Gute Arbeit! - Marion King - E-Book

Gute Arbeit! E-Book

Marion King

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Beschreibung

Unsere Welt ist in Aufruhr.
Unsere Arbeitswelt leider nicht.


Selbst in wilden Zeiten wie diesen versuchen wir unsere Zusammenarbeit nach einer Idee zu managen, die über 100 Jahre alt ist. Das ist ziemlich verrückt. Noch viel verrückter ist, dass wir alle diese »alte Arbeit« einfach mitmachen – obwohl sie uns nicht wirklich glücklich oder zufrieden macht. Wenn wir wollen, dass Arbeit besser wird – gemeinsamer, leichter, sinnvoller, gesünder, gerechter, angemessener, nachhaltiger und vielleicht sogar freudvoller, müssen wir uns auf den Weg machen. Und zwar wir alle. Weil WIR ALLE (zusammen) die Arbeit sind – nicht »die Anderen« oder »die da oben«. Wie ein neues, ein gutes Arbeiten und Verändern gehen könnte, dafür gibt es in diesem Buch jede Menge Ideen und Anregung, Konzepte und Methoden, ganz konkrete Lösungen, Erfahrungen und Erprobtes aus der Praxis.

In diesem Buch gibt es vor allem eins: Ermutigung. Fürs Selberdenken und Selbermachen. Man nennt es Selbstwirksamkeit.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Zum Inhalt:

Unsere Welt ist in Aufruhr. Unsere Arbeitswelt leider nicht.

Selbst in wilden Zeiten wie diesen versuchen wir unsere Zusammenarbeit nach einer Idee zu managen, die über 100 Jahre alt ist. Das ist ziemlich verrückt. Noch viel verrückter ist, dass wir alle diese »alte Arbeit« einfach mitmachen – obwohl sie uns nicht wirklich glücklich oder zufrieden macht. Wenn wir wollen, dass Arbeit besser wird – gemeinsamer, leichter, sinnvoller, gesünder, gerechter, angemessener, nachhaltiger und vielleicht sogar freudvoller, müssen wir uns auf den Weg machen. Und zwar wir alle. Weil WIR ALLE (zusammen) die Arbeit sind – nicht »die Anderen« oder »die da oben«.

Wie ein neues, ein gutes Arbeiten und Verändern gehen könnte, dafür gibt es in diesem Buch jede Menge Ideen und Anregung, Konzepte und Methoden, ganz konkrete Lösungen, Erfahrungen und Erprobtes aus der Praxis.

In diesem Buch gibt es vor allem eins: Ermutigung. Fürs Selberdenken und Selbermachen. Man nennt es Selbstwirksamkeit.

Zur Autorin

Marion King zählt zu den Pionierinnen der »New Work«- Bewegung. Seit über 20 Jahren arbeitet und lehrt sie zu den Themen Digitalisierung, Zukunft von Arbeit und Transformation. Sie ist die Gründerin von Les Enfants Terribles, einer Beratung, Initiative und Community für neue Arbeit. Vom »STRIVE Magazine« wurde sie deshalb zu den 10 Top-Female Business Influencerinnen gewählt. Als Beraterin, Speakerin und Autorin unterstützt sie Menschen in ihrer Selbstwirksamkeit, um einen Beitrag für eine zeitgemäße und zukunftsfähige, für eine gute und verantwortliche Arbeit zu leisten.

gute arbeit!

eine anstiftung zur selbstwirksamkeit

marion king

»ich glaub’ an dich.«

Hannah King

6inhalt

7das vorwort Wer hat hier die Macht?

Eine philosophische Einleitung von Natalie Knapp

der zustand der arbeit

Vier Perspektiven Mitarbeiter:innen

Organisationen

Chef:innen

Unterstützer:innen

Wer jammert, hat noch Reserven Die eigentliche Einleitung zum Buch

alte arbeit

Kein richtiges Leben im falschen Über den Zustand unserer Welt

Die Wurzeln unserer Arbeit Die Herren Taylor, Fayol und Ford

Taylor meets IT Die dritte und vierte industrielle Revolution

Hat sich denn nichts verändert? Wie das mit der Arbeit weiterging

Was sich immer noch hält und für uns normal ist …

8neue arbeit

Ein ganzes Dorf Wie es zu »New Work« kam

»New Work«-Mythen und Missverständnisse

Danke Frithjof Bergmann! Über die Quelle von »New Work«

Von neu zu gut zu …. Ein Perspektivwechsel

Was die Welt braucht Verantwortliche Organisationen

Es geht um alles Ein passendes Betriebssystem

Was das »neue Arbeiten« ausmacht …

machen

Warum verändert sich nichts? Zwölf »gute« Gründe

Einen neuen Umgang finden Über gute Veränderung

»Neue Arbeit« selber machen Über die Selbstwirksamkeit

Loslegen Drei Schritte

Über die Geduld Ein paar gute Worte für den Weg

9inspirationen

Neue Männlichkeit New Work needs New Men

New (Generation) Female New Work als feministische Praxis

Eine neue Schule Wie sich Selbstwirksamkeit entfalten kann

Ein neuer Job Über das »Gerne-Prinzip«

ein anhang

Was ganz gut ist, zu lesen Absolute Lieblingsbücher

Zum Vertiefen Das Literatur- und Quellenverzeichnis

Dankeschön

»die häufigste art, wie menschen ihre macht aufgeben, besteht darin, zu denken, dass sie keine haben.«

Alice Walker1

11das vorwortwer hat hier die macht?

Eine philosophische Einleitung von Natalie Knapp

Gute Arbeit beginnt mit dem Gefühl, etwas bewirken zu können. Dieses Gefühl setzt dann die Energie frei, die wir brauchen, um Impulse zu geben, die schließlich Ergebnisse hervorbringen, die uns freuen und dadurch neue Ideen anstoßen, die wiederum zu Impulsen werden und immer so weiter. Gute Arbeit etabliert einen Energiekreislauf und ist eine Form von Kreislaufwirtschaft.

Um so einen Kreislauf aufbauen zu können, muss man zuallererst daran glauben, selbst wirksam sein zu können. Denn nur wer sich selbst als wirksam erlebt, weiß, dass er die Macht hat, etwas zu verändern.

