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Liebe, Rache, Gewalt, Tod und Leidenschaft. Jeder intrigiert gegen jeden, jeder hat etwas zu verbergen. Ein Filmdreh vor dem Dom, bei dem der berühmte Königinnenstreit der Nibelungensage nicht nur vor der Kamera zu eskalieren droht, sondern auch hinter den Kulissen. >Wie selbstbezogen leben wir eigentlich? Wo beginnt das Gemeinwesen in uns? Die Kosmen "Theater und Film" werden zur großen Bühne der Eitelkeiten und Ich-Sucht.< (Nico)
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Seitenzahl: 145
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ALBERT OSTERMAIER
EINE KOMÖDIE
Korrektur Verlag
Erste Auflage 2016
© Albert Ostermaier
Aufführungsrechte: S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
ISBN: 978-3-9503854-8-9
»Kämpf jetzt, heul später«
Quentin Tarrantino
PERSONEN
TEAM
Konstantin Trauer, ein Produzent
Arsenij Kubik, ein Regisseur
Charlie P. Weide, ein Drehbuchautor
Jörg »the Eye« Roth, ein Kameramann
Hermes Brand, ein Setdesigner
Amira Blume, eine Maskenbildnerin
Carmen, die Assistentin des Produzenten
Musiker
SCHAUSPIELER
Simone Gehel, Kriemhild Worms
Karina Bergmann, Kriemhild Berlin
Nathalie Aurun, Brünhild Worms
Lotte Jünger, Brünhild Berlin
Mohammed Söder, Siegfried
René Inner, Hagen
Klaus Castel, Gunther
ANDERE
Franz Koppoler, Bürgermeister
Peter Scheumer, Society Reporter
STATISTEN
Flüchtlinge
AUF VORPRODUZIERTEN VIDEOS:
Prominente Schauspieler, die sich selbst spielen und absagen sowie
Etzel, Narr und Ortlieb, Kriemhilds Sohn.
PROLOG: Publikumsbeschimpfung
Dreharbeiten vor dem Wormser Dom. Videoscreens. Trailer von Schauspielern, von Webcams überwacht Ein Regieturm. Kubik, der Regisseur, stürmt auf di Bühne, gefolgt von Weide, seinem Drehbuchautor.
KUBIK
Was wollen die Zuschauer hier? Habe ich gesagt, dass ich Zuschauer haben möchte? Lass die Tribünen räumen! Bin ich denn hier nur von Irren umstellt? Zuschauer! Wer hat sich denn diesen Schwachsinn ausgedacht?
WEIDE
Du.
KUBIK
Ich? Pass auf: Es gibt drei Regeln im Leben. Erstens: Es gibt immer ein Opfer. Zweitens: Sei es nicht.
WEIDE
Und drittens?
KUBIK
Drittens habe ich vergessen. Sag’ du es mir, für was bist du mein Autor.
WEIDE
Drittens: Drei Regeln sind eine zu viel.
KUBIK
Viertens: Schaff mir das Publikum hier raus! Wie sehen die denn aus? Soll mich das etwa inspirieren? Wo habt ihr denn diesen Haufen zusammengecastet? Aus der »Gala«? Ist das hier das Dschungelcamp, oder was? Schau dir doch nur an, wie die aussehen! Der da, da da vorne. Der sieht aus wie ein Politiker. Diese Krawatte, dieses Sakko! Wir sind doch nicht in den Achtzigern. Schulterpolster. Am Ende trägt er noch ein Lindenblatt auf dem Rücken. Hol mal die Kostümbildnerin. Nein, bei dem ist nichts zu retten. Der muss umbesetzt werden. Und die da, mein Gott, dieses Kleid! Wie soll ich mit diesem Kleid im Rücken arbeiten, kannst Du mir das erklären, Charlie? Habt ihr hier eine Runde Keuschheitsgürtel ausgegeben und dann die Schlüssel weggeschmissen, oder was? Ich wollte Zuschauer, keine Zurschausteller. Charlie, ich wollte Menschen, echte Menschen.
WEIDE
Was gehst du mir damit auf die Nerven, ich bin doch nicht dein Produzent. Sag es Konstantin. Wo ist Konstantin? Wahrscheinlich gibt er wieder irgendwelche Interviews.
KUBIK
Charlie, ich habe gesagt: Burgunder. Burgunder, Charlie. Nicht Hunnen.
WEIDE
Ich hör mir das nicht länger an, Kubik. Ich bin doch nicht dein Castorp-Behälter. Konstantin! Schafft mir diesen Choleriker vom Hals, sonst mach ich Drachenfutter aus ihm. Das ist ja der nackte Wahnsinn.
