Handbuch ADHS -  - E-Book

Handbuch ADHS E-Book

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Beschreibung

Dieses Handbuch bietet einen perspektivenreichen Überblick über das umfangreiche Wissen zur ADHS. Dabei werden die Grundlagen der Klassifikation und Epidemiologie, aktuelle Forschungsbefunde zu den Ursachen sowie den vielfältigen Aspekten von Klinik, Untersuchung, Therapie und Verlauf der ADHS vermittelt. Die verschiedenen Beiträge basieren auf den Kenntnissen und Erfahrungen führender Expertinnen und Experten in Forschung, klinischer Praxis und evidenzbasierter Medizin. Die 3. Auflage wurde umfassend aktualisiert.

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Die Herausgeber

Prof. Dr. med. Dr. phil. Hans-Christoph Steinhausen, DMSc, emeritierter Ordinarius und Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychologie an den Universitäten Zürich (CH) und Aalborg (DK), Professor an den Universitäten Basel (CH) und Süd-Dänemark in Odense (DK).

 

Prof. Dr. sc. hum. Manfred Döpfner, emeritierter Professor für Psychotherapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln und Leiter des Ausbildungsinstituts für Kinder- Jugendlichenpsychotherapie an der Uniklinik Köln (AKiP).

 

Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Martin Holtmann, Ordinarius für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Ärztlicher Direktor der LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum.

 

Prof. Dr. med. Alexandra Philipsen, Ordinaria und Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn.

 

Prof. Dr. med. Aribert Rothenberger, emeritierter Ordinarius und ehemaliger Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Göttingen.

Hans-Christoph Steinhausen Manfred Döpfner Martin Holtmann Alexandra Philipsen Aribert Rothenberger (Hrsg.)

Handbuch ADHS

Grundlagen, Klinik, Therapie und Verlauf der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung

3., aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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3., aktualisierte Auflage 2024

 

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

 

Print:

ISBN 978-3-17-044009-8

 

E-Book-Formate:

pdf:         ISBN 978-3-17-044010-7

epub:      ISBN 978-3-17-044011-1

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 3. Auflage

I          Grundlagen

1          Zur Geschichte der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung

Aribert Rothenberger und Hans-Christoph Steinhausen

2          Definition und Klassifikation

Hans-Christoph Steinhausen

3          Epidemiologie

Hans-Christoph Steinhausen und Ingrid Schubert

II          Ätiologie und Pathophysiologie

4          Ätiologien und Pathophysiologie – Einleitung und Überblick

Hans-Christoph Steinhausen, Manfred Döpfner, Martin Holtmann, Alexandra Philipsen und Aribert Rothenberger

5          Neuroanatomie

Kerstin Konrad und Gregor Kohls

6          Neurophysiologie – elektrische Hirnaktivität

Daniel Brandeis und Tobias Banaschewski

7          Neurochemie

Veit Roessner und Aribert Rothenberger

8          Neuropsychologie

Renate Drechsler

9          Genetik

Tobias Banaschewski

10       Toxine und Allergene

Hans-Christoph Steinhausen

11       Psychosoziale Faktoren

Manfred Döpfner, Martin Holtmann und Hans-Christoph Steinhausen

12       Integrative ätiologische Modelle

Manfred Döpfner, Martin Holtmann, Alexandra Philipsen, Aribert Rothenberger und Hans-Christoph Steinhausen

III        Klinik

13       Klinischer Verlauf

Hans-Christoph Steinhausen und Esther Sobanski

14       Komorbiditäten und assoziierte Probleme im Kindes- und Jugendalter

Hans-Christoph Steinhausen, Martin Holtmann und Tobias Banaschewski

15       Komorbide Störungen im Erwachsenenalter

Swantje Matthies, Alexandra Lam und Alexandra Philipsen

16       Schlafverhalten und Schlafstörungen

Aribert Rothenberger, Martin Holtmann und Andreas Becker

17       Untersuchung – Einleitung und Überblick

Hans-Christoph Steinhausen, Manfred Döpfner, Martin Holtmann, Alexandra Philipsen und Aribert Rothenberger

18       Klinisches Interview mit Eltern und Kindern

Hans-Christoph Steinhausen, Anja Görtz-Dorten und Manfred Döpfner

19       Klinisches Interview mit Erwachsenen

Petra Retz-Junginger, Michael Rösler und Wolfgang Retz

20       Verhaltensbeobachtung

Manfred Döpfner

21       Fragebogen und Beurteilungsskalen im Kindes- und Jugendalter

Anja Görtz-Dorten und Manfred Döpfner

22       Fragebögen und Beurteilungsskalen im Erwachsenenalter

Petra Retz-Junginger, Michael Rösler und Wolfgang Retz

23       Psychologische Tests

Renate Drechsler

24       Körperliche Untersuchung

Aribert Rothenberger und Bernhard Kis

25       Differenzialdiagnose im Kindes- und Jugendalter

Manfred Döpfner, Martin Holtmann und Hans-Christoph Steinhausen

26       Differenzialdiagnose im Erwachsenenalter

Swantje Matthies

27       Integrative klinische Beurteilung

Manfred Döpfner, Martin Holtmann, Alexandra Philipsen, Aribert Rothenberger und Hans-Christoph Steinhausen

IV        Therapien

28       Therapien – Einleitung und Überblick

Hans-Christoph Steinhausen, Manfred Döpfner, Martin Holtmann, Alexandra Philipsen und Aribert Rothenberger

29       Psychoedukation im Kindes- und Jugendalter

Stephanie Schürmann und Manfred Döpfner

30       Multimodale Therapie im Kindes- und Jugendalter

Manfred Döpfner und Martin Holtmann

31       Pharmakotherapie bei Kindern und Jugendlichen

Aribert Rothenberger und Tobias Banaschewski

32       Pharmakotherapie bei Erwachsenen

Wolfgang Retz

33       Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen

Manfred Döpfner und Tanja Wolff Metternich-Kaizman

34       Psychoedukation und Psychotherapie bei ADHS im Erwachsenenalter

Roberto D‘Amelio und Alexandra Philipsen

35       Neurofeedback

Hartmut Heinrich, Renate Drechsler, Martin Holtmann und Daniel Brandeis

36       Diäten

Hans-Christoph Steinhausen und Manfred Döpfner

37       Körperliche Aktivität

Aylin Mehren, Alexandra Philipsen und Aribert Rothenberger

38       Besondere Anforderungen in der Transition

Paul Plener

39       Selbsthilfe

Johannes Streif und Myriam Bea

40       Integrative klinische Versorgung

Hans-Christoph Steinhausen, Manfred Döpfner, Martin Holtmann, Alexandra Philipsen und Aribert Rothenberger

V         Verzeichnisse

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Stichwortverzeichnis

Vorwort zur 3. Auflage

Unter den psychischen Störungen des Kindes- und Jugendalters ist die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) schon seit geraumer Zeit das dominante Thema in den Bereichen von Forschung und klinischer Versorgung. Zusätzlich hat ADHS nun schon seit Jahren auch bei Erwachsenen ein wachsendes Interesse bei Forschenden und verschiedenen klinisch tätigen Berufsgruppen gefunden. ADHS wird zunehmend auch bei Erwachsenen entweder als Erstmanifestation oder als Fortsetzung einer im Kindes- und Jugendalter einsetzenden Problematik erkannt. Die Diskussion über die Bedeutung von ADHS für die individuelle Lebensgestaltung geht weit über Fachkreise hinaus und findet immer wieder einen regen Widerhall in der Öffentlichkeit einschließlich der Medien.

Angesichts der Ausweitung der ursprünglichen Zentrierung auf das Kindes- und Jugendalter in Richtung auf eine Lebenszeitperspektive hatte die 2. Auflage des vorliegenden Werkes vor allem eine markante Erweiterung der Kapitel mit einer Neuaufnahme von Abhandlungen verschiedener Schwerpunkte in der klinischen Versorgung von Erwachsenen mit ADHS vorgenommen. Dort hatten wir im Vorwort bereits auf diesen Umstand hingewiesen und auch den Verlauf der Publikationsgeschichte zu ADHS im deutschsprachigen Raum skizziert.

Diese erweiterte Grundstruktur des Handbuches ADHS wurde in der vorliegenden Neuauflage unverändert beibehalten. Die erfreuliche Aufnahme der vorausgegangenen Auflage durch die Leserschaft eröffnete schon drei Jahre nach ihrem Erscheinen die Möglichkeit, eine Überarbeitung vorzunehmen. Die vorliegende 3. Auflage trug mit einer Bearbeitung aller Kapitel dem Umstand Rechnung, dass vor allem die enorme Ausweitung der Forschung zu einer Aktualisierung des Handbuches drängte. Dabei oblag es den Autoren1, aus der Vielzahl von Publikationen der letzten Jahre vor allem jene herauszufiltern, die einen tatsächlichen Zuwachs des Wissensstandes darstellen, und diese mit dem vorhandenen Fundus wissenschaftlicher Erkenntnisse abzugleichen und zu verbinden.

Als Ergebnis dieser Bemühungen freuen sich die Herausgeber, die vorliegende aktualisierte Neuauflage des Handbuches vorlegen zu können. Mit dem Dank an die Autorenschaft verbinden sie die Hoffnung, dass dieses Handbuch seiner Aufgabe weiterhin gerecht wird, kompetente Orientierungen über die verschiedenen Facetten der Theorie der ADHS gleichermaßen wie praktische Handlungsanleitungen für die klinische Versorgung von Menschen mit ADHS aller Altersstufen zu leisten.