Wie viele andere habe ich während des ersten Lockdowns der Pandemie zu backen begonnen. Ein instinktiver Impuls hat mich dazu gebracht, Rezepte zu wälzen, Teig zu kneten und den Backofen einzuschalten. Erst viel später habe ich begriffen, dass mich dieser Impuls mit dem essenziellen Wissen verbunden hat, dass ich die Macht habe, mein Leben zu gestalten. Jeder von uns hat dieses Wissen, man muss es nicht erwerben, denn es ist angeboren. Aber schon nach wenigen Berufsjahren liegt es oft unter vielen Enttäuschungen verborgen und unter vielen Schichten von falschen Annahmen über die Welt, die zu weiteren Enttäuschungen führen, die uns schließlich lähmen.

So glauben wir etwa, die Macht für große Veränderungen liege in den Händen weniger, die am oberen Ende des Organigramms sitzen und fragen uns, was wir als kleine Rädchen im Getriebe ausrichten können.

Die Wahrheit ist allerdings: niemand hat die Macht für große Veränderungen. Kein Konzern, kein CEO, keine Präsidentin, keine Partei und auch keine Führungskraft. Aber alle haben ein bisschen davon, weil Macht immer ein Stück mit verteilten Rollen ist. Das gilt übrigens für alle Lebensbereiche. Und zwar auch dann, wenn uns die Organigramme glauben lassen, die wahre Macht für Veränderungen liege an der Spitze der Verantwortungspyramide.

12Im familiären Umfeld mag es beispielsweise so aussehen, als hätten Eltern Macht über ihre Kinder, weil sie Entscheidungen treffen dürfen und die finanziellen Mittel kontrollieren. Aber in der Realität haben die Kinder schon als neugeborene Babys die Macht, ihre Eltern dazu zu bewegen nachts alle zwei Stunden aufzustehen, um sie zu füttern. So ähnlich sind die Machtverhältnisse auch in hierarchisch organisierten Unternehmen verteilt. Es mag so aussehen, als würden alle wichtigen Entscheidungen ganz oben getroffen. Doch in der Realität werden die meisten Entscheidungen vom mittleren Management vorbereitet, welches von der Arbeit der Teams abhängig ist, die sich auf andere Teams beziehen, die u. a. von der Leistung der Kantine abhängig sind und immer so weiter. Die reale Machtstruktur eines Unternehmens ist ein soziales Netzwerk, das in das größere soziale Netzwerk der Gesellschaft eingebunden ist, das von historischen Entwicklungen abhängig ist, die von politischen Entscheidungen gesteuert werden, die häufig auch von Zufällen abhängen und immer so weiter. »Selbst Kanzlerinnen oder Konzernlenker, die nach allgemeiner Ansicht die Zügel des Geschehens in der Hand haben, klagen häufig über Machtlosigkeit und allgegenwärtige Sachzwänge, die ihnen kaum Spielraum in ihren Entscheidungen ließen.«, schreibt daher Ulrich Schnabel in seinem wunderbaren Buch »Zusammen: wie wir mit Gemeinsinn globale Krisen bewältigen«. Einer der prägenden Begriffe von Angela Merkels Regierungszeit sei daher das Wort »alternativlos« gewesen. Ihrem Nachfolger sei es nicht anders ergangen und Umweltaktivist:innen verzweifelten immer noch regelmäßig daran, dass ihnen die mächtigsten Politiker:innen der Welt sagen, sie würden ja gerne, könnten aber nicht anders. Wegen der Wähler:innen, der Wirtschaft, der aufgeheizten Stimmung im Land, weil kein Geld da ist oder wegen anderer Sachzwänge. Auch die Mächtigsten fühlen sich also derzeit machtlos und genau das sollte uns hellhörig machen.

In der Zeit der Pandemie war es besonders schwer, sich selbst als wirksam und machtvoll zu erleben, weil man auf so viele äußere Umstände keinen Einfluss hatte. Aber viele wussten intuitiv, dass es darauf ankam, sich trotzdem als wirksam zu erleben. Sie haben ihre Wohnungen renoviert, den Keller aufgeräumt oder für andere eingekauft. Wir konnten die äußeren Umstände nicht ändern, aber wir konnten durch solche Tätigkeiten einen essenziellen Unterschied in unserer unmittelbaren Umgebung erzeugen. Die Freude über diesen sichtbaren und spürbaren Unterschied hat uns die Energie gegeben durchzuhalten. Weil uns gar 13nichts anderes übrigblieb, haben wir uns zu Hause einen kleinen Energiekreislauf guter Arbeit gebastelt. Aber je länger die Pandemie anhielt, desto schwerer wurde es, diesen Energiekreislauf aufrecht zu erhalten. Erstens, weil schließlich alles aufgeräumt war, zweitens, weil immer mehr Probleme dazu kamen, die mit Bordmitteln nicht gelöst werden konnten und drittens, weil wir alle von Natur aus soziale Wesen sind und daher darauf angewiesen, dass unsere Anstrengungen nicht nur durch Ergebnisse belohnt werden, sondern auch durch unvorhersehbare Impulse und positive Rückmeldungen von anderen sozialen Wesen. Dafür brauchen wir dann einen großen Energiekreislauf guter Arbeit. Wenn dann noch eine angemessene Bezahlung dazukommt, erscheint die Arbeit gut genug, um die Sache von Montag bis Freitag durchzustehen.

Führungskräfte und alle, die mitgestalten wollen, brauchen allerdings noch etwas mehr. Um sich relativ regelmäßig auf die Arbeit freuen zu können und auch am Ende ihres Lebens noch mit ihrem Lebenswerk zufrieden zu sein, brauchen sie noch drei weitere Zutaten, um ihren großen Energiekreislauf guter Arbeit komplett zu machen:

Erstens brauchen sie gute Gründe zu glauben, dass es einen Unterschied macht, ob sie ihre Arbeit ganz persönlich erledigen oder irgendein*e andere*r. Und zwar nicht nur für ihren Kontostand, sondern weil sie eigene Ideen und Impulse einbringen und ihren Job auf eine ganz persönliche Weise erledigen – mit ihren Werten, ihrem Engagement und ihrem Charakter.

Zweitens müssen sie erleben, dass ihre Impulse Resonanz erzeugen, so dass langfristig auch ihr Team in einen Energiekreislauf guter Arbeit hineinwächst.

Und drittens brauchen sie zumindest eine Ahnung davon, dass ihre Arbeit auch die Ressourcen des Planeten nicht einfach nur aufzehrt, sondern langfristig mitwirkt an einem Wandel, der Zukunft stiftet. Denn ohne diese Zutat werden sie vielleicht mittelfristig gerne zur Arbeit gehen, sich aber langfristig und im Rückblick die Haare raufen.

