Halunken-Trail - Joe Juhnke - E-Book

Halunken-Trail E-Book

Joe Juhnke

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. »Der Bezirksrichter ist ein perverser Sadist.« John Sinclair starrte wütend auf den Blechorden des Beamten, der sie ins Staatsgefängnis nach Gallup überführte. »Wen haben wir geschädigt, Marshal? Die Armee hat ihre Lohngelder zurück, die Eisenbahn nur einen Waggon verloren. Kein Mensch ist zu Schaden gekommen. Und dafür acht Jahre Kerker?« Marshal Tremper grinste. »Eisenbahnraub ist ein schweres Verbrechen, Sinclair. Der Richter hätte euch zwanzig Jahre aufbrummen können. Das hätte sein Gewissen nicht belastet. Tröste dich, in Gallup geht es menschlicher zu als in dem Armeeprison, aus dem ich euch herausholte. Du wirst sehen, die Zeit vergeht wie im Fluge. Wenn ihr euch gut führt, seid ihr schon in sechs Jahren wieder freie Bürger des Landes.« Sinclair schloss die Augen. Die Stahlbänder an den Gelenken drückten wie die Gedanken, die sich mit diesem verdammten Sergeant beschäftigten, der sie im Armeegefängnis fast zu Tode geschunden hatte. Nur noch einmal möchte er Brown in den Fäusten haben, um ihm das heimzuzahlen, was er ihm und seinem Freund Burt Alban angetan hatte. Nur ein einziges Mal! Sinclair knirschte mit den Zähnen. Aber dazu war es nun zu spät, denn wenn ihre acht Jahre vorüber waren, hatten weder er noch Burt die Kraft, dem hinterhältigen Sergeant den Schädel einzuschlagen. Neben ihm schnarchte Burt Alban in sanften Tönen.

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Die großen Western Classic – 28 –

Halunken-Trail

Joe Juhnke

»Der Bezirksrichter ist ein perverser Sadist.« John Sinclair starrte wütend auf den Blechorden des Beamten, der sie ins Staatsgefängnis nach Gallup überführte.

»Wen haben wir geschädigt, Marshal? Die Armee hat ihre Lohngelder zurück, die Eisenbahn nur einen Waggon verloren. Kein Mensch ist zu Schaden gekommen. Und dafür acht Jahre Kerker?«

Marshal Tremper grinste. »Eisenbahnraub ist ein schweres Verbrechen, Sinclair. Der Richter hätte euch zwanzig Jahre aufbrummen können. Das hätte sein Gewissen nicht belastet. Tröste dich, in Gallup geht es menschlicher zu als in dem Armeeprison, aus dem ich euch herausholte. Du wirst sehen, die Zeit vergeht wie im Fluge. Wenn ihr euch gut führt, seid ihr schon in sechs Jahren wieder freie Bürger des Landes.«

Sinclair schloss die Augen. Die Stahlbänder an den Gelenken drückten wie die Gedanken, die sich mit diesem verdammten Sergeant beschäftigten, der sie im Armeegefängnis fast zu Tode geschunden hatte.

Nur noch einmal möchte er Brown in den Fäusten haben, um ihm das heimzuzahlen, was er ihm und seinem Freund Burt Alban angetan hatte.

Nur ein einziges Mal!

Sinclair knirschte mit den Zähnen. Aber dazu war es nun zu spät, denn wenn ihre acht Jahre vorüber waren, hatten weder er noch Burt die Kraft, dem hinterhältigen Sergeant den Schädel einzuschlagen.

Neben ihm schnarchte Burt Alban in sanften Tönen. Scheinbar hatte er immer noch nicht begriffen, wohin es ging.

Sinclair stieß ihm wütend den Stiefel ans Schienbein und rasselte mit den Armbändern. »Wach auf, du Hundsfott, es geht ins nächste Gefängnis.«

Alban wandte den Kopf und blinzelte zu seinem Freund hinüber.