Zürich, Köln, Hamm, Bonn und Göttingen im April 2024

Hans-Christoph Steinhausen

Manfred Döpfner

Martin Holtmann

Alexandra Philipsen

Aribert Rothenberger

1     Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird in diesem Text bei personenbezogenen Bezeichnungen in der Regel die männliche Form verwendet. Diese schließt, wo nicht anders angegeben, alle Geschlechtsformen ein (weiblich, männlich, divers).

I        Grundlagen

1        Zur Geschichte der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung2

Aribert Rothenberger und Hans-Christoph Steinhausen

Offensichtlich konnte die Trias von allgemeiner motorischer Unruhe, mangelnder emotionaler/kognitiver Impulskontrolle und Unaufmerksamkeit/Ablenkbarkeit bei Kindern schon vor Jahrhunderten beobachtet werden, zumal in der Geschichte jeweils bestimmten Personen – beispielsweise Alexander dem Großen, Dschingis Khan und Thomas Alva Edison – ähnliche Verhaltensweisen zugeschrieben wurden (Resnick 2000). Insofern stellt sich auch die Frage nach einer geschichtlich-evolutionären Betrachtungsweise für ADHS im Sinne von Chaudhary und Swanepoel (2023). Die Autoren meinen, dass der Übergang von Jäger-Sammler Gesellschaften (mit sog. integrativem/explorativem Lernen der Kinder) zu unseren westlich-industrialisierten Gesellschaften (mit strukturiertem/dichotomem Schulzeit-/Freizeitlernen) durchaus zu psychobiologischen Dispositionen geführt haben könnte, die bei ADHS evtl. zum Tragen gekommen sein mögen.

Die Zusammenschau der genannten Merkmale führte über die Jahre immer wieder zu verschiedenen diagnostischen Bezeichnungen. Obgleich derzeit die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und die Hyperkinetische Störung (HKS) die zeitgemäßen und zugleich sehr populären diagnostischen Zuordnungen sind, tauchen sie im geschichtlichen Verlauf der Diagnostik und Klassifikation kinderpsychiatrischer Störungen erst relativ spät auf, wie der in Tab. 1.1 dargestellten Zeitleiste entnommen werden kann. So enthält die letzte Ausgabe des klassischen amerikanischen Lehrbuches für Kinderpsychiatrie von Leo Kanner (1957) keinen Hinweis auf Hyperaktivitätsprobleme als eigenständige diagnostische Einheit.

In Europa hingegen war die hyperkinetische Störung schon früh erkannt worden; so wurde z. B. im Lehrbuch zur allgemeinen Psychiatrie von Hoff (1956) auf die Störung Bezug genommen. Wenngleich in den letzten Jahren der Eindruck entstanden sein mag, dass die Hyperaktivitätsstörung ein typisch amerikanisches Phänomen sei, belegt die Geschichte hinsichtlich der Erkennung und Bezeichnung andere Fakten. Kramer und Pollnow publizierten bereits 1932 eine empirische Arbeit zu einer »Hyperkinetischen Erkrankung des Kindesalters« und Göllnitz (1954, 1981) gebrauchte bereits sehr früh in der DDR häufig die Diagnose einer »Dextro-Amphetamin-Antwortstörung« und meinte damit, dass es Verhaltensauffälligkeiten gibt, die sich nach der Gabe von Dextro-Amphetamin bessern.

Die gegenwärtige Konzeptualisierung der Störung stellt wahrscheinlich wieder nur eine bestimmte Phase im Rahmen der komplexen und von Variationen geprägten Entwicklungsgeschichte dieses Störungsbildes dar. Man kann aber über die vielen Jahre erkennen, dass es phänomenologisch immer wieder um die Abgrenzung von gestörtem Sozialverhalten einerseits und hypermotorisch-kognitiven Problemen andererseits ging. Von dieser Dichotomie waren auch die verschiedenen Erklärungsmodelle geleitet. Selbst heutzutage weisen die »störungsspezifischen Fragebogen« und »diagnostischen Checklisten« noch gewisse phänomenologische Überlappungen auf, die damit auf die Bedeutung transdiagnostischer psychopathologischer Merkmale hinweisen. Von daher ist es weiterhin geboten, den geschichtlichen Verlauf dieser Konzeptentwicklung zu verfolgen und aus diesen Erkenntnissen sowie aus der gegenwärtigen Forschung eine Abschätzung der Zukunftsperspektiven für die Einordnung der ADHS zu entwickeln.

Tab. 1.1:    Zeitleiste der Konzeptentwicklung

Hinweise auf Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter, die der ADHS/HKS ähnlich sind, können bereits in frühen Beschreibungen von Hoffmann (1845), Maudsley (1867), Bourneville (1897), Clouston (1899) und Ireland (1877) sowie anderen Autoren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts gefunden werden. Allerdings gibt es die ersten klaren fachlichen Beschreibungen der Störung erst bei Still und Tredgold um 1900. Beide Autoren präsentierten ihre Analyse der Verhaltensmerkmale bei einer relativ kleinen Stichprobe von Kindern, von denen einige in ihrem Verhaltensspektrum sehr den hyperaktiven Kindern unserer Zeit ähnelten. Still (1902) schrieb dieses Verhalten einem »Defekt moralischer Kontrolle« zu und glaubte, dieser sei biologisch begründet, d. h. angeboren oder auf irgendwelche prä- oder postnatal bedingten organischen Beeinträchtigungen zurückzuführen. Seine Vorstellungen hinsichtlich der Ursachen lassen sich am besten im Zusammenhang mit dem damals weit verbreiteten sozialen Darwinismus verstehen. Inhaltlich kommen diesen Vorstellungen am ehesten die aktuellen Konzepte von »heißer« bzw. »kalter« Aggression, manchmal gepaart mit mangelnder emotionaler/kognitiver Impulskontrolle nahe. Eine ähnliche Terminologie (»moralisches Irresein«) benutzte auch schon Emminghaus (1887) für Kinder, die eher Symptome einer Störung des Sozialverhaltens zeigten, wobei er Aggressivität und mangelnde Impulskontrolle in den Vordergrund stellte3. Kinder mit einer Lern- bzw. Aufmerksamkeitsstörung wurden von ihm hingegen einer »cerebralen Neurasthenie« zugeordnet.

Die Theorie einer organischen Schädigung, welche in frühen Entwicklungsstadien eines Kindes eher leichtgradig und unbemerkt vorgekommen sein sollte, wurde von Tredgold (1908) und zu einem späteren Zeitpunkt auch von Autoren wie Pasamanick et al. (1956) übernommen. Die in Europa epidemisch auftretende Enzephalitis der Jahre 1917 bis 1918 spielte ebenfalls eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Hyperaktivitätsstörung. Nach Ausbruch der Epidemie mussten sich die Kliniker mit einer Situation auseinandersetzen, dass ihnen in großer Zahl Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten und kognitiven Problemen vorgestellt wurden, die gleichzeitig die heute geltenden Kernmerkmale einer ADHS/HKS aufwiesen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestand also hinsichtlich der Ursache einer Hyperaktivitätsstörung die vorherrschende Meinung, dass diese mit einer Hirnschädigung verbunden sei, ohne dass man überzeugende Beweise für diese Annahme vorlegen konnte; entsprechend dominierten Bezeichnungen wie z. B. »organische Getriebenheit« oder »minimale Hirnschädigung«. In dieser Zeit fiel auch auf, dass die Verhaltensweisen hyperaktiver Kinder denen von Primaten ähnelten, die einer Frontalhirnläsion unterzogen worden waren und dadurch eine mangelnde Verhaltenssteuerung zeigten. Dieser Zusammenhang wurde von verschiedenen Untersuchern so verstanden, dass die hyperkinetische Störung möglicherweise auf einen Defekt von Frontalhirnstrukturen zurückzuführen sein könnte, obwohl bei den meisten betroffenen Kindern keine entsprechenden Läsionen festzustellen waren. Damit einher ging die Tatsache, dass 1937 Bradley erstmals Stimulanzien erfolgreich zur Behandlung hyperaktiver Kinder einsetzte und Panizzon 1954 Methylphenidat entwickelte, welches später das Standardmedikament zur Behandlung der ADHS/HKS wurde. Beide Entwicklungen konnten zumindest als indirekter Hinweis für das Vorliegen einer »subtilen hirnorganischen Störung« gelten (Weber 2001).

Gegen Ende der 1950er Jahre wurde das Konzept der Hirnschädigung als einzig wichtigem Faktor bei der Entwicklung einer hyperkinetischen Störung in Frage gestellt. Man ersetzte nunmehr den Begriff der »Minimalen Hirnschädigung« durch die Bezeichnung »Minimale Cerebrale Dysfunktion – MCD« bzw. »Minimal Brain Dysfunction – MBD« (MacKeith und Bax 1963; Clements 1966; Strauss und Kephart 1955), d. h. man setzte nicht mehr einen pathologischen neuroanatomischen Befund voraus, sondern hielt es auch für möglich, dass subtilere, grob anatomisch nicht erfassbare Auffälligkeiten des Gehirns bei der Pathophysiologie der hyperkinetischen Störung wesentlich sein könnten. Zu dieser Zeit wurde zudem eine Reihe anderer Hypothesen für die Erklärung der Ursachen der Hyperaktivitätsstörung entwickelt. Dabei kam es u. a. auch zu Überlegungen im Sinne einer psychoanalytisch begründeten Theorie, dass Erziehungsdefizite eine wesentliche Ursache für die Symptomatik sein könnten, ohne dass es dafür empirische Belege gab.

