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Sargtoni, der Sargschreiner, hat vor dem Tod keine Angst, schon gar nicht im Sommer – Sargschreiner, glaubt er, sterben zur Fastnachtszeit. Aber kaum hat er diese Gewissheit an einem heißen Augustabend ausgesprochen, tauchen aus der Unterwelt drei sonderbare Figuren auf: ein Teufel, eine Katze namens Hoffmann und der Schwarze Geiger, der Sargtoni zum Verwechseln ähnlich sieht. Die drei Unterweltler beginnen den Sargschreiner zu verfolgen und zetteln im Dorf plötzlich eine »unzeitige« Fasnacht mitten im Sommer an. Nach vielerlei komödiantischen Verwicklungen und Liebeshändeln sieht sich Sargtoni genötigt, in seinem letzten und schönsten Werk, einer venezianischen Gondel, Platz zu nehmen und überzusetzen in eine andere Welt. Er stirbt, von Masken umringt, an einem Güdelmontag – dem Schweizer Rosenmontag –, im August.
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Seitenzahl: 57
Thomas Hürlimann
Güdelmäntig
Eine Komödie
FISCHER E-Books
KATZE HOFFMANN
DER TEUFEL
DER SCHWARZE GEIGER
SARGTONI
(wird vom selben Darsteller gespielt wie der Schwarze Geiger.)
ZITA
seine Frau
MÖRI
sein Geselle
ELIANE SCHÖNBÄCHLER
mit Möri verlobt
URSI LAGLER
LAGLER
ihr Mann
HORAT
dessen Gehilfe
ZUNDLER
Totengraber
ROSI OCHSNER
Gastwirtin im Paracelsus
GEORGES
ihr Kellner
LILI KURELLA
Gemüslerin
FRAU GÜPF
FRAU GNEPF
KORNER
Gemeindeanamann
BISIG
Lehrer
MUTZ
Metzger
BRISTEN-DOMINIS DOMINI
Auf dem Friedhof.
Sargtoni kauert auf einem verwilderten Grab und lauscht nach unten, ins Totenreich.
Lagler, der Dorfpolizist, mit einer Flasche Bier. Im Schatten döst Horat, der Hilfspolizist, und hinter einem Grabstein schläft Zundler, der Totengraber.
SARGTONI
Entweder, ich han e Stich. –
LAGLER
Oder?
SARGTONI
Oder es rodt sich da unne e Lych.
LAGLER
E Lych. Wo sich rodt. Prost!
SARGTONI
Zundler! He, Zundler!
ZUNDLER
(erwacht.) Scho Fyrabig?
SARGTONI
Lauf i d Wärchstatt, Zundler, lauf gschnell, hol mer de Möri, my Gsell! Lauf!
(Zundler humpelt davon, ab.)
LAGLER
(zu Horat.) Er ghört öppis geiste.
HORAT
Er wird zvill Sunne gfange ha, üse Sargtönel.
SARGTONI
Nüd Sunne!
(Er packt die beiden Polizisten im Genick und hält ihre Köpfe übers Grab.)
Ghöred ers chrose?! Kristall bricht und Ys!
Ursi Lagler kommt.
URSI
Mer glaubtis nid!
HORAT
(zu Lagler.) Dyni Alt!
URSI
Mer traumtis nid! S isch no nid emal Fyrabig, und die Manne sind scho wieder vollträsteret. Ufstah!
LAGLER
De Sargtoni will öppis vernoh ha vo dunne.
URSI
So. Was?
LAGLER
(zu Sargtoni.) Sägs!
SARGTONI
Ja. Heiss hütt.
LAGLER
(zu Sargtoni.) Fecker!
URSI
Mer chas nid ei Minute usem Aug lah! Los, jetz ghörid iher uf de Poste, muess go choche.
(Ursi, Lagler und Horat ab.)
SARGTONI
Ich ghörs lärme da unne, als tätid Hummel schwärme. Trichler trichlid, Chatze miauid!
Zundler führt Möri, den Gesellen, auf den Friedhof.
ZUNDLER
Dett hockt er, dy Chef. Abelose muess er, abelose!
MÖRI
Üsi beste Stuck sind halt verlochet.
ZUNDLER
Hähä, de Töckter gahts nid anders.
MÖRI
Was gits?
SARGTONI
E Hühenerhuut hani, mer chönnt Chäs dra ryble.
MÖRI
Das macht d Hitz.
SARGTONI
Ghörsch nid?
(Er packt ihn im Genick und hält seinen Kopf über das Grab.)
Ich muess es jetz wüsse! Ich muess es wüsse!
ZUNDLER
Werum verstrudlet s Badwannewasser rächtsume furt? Und z Nüüseeland unne umgekehrt?
SARGTONI
Hä?
ZUNDLER
Nüüseeland! Und werum, Chef, gseht de Atompilz über Hiroshima wenes Hirn uus?
SARGTONI
Bi nur e Sargschryner.
ZUNDLER
Iher chönnd meh als Brot ässe.
SARGTONI
(geschmeichelt; steckt ihm eine Zehnernote zu.) Nid zum Versuufe, gäll.
ZUNDLER
Iher sind ä Wältsma!
(Er versteckt sich, ab.)
MÖRI
(deutet auf das Grab.) Ich ghör nüd.
SARGTONI
Schwörsch mers?
MÖRI
Ja. – Us Zink müsst mers äbe mache.
SARGTONI
D Särg? us Zink?!
MÖRI
Au üsi Kunst will ewig sy.
SARGTONI
Vergiss es!
(Er stapft davon, ab.)
Zita kommt, Sargtonis Frau.
