Tödlicher Schatten - Joe Juhnke - E-Book

Tödlicher Schatten E-Book

Joe Juhnke

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Socale, der Storebesitzer von Water Springs, starrt ganz entgeistert auf die abgerissene und erschöpfte Gestalt eines Menschen, der über die Schwelle seines Stores taumelt. Der mexikanische Kaufmann bekreuzigt sich dreimal beim Anblick des Mannes. Dann weicht er entsetzt und schreckensbleich bis an die Regale zurück. »Ein Gespenst«, murmelt er. »Was redest du da für einen Blödsinn«, krächzt Hank Corner heiser und stützt sich schwerfällig auf die Theke. »Ich bin doch kein Geist, Socale, sondern der Digger aus den Bergen, den du doch kennen solltest. Schenk mir vor allen Dingen erst einmal einen Schnaps ein, damit ich mich stärken kann.« Der Mexikaner tritt zögernd näher. Misstrauisch mustert er den Kunden, den er zwar kennt, den er aber niemals wiederzusehen glaubte. »Sie sind wirklich Hank Corner, der verrückte Digger aus dem Todestal.« »Ich bin zwar nicht verrückt, aber alles andere stimmt. Also, nun mal fix meinen Schnaps.« Corner legt einen Brocken Gold auf die Theke. »Sie sind es wirklich«, seufzt Socale und füllt zwei Gläser. Eines für den Gast, das Zweite für sich, um damit den ersten Schrecken hinunterzuspülen. »Aber wie soll ich das verstehen? Stone­ Cat, der Ihr Partner war …«

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Die großen Western Classic – 55 –

Tödlicher Schatten

… und das Ende eines Banditenlebens

Joe Juhnke

Socale, der Storebesitzer von Water Springs, starrt ganz entgeistert auf die abgerissene und erschöpfte Gestalt eines Menschen, der über die Schwelle seines Stores taumelt.

Der mexikanische Kaufmann bekreuzigt sich dreimal beim Anblick des Mannes. Dann weicht er entsetzt und schreckensbleich bis an die Regale zurück. »Ein Gespenst«, murmelt er.

»Was redest du da für einen Blödsinn«, krächzt Hank Corner heiser und stützt sich schwerfällig auf die Theke. »Ich bin doch kein Geist, Socale, sondern der Digger aus den Bergen, den du doch kennen solltest. Schenk mir vor allen Dingen erst einmal einen Schnaps ein, damit ich mich stärken kann.«

Der Mexikaner tritt zögernd näher. Misstrauisch mustert er den Kunden, den er zwar kennt, den er aber niemals wiederzusehen glaubte. »Sie sind wirklich Hank Corner, der verrückte Digger aus dem Todestal.«

»Ich bin zwar nicht verrückt, aber alles andere stimmt. Also, nun mal fix meinen Schnaps.« Corner legt einen Brocken Gold auf die Theke.

»Sie sind es wirklich«, seufzt Socale und füllt zwei Gläser. Eines für den Gast, das Zweite für sich, um damit den ersten Schrecken hinunterzuspülen. »Aber wie soll ich das verstehen? Stone­ Cat, der Ihr Partner war …«

»Was ist mit ihm?« Corners Gesicht verzerrt sich voller Hass.

»Er war hier und verkaufte mir die Maultiere. Er behauptete, Sie wären in einen Abgrund gestürzt und tot.«

»Dann hat er Sie eben angelogen.«

»Das sehe ich selbst. Ich hörte später, dass er sehr viel Gold aus den Bergen mitbrachte. Er hat es auf der Bank unserer Stadt eingewechselt.«

»Er ist ein Betrüger.« Corner füllt sein Glas ein zweites Mal. »Er hat mich ganz gemein hintergangen. Cat Stone wird es noch bitter bereuen. Er dachte wohl, ich würde in der Wüste elend verrecken, aber er hat sich gewaltig verrechnet, der Schurke. Ich werde ihn schon eines Tages wiederfinden.«

Socale zuckt ganz erschreckt zurück, als er das hassentstellte Gesicht des jungen Mannes sieht.