Das Konzept der »MCD« konnte sich aber auch nur bedingt durchsetzen, da die methodischen Zugänge zu dessen Prüfung noch nicht vorhanden waren. Von daher ist es verständlich, dass man sich mehr auf die Verhaltensbeobachtung verlegte und das »Syndrom des hyperaktiven Kindes« nur beschrieb, wofür Stella Chess (1960) eine der wichtigsten Protagonisten war. Die Konzeption von Chess unterschied sich von ihren Vorgängern dadurch, dass sie die symptomatische und psychosoziale Prognose hyperaktiver Kinder als eher günstig ansah, wobei sie annahm, dass die Auffälligkeiten bis zur Pubertät zurückgegangen sein sollten. So bestand Ende 1960 die vorherrschende Sichtweise darin, dass die hyperkinetische Störung zwar eine Hirndysfunktion reflektiere, sich aber in einer gewissen Variationsbreite von Symptomen zu erkennen gäbe, wobei die allgemeine motorische Unruhe das vorherrschende Merkmal sei.

Während der 1960er Jahre entwickelte sich die Betrachtungsweise der hyperkinetischen Störung in Europa bzw. Nordamerika in unterschiedliche Richtungen. Kliniker in Europa behielten eine engere Sichtweise der Störung aufrecht und sahen die Symptome als ein eher seltenes Syndrom mit exzessiver motorischer Aktivität an, das üblicherweise in Verbindung mit einigen indirekten Zeichen einer Hirnschädigung stehe. Andererseits wurde in Nordamerika die Hyperaktivitätsstörung als ein häufiges Phänomen angesehen, das in den meisten Fällen nicht notwendigerweise mit sichtbaren Zeichen einer Hirnschädigung einhergehe. Diese Unterschiede gingen schließlich auch in die diagnostischen Klassifikationssysteme ein (International Classification of Diseases (ICD) der World Health Organisation 1992 und Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) der American Psychiatric Association 1980) und machen sich noch heute in niedrigeren Prävalenzraten für HKS gegenüber ADHS bemerkbar.

In den 1970er Jahren bewegte sich die wissenschaftliche Betrachtungsweise stärker von der motorischen Hyperaktivität weg und man begann, sich mehr und mehr mit den Aufmerksamkeitsaspekten der Störung zu befassen, wobei vor allem klinische Psychologen wie z. B. Virginia Douglas (1972) federführend waren. Verschiedene Autoren zeigten, dass hyperaktive Kinder große Schwierigkeiten hatten, bei jeweils gestellten Aufgaben die Daueraufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig entwickelte sich eine Anschauung, dass hyperkinetisches Verhalten in erster Linie auf belastende Umgebungsfaktoren zurückzuführen sei. Diese Betrachtung traf mit einer gesellschaftlichen Bewegung zu einem gesünderen Lebensstil und einer gewissen Unzufriedenheit mit einer vermeintlich ausgeprägten Neigung zur Medikation bei Schulkindern zusammen.

Ferner wurde eine Bewegung aktiv, welche die Hyperaktivitätsstörung vornehmlich auf allergische Reaktionen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, insbesondere aber auf Nahrungszusatzstoffe zurückführen wollte (z. B. Feingold 1975). Schließlich wurden auch der allgemeine technische Fortschritt und andere kulturelle Einflüsse als ursächliche Faktoren verantwortlich gemacht. Parallel vollzog sich eine wissenschaftliche Entwicklung, welche in zunehmendem Umfang die Hyperaktivitätsstörung mittels psychophysiologischer Methoden untersuchte, um den pathologischen hirnfunktionellen Hintergrund besser zu verstehen. In dieser Zeit wurde also erneut deutlich, dass die Hyperaktivitätsstörung mit ihrer engen Verbindung zu auffälligem Sozialverhalten und Schulleistungsproblemen im Blickpunkt verschiedener Sichtweisen sowie gesellschaftlicher Bereiche steht und mehr Sachkenntnis für ein vertieftes Verständnis hilfreich ist.

Tab. 1.2:    Neuere Entwicklung der Beschäftigung mit ADHS im deutschsprachigen Raum

In den 1980er Jahren nahm die Forschungsaktivität im Feld mit der Entwicklung von Forschungskriterien und standardisierten Abklärungsprozeduren deutlich zu. Auch im Bereich der Behandlung konnten Fortschritte mit Methoden erzielt werden, die an der kognitiv-verhaltensorientierten Therapie (Freibergs und Douglas 1969; Gittelman 1981) orientiert waren. Zunehmend wurde die Hyperaktivitätsstörung als eine Auffälligkeit gewertet, die eine starke erbliche Komponente aufweist, von chronischem Verlauf ist und eine deutliche psychosoziale Beeinträchtigung vor allem hinsichtlich der schulischen und sozialen Entwicklung bedeutet. Damit bedurfte die Behandlung nicht nur der Medikamente, sondern einer integralen, multimodalen Vorgehensweise mit sich gegenseitig ergänzenden Fähigkeiten von verschiedenen Fachleuten.

Im Verlauf der 1990er Jahre wurde die Ausrichtung der Forschung auf die allgemeine motorische Unruhe und die Aufmerksamkeitsprobleme derart intensiv, dass mehr Forschungsliteratur als zu jeder anderen kinderpsychiatrischen Störung entstand. Dabei war die Variationsbreite und Intensität der Forschung beträchtlich, wobei sie tiefer in die Genetik und neurobiologischen Grundlagen der Hyperaktivitätsstörung eindrang (Rothenberger 1990). Zugleich nahm die Zahl an Untersuchungen zu, welche die Wirksamkeit und Sicherheit verschiedener Behandlungsmethoden vor allem in der Psychopharmakotherapie überprüften, sowie die mit ADHS/HKS assoziierten psychiatrischen Störungen (z. B. Tic, Zwang, Autismus) in den Blick nahmen.

In dieser Zeit entstanden auch die ersten Leitlinien zu HKS bzw. ADHS (z. B. European Society for Child and Adolescent Psychiatry; Taylor et al. 1998, Update 2004; American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, Practice Parameters 1997). Die Entwicklung von Leitlinien war als ein wichtiger Versuch zu verstehen, um die Vorgehensweisen in der Praxis mit der Forschungslage abzugleichen, zu standardisieren und im Sinne des Qualitätsmanagements weiterzuentwickeln. Diese Leitlinien betonen die Bedeutung der individualisierten, multimodalen, multidisziplinären Abklärung und Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen durch versierte klinische Praktiker. Dabei wurde auch immer deutlicher, dass diese Störung sich nicht bei allen Kindern »auswächst«, sondern bei einem beträchtlichen Anteil der Betroffenen in das Jugendalter und sogar bis in das Erwachsenenalter anhalten kann. So konnte man seit etwa dem Jahr 2000 auch Zeuge einer Entwicklung werden, wie die Erwachsenenpsychiatrie allmählich von ADHS Kenntnis nahm und mittlerweile die Bedeutung der Störung hinsichtlich Differenzialdiagnostik und Behandlung erkannt hat. In den letzten Jahren ist hinsichtlich ADHS bei Erwachsenen ein enormer Zuwachs an Erkenntnis und Erfahrung zu verzeichnen, der im vorliegenden Handbuch auch gebührend Berücksichtigung gefunden hat.

Der Schwerpunkt, den die Forschung zu ADHS in der Zwischenzeit einnimmt, wird auch dadurch verdeutlicht, dass sich wissenschaftliche Zeitschriften immer wieder schwerpunktmäßig der Thematik von ADHS widmen; ausschließlich gilt dies sogar für das Journal of Attention Disorders bereits seit 1996. Für die Bereitstellung von Informationen zu ADHS ist in Deutschland das von M. Döpfner koordinierte zentrale adhs-netz mit Plattformen im Internet entwickelt worden. Es bietet Informationen für Therapeuten und Pädagogen einerseits (www.zentrales-adhs-netz.de) sowie für Menschen mit ADHS und deren Begleitpersonen andererseits (www.adhs.info) und ist seit vielen Jahren bundesweit und mit regionalen Netzen in Deutschland aktiv. Darüberhinaus sind die ADHS-Selbsthilfeorganisationen zu erwähnen (z. B. ADHD-Europe seit 2010 und die in Kap. 39 dargestellte Entwicklung der Selbsthilfe in Deutschland).

So lassen mehr als hundert Jahre Wissenschaftsgeschichte der ADHS/HKS eine Entwicklung erkennen, die von verschiedenen Einflüssen geprägt wurde. Dieser Sachverhalt kann nicht verwundern, denn dieses Thema steht nach wie vor im Schnittpunkt von Medizin, Psychologie, Pädagogik, Soziologie und Politik. Damit sind immer verschiedene Betrachtungsweisen verbunden und kontroverse Diskussionen sind oft unausweichlich. Diese Debatte kann nur durch Sachlichkeit fruchtbar und insbesondere zum Wohle der Betroffenen gestaltet werden. Die medizinische und psychologische, empirisch orientierte und evidenzbasierte Forschung trägt hier eine besondere Verantwortung, damit das Konzept der ADHS in Gegenwart und Zukunft immer überzeugender und wahrscheinlich auch differenzierter formuliert werden kann.

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2     Modifizierte Version nach: Rothenberger A und Neumärker K (2005) Wissenschaftsgeschichte der ADHS, Steinkopff, Darmstadt.