KUBIK
Charlie, du bist ein Genie, ja! Charlie, ich muss dich küssen. Das ist die Lösung: Die sollen sich alle ausziehen, hörst du? Alle nackt. Ein nacktes Publikum, ja das geht. Da die Königinnen, die sich die Haut abziehen, und dort die Zuschauer nackt. Die nackte Wahrheit. Kümmere dich drum. Wenn ich wiederkomme, will ich, dass sie alle nackt sind. Die Wahrheit ist nackt. Was Lars von Trier kann, kann ich schon lange. Stell dir das Bild vor, die Kamera schwenkt langsam und dann die Zuschauertribüne voller frierender Nackter, Tattoos, Narben, Piercings, Silikon, Waschbrett- und Bierbäuche. Und alle lachen. Alle müssen lachen. Lachen Brünhild aus. Prob das mit ihnen. Tödliches Gelächter. Ja, das will ich. Gut. Was für eine geniale Idee: Zuschauer. Und wir brauchen Blut, Eimer voll Blut, Tierblut, echtes Tierblut, nicht dieses Ketchup. Es muss nach Blut riechen.
WEIDE
Im Kino riechst du nichts außer kaltem Schweiß.
KUBIK
Sie müssen es riechen, du siehst es in ihren Gesichtern, Siegfriedtöter. Und der Dom in rotem Licht. Hol mir alle Schauspieler her. Nur Karina und Lotte nicht. Die sollen in ihren Wohnwagen bleiben. Die dürfen nicht raus, verstehst du. Die hungern wir aus. Hungrige Wölfinnen. Und dann lassen wir sie auf die anderen und die Zuschauer los. Wie viele Stunden warten sie jetzt schon?
WEIDE
Das ist chinesische Folter.
KUBIK
Was ist Regie anderes als die Lizenz zu quälen? Und was machen sie? Sie lieben mich dafür und sterben vor Eifersucht, wenn ich die eine mehr quäle als die andere.
WEIDE
Mich quälst du auch.
KUBIK
Du bist eine gequälte Natur, Charlie. Du bist das einzige Genie hier, aber keiner kapiert es, und ich sag es keinem. Nur dieses Drehbuch ist Dreck, verstehst du. Und ich bin hier, um aus deinem Klumpen Dreck Gold zu machen. Ich will, dass du mir die Königinnenszene neu schreibst. Jetzt. Schreib sie auf Hagen und Siegfried um. Hagen ist Brünhild und Kriemhild Siegfried. Wir lassen alles von Männern spielen. Wie bei Shakespeare.
WEIDE
Ich war immer davon überzeugt, dass es einem Menschen erlaubt sein sollte, eine Sache gründlich zu versauen.
KUBIK mit Blick auf das Publikum
Die sind ja immer noch nicht ausgezogen!
VIDEO 1: GERMANIA
Kubik mit Weide, Trauer und Carmen, gibt ein Zeichen. Dunkel. Der Screen fährt hoch, Goldflimmern, Unschärfe. Das Gold verfinstert sich, langsam werden Schemen, dann Konturen, schließlich Berlin sichtbar: das Olympiagelände, Macht in Stein, alles ist zu groß, bedrohlich, der Zuschauer wird immer kleiner. Kamerafahrten wie bei Horrormovies, das Auge des Verfolgers. Ein großes, unendlich großes Feld in der Dunkelheit, man sieht die Königinnen, wie sie durch das Gelände irren, panisch, zerstört, stolpernd, stürzend, mit in den Himmel gestreckten Händen wie Furien, unerlöst. Die Kamera kommt ihnen immer näher, bis sie sie fasst in dem Moment, wo sie sich überraschend treffen. Aus dem in Schrecken erstarrten Bild taucht der Schriftzug »Gold«. Dann: »Der Film der Nibelungen«. Ein Schrei. Dann Schnitt: der spielende Ortlieb auf einem Stück ,Tarkowski’-Rasen im BASF-Gelände. Ende des Einspielers.