Erst wenn das alles zusammenkommt, werden sie als Person mit Gestaltungswillen auch dauerhaft gerne zur Arbeit gehen. Denn zu spüren, dass man mit seiner Arbeit einen Unterschied macht, dass andere die eigenen Impulse wertschätzen, sie weitertragen und als Verbündete an einer gemeinsamen Sache arbeiten, ist nichts weniger als ein wichtiger Teil vom Sinn des Lebens. Denn Sinnerleben hat nichts mit zu erreichenden Zielen 14zu tun, sondern ist das erfüllende Gefühl, dass sich das eigene Leben in die richtige Richtung bewegt. Das war übrigens die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Sinn und wir finden sie heute noch in dem Wort Uhrzeigersinn. Eine Uhr hat kein endgültiges Ziel, aber sie bewegt sich in Richtung Zukunft.

Gute Arbeit ist also nichts anderes als ein nachhaltiger Energiekreislauf, der Sinn stiftet. Sie erkennen ihn daran, dass Ihre Arbeit Ihre Lebensenergie nicht nur aufzehrt, sondern auch immer wieder neue erzeugt. Und nicht nur Sie selbst, sondern auch Ihr Team, Ihr Unternehmen und die Welt sind ein Teil davon.

Um in diesen Kreislauf nicht nur einzutreten, sondern ihn auch langfristig erhalten zu können, muss man eine Menge wissen – über sich selbst, die Welt und den derzeitigen Zustand der meisten Unternehmen. Vor allem aber muss man an sich glauben und sich auf den Weg machen in Richtung Zukunft. Und genau dabei wird Sie das Buch unterstützen, das Sie gerade zu lesen begonnen haben. Es wird Ihnen Mut machen, Tools an die Hand geben, Wissen vermitteln und sie auf angenehmste Weise begleiten.

Gute Reise!

Lese-Empfehlungen

Die unfassbare Vielfalt des Seins. Jenseits menschlicher Intelligenz

James Bridle, C.H. Beck (2023)

Zusammen: Wie wir mit Gemeinsinn globale Krisen meistern

Ulrich Schnabel, Aufbau Verlag (2022)

15Dr. Natalie Knapp ist Philosophin, Keynote Speakerin und Autorin populärer Sachbücher. Sie ist Dozentin der ZEIT Akademie, der Liechtenstein Academy und der Leuphana Universität Lüneburg. Als Mitglied verschiedener Expertengremien ist Dr. Natalie Knapp ebenso im Einsatz wie als Leiterin von Seminaren und Akademiewochen für Führungskräfte. Zu ihren wichtigsten Themen gehören Komplexität, der Umgang mit Unsicherheit, die Psychologie von Netzwerken, die Flexibilität des Denkens sowie die Frage, wie man in bewegten Zeiten angemessene Entscheidungen trifft.

16Um was es in diesem Kapitel geht …

Unsere Arbeitswelt ist in großen Teilen weder effektiv noch nachhaltig und glücklich macht sie schon gar nicht. Dazu gibt es jede Menge offizielle Studien; man braucht für diese Erkenntnis aber auch einfach nur mit ein paar Menschen sprechen – oder in sein eigenes Herz schauen.Trotz all dem verharren wir brav im gewohnten »System Arbeit«, glauben, das muss alles so sein, machen einfach weiter wie bisher, warten auf die »da oben«, dass sie uns sagen, was wir zu tun haben und wie wir es machen sollen. Das kann nicht sein!Weil WIR ALLE, die wir arbeiten, die Arbeit sind. Und damit jede:r von uns. Wir können unser Wohl nicht »den anderen« überlassen. Wir können nämlich etwas – beitragen, ver­ändern, machen. Das bedeutet aber, weniger folgsam zu sein und mehr selbstwirksam zu werden. Alle. Jede:r.

17der zustand der arbeit

18vier perspektivenmitarbeiter:innen

Seit 2005 führt die Unternehmensberatung Gallup die »State of Global Workplace«-Studie durch.1 Es ist die weltweit größte und langfristigste Studie über das Engagement von Menschen bei ihrer Arbeit. Jahr für Jahr sagt uns Gallup, dass die Menschen beim Arbeiten nicht wirklich glücklich sind, dass viele nur Dienst nach Vorschrift machen, dass sie sich nicht gesehen, wertgeschätzt, gefordert fühlen. Sechs von zehn Mitarbeitenden wissen zum Beispiel nicht genau, wie sie tatsächlich beitragen können oder sollen und warum was wichtig ist. Sie erfahren keine Unterstützung und fühlen keine Bindung zu ihren Kolleg:innen, ihrem oder ihrer Chef:in oder ihrer Organisation. 44 % der Befragten geben zudem an, dass sie Stress beim Arbeiten empfinden.

Gut, dass es diese offiziellen Studien gibt, aber eigentlich wissen wir das alles auch selbst – zumindest aus der Kaffeeküche. Arbeiten ist (in der Regel) das, was wir irgendwie machen, weil wir irgendwie unser Geld verdienen, Miete und Versicherungen und ein Auto bezahlen, unsere Familie ernähren müssen. Und weil wir dann noch ein bisschen Geld brauchen, um wirklich Spaß im Leben zu haben. Ausgehen, Hobbies, schöne Klamotten, Urlaub. Für die meisten Menschen ist es nämlich genau das: ein Müssen. Nix Purpose. Freude und Leichtigkeit gehen anders. Zwischendurch gibt es immer mal wieder kleine Hoffnungsmomente: ein Change-Projekt! Hey, eine neue Vision, eine neue Mission, neue Werte, neue Powerpoints, neue Berater:innen, jede Menge Workshops und Post-its und große Versprechungen. Und dann: passiert leider meist doch nichts, was einen wirklichen Unterschied machen würde, wirklich etwas bewegt, verändert. Mitarbeitende sind gefrustet von unzähligen Ankündigungen, nicht getroffenen oder nicht umgesetzten Entscheidungen, von unsäglichen Meetings, fast schon traumatisiert von dem, was sie jeden Tag am Arbeitsplatz erleben und vorgelebt bekommen. Verrückterweise spüren oder wissen die Menschen meist ziemlich genau, was anders laufen müsste und sogar, wie das gehen könnte. Sie hätten auch richtig gute Ideen und vor allem Lust, etwas beizutragen. Sie könnten das 19auch. Menschen sind ja nicht doof. Aus irgendwelchen Gründen machen sie es aber nicht (mehr) oder nur im Rahmen dessen, was irgendjemand anordnet oder zulässt.

organisationen

Dann gibt es da die »andere« Seite: die Unternehmen, die Organisationen. Ihnen sagt Gallup jedes Jahr von Neuem, dass sie Unsummen an Geld verlieren, weil sie das mit dieser Zusammenarbeit nicht wirklich gut hinkriegen, dass die Menschen unglücklich, unmotiviert und unzufrieden sind. Das ganze Dilemma kostet die Weltwirtschaft jährlich circa 8,8 Milliarden Dollar, das sind 9 % des globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP).1 Richtig viel Geld also.