»Sie wollen ihn also töten?«

»Vielleicht. Doch vorerst möchte ich mit dir ein Geschäft machen. Dieses Goldstück ist das Einzigste, was ich im Moment besitze. Ich brauche von dir eine Ausrüstung und die nötigste Verpflegung für drei Monate. Bewilligst du mir diese Sachen? Ich werde dich bei meiner Rückkehr gut belohnen.«

»Wie denken Sie sich das? Verpflegung und Murros für drei Monate kosten mindestens vierhundert Dollar. Wo sollte ich wohl diesen ungeheuren Betrag hernehmen, um ihn vorzuschießen? Der Händler von Sacramento verlangt für seine Ware Geld, der pumpt mir auch nicht einen Cent.«

»Ich werde dir tausend Dollar in purem Gold geben, wenn ich zurückkehre. Das ist doch wohl ein Angebot, auf das es sich wirklich lohnt, einzugehen. Oder?«

»Es ist aber trotzdem ein großes Risiko.« Der kleine schleimige Mexikaner wird nun doch etwas nachdenklich. Blitzschnell überfliegt er im Geiste dieses Geschäft. Er braucht dem Blonden nicht unbedingt die besten Vorräte und die besten Murros zu geben. Sicher könnte er dann noch zweihundert Dollar einsparen. Dann blieben ihm also, wenn er natürlich das Risiko nicht mit einkalkulieren würde, mindestens siebenhundert Dollar Gewinn. Einen solchen Betrag verdient er sonst noch nicht in einem halben Jahr.

»Nun, schlägst du ein?«, forscht Corner und füllt sich ein drittes Glas.

»Es wäre immerhin zu überlegen.«

Socale versucht erst einmal Zeit zu gewinnen.

»Vergiss dabei nicht, Socale, dass ich in den letzten Jahren ein guter Kunde von dir war«, lockt Corner.

»Also, ich bin Ihr Mann, und wenn ich dabei verliere.«

»Du bist wirklich ein weiser Mann, Socale«, lächelt Corner. »Morgen, bei Sonnenaufgang, reite ich los. Vorher aber möchte ich hier noch einiges erledigen.«

»Die Murros stehen pünktlich und voll beladen mit dem besten Material und Verpflegung vor der Haustür. Und nun verschwindet schon, mein Weib braucht nämlich nichts von unserem Geschäft zu wissen.«

»Also bis morgen früh bei Sonnenaufgang.«

»Ich werde pünktlich mit dem Bestellten zur Stelle sein.«

Und so wandert denn Hank Corner am folgenden Tage nochmals ins Tal des Todes. Er braucht Gold, um seine Rache durchführen zu können, denn wahrscheinlich wird es eine lange Fährte werden, die er zu verfolgen und aufzuspüren hat, ehe er diesen dreimal verdammten Stone Cat findet.

Aber zu tief sitzt der Hass in dem Herzen des jungen Mannes, um auf die Rache verzichten zu können. Um sie aber durchzuführen, braucht er Gold, nochmals viel Gold. Stone Cat soll büßen, soll all den Schrecken und das Leid am eigenen Leibe spüren, das er seinem gutgläubigen Partner zugefügt hat.

*

Das einzige, was Stone Cat noch an die Episode in Kalifornien erinnert, sind siebzigtausend Dollar, die er noch immer mit sich herumschleppt. Der Gedanke, dass an diesem Geld vielleicht das Blut eines unschuldigen, anständigen Menschen klebt, ist Cat bisher noch nie gekommen.

Ein Mensch, der es im Leben zu etwas bringen will, darf doch kein Gewissen haben.