TRAILER 1: KARINA BERGMANN, KRIEMHILD BERLIN
Sie ist die Beste. Sie ist eine fantastische Mutter. Weißt du? Sie ist eine Mutter für all diejenigen, die Liebe brauchen. Das hat Trauer wirklich gesagt, das hat er zu Kubik gesagt. Die beste Mutter für alle, die Liebe brauchen. Nur weil ich alle auf den Mund küsse. Beste Mutter. Für wen? Für alle, die Liebe brauchen. Wenn er wüsste. Aber er weiß doch, dass ich meinen Sohn nicht sehen darf. Das geht niemand etwas an, weshalb ich ihn nicht sehen kann. Da ist jedes Interview sofort zu Ende. Gut, nicht, weil ich das Sorgerecht, nein, ich hätte das Recht, mich zu sorgen, ich sorge mich um alle, aber… Wir haben eine Vereinbarung, sein Vater und ich. Ich würde ihn jetzt gerne anrufen, meinen Sohn. Seine Stimme hören. Er ist jetzt sicherlich schon ein kleiner junger Mann. »Du bist das Beste, was mir auf dieser Welt passiert ist seit mein Sohn weg ist. Du bist mein kleines Baby. Du bedeutest mir wahnsinnig viel. Es ist schön dass es dich gibt«, habe ich zu Mohammed gesagt. Irgendjemand muss sich ja um diese blutjungen Schauspieler kümmern. Er wusste nicht mal, wie man Kokain nimmt: »Du musst es in einem Rutsch hochziehen. Richtig inhalieren, ganz schnell. Genauso. Auch wenn es brennt. Tut gut oder? Das geht gleich in den Hals. Ja? Das ist der Flash, das ist das Beste daran. Gleich nochmal das andere Nasenloch.« Dann wollte der Kleine einen Schluck Wasser trinken, ich hätte ihm die Flasche geben sollen, er lag auf meinem Schoß, der süße Bengel. Ich brauch 'nen Schluck Wasser, flehte er, bettelte er und wollte schon an meiner Brust saugen. »Nochmal«, drängte ich ihn. »Erst danach bekommst du einen Schluck. Einen Schluck von allem, was du magst.« Ich kümmere mich eben. Ich habe nicht meinen Sohn für das Schauspiel, für den Film geopfert. Ich kann Kriemhild so gut verstehen. Sie haben ihr alles genommen. Ortlieb, ihren Jungen, den hat sie gar nicht gekannt, den haben sie ihr entfremdet, von der Brust weggezogen an Hagens Brust oder sonst was von Hagen. Hagen war Ortliebs Mutter, denk ich mir. Deshalb lässt sie Hagen Ortlieb töten. Sie kann nicht anders, sie ist kaputt. Sie wollte alle lieben, alle, die Liebe brauchen, aber alle wollen nur Rache, Geld, Gold, Gier. Sex, das »Nibelungenlied« ist auch nur Sex, alles sexuell. Die ganzen Schwerter, Drachen, Ritter. Mein Gott, als ich das las, habe ich das Schlimmste befürchtet. Aber die Rolle, da konnte ich nicht nein sagen. Das ist meine Rache, habe ich mir gesagt, endlich. Darauf hast du gewartet. Aber ich habe dennoch gehofft, dass es in eine andere Richtung geht, dass es nicht rauskommt. Was? Ich denke immer, jeder weiß es. Jeder Blick, jedes Flüstern, jedes Lächeln weiß ich, meine Garderobiere weiß es, meine Maskenbildnerin, Siegfried weiß es. Gut.
Ich habe Pornos gedreht. Pornos, ja. Als Kubik sagte, er wolle die Nibelungen als Porno drehen, hätte ich mich fast übergeben müssen und hätte ihm ins Gesicht gekotzt. Ob er es weiß? Nein, niemand weiß es. Vielleicht wäre es eine Befreiung. Endlich keine Angst mehr. Ich gebe Scheumer ein Interview, exklusiv, ich war ein Pornostar. Ich habe das Geld gebraucht, ich war jung, ich wurde ausgebeutet, missbraucht, sie haben mich unter Drogen gesetzt. Ich war ein Opfer, meine Eltern hatten mich verkauft. Nein, die Nummer kauft mir keiner ab, nicht einmal Scheumer. Soll er sich etwas ausdenken, eine Story, Herzschmerz. Die Frauen fühlen mit und die Männer geilen sich dran auf, dass ich nicht mehr eine Heilige bin, sondern sie sich alles vorstellen dürfen. Sie werden alle Pornos durchsuchen, um mich zu finden. Erst der Schock, dass ich in dieser Kunstkacke die Kriemhild spiele und dann auch noch das: sie hat Pornos gedreht. Keiner wird mehr über diesen Film oder Trauer oder Kubik oder diese Nibelungen reden, nein, nur über mich werden sie reden, ich bin der Star. Und ich werde ganz mütterlich am Set sein, mich um alle rührend kümmern, während sie sich in ihrer