3     Will man diese fachliche Einordnung/Wertung von Verhaltensauffälligkeiten mit mangelnder Selbststeuerung in Verbindung mit heutigen neurobiologischen Erkenntnissen bringen, so spiegelt sich hier am ehesten eine pathologische Wechselwirkung zwischen Frontalhirn und Limbischem System bzw. (neuropsychologisch gesehen) zwischen Kognition und Motivation.

2        Definition und Klassifikation

Hans-Christoph Steinhausen

Die für ADHS charakteristischen Kernmerkmale der Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörung und Impulsivität stellen zwar keine Krankheitseinheit dar, können andererseits aber gemäß dem nosologischen Denken der Medizin aufgrund ihrer Verknüpfung als psychiatrisches Syndrom betrachtet werden. Entsprechend hat sich in der psychiatrischen Klassifikation des Störungsbildes eine Reihe von Bezeichnungen herausgebildet, von denen der Begriff des »Hyperkinetischen Syndroms« mit der ICD-9 international über lange Zeit große Verbreitung gefunden hat. Mit dem Erscheinen der ICD-10 ist er durch die Bezeichnung »Hyperkinetische Störungen« ersetzt worden. In Nordamerika wurde unter dem Einfluss der Diagnostic and Statistical Manuals (DSM), dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association (APA), seit den 1980er Jahren der Begriff der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) etabliert.

Dieser stärker an den Verhaltensmerkmalen orientierte Begriff hat sich international in der Zwischenzeit trotz der für die Krankenversicherer noch verbindlichen Klassifikation nach der ICD-10 stärker durchgesetzt als die in diesem System enthaltenen Bezeichnung der Hyperkinetischen Störung (HKS). Tatsächlich wird mit ADHS die verhaltensorientierte Definition der Störung besser zum Ausdruck gebracht, während die Hyperkinetische Störung eigentlich eine spezielle neurologische Bewegungsstörung impliziert. In Wirklichkeit liegt bei den betroffenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aber eine allgemein erhöhte Unruhe vor. Mit der ICD-11 ist die Bezeichnung sinnvollerweise in Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung geändert worden.

Kasten 2.1:    Forschungskriterien für hyperkinetische Störungen gemäß ICD-10

G1.  Unaufmerksamkeit: Mindestens sechs Monate lang mindestens sechs der folgenden Symptome von Unaufmerksamkeit in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß.

        Die Kinder:

1.  sind unaufmerksam gegenüber Details oder machen Sorgfaltsfehler bei den Schularbeiten und sonstigen Arbeiten und Aktivitäten

2.  sind häufig nicht in der Lage, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim Spielen aufrechtzuerhalten

3.  hören häufig scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird

4.  können oft Erklärungen nicht folgen oder ihre Schularbeiten, Aufgaben oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht erfüllen (nicht wegen oppositionellem Verhalten oder weil die Erklärungen nicht verstanden werden)

5.  sind häufig beeinträchtigt, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren

6.  vermeiden ungeliebte Arbeiten, wie Hausaufgaben, die häufig geistiges Durchhaltevermögen erfordern

7.  verlieren häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben wichtig sind, z. B. für Schularbeiten, Bleistifte, Bücher, Spielsachen und Werkzeuge

8.  werden häufig von externen Stimuli abgelenkt

9.  sind im Verlauf der alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich.

G2.  Überaktivität: Mindestens sechs Monate lang mindestens drei der folgenden Symptome von Überaktivität in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß.

        Die Kinder:

1.  fuchteln häufig mit Händen und Füßen oder winden sich auf den Sitzen

2.  verlassen ihren Platz im Klassenraum oder in anderen Situationen, in denen Sitzen bleiben erwartet wird

3.  laufen häufig herum oder klettern exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend

4.  ist (bei Jugendlichen oder Erwachsenen entspricht dem nur ein Unruhegefühl)

5.  sind häufig unnötig laut beim Spielen oder haben Schwierigkeiten bei leisen Freizeitbeschäftigungen

6.  zeigen ein anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivitäten, die durch den sozialen Kontakt oder Verbote nicht durchgreifend beeinflussbar sind.

G3.  lmpulsivität: Mindestens sechs Monate lang mindestens eines der folgenden Symptome von Impulsivität in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß.

        Die Kinder:

1.  platzen häufig mit der Antwort heraus, bevor die Frage beendet ist

2.  können häufig nicht in einer Reihe warten oder warten, bis sie bei Spielen oder in Gruppensituationen an die Reihe kommen

3.  unterbrechen und stören andere häufig (z. B. mischen sie sich ins Gespräch oder Spiel

4.  anderer ein)

5.  reden häufig exzessiv ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren.

G4.  Beginn der Störung vor dem siebten Lebensjahr

G5.  Sitautionsunabhängigkeit: Die Kriterien sollten in mehr als einer Situation erfüllt sein z. B. sollte die Kombination von Unaufmerksamkeit und Überaktivität sowohl zuhause als auch in der Schule bestehen oder in der Schule und an einem anderen Ort, wo die Kinder beobachtet werden können z. B. in der Klinik. (Der Nachweis situationsübergreifender Symptome erfordert normalerweise Informationen aus mehr als einer Quelle. Elternberichte über das Verhalten im Klassenraum sind z. B. meist unzureichend.)

G6.  Die Symptome von G1. – G3. verursachen deutliches Leiden oder Beeinträchtigung der sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsfähigkeit.

G7.  Die Störung erfüllt nicht die Kriterien für eine tiefgreifende Entwicklungsstörung (F84), eine manische Episode (F30), eine depressive Episode (F32) oder eine Angststörung (F41).

2.1        Klassifikation nach der ICD

Das System der ICD befindet sich gegenwärtig im weiteren Wandel. Im Frühsommer 2019 wurde die ICD-11 veröffentlicht, die am 1. Januar 2022 in Kraft trat. Die definitive Einführung wird jedoch noch einige Jahre benötigen, um vollständig in die Versorgungssysteme integriert zu werden. Daher wird es in einer Übergangszeit zu einem parallelen Gebrauch von ICD-10 und ICD-11 kommen, sodass hier beide Klassifikationen von ADHS dargestellt werden müssen.

Gemäß Definition in der International Classification of Diseases, Tenth Revision (ICD-10; Dilling et al. 1991) – sind Hyperkinetische Störungen (Code F90) durch folgende Merkmale charakterisiert:

1.  früher Beginn,

2.  die Kombination von überaktivem, wenig moduliertem Verhalten mit deutlicher Unaufmerksamkeit und Mangel an Ausdauer bei Aufgabenstellungen und

3.  Unabhängigkeit dieser Verhaltenscharakteristika von spezifischen Situationen sowie Beständigkeit über längere Zeit.

Im Rahmen der diagnostischen Leitlinien der ICD-10 werden die beeinträchtigte Aufmerksamkeit und die Überaktivität als die für die Diagnose notwendigen Kardinalsymptome herausgestellt:

»Die beeinträchtigte Aufmerksamkeit zeigt sich darin, dass Aufgaben vorzeitig abgebrochen und Tätigkeiten nicht beendet werden. Die Kinder wechseln häufig von einer Aktivität zur anderen, wobei sie anscheinend das Interesse an einer Aufgabe verlieren, weil sie zu einer anderen hin abgelenkt werden (wenn auch Laboruntersuchungen nicht regelmässig ein ungewöhnliches Ausmaß an sensorischer oder perzeptiver Ablenkbarkeit zeigen). Diese Aspekte mangelnder Aufmerksamkeit und Ausdauer sollten nur dann diagnostiziert werden, wenn sie im Verhältnis zum Alter und Intelligenzniveau des Kindes sehr stark ausgeprägt sind.

Überaktivität bedeutet exzessive Ruhelosigkeit, besonders in Situationen, die relative Ruhe verlangen. Situationsabhängig kann sie sich im Herumlaufen oder Herumspringen äußern, im Aufstehen, wenn dazu aufgefordert wurde, sitzenzubleiben; in ausgeprägter Redseligkeit und Lärmen oder im Wackeln und Zappeln. Beurteilungsmaßstab sollte sein, dass die Aktivität im Verhältnis zu dem, was in der gleichen Situation von gleichaltrigen Kindern mit gleicher Intelligenz zu erwarten wäre, extrem ausgeprägt ist. Dieses Verhaltensmerkmal zeigt sich am deutlichsten in strukturierten und organisierten Situationen, die ein hohes Maß an eigener Verhaltenskontrolle fordern.

Beeinträchtigte Aufmerksamkeit und Überaktivität sollen nebeneinander vorhanden sein; darüber hinaus sollen sie in mehr als einer Situation in Erscheinung treten (z. B. zu Hause, in der Klasse und in der Klinik).

Die folgenden Begleitmerkmale sind für die Diagnose nicht notwendig, stützen sie jedoch: Distanzlosigkeit in sozialen Beziehungen, Unbekümmertheit in gefährlichen Situationen und impulsive Missachtung sozialer Regeln (sie äußert sich in Einmischungen in oder Unterbrechungen von Aktivitäten anderer oder vorschnellem Beantworten noch nicht vollständig gestellter Fragen oder in der Schwierigkeit, zu warten, bis man an der Reihe ist), sind sämtlich charakteristisch für Kinder mit dieser Störung.