»Darum lass mich doch schlafen und träumen, John. Der Rest der Welt sind nur hässliche Tatsachen.«

Sinclair hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, als ein kräftiges Schütteln durch den Express ging. Schrill knirschten die blockierten Bremsen auf dem Schienenstrang.

Marshal Tremper sprang hoch. Ein gewaltiger Ruck brachte den Express zum Stehen, der Tremper durch den Mittelgang katapultierte.

Der Express stand auf freier Strecke.

Wenn John noch nicht begriffen hatte, was geschehen war, wusste er es nun. Schüsse peitschten plötzlich auf, in die sich scharfe Befehle mischten.

Sekunden später flog die Tür auf. Drei maskierte Männer, bewaffnet bis zur Halskrause, drängten in den Mittelgang.

»Ruhig Blut«, rief einer der Maskierten. »Und schön die Hände über den Köpfen halten, damit unsere Kanonen nicht nervös werden. Wir wollen nur eine Spende von euch für ein paar verarmte Desperados. Je friedlicher ihr bleibt, umso schneller seid ihr uns los.«

Marshal Tremper, sich seiner Eigenschaft als Gesetzeshüter inzwischen bewusst, kam stöhnend auf die Beine und blinzelte mit glasigen Augen auf seinen entfallenen Schießprügel, der zwischen den Beinen des Banditen lag.

»He, Sternträger«, rief dieser, Trempers Gedanken erahnend, »schlaf weiter, das hier ist nichts für das Auge des Gesetzes. Das ist ein Überfall!«

Sinclair schloss sekundenlang die Augen, als ein brutaler Schlag mit dem Revolverlauf Tremper außer Gefecht setzte.

»Okay«, so hallte wieder die Stimme des Wortführers auf, »wir beginnen mit der Vorstellung. Die Gents halten ihre Brieftaschen bereit, die Ladies ihren Schmuck. Ihr braucht alles nur in die Hüte meiner Freunde zu legen.«

Er stieg wachsam über den bewusstlosen Sternträger hinweg und spielte demonstrativ mit der Kanone.

John Sinclair rammte Burt die Handschellen in die Seite.

»Wach endlich auf, du Penner, sonst verpasst du das Schauspiel. Hier sind ein paar Jungs zugestiegen, die das schaffen, was wir in Flagstaff vermasselt haben. Sie rauben die Union Pacific aus.«

Burt Alban schüttelte seinen massigen Schädel und wurde plötzlich hellwach. Er sah die maskierten Burschen im Mittelgang und verzog das Gesicht. »Wo kommen diese Lobos so plötzlich her?«

»Von draußen natürlich, du Riesenaffe«, fluchte Sinclair. Am Fenster vorbei galoppierten zwei Reiter. In der Nähe hörte er einen Banditen raunzen:

»Mann, das ist kein Opferstock, wo du den Pfarrer betrügen kannst. Schnall den Gürtel mit dem Mammon vom Bauch, ehe ihn sich meine Bleispritze holt. George Tully reitet mit seinen Freunden keine vierzig Meilen, um hier Diems einzusammeln. Wir haben teure Bräute, die sehr anspruchsvoll sind. Na also, es geht doch auch auf eine friedliche Art und Weise.«

Der Sprecher und ihr Anführer standen plötzlich vor der Bank der Freunde und blickten überrascht auf ihre gefesselten Hände. Ehe einer von ihnen etwas sagen konnte, streckte Burt ihnen grinsend die Handschellen entgegen.

»Hier, für eure Bräute«, sagte Burt gönnerhaft. »Massives Silber aus den Stahlküchen der Yankees. Wir haben sowieso keine Verwendung dafür.«

Der Sprecher hustete hinter seiner Bandana, die dreiviertel seines Gesichts verdeckte. »Was sind das für komische Typen, Tully?«, wollte er wissen. In seinem Stetson schwappte fast die Beute über, die Linke spielte am Abzug seines schweren Revolvers. »Soll ich sie umlegen?«

Der Hagere an seiner Seite schüttelte unmutig den Kopf.