perversen Phantasie gleichzeitig vorstellen, dass ich die Pornoqueen bin, dass ich alles gemacht habe, dass man mit mir alles machen könnte, dass »Shades of Grey« nur ein Kinderfilm und Schattentheater dagegen ist. Wenn ich die Bühne betrete, wird das Publikum hecheln nach Skandal, nach Sex, nach Entblößung. Die einen fühlen bis zur Selbstaufgabe mit, ja, ich muss dringend heulen beim Interview, zusammenbrechen, sprachlos sein, mich zu Tode schämen, ja, und die anderen sehen in mir die Sexbombe plötzlich, die ich nicht mehr bin. Keine schaut mehr die Junge an, und Kubik und Trauer werden überhaupt nicht auf die Idee kommen, die jüngere zu besetzen für den Königinnenstreit, no way. Und die arme Lotte, sie kann gleich in ihrem Wohnwagen bleiben. Ich spiele beide Königinnen. Karina, die Unschuldige, trifft Karina, den Pornostar. Ich spiele das schizophren. Ich wurde unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. Julia Roberts ein Pornostar, das ist der Vergleich. Julia Roberts gesteht: ich habe einen Porno gedreht. Bombe. Und endlich die Angst weg. Sie können das ganze Internet absuchen, sie werden die Pornos nicht finden. Er hat sie ja nicht veröffentlicht, die Sau. Ich habe ihm alles abgekauft. Er wusste nicht meinen echten Namen, aber, vielleicht. Vielleicht hat er es, hat mich irgendjemand wiederentdeckt. Immer denke ich mir, ich wache auf und es läuft auf allen Kanälen, dass sie meine Pornos entdeckt haben. Ich habe mich an ihm gerächt. Karina, die Rächerin. Kriemhild ist meine Rolle, keine ist besser darin, keiner kann sie besser verstehen, schon gar nicht so eine affektierte junge Theaterschlampe, die auf Punk macht. Karina, die Pornoqueen. Immerhin Queen. Die einzige, die glänzen wird, bin ich. Ich bin Gold wert.
BILD 1: SORRY
Auf dem Screen ist im Standstill Ortlieb zu sehen, in jeder Pupille der Wiederschein einer Königin.
KUBIK
Das ist Ortlieb! Wo sind die Absagen? Ortlieb kommt erst danach! Carmen! Charlie!
KUBIK
Die Absagen kommen wieder rein, oder ich sag alles ab.
WEIDE
Trauer hat sie rausgeworfen.
KUBIK
Ist Trauer der Regisseur oder bin ich der Regisseur?
TRAUER
Ich bin der Produzent.
KUBIK
Und schneidest meinen Film.
TRAUER
Ich bin immer der Letzte im Schneideraum.
KUBIK
Das ist mein Film, das ist in meinem Kopf hier, das gehört nur mir. Du schneidest mir nicht in meinem Kopf rum.
WEIDE
Trauer ist immer die Schere im Kopf. Er hat in all unseren Köpfen Scheren versenkt. Wenn du hier einen großen Röntgenschirm aufstellst, könnten wir »Trauer mit den Scherenköpfen« drehen.
KUBIK
Die Absagen kommen wieder rein, oder ich sag alles ab.
TRAUER
Lass uns das mal versachlichen: Warum willst du die Absagen drin haben? Kaum fängt der Film an, willst du zeigen, wer dir abgesagt hat.
KUBIK
Das ist mein »Apokalypse Now«, verstehst du. Das ist die fucking Metametaebene. Charlie, erkläre es ihm.
WEIDE
Kubik ist Coppola. Worms ist der Kongo und du, Trauer, bist pleite, du hast wie Coppola dein ganzes Geld in diesen Film gesetzt. Also: Erst irren die unerlösten Königinnen über das Reichstagsgelände….
TRAUER
Das ist ja gut, sehr gut, das fängt toll an.
WEIDE
…und dann kommen die deutschen Brandos und Nickelsons und sagen ab. Das ist schon der erste Verrat.
KUBIK
Von wegen Nibelungetreue. Das ist Vietnam. Diese ganze Filmförderung ist wie Napalm auf dem deutschen Film.
WEIDE
Die Stars sagen also ab und lassen den Film allein in den Krieg ziehen. Schon bevor es beginnt, ist alles verloren und determiniert.
KUBIK
Was verfilmen wir? Das »Nibelungenlied«, es ist das Nationalepos der Deutschen, wir drehen am Originalschauplatz. Und trotzdem, diese Idioten: sie sagen ab. Warum? Wovor haben sie Angst?
WEIDE
Jeder denkt sich, über dem Film hängt ein Fluch.
KUBIK
Alle haben sich gegen den Film verschworen, verstehst du: die Stars, die Geschichte, das Wetter, die Politik. Und dann beginnt er, der Film, against all odds und geht seinen Weg. Das wird der Nationalfilm.
TRAUER
National?
