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Exposé
Das Handbuch der Zukunftsverändererin ist eine,natürlich fiktive, Anleitung zukünftiger Generationen für das Handeln ihrer Agenten in der heuteigen Zeit zur Bekämpfung der Klimakatastrophe.
Es zeigt, wie sich die Klimakatastrophe in verschiedenen Versionen entwickeln könnte, nicht singulär, sondern im Zusammenblick mit anderen gesellschaftlichen und weltpolitischen Entwicklungen und zeigt auch, wie eine Entwicklung aussehen könnte, in der die schlimmsten Folgen der Klimakatastrophe noch abgewendet werden. Darüber hinaus zeigt es rein fiktional Handlungsmöglichkeiten, mit denen ihre Agent*innen zur Abwendung der Klimakatastrophe beitragen können.
Der faktenreich illustrierten Darstellung der Entwicklung in die Klimakatastrophe folgt eine fiktionale Darstellung der Verhinderungsmöglichkeiten. Das Ganze nicht in Form eines reinen Sachbuchs, sondern in einem Sci-Fi Thriller, in dem eine zukünftige Zivilisation, die sich nach der Klimakatastrophe wieder entwickelt hat, den Versuch unternimmt, nachträglich die Vergangenheit zu verbessern und den Weg in die Klimakatastrophe abzuwenden.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Dieses Buch gibt die Aufzeichnungen wieder, die in einer merkwürdigen Datei auf einem Mobiltelefon gefunden wurden, das im Februar 2022 in Köln bei einer Studentin der Informationstechnik und Cyber Sicherheit an der Bundeswehrhochschule gefunden wurde. Die Studentin war am frühen Morgen in volltrunkenen Zustand mit einem e-Scooter auf dem Gehsteig unterwegs, als sie schwer stürzte. Passanten fanden sie wenig später und brachten sie in das Krankenhaus. Dort erzählte sie, sie sei gestürzt, weil sie mit einem Kugelblitz zusammengestoßen und dadurch bewusstlos geworden sei. Als sie wieder zu sich gekommen sei, sei der Kugelblitz verschwunden gewesen.
Die Ärzte glaubten ihr kein Wort, da sie einen Alkoholgehalt von 3,5 %o sowie Rückstände diverser Drogen in ihrem Blut fanden. Die Schürfwunden und auch den gebrochenen Arm konnten sie unschwer dem Sturz zuordnen. Mysteriös aber blieb für sie der Ursprung der schweren Verbrennungen, die sich die Studentin am Kopf zugezogen hatte.
Wir vermuten, dass es sich bei dem Zusammenstoß mit dem „Kugelblitz“ um einen Unfall handelte, bei dem ein Zeitreisender oder eine extraterrestrische Intelligenz, die sich des Körpers der Studentin bemächtigen wollten, aufgrund des hohen Giftgehalts in ihrem Gehirn zurückgestoßen wurde, vorher aber bereits die Datei auf dem Mobiltelefon gespeichert hatte.
Die Datei wurde später von Professor Dr. Peter Schnabel vom Deutschen Institut für Linguistik in Frankfurt untersucht und erfolgreich teilweise entziffert: Außer einem nach wie vor unverständlichen Teil, bei dem es sich wahrscheinlich um Programmcode handelt, besteht sie aus der digitalen Abbildung eines Schriftdokuments in einer unbekannten, nichtphonetischen Sprache, die nach der verwendeten elektronischen Wortlänge mindestens 64.000 unterschiedliche Begriffe umfassen könnte, von denen rund 3.000 im vorliegenden Dokument verwendet wurden.
Die Entschlüsselung war schwierig, da die Semantik von unseren bekannten Sprachen völlig verschieden ist und bei der Speicherung mit einer variablen Wortlänge gearbeitet wurde.
Nach der Entzifferung wurde das Mobiltelefon mit der Datei von Professor Schnabel an die Kölner Polizei zu den Asservaten des Falles zurückgegeben und ist seitdem nicht mehr auffindbar, genauso, wie die Überreste des e-Scooters und der Unfallbericht.
Professor Schnabel selbst ist als Kriegsfreiwilliger bei der Verteidigung der Ukraine gegen Russland verschollen. Seltsamerweise ist jegliche Erinnerung an ihn am deutschen Institut für Linguistik getilgt und sein Name aus allen Unterlagen verschwunden.