»Kassiere weiter hinten, Samson, bei diesen Läusen hier ist nichts zu holen.« Er wartete, bis der Dicke sich an ihm vorbeidrängte und fragte dann grinsend: »Wohin geht eure Reise?«

Burt grinste heftig, als er seine Hände mit den Handschellen in den Schoß fallen ließ. »Nach Gallup, Mister. Wir haben dort eine Zimmerflucht bestellt. Unseren Butler hast du gerade außer Betrieb gesetzt.«

»Also ins Zuchthaus«, erklärte George Tully trocken.

Burt wehrte ab. »Welch hässlicher Name für ein staatliches Erholungsheim, Tully. Das Ganze ist nur ein Versehen. Wie das hier.« Burt hielt dem Banditen wieder seine Handschellen vor die Nase. »Die passen einfach nicht zu uns. Den Schlüssel trägt der Marshal in der Tasche, und wenn du so freundlich wärest …«

»Warum?«, unterbrach Tully ihn. Seine dunklen Augen ruhten forschend auf John Sinclair, der sich bisher zurückgehalten hatte.

Der zuckte die Achseln. »Wir haben es auch mal bei der Eisenbahn versucht. Weiter östlich, in Flagg­staff.«

»Ah …« Ein Zug des Erkennens glitt über Tullys verdecktes Gesicht. »Du heißt Sinclair und dein Kumpan Alban.«

Burt nickte erfreut. »Hörst du, John, wir sind bekannt wie Rockefeller. Selbst in den tiefsten Kreisen der Gesellschaft kennt man unsere Namen. Brauchst du ein paar gute Leute, Tully?«

»Ja«, erwiderte der Bandit grob. »Aber keine Stümper wie euch. Von denen ernähre ich schon genug. Also los, hinten raus.« Er drängte die Freunde auf die Beine und schob sie vor sich her zum hinteren Ausgang des Wagens. »Schlagt euch in die Büsche und versucht, irgendwie weiterzukommen.«

Hilflos blickte Burt über die Schulter. Tremper regte sich noch immer nicht. Er rasselte mit den Armbändern. »Was ist hiermit, Tully? Du kannst uns nicht so auf die Menschheit loslassen. Was werden die Leute denken, wenn wir so in die nächste Town marschieren? Wir verlieren alle Achtung.«

»Mann, du redest zu viel«, unwirsch stieß der Bandit Burt den Revolver zwischen die Lippen. »Schnuppert erst mal frische Luft, dann wird euch schon was einfallen.« Er lauschte schweigend, als vorn bei der Lokomotive Schüsse fielen und rief dann ungeduldig: »Wie weit bist du, Samson?«

»Fertig, Tully. Die Schäfchen sind blank wie arme Läuse im Apachen-Wigwam.«

»Dann raus hier. Es wird Zeit, dass wir verschwinden.« Sie erreichten den hinteren Peron, als Marshal Tremper sich stöhnend aufrappelte und automatisch nach seinem entfallenen Colt griff.

Zwei, drei Kugeln splitterten das Holz aus der Türfassade. Die dröhnenden Abschüsse lagen Burt und John in den Ohren, als sie mit mächtigen Sätzen die Böschung hinuntersprangen und sich einfach ins Gesträuch warfen.

Seite an Seite lagen sie hier und sahen, wie zwei Reiter, in die offenen Zugfenster feuernd, mit Handpferden herangaloppierten.

Noch immer war der Teufel los, als Tully und Samson sich in den Sattel schwangen und die Seiten der Expresswagen mit Blei beharkten, als wollten sie tausend Ventilationslöcher hineinschießen.

Dann setzte sich unvermutet der Express in Bewegung. Die Räder knirschten, ehe sie Halt fanden. Langsam rollte der Express davon. Im gleichen Augenblick galoppierten acht Reiter an ihnen vorbei. Einer hatte einen grauen Kasten am Sattelhorn hängen, der Burts Phantasie reizte, ein anderer hing schräg im Sattel und wurde von einem Kumpan, der an seiner Seite ritt, gestützt.