WEIDE
Er hat gesagt, er versteht Hitler.
KUBIK
^ Das habe nicht ich gesagt. National, ich meine, das »Nibelungenlied« ist das Nationalepos der Deutschen und Gold, das wird ihr Nationalfilm. Der Film der Nibelungen wird der Film der Deutschen. „Gold“, der Film der Deutschen. Das meine ich.
WEIDE
Alles, was er anfasst wird zu Gold. Selbst, wenn er in die braune Scheiße greift, nicht?
KUBIK
Ich bin kein Nazi. Wer sieht hier aus wie Göring, ich oder du? Warum habe ich denn Siegfried, den deutschesten aller deutschen Helden, mit einem Türken besetzt? Hast du gesehen, wie bei der WM die Fahnen aussahen? Das war nicht nur Schwarz-Rot-Gold, da war auf dem Rot ein Halbmond.
WEIDE
Weil bei der WM keiner so schön die deutschen Fähnchen in den Wind gedreht hat wie die Türken. Du meinst die Hunnen sind längst da? Und wir haben Deutschdoof brav die Sichel integriert, die uns die Köpfe abrasiert?
TRAUER
Hört auf, Euch zu streiten. Söder ist eine geniale Besetzung.
WEIDE
Welcher jetzt?
TRAUER
Mohammed. Die Medien werden uns feiern, das ist eine Revolution, da hat Kubik recht.
WEIDE
Eine Revolution?
KUBIK
Los jetzt, Ende der Diskussion, wir haben keine Zeit zu verlieren.
TRAUER
Nein, nur Geld.
KUBIK
Worauf wartet ihr? Carmen, hol mir Mohammed. Warte, da kommt er schon. Sag Hagen und Günther, sie sollen sich bereithalten. Mohammed!
SIEGFRIED
Kubik. Glaub mir, ich tu‘s nicht gern, gar nicht.
KUBIK
Es ist doch nur ein Drache, Mohammed.
SIEGFRIED
Das ist kein Drache, das ist eine Frau.
KUBIK
Und du bist mein Mann!
SIEGFRIED
Du hast mir gesagt, Mohammed, du bist mein Siegfried, Mohammed, du brauchst kein blondes Haar, um einen Drachen zu töten. Du bist Deutschland, Mohammed, hast du gesagt, Alter, aber, ich mach das nicht, ich vergewaltige keine Frauen, Kubik, no way.
KUBIK
Aber Siegfried vergewaltigt sie und nicht du, nicht du Mohammed.
SIEGFRIED
Nur, weil ich Muslim bin, vergewaltige ich keine Frau, Kubik, auch wenn mich Deutsche dazu anstiften.
KUBIK
Gunther ist dein König.
SIEGFRIED
Ich bin selbst ein König.
KUBIK
Sie missbrauchen dich.
SIEGFRIED
Auch wenn ich das Opfer bin, und ich bin das Opfer, Kubik. Auch wenn ich sie für Gunther ficke, weil er ein fetter Deutscher ist und keinen mehr hochbekommt: Ich bin nicht sein Schwanz verstehst du?
KUBIK
Das sieht man doch nicht.
SIEGFRIED
Ich bin beschnitten. Ich bin der Moslem. Auch, wenn ich kein Türke, sondern Deutscher bin, für sie alle da am Set, im Kino, für diesen Boulevardschreiberling da, für alle bin ich Türke, weil meine Fresse Türke ist, weil mein Body Türke ist, Kubik. Weil ihre Stilaugen mich zum Moslem machen, egal, was ich bin, kapierst du?
KUBIK
Aber du bist Türke.
SIEGFRIED
Ich bin deutscher als du, merk dir das. Du bist Russland, ich bin Deutschland. Du kommst aus Sibirien, aber ich aus Lemberg. Ich bin so Deutsch, dass es wehtut. Aber selbst wenn du mir eine Perücke aufsetzt, was die da draußen sehen ist: der Moslem vergewaltigt die deutsche Frau, obwohl Brünhilde keine Deutsche ist. Das ist das Bild in deren Köpfen! Der Türke vergewaltigt nicht nur unsere Frauen, sondern klaut sich auch noch den Körper von unserem Nationalhelden. Dabei schenke ich ihm meinen Körper, Alter.
KUBIK
Du bezahlst es mit dem Tod.
SIEGFRIED
Ich will nicht sterben.
KUBIK
Siegfried stirbt.
SIEGFRIED
Aber ich bin Siegfried und ihr seid alle Hagen und rammt mir das Messer ins Kreuz.
KUBIK
Dir passiert das Gleiche wie Brünhild. Aber sie muss sogar weiterleben.
SIEGFRIED