Leider können sie sich darum aber nicht kümmern, weil sie sich im Dschungel der immer größer und komplexer werdenden sonstigen Herausforderungen zurechtfinden müssen. Das Titelbild des »Chief Economists Outlook«, ein Bericht des World Economic Forums, zeigt dieses Jahr eine düstere Wolkenlandschaft mit einem kleinen bisschen Sonnenschein dazwischen.2 Im Intro steht, dass der Ausblick »gloomy«, also düster sei. Da wird von drohender globaler Rezession, den Auswirkungen der weltweiten Spannungen durch Kriege und Krisen, der Unsicherheit im Energie-, aber auch im Arbeitsmarkt gesprochen, ganz abgesehen von den gestiegenen Energie- und Ernährungskosten. Im »Future of Jobs Report 2023« kann man nachlesen, dass die Einführung neuer Technologien einer der wichtigsten Treiber der Geschäftstransformation sein wird.3 In den nächsten fünf Jahren müssen sich deshalb 44 %(!) der Qualifikationen maßgeblich verändern. Die Liste der To Do’s ist also seeeehr lange. Alles hängt mit allem zusammen und betrifft nicht nur »die Großen«. Dazu kommt das eigentliche Tagesgeschäft, das ja irgendwie auch noch erledigt sein will, die ständige Forderung nach Profitabilität, irgendwelche Stakeholder-Interessen, noch mehr wachsen und innovativer sein. Wie soll man dabei noch diese ganzen Menschen führen, entwickeln oder motivieren, damit sie überhaupt etwas arbeiten, etwas richtig und das vor allem effizient machen, damit sie 150 % geben, top performen, lieber ins Büro kommen als zu Hause die Wäsche zu waschen, auf jeden Fall fünf statt vier Tage die Woche arbeiten und jetzt bloß nicht kündigen. Was für 20eine Anstrengung, die alle auch noch irgendwohin mitnehmen zu müssen – wenn sie denn überhaupt nur wöllten, was ja fraglich ist.

chef:innen

Wiederum laut Gallup sind DER Erfolgsfaktor für die Motivation und das Halten von Mitarbeiter:innen sowie für Veränderung: die Führungskräfte.4 Chef:innen (eigentlich ja auch Menschen), also die, von denen wir immer gedacht haben, dass sie alles sicher in der Hand haben, alles entscheiden und wirklich verändern könnten, vor allem genau dafür bezahlt werden, das »Management«, hat es anscheinend auch nicht so gut. Der »Change Management Kompass 2020« von Porsche Consulting, sagt, dass 64 % der Führungskräfte glauben, dass sich ihr Unternehmen in den nächsten zwei Jahren tiefgreifend verändern wird, traurigerweise schätzen sie ein, dass aber nur 20 % der strategischen Transformationen das gewünschte Ergebnis erreichen werden.5 Und laut einer Studie der »Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin« (BAuA) fühlen 41 % der Führungskräfte eine hohe emotionale Anforderung und sind damit um ein Vielfaches anfälliger für Burnout als die »normalen« Mitarbeitenden.6 Eine »Harvard Business Review«-Studie beschreibt die Auswirkungen von Ängsten von Führungskräften auf ihr Handeln.78 Diese Ängste reichen von als inkompetent (man nennt es auch Betrüger- oder Impostersyndrom), als Nicht-/Under-Performer oder als zu verletzbar angesehen zu werden bis zur Angst, von Kollegen politisch attackiert zu werden und sich idiotisch anzustellen. Nicht wenige Untersuchungen zeigen übrigens auch, dass viele CEOs pathologisch narzisstische Störungen haben, die dazu führen, dass sie viel zu impulsiv, zu waghalsig, nicht berechenbar sind und vor allem an Selbstüberschätzung leiden.

Kein leichter Job also. Viele wollen deshalb auch gar keine Führungskraft mehr sein oder werden. Dieses Dilemma könnte damit zu tun haben, dass Führung in erster Linie durch diese komischen Karrierepfade in den Unternehmen entsteht – nicht aus wirklichem Interesse an der Aufgabe, aus Leidenschaft oder Talent. Und dass es meist an tatsächlicher Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnis fehlt. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass Führungskräfte in der Regel nicht wirklich für 21ihren Job ausgebildet sind. Okay, manche waren schon mal auf einem Führungstraining oder haben BWL studiert, aber das habe ich auch und habe nicht das Gefühl, dass mir das bei meiner Arbeit jemals geholfen hätte. Die große Frage bei all dem ist: braucht man Chef:innen eigentlich überhaupt noch – und wenn ja, für was genau?

unterstützer:innen

Und dann gibt es noch eine Seite. Nennen wir sie die »Unterstützer:innen«. Das sind interne Rollen wie Human Resources, Personal- und Organisationsentwicklung oder auch der Betriebsrat. Gerade im »New Work«-Kontext erfahren sie aktuell die ein oder andere kritische Diskussion ob ihrer tatsächlichen Notwendigkeit und Wirksamkeit. Es ist ein diffiziles Thema, weil sich diese Menschen ja auch immer für die Miarbeitenden oder für eine gute Kultur einsetzen. Tatsächlich hätten sie gerade jetzt die große Chance, unsere Arbeitswelt von innen heraus zu erneuern, mit Blick auf Zukunftsfähigkeit neu zu gestalten. Um als Impuls- und Sparringspartner dafür aber ernst genommen zu werden, müssten sich viele von ihnen neu aufstellen, nutzerzentrierter denken und handeln, »neue« Konzepte und Methoden selbst ausprobieren und leben und letztlich eine stärker unternehmerische und strategische Perspektive einnehmen. Aus vielen Diskussionen weiß ich, dass das Management und Führungskräfte genau das vermissen und sich deshalb oft ihre eigenen Wege suchen.