Auch die Krankenhausunterlagen zu der Studentin der Informationstechnik sind verschwunden, Ärzte und Pflegekräfte der Notfallambulanz können sich angesichts ihrer ständigen Überlastung nicht mehr an sie erinnern.
Professor Schnabel hat mir vor seinem Aufbruch in die Ukraine dieses Manuskript übergeben, und mich verpflichtet, die Aufzeichnungen als Buch herauszugeben. Eine Pflicht, der ich hiermit sehr gerne nachkomme.
Das Dokument, das Professor Schnabel entziffert hat, scheint eine Art Handbuch zu sein. Es enthält vier Arten von Texten, die der leichteren Lesbarkeit willen im Folgenden in unterschiedlichen Schriftarten dargestellt werden:
Erstens Dokumente, die eine Art Vorlesungsskript sein könnten. Sie erscheinen in normaler Schrift.
Zweitens eine Art von Vorlesungs- und Seminar Mitschriften. Sie erscheinen in kursiver Schrift.
Drittens persönliche Kommentare und Notizen. Diese haben wir im Text unterstrichen dargestellt.
Und schließlich eine Art von Beispielen und Unterrichtsmaterialien. Diese haben wir in normaler Schrift dargestellt und der besseren Lesbarkeit halber ganz überwiegend in Fußnoten oder den Anhang zu diesem Buch gepackt.
Wir wünschen nun viel Erfolg beim Studieren der Unterlagen und würden uns freuen, wenn uns von den Leser*innen weitere, bisher unentdeckt gebliebene Erkenntnisse über den Inhalt mitgeteilt würden.
Ich hatte mich beim Institut für vergleichende Geschichtsentwicklung und -veränderung als „Zukunftsveränderer“ beworben. Eine gründliche Ausbildung und Vorbereitung auf die Aufgabe, die Welt in eine bessere zu verwandeln, war in der Ausschreibung versprochen worden. Gespannt saß ich nun mit etwa 500 weiteren ausgewählten Bewerber*innen in einem Einführungsvortrag. Zuvor hatte ich unterschreiben müssen, dass ich einverstanden wäre, wenn jede Erinnerung an die Ausbildung aus meinem Gedächtnis getilgt würde, sollte ich mich vor meinem Einsatz doch noch dagegen entscheiden. Doch nun begann der einführende Vortrag:
Das Institut für vergleichende Geschichtsentwicklung und -veränderung stellt Ihnen heute, im Jahr 2000 nach dem Neuanfang, einführend zu Ihrer großen Aufgabe, die Ergebnisse seines Projektes zur Erarbeitung unterschiedlicher Versionen der Geschichte vor dem großen Zusammenbruch mit gleicher Wahrscheinlichkeit dar. Ziel des Projektes war es, eine Geschichtsversion mit möglichst geringen Unterschieden zu der bisherigen, diese jedoch an Tipping points, zu finden, so dass sie zu besseren Ergebnissen führt, insbesondere nicht das heutige Problem des langsamen Verschwindens der Atmosphäre zur Folge hat.
Wie Sie wissen, sind schon kleinste Veränderungen der Vergangenheit mit riesigem Aufwand verbunden, so dass es von entscheidender Bedeutung ist, diese „Tipping Points“ zu finden. Im Anschluss an diese Präsentation sollten Sie in der Lage sein, zu entscheiden, welche Veränderungen der Geschichte vor dem großen Zusammenbruch umgesetzt werden sollen und welche Aufgabe Sie dabei übernehmen wollen. Aufgabe des Instituts wird es sein, Sie in die Zeit vor dem großen Zusammenbruch zurückzuversetzen, mit einer unauffälligen persönlichen Geschichte auszustatten und sonstige Mittel bereit zu stellen, die Sie zur Umsetzung Ihrer Aufgabe benötigen. Ihren Einfallsreichtum, Ihre Tatkraft und Ihren Mut kann das Institut jedoch nicht ersetzen.
Um Sie an die damaligen Umgangsformen zu gewöhnen, verwenden wir keine heutigen persönlichen Namen, sondern Bezeichnungen aus den damals weit verbreitet eingesetzten, hierarchisch organisierten sogenannten „Sicherheitskräften“. Aus dem gleichen Grund benutzen wir auch die damals verwendete Zeitrechnung.