Und dann war es plötzlich still.

Tödliche Stille.

*

»Was nun?«, fragte Burt verzweifelt. Er stierte auf die dunkle Wolke am Horizont, wo sich der Express bewegte, und rüttelte mit den Armbändern. »Tremper sind wir los. Wie kommen wir von diesen Dingern hier weg?«

Sinclair richtete sich ungeduldig auf. »Leg sie auf die Schienen, Burt, und warte auf den nächsten Express. Er kommt am Morgen oder früher, wenn Marshal Tremper auf der nächsten Station Alarm geschlagen hat.«

»Und dann?« Burt musterte geistlos die Stahlringe, die hauteng auf seiner Haut saßen. »Das geht doch nicht. Der Express schneidet mich in zwei Teile.«

»Okay, Burt.« Sinclair nickte grinsend. »Die eine Hälfte lassen wir zurück. Die andere Hälfte wird vielleicht nicht solche blöden Fragen stellen. Wir müssen von hier verschwinden und uns ein paar Gäule suchen.«

»Stehlen meinst du?«, korrigierte Alban mit einem Grinsen.

»Das ist doch das Gleiche«, fluchte der andere, »oder hast du Sehnsucht nach deiner Zimmerflucht im Zuchthaus? Ich wette, die Zelle ist nicht größer als das Erdloch im Lager von Bellemont.« Er verzog sein Gesicht, als er an diesen verteufelten Militärtrakt dachte, dessen Schattenseiten sie von innen und außen kennengelernt hatten. Acht Jahre Kerker standen ihnen bevor, abzusitzen im Zuchthaus von Gallup, wohin Marshal Tremper sie überführen sollte.

Acht Jahre für nichts, denn die Armeegelder, die sie vor Flaggstaff gestohlen hatten, waren vier Stunden später wieder zur Armee zurückgekehrt. Zum Teufel, Sinclair wollte an das Dilemma nicht zurückdenken. Es hatte mehr Ärger gekostet, als sie verkraften konnten.

Burt verzog das Gesicht. Er beschäftigte sich wohl mit den gleichen Gedanken wie der Freund. »Worauf wartest du?«, fragte er ungehalten. »Hier wachsen keine Gäule aus der Erde. Nur Staub und Dreck und hässlich riechendes Mesquitekraut.«

Burt sprang entschlossen auf die Beine und blickte die Böschung hoch. »Wir nehmen diese Richtung.«

»Und warum gerade diese? Warum nicht nach Norden, wo die Berge beginnen?«, fragte Sinclair widerspenstig.

»Verdammt, weil in dieser Richtung eine Town liegen muss. Oder glaubst du, die Halunken mit der fetten Beute galoppieren blind in die Wüste hinein?«

Das schien John einzuleuchten. Er nickte zustimmend und kroch ohne Kommentar den buschbewachsenen Hang hinauf.

Dahinter dehnte sich welliges Hügelland bis zum Horizont. Kniehoch mit Gras bewachsen, wie ein Wellenmeer, das sanfter Wind streichelte, durchzogen von wildem Heckengesträuch, hochsteigender Wacholder, Beifußgewächsen und zerklüfteten Schründen. Jeder Yard Boden war eine Brustwehr, hinter der sie sich auf der Flucht verbergen konnten.

»Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Marshal Tremper uns hier erwischt.« Der Anblick stimmte Alban friedlich. »In dieser Wildnis kann sich sogar eine Giraffe verstecken, ohne dass man sie findet. Wohlan, Bruder, hoffen wir auf ein bisschen Glück.«

Das war es, was John ärgerte. Sie ritten seit Wochen auf einer Pechsträhne, als wären sie darauf programmiert. »Male den Teufel nicht an die Wand, und fordere ihn nicht heraus«, brummte er und setzte seine langen Beine in Bewegung.