Lernstörungen und motorische Ungeschicklichkeit treten mit großer Häufigkeit auf und sollten, wenn vorhanden, getrennt verschlüsselt werden (unter F80 bis F89). Bestandteil der eigentlichen Diagnose der hyperkinetischen Störung sollten sie nicht sein.

Symptome einer Störung des Sozialverhaltens sind weder Ein- noch Ausschlusskriterien für die Hauptdiagnose. Diese Störung bildet jedoch die Basis für die Hauptunterteilung der hyperkinetischen Störungen (siehe unten).

Die charakteristischen Verhaltensprobleme sollen früh (vor dem 6. Lebensjahr) begonnen haben und von längerer Dauer sein. Wegen der breiten Variation der Norm ist Hyperaktivität vor dem Schulalter schwierig zu erkennen. Bei Vorschulkindern soll nur ein extremes Maß zu dieser Diagnose führen.« (Dilling et al. 1991)

Die diagnostischen Leitlinien sind in den im Kasten 2.1 dargestellten Forschungskriterien noch präziser dargelegt. Sie sind wegen ihrer Orientierung an dem störungsspezifischen Verhalten auch für die Anwendung in der klinischen Praxis wertvoll. Hinsichtlich der Klassifikation verschiedener Untergruppen nimmt die ICD-10 die folgende Einteilung der hyperkinetischen Störungen vor:

F90.0 einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung

Es herrscht weiterhin Unsicherheit über eine befriedigende Untergliederung hyperkinetischer Störungen. Untersuchungen zeigen, dass der Verlauf bis ins Adoleszenz- und Erwachsenenalter stark davon beeinflusst wird, ob Aggressivität, Delinquenz oder dissoziales Verhalten begleitend vorhanden sind oder nicht. Dementsprechend wird die Hauptuntergliederung nach dem Vorkommen dieser Begleitmerkmale vorgenommen.

F90.0 soll verwendet werden, wenn die allgemeinen Kriterien für eine hyperkinetische Störung (F90) erfüllt sind, die Kriterien für F91 (Störung des Sozialverhaltens) jedoch nicht.

Dazugehöriger Begriff:

•  Aufmerksamkeitsdefizitstörung oder -syndrom mit Hyperaktivität

•  Aufmerksamkeitsdefizit mit Hyperaktivitätsstörung« (Dilling et al. 1991).

F90.1 hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens

Diese Kodierung ist zu wählen, wenn die Kriterien für eine hyperkinetische Störung (F90) und die Kriterien für eine Störung des Sozialverhaltens (F91) beide erfüllt sind.

F90.8 andere hyperkinetische Störungen

F90.9 nicht näher bezeichnete hyperkinetische Störung

Eine nicht zu empfehlende Restkategorie, die nur verwendet werden soll, wenn die Differenzierung zwischen F90.0 und F90.1 nicht möglich ist, die allgemeinen Kriterien für F90 aber erfüllt sind.

Dazugehöriger Begriff:

nicht näher bezeichnete hyperkinetische Reaktion oder hyperkinetisches Syndrom der Kindheit oder des Jugendalters

In der ICD-11 (https://icd.who.int/browse11/l-m/en; deutsche Entwurfsfassung: https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-11/_node.html) wird die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (6A05) analog zum DSM-5 der neu geschaffenen Gruppe der neuronalenEntwicklungsstörungen zugerechnet. In der Beschreibung der Störung sind keine bedeutsamen Veränderungen gegenüber der ICD-10 vorgenommen worden. Die Dauer der Symptome soll mindestens seit sechs Monaten vorliegen, der Beginn wird als typischerweise in der frühen bis mittleren Kindheit definiert und die Situationsunabhängigkeit der Symptommanifestation ist für die Diagnosenstellung verbindlich. Da (noch) keine Forschungskriterien und auch keine klinisch-diagnostischen Leitlinien vorliegen, sind die in den entsprechenden Kriterien der ICD-10 enthaltenen deskriptiven Verhaltensmerkmale ( Tab. 2.1) auch für die Klinik wertvoll, sofern nicht auf das DSM-System Bezug genommen wird.

Hinsichtlich der Typisierung von Untergruppen nimmt die ICD-11 eine deutliche Veränderung gegenüber der ICD-10 vor und konvergiert weitgehend mit der Klassifikation im DSM-5. Insbesondere entfällt die komorbide Störung von ADHS und Störung des Sozialverhaltens, für deren Auftreten nunmehr zwei separate Diagnosen zu stellen sind. Die Definition von ADHS einschließlich der Subtypen in der ICD-11 sind in Kasten 2.2 dargestellt.

Kasten 2.2:    Definition von ADHS in der ICD-11 (Deutsche Entwurfsfassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte [BfArM])

6A05 Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS]

Beschreibung

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ist durch ein anhaltendes Muster (mindestens 6 Monate) von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität-Impulsivität gekennzeichnet, das sich unmittelbar negativ auf die schulischen, beruflichen oder sozialen Leistungen auswirkt. Es gibt Anzeichen für signifikante Unaufmerksamkeits- und/oder Hyperaktivitäts-Impulsivitätssymptome vor dem 12. Lebensjahr, typischerweise in der frühen bis mittleren Kindheit, obwohl einige Personen erst später klinisch auffallen können. Das Ausmaß der Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität-Impulsivität liegt außerhalb der normalen Schwankungsbreite, die für das Alter und die intellektuelle Leistungsfähigkeit erwartet wird. Unaufmerksamkeit bezieht sich auf erhebliche Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit für Aufgaben aufrechtzuerhalten, die keine hohe Stimulation oder häufige Belohnung bieten, sowie auf Ablenkbarkeit und Probleme bei der Organisation. Hyperaktivität bezieht sich auf übermäßige motorische Aktivität und Schwierigkeiten mit dem Stillhalten, die vor allem in strukturierten Situationen auftreten, die eine Selbstkontrolle des Verhaltens erfordern. Impulsivität ist die Tendenz, auf unmittelbare Reize hin zu handeln, ohne zu überlegen oder die Risiken und Folgen zu bedenken. Das relative Gleichgewicht und die spezifischen Ausprägungen von unaufmerksamen und hyperaktiv-impulsiven Merkmalen sind von Person zu Person unterschiedlich und können sich im Laufe der Entwicklung verändern. Damit eine Diagnose gestellt werden kann, müssen die Manifestationen der Unaufmerksamkeit und/oder der Hyperaktivität-Impulsivität in verschiedenen Situationen oder Umgebungen (z. B. zu Hause, in der Schule, am Arbeitsplatz, bei Freunden oder Verwandten) zu beobachten sein, wobei sie je nach Struktur und Anforderungen der Umgebung variieren können. Die Symptome lassen sich nicht besser durch eine andere psychische, verhaltensbezogene oder neurologische Entwicklungsstörung erklären und sind nicht auf die Wirkung einer Substanz oder eines Medikaments zurückzuführen.

 

6A05.0 Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], vorwiegend unkonzentriert

Beschreibung

Alle definitorischen Voraussetzungen für eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung sind erfüllt, und im klinischen Bild überwiegen unaufmerksame Symptome. Unaufmerksamkeit bezieht sich auf erhebliche Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit für Aufgaben aufrechtzuerhalten, die kein hohes Maß an Stimulation oder häufige Belohnungen bieten, sowie auf Ablenkbarkeit und Probleme bei der Organisation. Es können auch einige hyperaktiv-impulsive Symptome vorhanden sein, die jedoch im Vergleich zu den unaufmerksamen Symptomen klinisch nicht signifikant sind.

 

6A05.1 Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], vorwiegend hyperaktiv-impulsiv

Beschreibung

Alle definitorischen Voraussetzungen für die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung sind erfüllt, und im klinischen Erscheinungsbild überwiegen hyperaktive und impulsive Symptome. Hyperaktivität bezieht sich auf übermäßige motorische Aktivität und Schwierigkeiten mit dem Stillhalten, die sich vor allem in strukturierten Situationen zeigen, die eine Selbstkontrolle des Verhaltens erfordern. Impulsivität ist die Tendenz, auf unmittelbare Reize hin zu handeln, ohne zu überlegen oder die Risiken und Folgen zu bedenken. Es können auch einige unaufmerksame Symptome vorhanden sein, die jedoch im Vergleich zu den hyperaktiv-impulsiven Symptomen klinisch nicht signifikant sind.

 

6A05.2 Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], kombiniert

Beschreibung

Alle definitorischen Voraussetzungen für die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung sind erfüllt. Sowohl unaufmerksame als auch hyperaktiv-impulsive Symptome sind klinisch bedeutsam, wobei keines der beiden in der klinischen Präsentation überwiegt. Unaufmerksamkeit bezieht sich auf erhebliche Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit für Aufgaben aufrechtzuerhalten, die kein hohes Maß an Stimulation oder häufige Belohnungen bieten, Ablenkbarkeit und Probleme bei der Organisation. Hyperaktivität bezieht sich auf übermäßige motorische Aktivität und Schwierigkeiten mit dem Stillhalten, die vor allem in strukturierten Situationen auftreten, die eine Selbstkontrolle des Verhaltens erfordern. Impulsivität ist eine Tendenz, auf unmittelbare Reize hin zu handeln, ohne zu überlegen oder die Risiken und Folgen zu bedenken.

 

6A05.Y Sonstige näher bezeichnete Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS]

 

6A05.Z Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], nicht näher bezeichnet

Mit dieser Klassifikation folgt die ICD-11 nunmehr der in Klinik und Forschung etablierten Einteilung in drei Subtypen mit Betonung von jeweils einer der Grunddimensionen des diagnosespezifischen Verhaltens bzw. ihrer Kombination und zwei Residualkategorien für die selteneren und nicht in diesen die Subtypen klassifizierbaren Symptomkonstellationen von ADHS.