Cat kann von sich behaupten, dass er es geschafft hat. Was bedeutet da also schon ein kleines Opfer, ein Menschenleben? Vierzigtausend Dollar hat es ihm eingebracht. Umgerechnet kann er davon mindestens vier bis fünf Jahre ein angenehmes Leben führen. Mit den zweiten Vierzigtausend dürfte er ebenfalls nochmals dieselbe Zeit auskommen.

Und Stone Cat liebt das Leben, welches er jetzt führt. Ein Leben in Saus und Braus, ein Rausch des Glücks. Gutes Essen, hübsche Weiber, der Brandy, ha, was will er noch mehr. In der Überfülle der Erlebnisse und die auf ihn einstürzenden neuen und fremden Eindrücke hat er seinen jungen Partner, dessen Gebeine wohl schon längst in dem verdammten Tal der Hölle bleichen, längst vergessen.

Und doch sollte er eines Tages an diesen, ihm so unbedeutend erscheinenden Mann erinnert werden.

Stone Cat lebt seit einigen Wochen in Little Rock.

Little Rock, eine Stadt in Arkansas, sogar die Hauptstadt dieses Staates im Mittelwesten. Voller Vergnügungen, voller Abwechslung, mit immer neuen Reizen, für Männer natürlich, die genügend Geld in der Tasche haben.

Cat hat es und kann es sogar scheffelweise ausschütten. Die leichten Mädchen reißen sich förmlich um den großen breitschultrigen Hünen mit dem feuerfarbenen Haarschopf. Sie sind auch nicht so zart besaitet, dass sie nach der Herkunft des Geldes fragen, ob dafür vielleicht ein anderer sein Leben lassen musste. Sie nehmen es nur und lassen dafür ihre mehr oder weniger ansprechenden Reize diesem Tölpel, dem sie doch nur Liebe vortäuschen. Ist der Kerl so dumm und rückt dafür seine blanken Dollar heraus, na, warum denn nicht, ist ja nur sein Schaden.

Es ist schon ziemlich spät in der Nacht, als er in Begleitung einer hübschen, wenn auch stark und auffallend aufgetakelten »Dame«, die Stufen des Grand Hotels hochwankt. Es war wieder einmal ein wirklich vergnügter und feuchtfröhlicher Abend, und Cats Stimmung ist demnach auch die Allerbeste.

Leise summt er ein Lied vor sich hin, während er die Tür seines Appartements öffnet. Es ist eine ganze Zimmerflucht, bestehend aus vier großen, luxuriös eingerichteten Räumen.

Ja, er lebt schon nobel, dieser Stone Cat, der nicht einmal so etwas Ähnliches wie ein Gewissen hat, und die kleine Kitty in seinem Arm wird wohl mächtig die Augen aufsperren über den Luxus, den sie bei ihrem geliebten Stone­ vorfinden wird.

»Wir sind am Ziel, Darling«, grölt der Rotschopf und öffnet die Tür, die zu dem großen Wohnzimmer führt. »Ich hoffe, der Kellner hat uns die bestellte Flasche Champagner auf Eis gelegt. Tritt ein, mein süßer kleiner Schäker.« Und noch immer lachend schiebt er das Frauenzimmer vor sich her. »Aber gib Acht, dass du nichts umreißt.«

Er selbst löst sich dabei von dem Mädchen und tastet sich durch das Zimmer zum großen, in der Mitte des Raumes stehenden Tisch hin, wo stets die gefüllte Petroleumlampe steht.

»Einen Moment noch, Puppe«, säuselt er vor sich hin, und seine Hände fahren suchend über den Tisch.

»Verdammt, dieser Trottel von Kellner«, schimpft er dann schließlich, »wo hat er nur die Lampe hingestellt?«

»Soll ich dir vielleicht behilflich sein?«, flötet die superblonde Kleine in die Dunkelheit hinein.

»Nein, ist nicht nötig.« Irgendetwas raschelt, und dann flammt der flackernde Schein eines Zündholzes auf. Geisterhaft bewegt sich das trübe Licht durch den Raum und lässt nur ganz undeutlich die Wandbegrenzung erkennen.