Dann Eliane Schönbächler.
ZITA
Chunnts ächt no go wättere hütt?
MÖRI
De Chef isch hie. –
ZITA
My Ma?
(Sie lacht.)
Was ächt, Möri. D Sargschryner und Töckter machid e Boge ume Friedhof ume.
MÖRI
Er het mi lah cho.
ZITA
Uf de Friedhof?
MÖRI
Ja. Weiss de Tüüfel, werum. Ei Schikane jagt die ander.
ZITA
Go bade simmer gsy. Vo de Manne hemmers gha. Wenn iher wüsstid, Möri! De no d Sunne dezue … und vom See här das Windli. Ha schier gmeint, es gramsli öppis über myni Huut.
MÖRI
Chäfer.
ZITA
Vo de Hitz villicht.
MÖRI
Villicht was?
ZITA
Isch d Libido verwachet.
MÖRI
Bisch giggerig?
ZITA
Du nid?
MÖRI
Nänei, halt immer es bizzeli.
ZITA
Also. Gib mer de Schmutz!
MÖRI
D Eliane!
(Möri und Zita ab.)
Zundler taucht wieder auf.
ELIANE
(tritt hervor, blickt ihnen nach.) Wär ich de Sargtoni, ich tät där Gsell zum Tüüfel jage!
ZUNDLER
Was hätsch devo? En Verlobte ohni Arbet.
ELIANE
No hütt wird si glöst, die Verlobig. No hütt!
ZUNDLER
Das hesch scho mängisch gseit.
ELIANE
Jetz isch gnueg Heu dunne. Mit de Chefi go schmuuse! Am heiterhelle Namittag! Uf em Chilehof!
Sargtoni.
SARGTONI
Isch er furt?
ELIANE
Wer?
SARGTONI
My Gsell.
ELIANE
Mier doch egal.
SARGTONI
Hend er wieder krieget, iher zwee?
ZUNDLER
Wenns no lang eso wytergaht, gahts nümme lang eso wyter.
SARGTONI
(schmeisst einen Stein nach ihm.)
Cheib!
ZUNDLER
Er ghörts gwittere.
ELIANE
Gwittere?
ZUNDLER
Jaja! Aber dunne! dunne!
(Ab.)
SARGTONI
Wotsch nid au emal lose?
ELIANE
Wo –
SARGTONI
Da!
(Er packt sie und will ihren Kopf nach unten drücken, hält aber inne.)
ELIANE
Sargtoni! –
SARGTONI
Bring mi uf Oberwil!
ELIANE
I d Astalt?
SARGTONI
Id Gummisäl. Stimmeghöri. Stimme!
ELIANE
Nid da unne settid Iher lose.
SARGTONI
Wo suscht?
(Sie schweigt.)
Use mit de Sproch!
ELIANE
Lah mi! Lah mi la gah!
(Sie flieht, ab.)
SARGTONI
En ysige Huuch im heisse Summer? Nei. Was nid sy cha, cha nid sy. Ich ha all Tasse no im Schrank, und d Särg sind immer no us Holz, Gottseidank. –
(Er entdeckt Zundler, packt ihn, hält seinen Kopf übers Grab.)
Zundler.
SARGTONI
Ghörsch du öppis?
ZUNDLER
Dyn Schatte. –
SARGTONI
Hä?
ZUNDLER
Bleich isch er.
SARGTONI
My Schatte –? Chumm mer nid fräch, du huere Graber!
(Zundler verschwindet, ab.)
SARGTONI
Mier Sargschryner stärbid immer zur Fasnachtszyt. Immer! So ischs em Urgrossvatter passiert, au em Grossvatter, und my Vatter – ich weiss es no, als wärs erst gester gsy – isch amene Güdelmäntig gange, lang isch es här. Heissa heissa hou hou hou, d Chatze sind chätzig gsy, und Tüüfle hend tüüflet. Nänei, jetz im Summer chunnt üs Sargschryner kä Tödel z gumpe. Do chömmer tue wie mer wend. Do chömmer em Schwarze Gyger Zunge zeige und e Nase trülle, fisifii fisifii niene ghör ich, du Fisigügg, du Schmachti, du Süüversüüder, dys Gygeli figge. Stimme vo dunne – Seich! Summer isch, im Saft bini und Zyt hani – zum verchaufe!
Das Grab tut sich auf, und aus der Tiefe kommen: der Teufel und die Katze Hoffmann.
BEIDE
Heissa heissa hou hou hou
Jetzt simmer chou
Jetz simmer dou
Mier chaufid dyni Zyt
Und dich demit
Gahsch im Zenit
Gahsch im Zenit
SARGTONI
Was sind das für zwe! –
HOFFMANN
(schelmisch.) Mit üsem Schwanz?
TEUFEL
(ebenso.) Mit üsem Fudi?
HOFFMANN/TEUFEL
Hudi simmer, Hudi!
SARGTONI
Summer isch. Heiss. Jetz gits kei Fasnacht hie by üs.
TEUFEL
Bisch sicher?
SARGTONI
Furt mit üch! Verschwindid! Erst im Winter sind er a de Zyt, und bis i Winter – isch no wyt!
(Er flieht, ab.)
TEUFEL
Warts ab, du Punggelgrind
Wenn mier erst z dritte sind
Isch d Fasnacht hou hou hou
Scho halbe dou dou dou
HOFFMANN
Miau au au
Mier sägids, Schryner, zu dym Chummer
S git e Fasnacht zmitzt im Summer
BEIDE
Denn der Kerl, der nun auftaucht
Aus tiefem Winter, kalt umraucht