2.2        Klassifikation nach DSM

Das US-amerikanische Klassifikationssystem Diagnostic and Statistical Manual (DSM) der American Psychiatric Association hat seit seiner dritten Revision (DSM-III, APA 1980) das Aufmerksamkeitsdefizit in den Vordergrund gerückt und daher die Bezeichnung »attention deficit disorder« (ADD) kreiert, die schon mit der bald folgenden Revision (DSM-III-R, APA 1987) erneut in »attention deficity hyperactivity disorder (ADHD)« umbenannt wurde. Die unter dem Einfluss des DSM-III-R realisierte Forschung hat sodann einige Belege für die Schlussfolgerung erbracht, dass ein reines Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität (ADD/-H) eine eigenständige kinderpsychiatrische Diagnose und nicht nur einen Subtyp der ADHD darstellt. So liegen bei dem isolierten Aufmerksamkeitsdefizit (ADS) eher Probleme der fokussierten und selektiven Aufmerksamkeit vor, während Probleme der Enthemmung fehlen. Beim kombinierten Typ mit ADHS bestehen die Probleme eher in der persistenten Anstrengung und Ablenkbarkeit. Die Probleme der Enthemmung sind hierbei zentral sowie auch nach Rückbildung der Hyperaktivität weiterhin persistent.

Im Widerspruch zu diesen Erkenntnissen hat das DSM-IV (APA 1994) jedoch eine Aufteilung in Subtypen mit einem vorwiegend unaufmerksamen, einem vorwiegend hyperaktiv-impulsiven und einem Mischtyp vorgenommen. Diese Unterscheidung ist auch im DSM-5 (APA 2013) erhalten geblieben, wie Kasten 2.3 mit den entsprechenden diagnostischen Kriterien entnommen werden kann. Aufgrund des oft lebenslangen Verlaufs der ADHS wird die Störung nun dem Kapitel neuronalen Entwicklungsstörungen (neurodevelopmental Disorders) zugeordnet. Das geforderte Alterskriterium für den Beginn der Symptomatik wurde vom 7. auf das 12. Lebensjahr heraufgesetzt, im Gegensatz zum Kindesalter und DSM-IV wurde für das Erwachsenenalter eine Symptomeschwelle von fünf statt zuvor sechs geforderten Kriterien ab dem 17. Lebensjahr zur Diagnosestellung zugrunde gelegt. Das Kriterium einer signifikanten Funktionsbeeinträchtigung aufgrund der ADHS-Symptomatik wurde in eine Beeinträchtigung des Alltags aufgrund der ADHS-Symptomatik verändert, die entsprechend des festgestellten Schweregrades der Beeinträchtigung spezifiziert werden kann.

Aus dem Vergleich der Forschungskriterien der ICD-10 und des DSM wird die weitgehende Konvergenz der diagnostischen Kriterien der beiden Klassifikationssysteme deutlich. Im DSM-5 neu hinzu gekommen sind die Berücksichtigung eines teilremittierten ADHS sowie eines dreigestuften Schweregrades (leicht-mittel-schwer). Hingegen ist die Klassifizierung einer eigenen Entität beim gleichzeitigen Vorliegen einer Störung des Sozialverhaltens, welche in der ICD-10 noch Berücksichtigung findet, empirisch mittlerweile abgesichert. Analoge Hinweise auf eine spezielle Untergruppe hyperkinetischer Störungen mit gleichzeitig bestehenden emotionalen Störungen (Angst und Depression) sind empirisch bisher weniger intensiv erbracht worden. Der unter dem Einfluss englischer Wissenschaftler vorgenommenen Betonung der Pervasivität, d. h. der Situationsunabhängigkeit als Diagnose-Kriterium in der ICD-10 wird in der nordamerikanischen Diskussion weniger gefolgt. Hier ist vielmehr vorgeschlagen worden, die pervasive Störung im Vergleich zur situativen Störung als eine schwere Ausprägung der ADHD zu betrachten (Barkley 2006).

Das unter B. im DSM-5 erfasste Alterskriterium, mit dem die Manifestation der Störung vor dem Alter von 12 Jahren gefordert wird, ist auf der Basis von Ergebnissen infrage gestellt worden, die in epidemiologischen Längsschnittstudien ermittelt wurden. Drei epidemiologische Kohortenstudien in Neuseeland, Brasilien und Großbritannien haben von ADHS-Spätmanifestationen im Erwachsenenalter ohne vorausgehende ADHS im Kindesalter berichtet (Moffitt et al. 2015, Caye et al. 2016; Agnew-Blais et al. 2016; Cooper et al. 2018). Diese Befunde sind dahingehend kritisch diskutiert worden, inwieweit methodische Artefakte zur Annahme eines ADHS mit Spätbeginn im Erwachsenenalter geführt haben könnten (Asherson und Agnew-Blais 2019). Andererseits sprechen die Langzeitbeobachtungen der Multimodal Treatment of ADHD (MTA) Studie nicht grundsätzlich gegen die Validität dieser Annahme, wenngleich mangelnde Sorgfalt bei der klinischen Abklärung der Funktionsbeeinträchtigung, der psychiatrischen Anamnese und der Komorbidität häufig zu falsch-positiven Diagnosen führen können (Sibley et al. 2017).

Kasten 2.3:    Diagnostische Kriterien für ADHS gemäß DSM-5 (Abdruck erfolgt mit Genehmigung vom Hogrefe Verlag Göttingen aus dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, © 2013 American Psychiatric Association, dt. Version © 2018 Hogrefe Verlag.)

A.  Ein durchgehendes Muster von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität-Impulsivität, wie in (1) und/oder (2) beschrieben, welches das Funktionsniveau oder die Entwicklung beeinträchtigt:

1.  Unaufmerksamkeit: Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden Ausmaß aufgetreten und wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische/berufliche Aktivitäten aus:

     Beachte: Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von oppositionellem Verhalten, Trotz, Feindseligkeit oder der Unfähigkeit, Aufgaben oder Anweisungen zu verstehen. Für ältere Jugendliche und Erwachsene (17 Jahre und älter) sind mindestens fünf Symptome erforderlich.

a.  Beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten (z. B.: übersieht Einzelheiten oder lässt sie aus; arbeitet ungenau).

b.  Hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten (z. B.: hat während Unterricht, Vorträgen, Unterhaltungen oder längerem Lesen Schwierigkeiten, konzentriert zu bleiben).

c.  Scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn bzw. sie ansprechen (z. B.: scheint mit den Gedanken anderswo zu sein, auch ohne ersichtliche Ablenkungen).

d.  Führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und bringt Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende (z. B.: beginnt mit Aufgaben, verliert jedoch schnell den Fokus und ist leicht abgelenkt).

e.  Hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren (z. B.: hat Probleme, sequenziell aufeinander folgende Aufgaben zu bewältigen; Schwierigkeiten, Materialien und eigene Sachen in Ordnung zu halten; unordentliches, planlos-desorganisiertes Arbeiten; schlechtes Zeitmanagement; hält Termine und Fristen nicht ein).

f.  Vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich nur widerwillig mit Aufgaben, die länger andauernde geistige Anstrengungen erfordern (z. B. Mitarbeit im Unterricht oder Hausaufgaben; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen: Ausarbeiten von Berichten, Ausfüllen von Formularen, Bearbeiten längerer Texte).

g.  Verliert häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben oder Aktivitäten benötigt werden (z. B. Schulmaterialien, Stifte, Bücher, Werkzeug, Geldbörsen, Schlüssel, Arbeitspapiere, Brillen, Mobiltelefone).

h.  Lässt sich oft durch äußere Reize leicht ablenken (bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen können auch mit der aktuellen Situation nicht in Zusammenhang stehende Gedanken gemeint sein).

i.  Ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich (z. B. bei der Erledigung von häuslichen Pflichten oder Besorgungen; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen umfasst das Vergessen auch Telefonrückrufe zu tätigen, Rechnungen zu bezahlen, Verabredungen einzuhalten).

2.  Hyperaktivität und Impulsivität: Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden Ausmaß aufgetreten und wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische/berufliche Aktivitäten aus:

     Beachte: Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von oppositionellem Verhalten, Trotz, Feindseligkeit oder Unfähigkeit, Aufgaben oder Anweisungen zu verstehen. Für ältere Jugendliche und Erwachsene (17 Jahre und älter) sind mindestens fünf Symptome erforderlich.

a.  Zappelt häufig mit Händen und Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum.

b.  Steht oft in Situationen auf, in denen Sitzenbleiben erwartet wird (z. B.: verlässt eigenen Stuhl im Klassenraum, im Büro oder an anderem Arbeitsplatz oder in anderen Situationen, die erfordern, am Platz zu bleiben).

c.  Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist. (Beachte: Bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben.)

d.  Hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen.

e.  Ist häufig »auf dem Sprung« oder handelt oftmals, als wäre er bzw. sie »getrieben« (z. B.: kann nicht über eine längere Zeit hinweg ruhig an einem Platz bleiben bzw. fühlt sich dabei sehr unwohl, z. B. in Restaurants, bei Besprechungen; dies kann von anderen als Ruhelosigkeit oder als Schwierigkeit erlebt werden, mit dem Betreffenden Schritt zu halten).

f.  Redet häufig übermäßig viel.

g.  Platzt häufig mit den Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist (z. B.: beendet die Sätze anderer; kann in Unterhaltungen nicht abwarten bis er bzw. sie mit Reden an der Reihe ist).

h.  Kann häufig nur schwer warten, bis er bzw. sie an der Reihe ist (z. B. beim Warten in einer Schlange).

i.  Unterbricht oder stört andere häufig (z. B.: platzt in Gespräche, Spiele oder andere Aktivitäten hinein; benutzt die Dinge anderer Personen ohne vorher zu fragen oder ohne Erlaubnis; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen: unterbricht oder übernimmt Aktivitäten anderer).