Womit wir bei den Berater:innen wären. Ich weiß, das ist meine eigene Zunft… Sie leben ja entweder davon, dass Unternehmen intern zu wenige Stellen oder nicht die richtigen Menschen mit dem richtigen Knowhow haben und/oder von der Idee, dass jemand »von außen« die besseren Ideen hat. Laut einer Studie des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater e. V. (BDU) haben sie 2022 dafür in Deutschland 43,7 Milliarden Euro verdient.9 Tendenz steigend; im Übrigen auch bei den Tagessätzen. BDU-Präsident Ralf Strehlau sagt: »Ohne Katalysatorfunktion und neutralen Blick von außen wird die notwendige Transformation bei vielen … nicht gelingen können«. Das könnte gut sein, aber laut einer Studie von KPMG»erzeugten 73 % der Transformationen (dabei) weder Wachstum noch verbesserte Profitabilität«.10 Was bitte läuft da also schief?

22Ich glaube, dass das mit den »Unterstützer:innen« deshalb nicht so wirklich gut funktioniert, weil sie ein unglaublicher Bypass sind. Sie sollen für Erfolg oder Performance an Stellen sorgen, an die es nicht gehört. Diese Konstrukte lenken zu oft davon ab, die eigentlichen Themen anzugehen und für wirkliche Veränderung und Verantwortung zu sorgen. Die Kompetenzen und Erfahrungen von vor allem Organisationsentwicklung und Transformation gehören mitten rein die Organisation, zu allen Mitarbeitenden. Weil: ALLE im Unternehmen für gute Arbeit verantwortlich sind. Dazu gleich mehr.

23wer jammert, hat noch reservendie eigentliche einleitung zum buch

Ich weiß… Das klingt alles ein bisschen düster. Und schwarz-weiß. Und ich weiß, dass das natürlich nicht überall so ist und es nicht allen so geht. Und, dass es viele gute Leute gibt, die einen guten Job machen und sich vor allem auch für ein anderes Arbeiten einsetzen.

Aber anscheinend reicht es noch nicht aus – also für ein wirklich gutes Arbeiten, überall. Nicht nur die offiziellen Studien zeigen die eher miserable Lage von Zusammenarbeit und Veränderung, die meisten Menschen, mit denen man über ihren Job spricht, brechen nicht gerade in Jubel aus. Und wer das beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, muss sich nur eine Folge der Vorabendserie »Die Rosenheim Cops« anschauen, deren Büroszenen ein wunderbares Abbild dieses Zustandes sind.11

Es sind aber auch meine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen – als frühere Angestellte, als Mitarbeiterin, als Führungskraft und als Organisationsentwicklerin.

Ich erinnere mich zum Beispiel an meinen allerersten Chef, der uns alle schlimm terrorisiert, gegen dessen Verhalten sich aber niemand gewehrt hat. Alle im Team haben einfach mitgemacht. Und, der mir in der ersten Woche im Unternehmen am Eingang gesagt hat »Frau King, wenn Sie irgendwann hinter mir in diese Drehtüre gehen und vor mir wieder rauskommen, dann haben Sie es geschafft!«. Was soll man dazu sagen?… Ich erinnere mich auch an meine Schulzeit, in der man mir erklärt hat, ich sei nicht kreativ, weil ich nicht so toll zeichnen konnte wie andere. Es hat mich Jahre gekostet, festzustellen, dass sich Kreativität auch anders als beim Malen zeigen kann.

In meinem Beratungsjob habe ich so viele (zum Teil wirklich grauenhafte) Change- oder Transformationsprojekte erlebt, seit über 20 Jahren spreche ich dazu mit jeder Menge Menschen – in den unterschiedlichsten 24Positionen, in den unterschiedlichsten Organisationen. Es sind die Erfahrungen vieler meiner Kund:innen und Kolleg:innen, mit denen ich zusammenarbeite und mit denen ich mich im Vorfeld zu diesem Buch ausgetauscht habe. (Und ja, wir Berater:innen haben definitiv unseren Anteil an all dem.)

Es ist ja auch nicht so, dass nicht von allen Seiten nach Veränderung, nach Transformation oder sogar Disruption oder Revolution verlangt würde. Chef:innen verlangen es von ihren Mitarbeitenden, die Mitarbeitenden von ihren Chef:innen, Organisationen von den Berater:innen, die wiederum von den Organisationen. Gleichzeitig hält sich hartnäckig die Überzeugung, dass sich Menschen ja gar nicht verändern können und vor allem gar nicht wollen. Und auch gleichzeitig wächst wie verrückt der Markt für Kurse, Coachings und Bücher zur Selbstentwicklung, geben Menschen privat viel Geld dafür aus, suchen nach Neuorientierung, fangen an, aus diesem System auszusteigen – nicht nur diese merkwürdige Generation Z. Es scheint, die Menschen könnten sich also durchaus verändern – zumindest scheinen sie es zu wollen.

Und auch gleichzeitig halten die meisten unser »System Arbeit« für normal, für gegeben. Arbeiten ist halt so. Trotz eines scheinbar großen Leidensdrucks machen wir im großen Ganzen unverändert weiter. Auf Social Media kann man (vornehmlich freitags) sehen, wie das alles nur noch mit Zynismus auszuhalten ist. Sprüche mit vielen Likes und Lachsmileys versehen wie »Ich weiß gar nicht, was du beruflich machst. Ich auch nicht. Ich gehe da einfach nur hin.« oder »Was möchtest du in deinem Leben noch erreichen? Freitag!« zeigen unser Verhältnis und unsere Nicht-Liebe zur Arbeit. Sie sind auch Ausdruck davon, wie sehr all das zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

Keine:r tut so wirklich nachhaltig etwas dafür oder dagegen. Weder die Menschen, die das alles jeden Tag mitmachen, noch die Unternehmen, die so viel Geld und Energie verlieren. Wir verbringen einen so großen Teil unserer Lebenszeit »auf Arbeit«, Arbeiten trägt so sehr zu unserem Selbstverständnis und unserem Selbstwert bei, Lohnarbeit und Geldverdienen bestimmen unser Leben, unser Wohl und Wehe. Ist das Gewohnheit, Aussichtslosigkeit, Ratlosigkeit? Oder geht es uns einfach »trotzdem« noch oder zu gut? Und wer ist schuld daran, dass sich dieses, man möchte es fast schon Drama nennen, also dieses Arbeiten nicht (grundlegend) verändert? Wer sitzt am längeren Hebel? Wer fängt mit dem Verändern an? Und wie soll das bitte wirklich wirklich gehen?

25Das ist doch alles verrückt.