Zwischen dem großen Zusammenbruch und dem Neuanfang, an dem unsere Zeitrechnung beginnt, liegen etwa 1000 Jahre des „dunklen Zeitalters“ von dem wir nur wenig wissen. Nicht einmal, wie lange es genau gedauert hat. Im Gegensatz dazu ist die Geschichte der Zeit bis zu dem großen Zusammenbruch sehr gut dokumentiert.
Nach der Einführung wurden uns, ausgehend von der Geschichte, wie sie sich ereignet hat, verschiedene Szenarien vorgestellt, wie sich die Geschichte mit etwa gleicher Wahrscheinlichkeit bei nur geringer Veränderung der Parameter ebenfalls hätte entwickeln können. Ich verzichte darauf, in meinen Aufzeichnungen die Tage und Abschnitte zu verzeichnen, in denen der Unterrichtsstoff vorgetragen wurde. Äußerst interessant ist jedoch der große blonde Kerl, der in der Reihe vor mir sitzt. Scheint auch immer wieder andere Gedanken zu haben, als dem Vortragsstoff zu folgen. Ich muss ihn bei der nächsten Pause mal anquatschen. Vielleicht kann er sich ja neben mich setzen, dann müssen wir uns während des Vortrages nicht so langweilen.
1 Das große Sterben
Wann es begann, ist nicht so leicht zu sagen. In Folge des Klimawandels stieg nicht nur die durchschnittliche Temperatur auf der Erde, sondern die Extremwetterlagen nahmen an Stärke, wie an Heftigkeit zu. So weit, so bekannt. Die Folgen waren nicht nur immer häufiger Tod und Zerstörung durch Unwetter, wie die Verwüstung der Stadt New Orleans durch den Wirbelsturm Katrina [1] in den USA, die Verwüstung des Ahrtals in Deutschland 2021, die erste von vielen immer größer werdenden Hitzewellen in Deutschland und Südeuropa 2018)[2], sondern auch die Vernichtung immer größerer materieller Werte. Vor allem aber wurde die weltweite Lebensmittelproduktion geschädigt. Nach 2020 kam es immer häufiger und verbreiteter zu Hungersnöten. Der bis dahin bestehende Trend einer globalen Verbesserung der Lebensbedingungen und der Abnahme von Armut und Hunger weltweit wurde umgekehrt. Seit 2018[3] nahm die Zahl der armen und hungernden Menschen auf der Erde wieder zu.
Obwohl der Meeresspiegel bis zum Jahr 2050 der damaligen Zeitrechnung in den vorangegangenen 150 Jahren durchschnittlich erst um 50 cm gestiegen war, verursachten mächtige Taifune den Tod von 100 erten von Millionen Menschen in Bangladesh und Indien. In den Folgejahren bis 2100 hatten Hitze- und Dürrewellen im entwaldeten Südamerika, dem vertrocknenden Afrika und dem glühend heißen mittleren Osten jeweils weitere hunderte von Millionen Menschen zum Opfer. Die Weltbevölkerung schrumpfte.
Im Gefolge der zunehmenden Unwirtlichkeit der Erde begannen die noch immer nach Volksgruppen organisierten Menschen, Kriege um die verbliebenen knappen Ressourcen und fruchtbaren Fleckchen Erde zu führen, denen weitere hunderte Millionen Menschen zum Opfer fielen.
Ja, Ja, Ja, wir wissen doch aus dem Schulunterricht, wie schrecklich die damalige Zeit war und wie verrückt die Menschen, die über viele Jahrzehnte von Wissenschaftlern vor den Folgen der Erderhitzung gewarnt wurden und obwohl die Technologien zur CO2-Vermeidung längst bekannt waren, sie einfach nicht anwendeten. Ganz unabhängig davon, ob sie in einer Demokratie, in einem Einparteiensystem oder einer mehr oder weniger kleptokratischen Despotie lebten. Wo ist denn nun der große Hebel, mit dem man das ändern kann?