Cat taumelt suchend vorwärts. Ach ja, er hat ziemlich stark getrunken an diesem Abend, und die Reaktion macht sich anscheinend jetzt erst so richtig bemerkbar.

Fluchend und schimpfend sucht er nach der Lampe oder sonst irgendeinem Leuchter.

Plötzlich erschreckt ihn der Aufschrei seiner Geliebten.

»Was ist denn los, Puppe?«, fragt er sich umwendend und das Zündholz höher über den Kopf haltend.

»Da«, flüstert seine Begleiterin und flieht in die Arme des Mannes, »dort am Fenster habe ich einen Schatten gesehen. Es muss ein Fremder im Raum sein.«

»Unsinn«, brummt Cat und lässt fluchend das verlöschende Zündholz fallen, das ihm schon die Fingerspitzen ansengt. »Du siehst wohl Gespenster?«

Doch dann zuckt auch er zusammen.

Deutlich hört er schlurfende Schritte im Raum. Ein fremder Hauch weht ihm entgegen.

»He, Bursche, was suchst du hier?«, fragt er, und seine Hand stiehlt sich unter die Weste, wo er einen geladenen Derringer verborgen trägt.

Keine Antwort, selbst die schlurfenden Schritte sind verstummt.

Cats Herz pocht schneller.

Deutlich fühlt er, trotz seiner Trunkenheit, dass sich ein fremder Mensch in seinem Zimmer aufhält. Ein Dieb? Ein Einbrecher? Dann Gnade Gott diesem leichtsinnigen und unvorsichtigen Burschen.

Der Rotschopf kennt wirklich keine Furcht. Mit einem ärgerlichen Fluch stößt er das vor Angst zitternde Mädchen von sich und reißt ein neues Zündholz an.

Und wieder erfüllt ein schwacher Lichtschein den Raum.

An der Tür zum Nachbarzimmer entdeckt er nun auch, allerdings undeutlich und verschwommen, einen Menschen. Ruckartig springt der kleine Derringer hoch. Hell peitscht ein Schuss durch den Raum, und wie ein Echo antwortet ihm ein hohles, voller Spott klingendes Lachen.

Und gerade dieses Lachen ist es, das an Cats Nerven zerrt. Fluchend springt er vor, um den Burschen mit den Händen zu fassen. Obwohl inzwischen das Zündholz wieder niedergebrannt ist und tiefe Finsternis herrscht, glaubt er doch die Konturen des Menschen vor sich zu sehen. Seine Hände strecken sich aus, aber sie greifen ins Leere.

Diesmal ertönt das spöttische Lachen hinter seinem Rücken. Es wirkt grell und schneidend, zugleich aber auch höhnisch, es scheint aus einer anderen Welt zu kommen.

Verdammt, zum ersten Mal erkennt er, dass auch er so etwas wie Furcht in sich spürt. Dieser unsichtbare, geheimnisvolle Mensch scheint ein Teufel zu sein, denn er fürchtet ihn, die »Katze von Texas«, nicht im geringsten. Ja, mehr noch, er scheint ihn sogar zu verhöhnen.

Schreiend vor Angst flüchtet das Mädchen aus dem Zimmer. Ihre gellenden, hysterischen Hilferufe dringen durch das ganze Hotel.

Cat ist allein mit seinem unheimlichen Gegner.

»Verdammt«, schäumt er erregt, »zeige deine Visage, Bursche, stelle dich zum Kampf! He, wo bist du?«

Aber es bleibt still im Zimmer. Nur draußen auf dem Flur werden hastige Schritte laut.

Von irgendwoher fegt ein feiner Windzug durch den Raum, streift Cat und lässt ihn zusammenzucken. Dieser kalte Hauch wirkt ganz wie die knöcherne Hand des Todes, die nach ihm zu greifen scheint. Blitzschnell wirbelt er herum. Noch einmal donnert der Doppellauf in seiner Faust auf, noch einmal erfüllt ein greller Blitzstrahl den Raum, und noch einmal gewahrt er für den Bruchteil einer Sekunde die Konturen eines Menschen in der Nähe des Fensters. Dann wird von draußen die Tür aufgestoßen, und einige erregte Männer, die eine brennende Lampe mit sich führen, stürzen ins Zimmer.