Das Problem ist das System, sind die Systeme, die wir uns über die Jahre gebaut haben – mit all dem, was dazu gehört. Und da »die Verhältnisse das Verhalten prägen« – wie es Kai Matthiesen, Judith Muster und Peter Laudenbach in ihrem Buch »Die Humanisierung der Arbeit« schreiben, haben sich die Menschen, haben wir uns all dem einfach angepasst.12 Oder wie William E. Deming, einer der Pioniere des Qualitätsmanagements, gesagt hat: »A bad system will beat a good person every time«.13

Was immer in den Organisationen verlangt, bezahlt, belohnt, gesehen, gewertschätzt wird, machen die Menschen irgendwie und bestmöglich eben mit. Aus Gehirn-Perspektive ist das sehr ökonomisch. Dabei geht es in unserem Wirtschaftssystem in erster Linie um immer mehr Wachstum, um Höher-Schneller-Weiter, um finanzielle Gewinne und Profitabilität, um Stakeholder-Befriedigung. Es geht für alle darum, ein:e Gewinner:in zu sein. Und da Wirtschaft eben auch »halt so« ist, uns letztlich einiges an Annehmlichkeiten beschert und damit den Arbeitsschmerz gefühlt ausgleicht, hinterfragt auch das keine:r so wirklich.

Das Allerverrückteste ist, dass wir unsere Zusammenarbeit selbst in wilden Zeiten wie diesen immer noch nach einer Idee managen, die vor mehr als 100 Jahren entstanden ist, bei der sich ein Herr Taylor (zu dem kommen wir gleich) überlegt hat, uns alle mechanistisch zu organisieren. Unsere Organisationen sind so gebaut, dass sie möglichst, wie geölte Maschinen funktionieren. Das folgt auf der einen Seite der Annahme, dass es unser Gehirn schlicht und sicher mag und auf der anderen Seite, dass es Menschen gibt, die glauben, dass sie besser als andere sind und/oder die gerne die Macht oder Kontrolle über andere haben.

Menschen funktionieren aber eben nicht einfach so. Sie haben Gefühle und Bedürfnisse und Sorgen, eine eigene Motivation oder Intention und sogar einen eigenen Willen, Ideen und Erfahrungen. Das scheint in vielen Organisationen aber keine:n so wirklich zu interessieren. Zu anstrengend! Manchmal auch zu psycho oder eso. Wahrscheinlich hoffen viele Chef:innen heimlich auf die Roboter.

Die Tatsache, dass sich unsere Welt in den letzten Jahren ein kleines bisschen verändert hat und es in den kommenden Jahren ziemlich wahrscheinlich noch viel mehr tun wird, scheint an den Organisationen spurlos vorübergegangen zu sein. Genauso wie dieser große Fundus von »New Work«, von Konzepten und Methoden für ein zeitgemäßeres Arbeiten. Vor 26allem scheint das wohl spurlos an so manchem:r Chef:in vorübergegangen zu sein, der oder die am tatsächlichen Hebel sitzt, die Veränderung in vielen Fällen aber leider erfolgreich verhindert. Und das bei all dem Schmerz, den das Arbeiten, auch für Führungskräfte ganz augenscheinlich erzeugt. Es ist nun mal so, dass Organisationen in der Regel von »ganz oben« gebaut, gesteuert, beherrscht und vor allem erhalten werden.

Die Welt ist in Aufruhr.

Die Arbeitswelt aber leider nicht.

Ich kann dieses Einfachweiterso nicht mehr hören und nur noch schwer aushalten. Und mit mir, Gott sei Dank, auch sehr viele andere Menschen nicht.

Das Gute ist: »Wer jammert, hat noch Reserven«. Die Autorin Karen Duve sagt das so schön.14 Da geht doch noch was. Ich weiß ganz sicher, dass da noch was geht, dass es anders geht – das mit dem Arbeiten und das mit dem Verändern. Und nein, nicht in irgendwelchen Berliner Startups oder »New Work Bubbles«, sondern in Organisationen und Unternehmen aller Art, aller Größen, aller Branchen, mit und durch Menschen allen Alters, aller Herkunft und Hintergründe, Geschlechter, Ausbildungen und Jobtitel uswusf. Selbst mit Menschen, die zu dieser scheinbar unwilligen Generation Z gehören, oder mit den sogenannten »Widerwilligen« oder »Frustrierten«, die anscheinend keine Lust auf Veränderung oder Lernen haben, weil sie eh schon zu lange im Unternehmen oder kurz vor der Rente sind. Es stimmt einfach nicht.

Tatsächlich gibt es sehr viele Menschen, die große Lust haben (oder hätten), zu gestalten, mitzumachen, anzupacken. Ich weiß es deshalb, weil ich es jeden Tag in meiner Arbeit erlebe, weil ich es im Austausch mit Kund:innen und Kolleg:innen höre und, vor allem, weil ich es in meinem Berufsleben, für mich selbst erfahren habe.

Man nennt es Selbstwirksamkeit.

Diese Selbstwirksamkeit ist wie eine Quelle, die in uns wohnt, die uns nährt und stärkt. Wir können jederzeit ins Weltgeschehen eingreifen – in unserem Wirkkreis. Dessen Umfang und Ausmaß können wir selbst bestimmen. Auch jederzeit.

27Wir ALLE sitzen nämlich an besagtem langem Hebel für ein gutes Arbeiten, für Veränderung. Wir können es – selbst. Weil wir alle zusammen das System Unternehmen, Organisation, Wirtschaft, Gesellschaft sind.

WIR sind die Arbeit.

Damit ist JEDE:R einzelne von uns die Arbeit. Jede:r kann beitragen. Und jede:r wird gebraucht. Wir alle, also jede:r von uns ist auch verdammt nochmal in der Pflicht, in der Verantwortung, einen Beitrag dafür zu leisten, dass unser Arbeiten ein gutes ist. Man kann nicht einfach teilnahmslos am Spielfeldrand stehen.

Dabei geht das mit dem Verändern IMMER und zu jeder Zeit. In jedem Augenblick, in jedem Moment können wir uns immer und immer wieder (neu) entscheiden, immer loslegen. In Zeiten wie diesen braucht es zwar auch den großen Wurf, aber eben auch die vielen kleinen Schritte. Von JEDEM:R von uns.