Die Weltkarte zeigt für 1999 bis 2018, welche Länder in diesem Zeitraum besonders von extremen Wetterereignissen betroffen waren. Das Ranking wird von Puerto Rico, Myanmar, Haiti, den Philippines, Pakistan, Vietnam, Bangladesch und Thailand angeführt. Ob es dadurch verstärkt zu gewaltsamen Konflikten kommt, hängt primär von der Fähigkeit der betroffenen Regierungen ab, sich angemessen auf solche Katastrophen vorzubereiten und den Betroffenen Hilfe zu leisten. Ein Beispiel für eine negative Dynamik ist der Bürgerkrieg in Syrien. Die ungewöhnliche Trockenheit der Jahre 2007 bis 2010 verstärkte die Landflucht vieler bäuerlicher Familien. Durch die Überbevölkerung und die Notlage der Neuankömmlinge in den Städten verstärkten sich die soziale und politische Unzufriedenheit, die 2011 infolge der Repression des Assad-Regimes in einen gewaltsamen Konflikt umschlug (Brottrager et al.: 2018).
Vor allem auch, weil Kriegführende genauso wenig Zeit haben, Lebensmittel anzubauen, wie Flüchtende.
Aber auch in den „gemäßigten“ Zonen, die von den Folgen weitgehend verschont blieben, und nur über in heißen trockenen Sommer verdorrende Bäume und Getreide klagten, wie Europa oder Nordamerika, hatte die Entwicklung nach kurzer Zeit katastrophale Folgen. An die Stelle gemäßigter demokratischer Politiker traten, zunächst durch demokratische Wahl legitimierte Demagogen, die nationale Abschottung und Isolation als Weg zurück zum guten Leben predigten. Einmal an die Macht gekommen, beließen sie es nicht bei Worten. Sie bauten die politischen Systeme so um, dass ihnen die Macht nicht mehr demokratisch zu nehmen war, und führten die Völker gleichzeitig in immer stärkere Isolation. [4]
Durch Ächtung ausländischer Produkte, „buy local“ Kampagnen und steigende Zölle auf ausländische Produkte, wurde der internationale Handel abgewürgt. Gleiches geschah, mit zeitlicher Verzögerung, auch mit dem internationalen wissenschaftlichen Austausch.
In Wirklichkeit war ja die Spitzenforschung und high-tech Produktion in den einzelnen Arbeitsgebieten hochspezialisiert und es arbeitete in den einzelnen Disziplinen nur eine kleine Zahl von Menschen zusammen an der wissenschaftlichen und technischen Weiterentwicklung. Mit dem Aufbrechen der Beziehungen ging der Kontakt der Wissenschaftlerinnen untereinander verloren. Den high-tech Fabriken fehlte die globale Nachfrage, die das Risiko des Aufbaus einer Produktion auf einer neuen technologischen Entwicklungsstufe gerechtfertigt hätte. Nach einer kurzen Phase der Stagnation verfielen wissenschaftliches Wissen und technologisches Können mangels Attraktivität und Weiterentwicklung.
Selbst der Aufbau neuer Industrien auf der Basis fertig entwickelter, klimaneutraler Technologien wie Photovoltaik und Windkraft unterblieb. Die Machthaber steckten die dafür nötigen Ressourcen lieber in den unmittelbaren Konsum, „damit die Menschen bei uns es heute schon besser haben“. Das zusätzliche CO2, das dabei in die Atmosphäre geblasen wurde, interessierte nicht, denn „die Anderen machen es ja genauso“ und „wenn wir verzichten machen die Anderen nur auf unsere Kosten erst recht weiter“.
Als dann um das Jahr 2100 herum der Meeresspiegel die Höhe von durchschnittlich einem Meter zusätzlich überschritten hatte, brachen in einer großen Sturmflut die Deiche in Holland, England und Deutschland gleichzeitig. Damit hatte das große Sterben endgültig auch Europa erreicht.
Hat denn niemand diese Dynamik erkannt und etwas dagegen unternommen?
Doch, seit den 70 er Jahren des 20 Jahrhunderts war bekannt, dass die Erde durch die steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre immer wärmer wird, mit voraussichtlich katastrophalen Folgen für das Leben auf der Erde.[5] In den folgenden Jahren wurden die Prognosen immer wieder bestätigt und in ihrem Gehalt bezüglich der Auswirkungen auf Klima und Höhe des Meeresspiegels immer genauer. Im Jahr 2015 haben sich dann die allermeisten Staaten sogar gemeinsam verpflichtet, jeweils Ziele zur Verminderung des CO2-Ausstoßes festzulegen und diese umzusetzen. Insgesamt sollte so bis 2050 Klimaneutralität erreicht werden.
Nicht vereinbart wurden jedoch konkrete Maßnahmen.