B.  Mehrere Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyperaktivität-Impulsivität treten bereits vor dem Alter von 12 Jahren auf.

C.  Mehrere Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyperaktivität-Impulsivität bestehen in zwei oder mehr verschiedenen Lebensbereichen (z. B. zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit; mit Freunden oder Verwandten; bei anderen Aktivitäten).

D.  Es sind deutliche Hinweise dafür vorhanden, dass sich die Symptome störend auf die Qualität des sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveaus auswirken oder dieses reduzieren.

E.  Die Symptome treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder anderen psychotischen Störung auf und können auch nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden (z. B. affektive Störung, Angststörung, dissoziative Störung, Persönlichkeitsstörung, Substanzintoxikation oder -entzug).

Bestimme, ob:

F90.2 Gemischtes Erscheinungsbild: Sowohl Kriterium A1 (Unaufmerksamkeit) als auch Kriterium A2 (Hyperaktivität-Impulsivität) waren während der letzten 6 Monate erfüllt.

      F90.0 Vorwiegend Unaufmerksames Erscheinungsbild: Kriterium A1 (Unaufmerksamkeit), aber nicht Kriterium A2 (Hyperaktivität-Impulsivität) war während der letzten 6 Monate erfüllt.

      F90.1 Vorwiegend Hyperaktiv-Impulsives Erscheinungsbild: Kriterium A2 (Hyperaktivität-Impulsivität), aber nicht Kriterium A1 (Unaufmerksamkeit) war während der letzten 6 Monate erfüllt.

Bestimme, ob:

Teilremittiert: Wenn die Kriterien früher vollständig erfüllt worden sind, in den letzten 6 Monaten jedoch nicht alle notwendigen Kriterien erfüllt wurden und die Symptome immer noch eine Beeinträchtigung des sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveaus verursachen.

Bestimme den aktuellen Schweregrad:

Leicht: Es treten wenige oder keine Symptome zusätzlich zu denjenigen auf, die zur Diagnosestellung erforderlich sind, und die Symptome führen zu nicht mehr als geringfügigen Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen.

      Mittel: Die Ausprägung der Symptome und der funktionellen Beeinträchtigung liegt zwischen »leicht« und »schwer«.

      Schwer: Die Anzahl der Symptome übersteigt deutlich die zur Diagnosestellung erforderliche Anzahl oder mehrere Symptome sind besonders stark ausgeprägt oder die Symptome beeinträchtigen erheblich die soziale, schulische oder berufliche Funktionsfähigkeit.

2.3        Zusätzliche diagnostische Kriterien und Grenzen

Beide diagnostischen Systeme konvergieren mit der Definition zusätzlicher diagnostischer Kriterien in der Absicht, ADHS von den isoliert häufig auftretenden und nicht notwendigerweise pathognomonischen Symptomen der Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität als einer validen Störungseinheit abzugrenzen. Entsprechend werden die Kriterien, Dauer, Alter bei Beginn, Pervasivität, Beeinträchtigung, Diskrepanz und Ausschluss als unabdingbare Zusatzmerkmale definiert. Mit den ersten drei in Kasten 2.4 noch einmal hervorgehobenen Kriterien werden spezifische Bedingungen für das Vorliegen von ADHS definiert, während die letzten drei Kriterien von allgemeiner Bedeutung für die Definition jeglicher psychischen Störung in Abgrenzung zur Normalität sind. Diese zusätzlichen Kriterien verhindern, dass isoliert und passager auftretende Symptome fälschlicherweise zu einer Diagnose erhoben werden.

Kasten 2.4:    Zusätzliche diagnostische Kriterien für ADHS in ICD und DSM

•  Dauer: Die Symptomkriterien müssen für die letzten sechs Monate erfüllt worden sein

•  Alter bei Beginn: Die Symptome sind typischerweise bereits in der frühen bis mittleren Kindheit vorhanden.

•  Pervasivität: Beeinträchtigungen durch die Symptome zeigen sich in zwei oder mehr Bereichen (z. B. Schule, Arbeit, zu Hause)

•  Beeinträchtigung: Die Symptome müssen zu einer signifikanten Beeinträchtigung geführt haben (sozial, schulisch, beruflich)

•  Diskrepanz: Die Symptome sind deutlich stärker als bei Kindern mit gleichem Alter, Entwicklungsstand und gleicher Intelligenz

•  Ausschluss: Die Symptome sind nicht auf eine andere seelische Störung zurückzuführen

2.4        Klassifikation in anderen Altersgruppen

Mit ihrer Fokussierung auf den Altersbereich von sechs bis zwölf Jahren sind die diagnostischen Kriterien für jüngere Kinder, Jugendliche und Erwachsene nur bedingt geeignet. Mit dem entwicklungsabhängigen Wandel der Symptomatik (Kap. 13) bräuchten ADHS bzw. ihre Vorstufen in diesen Altersstufen jeweils spezifische diagnostische Kriterien. Entsprechende Konzepte sind jedoch erst in Ansätzen sichtbar.

In der Klassifikation für Störungen bei Säuglingen und Kleinkindern (National Center for Infants, Toddlers und Families 1999) ist wegen der noch ungenügend sicher stellbaren Diagnose von ADHS lediglich auf der Achse I unter Regulationsstörungen mit dem Code 403 der »Typ III: Motorisch desorganisiert, impulsiv« berücksichtigt. Die Klassifikation von ADHS im Vorschulalter durch eine amerikanische Task Force on Research Diagnostic Criteria: Infancy and Preschool (2003) listet die zahlreichen Studien zur Reliabilität und Validität von ADHS im Vorschulalter auf und kommen zu geringen Modifikationen der DSM-IV-Kriterien (RDC-Preschool Age, August 2002, www.infantinstitute.com). In diesem Bericht wird festgestellt, dass zunächst das Kriterium für die Dauer der Störung im Umfang von sechs Monaten für dieses Alter zu lang sei und empirisch überprüft werden müsste. Ferner seien drei Merkmale der Aufmerksamkeitsstörung (Sorgfaltsfehler, verliert Dinge, vergesslich) und ein Merkmal der Hyperaktivität (von einem Motor getrieben) und ein Merkmal der Impulsivität (platzt mit Antworten heraus) zwar entwicklungsunangemessen, würden aber beibehalten, weil empirische Studien gezeigt hätten, dass Vorschulkinder mit diesen Kriterien diagnostiziert werden könnten. Schließlich werden fünf experimenentelle Symptome vorgeschlagen:

1.  Modifiziertes A1d-Kriterium: Führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und kann Aufgaben und Pflichten nicht zu Ende bringen (nicht aufgrund von oppositionellem Verhalten oder Verständnisschwierigkeiten).

2.  Modifiziertes A1 f-Kriterium: Vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit Aufgaben, die längerfristige geistige Anstrengung erfordern (z. B. Vorgelesen bekommen, Basteln).

3.  Modifiziertes A2b-Kriterium: Verlässt häufig den Sitz in Situationen, in denen Sitzenbleiben erwartet wird.

4.  Modifiziertes A2c-Kriterium: Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist (z. B. in gefährlichen Situationen).

5.  Ein Fehlen von oder eine sehr begrenzte Fähigkeit zu anhaltenden Perioden von ruhiger, gut kontrollierter Aktivität.

Die Modifikation der Kriterien für das Jugendalter ist weitgehend noch ausstehend, wenngleich aus der Verlaufsforschung (Kap. 13) hinlänglich bekannt ist, dass in diesem Alter eine relative Rückbildung der Hyperaktivität und eine stärkere Persistenz der Aufmerksamkeitsstörung stattfindet, sodass eine Verschiebung innerhalb der Subtypen zum Untertyp der isolierten Aufmerksamkeitsstörung (ADS) stattfindet.

Weitgehend ausstehend ist auch eine Revision der spezifischen diagnostischen Kriterien für das Erwachsenenalter. Die Leitsymptome Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität und Impulsivität haben weiterhin Gültigkeit. Zumindest in den operationalisierten Kriterien werden für die Diagnostik z. B. die schulbezogenen Merkmale durch den Bezug auf Arbeit und Beruf ersetzt (Kap. 13). Die Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter wird klinisch gestellt und beruht auf einer flexiblen Anwendung der aktuell gültigen und für das Kindesalter entwickelten Kriterien, wobei weitere Forschung zur Validierung angemessener altersspezifischer Kriterien erforderlich ist.

2.5        Kategorialer und dimensionaler Ansatz

In der zeitgenössischen Debatte über die Klassifikation psychopathologischer Störungen bilden sich sowohl kategorial qualitative als auch dimensional quantitative Ansätze ab. Diese Debatte findet auch bei der Klassifikation von ADHS ihren Niederschlag. Mit dem kategorialen Ansatz wird angenommen, dass die Kernmerkmale Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörung und Impulsivität aufgrund von Symptomen, Ätiologie oder anderen Merkmalen eine klare Unterscheidung zwischen Individuen mit oder ohne ADHS ermöglichen. Diese Annahme wird auch unter der Annahme quantitativ verschiedener Merkmalsausprägungen aufrechterhalten. In dieser Sichtweite ist ADHS analog zu Krankheiten wie Masern oder Mumps zu betrachten.