Und übrigens ist JETZT ein wirklich guter Moment dafür. Diese Zeit ist eine große Chance, neue »Betriebssysteme« zu entwickeln. Systeme, die den Anforderungen unserer Zeit und unserer Zukunft gerecht werden – für die Unternehmen, für die Menschen darin und letztlich für unsere Welt. »Die Verhältnisse prägen das Verhalten« – lasst uns also die Verhältnisse verändern. Johann Heinrich Pestalozzi hat gesagt »Die Umstände machen den Menschen; aber ich sah eben so bald: Der Mensch macht die Umstände, er hat eine Kraft in sich selbst, selbige vielfältig nach seinem Willen zu lenken«.15

Trauen Sie Ihrem Gefühl! Es stimmt! Arbeit muss und kann anders gehen. Aber das Wundern, das Empören und das sich Ärgern alleine taugen leider nichts. Es geht ums Machen. Ums Anfangen.

Wir müssen die alten Konzepte und Mythen über Arbeit und Erfolg hinterfragen, über Bord werfen und loslassen. Und uns dann auf den Weg hin zu zeitgemäßen und zukunftsfähigen Lösungen machen. Im Notfall auch gegen bestehende Konventionen. Frithjof Bergmann, der Begründer von New Work hat gesagt: »Gehen … muss man diesen Weg selbst, und zwar auf ureigene, selbst gefundene und nicht vorgeschriebene Art. Denn man erreicht die Freiheit nur dadurch, dass man nicht »folgsam« ist«.16

In diesem Buch geht es um dieses »Nicht-Folgsam-Sein«.

28Es geht um die Unsinnigkeit unseres überalterten Arbeitssystems samt seines kruden Menschenbildes und den Maßstäben von Wohlstand.

Ein Hebel für die Veränderung ist, sich zu fragen, wem hier was nutzt. Wem nutzt es, dass sich nichts verändert? Und wem müsste oder könnte es nutzen, dass sich etwas verändert?

Ein wichtiges Thema im Buch ist, wann Arbeit, wann ein Unternehmen, eine Organisation eine gute ist – für alle Beteiligten und Betroffenen. Und für diese Zeiten. Also gesund und nachhaltig und trotzdem unternehmerisch. Es geht auch um den »New Work«-Begriff, um Mythen und Missverständnisse und einen guten Blick darauf.

Überhaupt ist diese Idee von »New Work« der Rahmen für das Buch. Es ist wie eine Art Nordstern, der Kontext fürs Verändern, für die eigene Selbstwirksamkeit.

Das Buch ist eine Essenz aus über 20 Jahren Organisationsentwicklungsarbeit – aus dem Teil, der funktioniert hat. Es sind meine Erfahrungen, es ist meine Sicht und Perspektive auf Arbeit. Ich bin Anwenderin, Ausprobiererin, Adaptiererin. Das Buch ist also gnadenlos subjektiv.

Es ist ein Appell, das eigene Arbeitsleben, die eigene Arbeits- und damit Lebenszeit nicht (weiter) zu vergeuden, nicht einfach ewig weiter im alten Trott mitzumachen. Es ist ein Aufruf, das Alte zu boykottieren. Aber lieber nicht zu kündigen und zu fliehen, sondern in den Unternehmen, in den Organisationen zu bleiben und dort Einfluss zu nehmen. Wir brauchen Sie da! Sonst bleiben die Doofen übrig.

Das Buch soll in erster Linie eine Ermutigung sein, unser Arbeitssystem zu verändern. Weil es nämlich wirklich wirklich geht – das gute Arbeiten.

Es ist eine Anstiftung für (mehr) Selbstwirksamkeit.

Für jede:n von uns.

P.S. Für alle, die beschlossen haben, dass sie so weiterarbeiten und weitermachen wollen wie bisher: Buch einfach jetzt zuklappen und weglegen oder gleich wegwerfen, im schönsten Fall noch verschenken. Das wird sonst eh nix.

29Eine wichtige Anmerkung zum Buch

Der Begriff der »Arbeit« ist ein ziemlich großer. Care-Arbeit, Ehrenamt, Vereins- oder politische Arbeit, aber auch Arbeitssuchende und Erwerbslose gehören zu unserem »System Arbeit«. So gesehen sind wir eben auch NICHT alle die Arbeit, weil es Menschen gibt, die von dem, was wir klassisch »Arbeit« nennen, ausgeschlossen sind – oder werden. Von daher ist wichtig zu sagen, dass der Fokus in diesem Buch die Erwerbsarbeit ist, also das, was wir tun, wenn wir in irgendwelche Büros, Fabriken, Geschäfte, Schulen, Praxen etc. gehen, um unser Geld zu verdienen. Gleichzeitig ist es wichtig, alle Menschen einzubeziehen, mitzudenken, weil wir ja ALLE irgendwie arbeitend tätig sind – auf die eine oder andere Weise. Von daher gilt sie dann doch, die Idee, dass wir alle die Arbeit sind.

Und übrigens ist der Begriff »New Work« im Buch in Anführungszeichen gesetzt – als Abgrenzung zum Original-Konzept von Frithjof Bergmann.

30Um was es in diesem Kapitel geht …

Um zu verstehen, wieso unsere Arbeit so ist wie es ist, muss man einen kleinen Ausflug in ihre Entstehung machen. Das meiste unserer heutigen Arbeitskultur hat seinen Ursprung nämlich vor langer, langer Zeit und ist unter Umständen entstanden, die heute ganz andere sind.Tief verankert unterliegen unsere Arbeits­systeme immer noch dem Wunsch nach ­Kontrolle und Beherrschbarkeit, dem Streben nach Macht, Wachstum und Gewinn und der Sehnsucht nach Wichtigsein. Die Grundannahme ist, dass Menschen tendenziell unmündig, unmotiviert, arbeitsfaul und egoistisch sind. Und, dass unsere Ressourcen unendlich sind.Wenn wir Arbeit verändern wollen, hilft es, sich über diese Hintergründe, Zusammenhänge und Mechanismen im Klaren zu sein. Es geht um ein Bewusstsein darüber, was wir und warum wir Dinge für normal und vor allem wichtig halten und was uns das Arbeitsleben schwerer macht als es sein müsste. Dieses Verständnis ist ein wichtiger Hebel.

31alte arbeit

32kein richtiges leben im falschender zustand unserer welt

Wir befinden uns im Jahr 2024. Innerhalb sehr kurzer Zeit haben wir erlebt, dass ein (hoffentlich) kleines Tierchen auf einem Markt in China eine globale Menschenkatastrophe auslösen kann, dass heftige Regenschauer unmittelbar in unserer Nähe eine ganz Region ins Unglück stürzen und, dass nicht weit von uns entfernt, vermeintlich aus dem Nichts und in einer Zeit, in der wir nicht mehr damit gerechnet hätten, ein Krieg begonnen hat und so schnell wohl nicht wieder aufhören wird. Und während ich hier schreibe, türmen sich weitere Katastrophen in dieser Welt auf.