»Mr Cat, was ist denn hier geschehen?«, ruft der Hoteldirektor und blickt bestürzt auf den Mann, der herumwirbelt, den noch rauchenden Derringer in der Faust hält und ihn mit boshaft schillernden Augen anglotzt. »Weshalb bringen Sie das ganze Hotel auf die Beine?«

Der Krampf erlischt in Cats Gesicht. Langsam senkt er den Derringer und zeigt bleckend die Zähne.

»Ach, ich hatte nur das Bedürfnis, wieder einmal zu schießen«, lügt er schnell und deutet mit dem Kopf zur Tür. »Bitte, lassen Sie mich allein.«

»Aber, Mister«, stottert der ob dieser Antwort erstaunte Hotelmann und blickt dabei Hilfe suchend zu seinem Begleiter, dem Portier, hin.

»Was noch?«, fragt Cat nun barschen Tons. »Habe ich vielleicht die letzte Rechnung noch nicht beglichen? Bin ich bisher ein schlechter Gast in Ihrem Haus gewesen?«

»Ja, nein, natürlich nicht«, stottert der Gefragte errötend.

»Na also, dann schert euch doch hinaus.«

»Wollen Sie uns denn keine Erklärung …«

»Hinaus!«, brüllt der Rotschopf, von einem neuen Zornesanfall erfasst. »Hinaus, oder ich prügele euch allesamt aus dem Zimmer!«

»Ihre Freundin …« Der Hotelier versucht noch einmal beschwichtigend einzugreifen, aber wieder unterbricht ihn der wütende Rotschopf.

»Sie soll sich ebenfalls zum Teufel scheren. Verdammt noch mal und nun aber endlich die Tür zu.«

Einige Entschuldigungen murmelnd, verlässt der Allgewaltige des »Grand Hotels« und sein Begleiter das Zimmer.

»Die Lampe bleibt hier!« Cat steht vor dem Portier und entreißt ihm die Leuchte. Dann schleudert er die Tür ins Schloss und dreht den Schlüssel um.

Keuchend vor Erregung stellt er dann die Leuchte auf den Tisch und sinkt stöhnend in den Sessel.

Wer war der Einbrecher? War es überhaupt ein Einbrecher, oder was suchte der Mensch in seinem Zimmer?

Ha, dieser Mann, dessen Schatten er ganz deutlich gesehen hat, dessen grausames, höhnisches Lachen ihm noch in den Ohren klingt, war bestimmt kein gewöhnlicher Dieb.

Vielleicht ist er sogar immer noch im Zimmer.

Dieser Gedanke reißt ihn plötzlich hoch. Blitzschnell springt er zu dem Wandhaken hinüber, wo schussbereit seine beiden Sechsschüsser hängen.

Einen der schweren Colts in der Rechten, die Lampe in der Linken haltend, stürzt er durch die gesamte Zimmerflucht.

Nein, der Mann ist bestimmt verschwunden, nur ein offenes Fenster zeigt ihm den Weg, den der Unheimliche genommen haben muss, um zu entkommen.

Cat kehrt in sein Wohnzimmer zurück und stellt die Lampe wieder auf den Tisch.

Da werden seine Augen groß. Ein unheimliches Flackern liegt in ihnen, während sich plötzlich dicke Schweißperlen auf seiner Stirn ansammeln.

Zögernd hebt er einen kleinen Gegenstand, der stumpf im Spiel des Lichtes auf der Tischplatte blinkt, vorsichtig hoch.

Es ist eine ganz gewöhnliche Bleikugel, die von der Patronenhülse getrennt wurde, nichts weiter mehr, und doch beißt sich der Gauner bei ihrem Anblick auf die Lippen.

