Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland - Sarah Brooks - E-Book

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland E-Book

Sarah Brooks

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Beschreibung

»Es heißt, diese Reise habe ihren Preis. Einen Preis, der über die Kosten des Tickets hinausgeht.«

Es ist das Ende des 19. Jahrhunderts, und nichts fasziniert die Menschen so sehr wie die geheimnisvollen und angsteinflößenden Wunder des Ödlands. Nichts berührt diese riesige, verlassene Wildnis zwischen China und Russland außer dem Transsibirien-Express, der jeden befördert, der es wagt, das Ödland zu durchqueren. Es gibt jedoch Gerüchte, dass der Zug nicht mehr sicher ist. Wer sich nun auf diese Reise begibt, hat seine ganz eigenen, verborgenen Gründe dafür: eine trauernde Frau mit fremdem Namen, ein Kind, das im Zug geboren wurde, und ein in Ungnade gefallener Naturforscher. Doch mehr und mehr scheint es, als würden die Gefahren des Ödlands ihren Weg ins Innere finden …

Lassen Sie sich verzaubern und gehen Sie mit Sarah Brooks auf eine Reise, die sie so schnell nicht vergessen werden. Doch sehen Sie sich vor – das Ödland ist heimtückischer, als man meinen könnte.

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»Es heißt, diese Reise habe ihren Preis. Einen Preis, der über die Kosten des Tickets hinausgeht.«

Es ist das Ende des 19. Jahrhunderts und nichts fasziniert die Menschen so sehr, wie die geheimnisvollen und angsteinflößenden Wunder des Ödlands. Nichts berührt diese riesige, verlassene Wildnis zwischen China und Russland außer dem Transsibirien-Express, der jeden befördert, der es wagt, das Ödland zu durchqueren. Es gibt jedoch Gerüchte, dass der Zug nicht mehr sicher ist. Wer sich nun auf diese Reise begibt, hat seine ganz eigenen, verborgenen Gründe dafür: eine trauernde Frau mit fremdem Namen, ein Kind, das im Zug geboren wurde, und ein in Ungnade gefallener Naturforscher. Doch mehr und mehr scheint es, als würden die Gefahren des Ödlands ihren Weg ins Innere finden …

Lassen Sie sich verzaubern von einer fremden Welt und gehen Sie mit Sarah Brooks auf eine Reise, die Sie so schnell nicht vergessen werden. Doch sehen Sie sich vor – das Ödland ist heimtückischer, als man meinen könnte.

Sarah Brooks hat in China, Japan und Italien gearbeitet und ist nun an der Universität von Leeds tätig. Für ihren Debütroman »Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland«, der schon vor Veröffentlichung für große Begeisterung gesorgt hat, wurde sie mit dem Lucy Cavendish Fiction Prize ausgezeichnet. Der Roman erscheint in über 15 Ländern.

www.cbertelsmann.de

Sarah Brooks

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland

Roman

Aus dem Englischen von Claudia Feldmann

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel

The Cautious Traveller’s Guide to the Wastelands

bei Weidenfeld & Nicolson, London.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe 2024 by Sarah Brooks

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2024 Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Favoritbuero, München

Umschlagabbildungen: © Sofya_Iva/Shutterstock, © Gaspar Gomes Costa/Shutterstock, © alyaBigJoy/Shutterstock