Den ganzen Tag brannte die Sonne. Sie ernährten sich von wilden Beeren, die hier in Fülle wuchsen und ihnen das Hungergefühl und auch den Durst nahmen. Mit der Abenddämmerung erreichten sie einen dichtbewachsenen Buchenwald. Am Rande ließen sie sich nieder.

Während Sinclair über ihre Lage nachdachte, kroch Alban unermüdlich durch die Büsche. Er hatte aus Ästen eine Schlinge gebastelt und lauerte vor den zahllosen Karnickelbauten, um etwas Kräftiges für den Magen zu fangen. Aber er musste einen leeren Bau erwischt haben, denn als er mit der Dunkelheit zum Lagerplatz zurückkehrte, wo sein Freund ein Feuer entzündet hatte, sagt er achselzuckend:

»Die Biester lachen sich krank, John. Wir bleiben bei den Beeren.«

Sie hatten nur eine dünne Hose und das Gefängnishemd an und nichts darüber. Der Nachtwind blies empfindlich kalt durch ihre Fetzen.

Als Burt sich am Morgen steifgefroren aufrichtete, erklärte er:

»Neben Pferden brauchen wir frische Kleider. Die Anstaltsläuse in den Klamotten fressen mich sonst auf.«

»Erst das eine, dann das andere.« Sinclair lief auf der Stelle und schlug frierend die Arme um den Körper. »Hast du in der Nacht die Glocke gehört? Irgendwo hinter dem Wald muss eine Town liegen.«

Burt grinste, obwohl er sich nicht wohl fühlte.

Sinclair trat die Reste der Glut aus und deutete ins Dunkel des Waldes. »Das ist unsere Marschrichtung, Burt. Fangen wir also an zu beten, dass wir bald Menschen sehen.«

Sie marschierten den ganzen Vormittag. Hoch am Himmel stand die pralle Sonne, deren Strahlen das mächtige Dach des Waldes bedeckten und den Wanderern den Frost aus den Gliedern taute.

Nach Stunden hatten sie den Buchenwald durchquert. Zunächst blendete sie grelles Sonnenlicht. Aber dann sahen sie die weißgrauen Hütten, keine halbe Meile entfernt, aus dem Boden wachsen. Auf der flachen Kuppe eines Hügels umstanden ein Dutzend Menschen das kohlende Gerippe einer Scheune. Sie diskutierten heftig miteinander.

Burt deutete grinsend in ihre Richtung. »Ein Hoch dem Brandstifter, Freund. Ohne das Feuer hätte die Glocke nicht geläutet. Das halbe Dorf versammelt sich dort oben. Das gibt uns die Möglichkeit, unbemerkt den Ort zu erreichen. Ich hoffe, wir finden dort eine Schmiede.« Er hob die gefesselten Hände. »Die Biester erinnern mich an Vergangenheit und Zukunft. Ich möchte in der Gegenwart leben und das Zeug loswerden, ehe sie an meinen Armen festrosten.«

Geduckt folgten sie der Mesquite­hecke, die sich durch den weiten Talkessel über den fernen Hügel bis zum Dorfrand hinzog. Sie erreichten die ersten Häuser und sahen zufrieden, dass der Lehmweg, der den Ort in zwei Hälften teilte, leergefegt war. Nur aus dem einsamen Saloon am Ende der Straße schallten Männerstimmen herüber, die über das nächtliche Ereignis zu diskutieren schienen.

John Sinclair deutete auf die flache Adobehütte mit dem Vordach. Er grinste. »Dort liegt die Schmiede, und zwei Gäule stehen auch davor, als würden sie auf uns warten. Wer geht als erster rüber?«

»Ich natürlich.« Burt Alban spannte seine beachtlichen Bizeps, dass ein paar Nähte rissen. Er betrachtete herablassend Johns hagere Gestalt. »Der Schmied ist gewöhnlich ein beachtlicher Mann. Wenn er meine Handschellen sieht, werde ich ihn vielleicht beruhigen müssen.«

Sinclair nickte zustimmend. Er lehnte sich an die Hüttenwand und wartete, bis sein Freund im Schatten der Schmiede untertauchte. Erst dann setzte er sich in Bewegung.