Wie eine Vision steigt vor seinem geistigen Blick ein längst vergessen geglaubtes Bild auf.

Es ist ein grell leuchtender Tag, und er kniet über einem Mann, der mit aufgeschlagenem Gesicht auf dem heißen Fels liegt. Hank Corner. Auch er legte diesem Mann als Abschiedsgruß sechs solcher Bleigeschosse hin.

Sollte dieser einfältige Hank Corner also doch der Hölle entkommen sein?

Fast gegen seinen Willen schüttelt Cat den Kopf.

Nein! Drei Tage ohne Wasser, das schafft kein Mensch in der Hölle des Todestales. Nicht einmal er, der robuste und abgehärtete Stone Cat, die »Katze von Texas«, brächte dies fertig.

Und dann, dieser Hank Corner ist ein Weichling, ein blutiges »Greenhorn« ohne jeden Mumm und ohne jede Kraft. Wenn er wirklich noch leben sollte, besäße er niemals den Mut, gegen die »Katze von Texas« anzugehen. Sicher würde er sich dann irgendwohin verkrochen haben und sich jammernd und klagend mit dem Verlust seines Anteils abfinden.

Aber dennoch bleibt die Bleikugel zwischen seinen Fingern ein Verbindungsmittel zwischen seinen Überlegungen und diesem verfluchten Hank Corner.

Stone Cat grübelt die ganze Nacht hindurch über dieses unheimliche, unfassbare Problem, ohne eine rechte Erklärung dafür zu finden. Erst als die Sonne im Osten aufgeht und ihre wärmenden Strahlen durch die Fensterscheiben in sein Staatszimmer wirft, schleicht sich Cat müde und zerschlagen ins Bett, wo er sich zuerst unruhig hin und her wälzend, allmählich in einen wenig erquickenden Schlaf fällt.

Selbst im Traum aber verfolgen ihn noch die rätselhaften Ereignisse der letzten Nacht und lassen ihn wiederholt entsetzt von seinem Lager auffahren.

Als er dann erst spät am Nachmittag aufwacht, entschließt er sich, noch am selben Tage diese unheimliche Stadt mit dem unheimlichen Fremden zu verlassen.

*

Längst hat sich Stone Cats Erregung gelegt, und er denkt an jene unheimliche Nacht im Grand Hotel von Little Rock nur noch mit verächtlichem Kopfschütteln zurück.

Devils, da hatte sich bestimmt irgendjemand einen dummen Scherz mit ihm erlaubt, vielleicht ein eifersüchtiger Liebhaber von Kitty, seiner damaligen Geliebten, vielleicht auch tatsächlich mir ein in seinem Unternehmen gestörter Einbrecher, und er, der große »Gunner« aus Texas, ließ sich glatt ins Bockshorn jagen.

Ja, und die mysteriöse Sache mit der Kugel hat er längst als einen wohl etwas merkwürdigen Zufall abgetan.

Niemand, außer ihm, weiß doch von dem Vorfall im Tale des Todes, und alle Vermutungen, die er dann damals in Little Rock aufstellte, entsprangen einem merkwürdigen Zufall oder kamen aus seinem damals stark alkoholumnebelten Gehirn.

Stone Cat zieht ostwärts, über Lonoce, de Valls Bluff, schlägt hier einen Bogen gen Norden, reitet den White River aufwärts, bleibt in Städten und Dörfern, die ihm zusagen, eine Zeit lang hängen und wandert wie ein ewiger Globetrotter weiter, wenn ihm diese Nester dann eines Tages nicht mehr gefallen oder die Menschen ihn aus irgendeinem Grunde langweilen.

Er führt immer noch ein sorgenfreies und ausschweifendes Leben, dank des Goldes, das er im Besitz hat. Sein Weg ist markiert mit dem Blut vieler Menschen, die sich mit der »Katze von Texas«, wie er genannt wird, messen wollten.