Wo uns früher der berühmte Sack Reis in China nicht interessierte, hat dessen Umfallen ganz plötzlich weitreichende Folgen – und zwar für jede:n von uns persönlich. Von einem Tag auf den anderen mussten wir von unserem Küchentisch aus, mit tobenden Kindern um uns herum arbeiten, kosten Lebensmittel, Tank- und Heizungsfüllungen aus dem Nichts exorbitant mehr, sollen wir deshalb weniger duschen und im Winter auch zuhause dicke Pullis anziehen, gab es nicht mehr genügend Baumaterialien oder wichtige Arzneimittel. Was haben uns früher irgendwelche Lieferketten oder Machtkämpfe in sonstwo interessiert? Jetzt betreffen sie uns. Schlagartig rücken diese Katastrophen ganz nah, an uns persönlich heran, werden uns Abhängigkeiten immer bewusster. Wir mussten lernen, welchen massiven Einfluss sie auf unser Wirtschafts- und Finanzsystem, unsere Arbeit und die Schulen, vor allem auf unser ganz privates Leben hatten und haben.

Wenn all diese Dinge wie Viren, Kriege, Energiekrisen und Umweltkatastrophen uswusf. aufeinandertreffen, nennt man das eine globale Systemkrise, eine Polykrise. Es war DAS große Schlagwort auf dem letzten Weltwirtschaftsgipfel in Davos.1 Der Begriff ist nicht neu. Es ist ja auch nicht so, dass uns nicht schon früh wichtige Menschen auf all das aufmerksam 33gemacht hätten – die Zusammenhänge, die Verflechtungen, die zum Teil unberechenbaren und unvorhersehbaren Energien, die im Entstehen sind. Edgar Morin, ein französischer Philosoph, hat 1999 zusammen mit Anne Brigitte Kern in ihrem Buch »Homeland Earth: A Manifesto for a New Millennium« das Phänomen der Polykrise beschrieben, die mit ihren komplexen Verwebungen und Überlappungen zu einer generellen Gefahr für unseren Planeten wird.2

Die UN hat schon 1992 das Programm »Agenda 21« ins Leben gerufen, in dem es erste Leitlinien für eine nachhaltige Entwicklung sowohl für den wirtschaftlichen als auch den sozialen Sektor, für die Erhaltung unserer Ressourcen und vor allem Maßnahmen für die Umsetzung festlegte.3 2016 wurde mit den »Sustainable Development Goals«, den SDGs, ein umfassendes Programm für die »Agenda 2030«. Auch das ist schon Jahre her; 2030 aber vor allem nicht mehr lange hin. 2021 hat ein Verbund von Wissenschaftler:innen aus dem Cascade Institute Kanada, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und dem Stockholm Resilience Centre dazu aufgerufen, dass sich Wissenschaftler:innen weltweit zusammentun sollen, um die Mechanismen dieser Polykrisen besser zu verstehen und zu diskutieren, wie man die Risiken reduzieren könnte.4 Sie sagen, dass die große Komplexität und Unvorhersehbarkeit unserer Welt dazu führen, dass wir vor allem die Langzeitauswirkungen solcher Ereignisse unterschätzen. Sie sagen auch, dass in erster Linie wichtig ist, sich intensiv mit den Zusammenhängen und den Mechanismen DAHINTER zu beschäftigen; erst dann werden die richtigen Lösungen folgen können.

VUCA-Welt – wurde es bis vor Kurzem noch genannt. Auch ein Begriff, der nicht neu, sondern schon in den späten 1980ern entstanden ist. Und zwar im U.S. Army War College zur Beschreibung der Situation nach dem Kalten Krieg.5 Dort wurde die Abkürzung unter anderem im Rahmen von Führungstheorien benutzt und landete damit in der allgemeinen Managementliteratur. Volatile (volatil), uncertain (unsicher), complex (komplex), ambiguous (mehrdeutig). Obwohl die meisten von uns dieses Akronym sicherlich schon einmal gehört haben (oder es auch schon nicht mehr hören können), es in jedem Vortrag über Digitalisierung oder Transformation garantiert vorkommt: geholfen hat es für eine wirkliche Veränderung der Arbeitswelt bis dato leider herzlich wenig.

Wir haben es gehört, wir haben es verstanden, wir haben natürlich gemerkt, dass die Herausforderungen eher mehr als weniger werden, aber so wirklich betroffen oder berührt hat es uns in unserem täglichen 34Arbeiten und Leben anscheinend noch nicht genug. Es ist ein bisschen wie der Frosch, der im warmen Wasser vor sich hin köchelt. So langsam wird es dann aber doch heiß.

Was bis vor ein paar Jahren noch wie eine absurde Warnung klang, ist unsere Wirklichkeit, unser Alltag geworden, für uns privat, aber eben auch für die Unternehmen und Organisationen. Laut einer aktuellen Studie von Hays »steht durchschnittlich jedes Unternehmen vor der Herausforderung(,) nicht eine, sondern drei unterschiedliche Krisen gleichzeitig zu bewältigen«.6 Das gaben 96 % der befragten Unternehmen an.

Da sich die Veränderungen und unsere gefühlte Ohnmacht seit den 1990ern zugespitzt haben, entstand 2020 ein neuer, eine Verschärfung des VUCA-Begriffs: BANI.7 Dieses Akronym stammt von Jamais Cascio, einem amerikanischen Zukunftsforscher, Anthropologen, Historiker und Politikwissenschaftler, einem Fellow des renommierten »Institute for the Future« (IFTF), der zu den »Top Global Thinkers« zählt.

In seiner Forschung, seiner Arbeit mit Organisationen hatte er eine gravierende Veränderung beobachtet: »… this wasn’t just the standard »the future is an unknown« that we all live with, it was an increasingly desperate sense that things we thought we understood were spinning wildly out of control«. Cascio befand, dass sich unsere Welt so dermaßen verändert hat, dass es dafür eine neue Sprache und vor allem ein neues Denken braucht. Die Methoden, die wir über die Jahre entwickelt haben, scheinen in Anbetracht dessen, dass unsere Welt auseinanderzufallen droht, zunehmend schmerzhaft inadäquat zu sein, schreibt er in »Facing the Age of Chaos – A framework for understanding a turbulent world«.8