück.

Sie durchsuchte den Schreibtisch nach einem Schlüssel, fand jedoch nichts außer einem Stapel Briefe, die nach süßlichem Parfüm rochen und in cabrizanischer Sprache geschrieben waren. Kristin verstand Cabrizanisch, wenn es langsam und deutlich gesprochen wurde, aber sie hatte nie gelernt, es zu lesen.

Doch man brauchte kein Genie zu sein, um zu sehen, dass sie von einer Frau stammten. Kristin kam sich dümmer vor als je zuvor, als sie die Briefe zurücklegte und ihre Suche fortsetzte.

Eine Stunde später, nachdem Kristin nichts gefunden hatte, was ihr zur Flucht verhelfen konnte, ließ sie sich erschöpft auf Jaschas breitem Bett nieder. Sie schlief ein, und als sie etwas später erwachte, fand sie sich zu ihrem Erstaunen von einer Gruppe verschleierter Frauen umringt.

May war allerdings nicht bei ihnen.

»Was hat das zu bedeuten?«, herrschte Kristin die Frauen an und wollte aufspringen. Aber sie packten Kristin an Armen und Beinen, und eine umklammerte ihren Nacken. Kristin wehrte sich verzweifelt, doch die Frauen waren in der Überzahl und hielten sie fest. »Wer seid ihr?«, schrie Kristin empört. »Was wollt ihr von mir?«

»Mund auf!«, befahl eine von ihnen. Verschwunden war der sanfte, unterwürfige Ton, den sie früher Kristin gegenüber benutzt hatten.

»Lasst mich los!«, zischte Kristin wütend. »Sofort!«

Als keine Reaktion erfolgte, schrie sie Jaschas Namen.

Aber auch das nützte nichts. Ihr rechter Arm wurde hinter ihren Rücken gezerrt und schmerzhaft nach oben gerissen, der Befehl, den Mund aufzumachen, wiederholt.

Kristin blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Sie öffnete die Lippen, und eine bitter schmeckende Flüssigkeit ergoss sich über ihre Zunge. Da sie nicht wagte, sie auszuspucken, schluckte sie sie rasch. »Du Idiot«, murmelte sie dabei und meinte damit sich selbst. Denn jetzt war ihr ganz deutlich bewusst geworden, worauf sie sich eingelassen hatte. »Du dämlicher Idiot!«, beschimpfte sie sich.

Die Frauen fingen an, sie auszuziehen. Kristin wollte sich wehren, stellte jedoch fest, dass eine seltsame Lähmung ihre Muskeln ergriffen hatte. Nun war sie ihren Angreiferinnen hilflos ausgeliefert.

Vor Angst und Frustration füllten sich ihre Augen mit Tränen. Jascha hatte sie belogen, sie und ihre Familie. Er besaß also doch einen Harem – diese Frauen konnten nichts anderes sein als seine Ehefrauen!