Burt lag unter einem leichten Vierspänner und wartete auf den Freund. Er deutete zu den Gäulen am Halfterblock und nickte anerkennend.

»Ein bisschen vergriffen und schweißig. Aber ich denke, sie tragen uns die nächsten hundert Meilen. Schau dir den Schmied an«, flüsterte er, als ein Mann mit aufgekrempelten Hemdsärmeln und schmutziger Lederschürze zum Feuer trat. »Er sieht aus wie ein kräftiger, gesunder Bulle. Ich hoffe, er ist so freundlich, wie er aussieht.«

John Sinclair betrachtete den Hünen. Er schüttelte bedenklich den Kopf. »Er steht dir keinen Zoll nach, Burt. Wir sollten ein anderes Dorf suchen. Und freundlich wirkt er auch gerade nicht. Ich möchte nur wissen, wem die Gäule hier gehören. Sie haben einen scharfen Ritt hinter sich.«

»Belaste dein Gewissen nicht mit Namen, Junge. Los, wir haben genug geredet.«

Lautlos sprang er auf die Beine.

*

»Hallo, guter Mann«, rief Burt im Rücken des Schmiedes. Er hielt eine kräftige Eisenstange in den Fäusten und grinste dem herumfahrenden Schmied ins Gesicht. »Wir brauchen deine Dienste.« Dabei deutete er auf Johns gefesselte Hände. »Mein Freund mag keinen Schmuck. Er findet das weibisch. Besonders, wo ihm das Zeug nicht gehört. Nimm Hammer und Meißel und befreie ihn von seinen Sorgen. Okay?«

Buck sah, wie sich die Miene des Schmie­des verfinsterte.

»Okay, okay!«, rief er noch einmal, »du denkst ans Bezahlen. Wir werden dir den Lohn mit der Post zuschicken, wenn wir wieder flüssig sind.«

Er ist kein Bulle, er ist ein Stier, dachte er im gleichen Augenblick, als der Hüne wütend schnaufte. Er stieß ihm unsanft die Eisenspitze vor den Leib und drohte mit ruhiger Stimme: »Ich mag dich nicht zähmen, Mann, weil ich behindert bin. Aber das hält mich nicht zurück, dir das Eisen über den Schädel zu schwingen, wenn du Ärger machst. Wir sind in Eile und wollen uns auf kein Palaver einlassen. Schwinge den Hammer und bleibe ein friedlicher Mensch. Deine Alte wird es dir danken.«

Er traute dem grobschlächtigen Burschen mit dem finsteren Gesicht nicht, der nur einmal zur offenen Tür seines Hauses blickte und dann den schweren Hammer ergriff.

Als Sinclair die bebänderten Arme auf den Amboss legte, erklärte Burt ironisch: »Oben ist sein Kopf, da ist mein Freund empfindlich. Nimm als Ziel die Klunkern. Er schenkt sie dir auch als Erinnerung an den heutigen Tag.«

Ein Geräusch im Rücken ließ Burt herumfahren. Er schwang die Eisenstange hoch und senkte sie verblüfft, als er den Mann erkannte.

»Sie?«, fragte Burt verblüfft, und die Welt schien um ihn zu versinken.

»Ja, ich.« Marshal Tremper lachte hart. Er trat zwei Schritte vor, sodass Burt die Revolvermündung sehen konnte, die genau zwischen seine Augen zielte. »Oder hast du geglaubt, ich hätte euch Halunken vergessen? Matt, komm raus! Die beiden Flitzer aus dem Express haben wir. Damit sind wir eine unserer Sorgen los.«

Ein sehniger Bursche mit sonnenverbranntem Gesicht trat schlaksig aus dem Dunkel des Flures. Er studierte Burts Gesicht, ehe er zu Sinclair hinüberrief: »Lass die Finger auf dem Amboss liegen, ehe du sie dir verbrennst, und schiele nicht nach unseren Gäulen. Wir haben sie nur geliehen.«