Der kategoriale Ansatz steht mit der klinischen Praxis im Einklang, dass Erfahrung und Konsens die Basis der Einteilung von Krankheiten und Störungen bilden. Diese beruhen letztlich auf der klinischen Urteilsbildung, die wiederum auf der Exploration und Beobachtung des Patienten beruht. Mit der klaren Grenzziehung zwischen verschiedenen Einheiten von Störungen werden selbst verwandte Konzepte wie z. B. ADHS und Störungen des Sozialverhaltens unterscheidbar, die bei dimensionalen Ansätzen eher hohe Assoziationen aufweisen. Argumentative Stützen für die Gültigkeit des kategorialen Ansatzes lassen sich sowohl in der Analyse von komorbiden Störungen als auch in Untersuchungen mit der statistischen Methode der Latent Class Analysis finden.

Das in der Medizin traditionell unter Komorbidität abgehandelte Phänomen der koexistierenden psychischen Störungen ist auch bei ADHS ein häufiges Phänomen (Kap. 14). Das Auftreten von zwei gleichzeitig manifesten Störungen wirft grundsätzlich die Frage auf, ob es sich hierbei um ein zufälliges Ereignis oder aber um einen validen Subtyp handelt, der im Rahmen eines Klassifikationssystems eine separate Berücksichtigung verlangt. Hierzu muss eine Reihe von Fragen positiv beantwortet werden, die in Kapitel 5 abgehandelt wird. Tatsächlich zeigen entsprechende Analysen, dass bei der Kombination ADHS mit einer Störung des Sozialverhaltens ein in der ICD-10 entsprechend berücksichtigter, im DSM-IV und DSM-5 hingegen nicht berücksichtigter Subtyp besteht (Jensen et al. 1997). Mit etwas geringerer Evidenz kann auch davon ausgegangen werden, dass die Verbindung von ADHS mit emotionalen Störungen (Angst, Depression) die Kriterien für einen validen Subtyp erfüllt. Beide Subtypen sind auch in der großen Multimodal Treatment of ADHD (MTA) Studie erneut identifiziert worden (Jensen et al. 2001).

Verschiedene Studien haben vornehmlich an Daten von Zwillingsstichproben mit der Methode der Latent Class Analysis das ADHS-Symptommuster untersucht (Neumann et al. 1999, 2001; Rasmussen et al. 2002). Dabei fanden sich stichprobenabhängige Lösungen separater Klassen von Ausprägungen einzelner ADHS-Komponenten mit und ohne Komorbidität, die im Einklang mit dem kategorialen Ansatz stehen.

Beim dimensionalen Ansatz wird das Verhalten als ein Kontinuum von normalen bis abnormen Ausprägungen mit individuellen Unterschieden der Expressivität auf einem Spektrum verstanden. Hier geht es weniger um das Vorliegen bzw. Fehlen einzelner Symptome, sondern um den Schweregrad eines Verhaltens bzw. Symptoms, welches die Unterscheidung zwischen Normalität und Abnormität gestattet. Die Ableitung einer klinischen Störung erfolgt durch die mehr oder weniger willkürliche Festlegung eines Schwellenwertes auf einer Dimension des Verhaltens. Das Konzept von ADHS findet bei dieser Sichtweise Entsprechungen in Krankheiten wie Bluthochdruck oder Übergewicht.

Wenngleich die Klassifikation von ICD und DSM kategorial sind, enthalten sie in den Entscheidungsregeln und der Festlegung operationalisierter Kriterien wie der Anzahl erforderlicher Einzelsymptome für die Sicherung der Diagnose zugleich dimensionale Aspekte. Ebenso ist das auch für ADHS favorisierte multifaktorielle Ursachenmodell mit der Annahme eines trichterförmig zulaufenden, schlussendlich gleichartigen Störungsbildes, das aus zahlreichen, individuell variierenden ätiologischen Komponenten resultiert, mit dem dimensionalen Konstrukt von ADHS kompatibel.

Eine definitive ätiologische Aufteilung in Menschen mit und ohne ADHS ist beim gegenwärtigen Stand des Wissens nicht möglich und hinsichtlich der Realisierbarkeit eher unwahrscheinlich. Wenngleich verschiedene genetische Faktoren bedeutsam sind (Kap. 9), so können auch andere biologische Faktoren wie pränatale Alkoholexposition, Hirntraumen oder auch psychosoziale Risikofaktoren wie z. B. eine Deprivation im frühen Kindesalter zu einem phänotypisch gleichen psychopathologischen Bild von HKS bzw. ADHS führen.

Der dimensionale Ansatz in der Psychopathologie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem in der Entwicklung von Verhaltensbeurteilungsfragebögen und -skalen niedergeschlagen, wobei spezifische Instrumente zur Abbildung von HKS bzw. ADHS diese Tendenz besonders geprägt haben. In derartigen Skalen erfolgen Beschreibungen von Verhaltensmerkmalen wie »unruhig, kann nicht still sitzen« oder »kann sich nicht konzentrieren, ist leicht abgelenkt« mit der Vorgabe einer mehrstufigen Antwortskala zur Beurteilung der Ausprägung des jeweiligen Merkmals. Damit wird über die meist faktorenanalytisch vorgenommene Zusammenführung einzelner Merkmale zu Dimensionen bzw. Skalen die Berechnung von quantitativen Ausprägungen psychopathologischer Phänomene ermöglicht, die zwischen verschiedenen Individuen variieren und entsprechend auch normiert werden können. Diese Verfahren werden in Kapitel 21 dargestellt. Sie finden auch in der Forschung breiten Einsatz, z. B. bei der Suche nach Endophänotypen, die mit spezifischen genetischen Faktoren korrespondieren.

Gleichwohl gibt es auch kritische Argumente gegen den quantitativen Ansatz. Die jeweils ermittelten Dimensionen sind nicht frei von jeweils gesetzten Rahmenbedingungen und Entscheidungen z. B. hinsichtlich der Merkmalsauswahl und der statistischen Analysetechnik. Häufig korrespondieren die gefundenen Dimensionen nicht hinlänglich mit den klinisch etablierten Symptomebenen, wenn z. B. in der Child Behavior Checklist (CBCL) und den Parallelinstrumenten Teacher Rating Form (TRF) sowie Youth Self Report (YSR) kein ADHS-Faktor, sondern nur ein Aufmerksamkeitsproblemfaktor gefunden wird und Merkmale der Hyperaktivität teilweise auf der Dimension des aggressiven Verhaltens repräsentiert werden (Achenbach 1993). Entsprechend sind beim dimensionalen Ansatz auch relativ häufig Verbindungen unter verschiedenen Dimensionen bei einzelnen Patienten zu finden.

Zusammengefasst finden sich zahlreiche Argumente für und gegen jeweils den kategorialen und den dimensionalen Ansatz. Beide sind einem kontinuierlichen Prozess der empirischen Überprüfung unterworfen, um der in der Psychiatrie-Geschichte lange dominierenden Tendenz zu begegnen, nosologische Klassifikationen eher auf Tradition und Entwürfe einzelner Autoren als auf überprüfbare Fakten zu gründen.

Weitere Impulse werden möglicherweise von der Entwicklung der sog. Research Domain Criteria (RDoC) kommen, die vor einigen Jahren vom US-amerikanischen National Institute of Mental Health (NIMH) initiiert wurde. Die RDoC zentrieren sich auf dimensionale psychologische Konstrukte und Konzepte, die in verschiedenen methodischen Ansätzen gemessen werden und wesentlich im Kontext von Entwicklungsverläufen und Umgebungseinflüssen erfasst werden. Die Konstrukte werden in übergeordneten Ebenen als Domänen menschlichen Verhaltens und Funktionierens gruppiert, welche das aktuelle Wissen über Systeme der Emotion, Kognition, Motivation und des Sozialverhaltens widerspiegeln, wobei die Untersuchung der Konstrukte aus neuro- und verhaltenswissenschaftlichen Methoden abgeleitet werden. Die Auswirkungen dieser Forschungsaktivitäten auf die Versorgungssituation können derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Weitere detaillierte Informationen befinden sich auf der Website des NIMH (https://www.nimh.nih.gov/research-priorities/rdoc/definitions-of-the-rdoc-domains-and-constructs.shtml).

2.6        Schlussfolgerungen

Die Konzepte von ADHS sind für die klinische Praxis und die Forschung trotz ihres historischen Wandels (Kap. 1) wertvolle und nützliche Konstrukte, die weiterentwickelt werden müssen. Die aktuell gültigen Klassifikationen von ADHS in ICD-10 und DSM weisen bei zahlreichen Übereinstimmungen im Detail Unterschiede auf, die für die Forschung und die Klinik nicht unbedeutend sind. Beide Systeme werden sich als Stationen in einem Prozess der Weiterentwicklung der Klassifikation erweisen. Dabei wird möglicherweise die derzeit dominierende deskriptive Einteilung durch ätiologische Konzepte ergänzt werden.

Der Wert einer neuen Klassifikation sollte sich vor allem klinisch in einer genaueren Erfassung der Behandlungsnotwendigkeiten und damit einer Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Patienten niederschlagen.

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