Illustrationen: © Emily Faccini

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-29975-0V004

www.cbertelsmann.de

Für meine Familie

Inhalt

Erster Teil1. und 2. Tag

Die Lügnerin

Das Zugkind

Der Naturforscher

Mitreisende

Die Mauer

Die erste Nacht

Am nächsten Morgen

Formen und Klassifizierungen

Schatten

Zweiter Teil3. und 4. Tag

Der See

Im Quartier des Captains

Nächtliche Wanderungen

Die Gezeiten

Das Beinahe-Mädchen

Dritter Teil5. bis 8. Tag

Elena

Hindernisse

Das Spiel

Der Kartograf

Die Dachklappe

Valentinsfeuer

Das Gewitter

Die Vision

Das Ende des Gleises

Vierter Teil9. bis 14. Tag

Das Geistergleis

Geheimnisse

Gebete

Gestalten

Der Halt

Draußen

In der Wildnis

Konsequenzen

Gefangenschaft

Mutationen

Fünfter Teil15. bis 17. Tag

Nächtliche Begegnung

Die Grenze

Eden

Eine Bresche

Fäden

Verlorene Zeit

Flügel

Zur Quelle

Türen und Netze

Sechster Teil18. bis 20. Tag

Veränderungen

Die Mauer

Der Wald

Das Spiel, zum Zweiten

Unheilsvögel

Henry Greys Ende

Entscheidungen, Risiken

Erwachen

Siebter Teil21. bis 23. Tag

Vorwärts

Der Glaspalast

Das Zugkind

Epilog

Danksagung

Der Zug selbst ist ein Wunder seiner Zeit, ein Beweis für den Erfindungsreichtum des Menschen und sein unablässiges Streben nach Herrschaft über die Erde. Zwanzig Wagen lang und so hoch wie das Portal der St.-Andrei-Kathedrale, mit Türmen an beiden Enden; eine gepanzerte Festung, unterwegs auf jener mächtigen Schienenstraße – ihrerseits ein Wunder der Ingenieurskunst –, die es uns wieder ermöglicht, diese fast unvorstellbaren Entfernungen zu durchmessen. Der Transsibirien-Kompanie ist gelungen, woran so viele andere gescheitert sind. Sie hat ein Projekt verwirklicht, das von derart unwägbaren Gefahren bedroht war, dass selbst die größten Ingenieure des Landes schworen, es sei nicht machbar: Land zu durchqueren, das sich seit dem Ende des letzten Jahrhunderts gegen seine Bewohner gewendet hat; es mit einer Fremdartigkeit aufzunehmen, die zu beschreiben uns die Worte fehlen; eine Eisenbahnverbindung zu bauen, die uns sicher durch diese bedrohlichen Weiten bringt.

Der vorsichtige Reisende mag allein bei der Erwähnung des Großsibirischen Ödlands zurückschrecken, eines so weiten, unwirtlichen Gebiets, um das sich zahllose Geschichten ranken, die allem widersprechen, was wir als gut und anständig und menschlich empfinden. Doch der Autor hat es sich in aller Bescheidenheit zum Ziel gesetzt, den Reisenden an die Hand zu nehmen und ihm als treuer Gefährte zur Seite zu stehen. Und wenn ich bisweilen selbst zu zaudern scheine, so deshalb, weil ich von meiner Wesensart ebenfalls vorsichtig bin und weil es während meiner Reise Augenblicke gab, da die Gräuel dort draußen mich zu überwältigen drohten und die Vernunft angesichts des Unbegreiflichen ins Wanken geriet.

Ich war einst ein frommer Mann voller Gewissheiten. Dieses Buch soll ein Zeugnis dessen sein, was ich unterwegs verloren habe, und eine Anleitung für diejenigen, die mir nachfolgen, in der Hoffnung, dass sie die seltsamen Tage ihrer Reise besser durchstehen und in den bangen Nächten ein wenig ruhiger schlafen.

Aus: Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland von Valentin Rostow Mirski Verlag, Moskau 1880, Einleitung, S. 1

Erster Teil

1. und 2. Tag

Ich beschloss, meine Reise in Peking zu beginnen, am ersten Jahrestag der Streckeneröffnung. Bis nach Moskau sind es sechstausend Kilometer. Die Kompanie verspricht, dass die Fahrt nur fünfzehn Tage dauert – eine außerordentlich kurze Zeit im Vergleich zu den vielen Wochen, die man bisher für die Durchquerung der Kontinente benötigte. Der Zug selbst hingegen hat eine lange Entstehungsgeschichte. Die Transsibirien-Kompanie hatte schon 1850 den Bau einer Eisenbahnstrecke angekündigt, ein halbes Jahrhundert nachdem die Veränderungen erstmals gemeldet worden waren, und zwanzig Jahre nach dem Bau der Mauern und der Abriegelung des Ödlands (wie es damals bereits genannt wurde). Man beschloss, sowohl von China wie auch von Russland aus Schienen zu verlegen, und zwar mithilfe von Spezialzügen, damit die Bauarbeiter vor den Gefahren draußen geschützt waren. Viele zweifelten am Erfolg des riskanten Projekts und kritisierten die Hybris eines solchen Unterfangens. Doch obgleich es zwei Jahrzehnte und die Arbeit Hunderter Männer brauchte, gelang es der Transsibirien-Kompanie schließlich, das Ödland zu durchmessen und die beiden Kontinente durch ein eisernes Band zu verbinden.

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland, S. 2

Die Lügnerin

Peking, 1899

Auf dem Bahnsteig steht eine Frau mit geborgtem Namen. Mit Dampf in den Augen und dem Geschmack von Öl auf den Lippen. Das schrille, drängende Pfeifen des Zuges verwandelt sich in das Weinen eines kleinen Mädchens ein Stück weiter und die Rufe der Bauchladenverkäufer, die billige Amulette als Schutz gegen das Ödlandweh anpreisen. Sie zwingt sich, den Kopf zu heben und ihn anzusehen, den Zug, der zischend und brummend vor ihr aufragt, vibrierend vor kaum zu bändigender Kraft. Wie riesig er ist, wie mächtig und massiv, dreimal so breit wie eine Pferdekutsche. Daneben wirkt der Bahnhof wie ein Kinderspielzeug.

Sie konzentriert sich auf ihren Atem, versucht, alle Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. Ein und wieder aus, ein und wieder aus. Das hat sie die letzten sechs Monate jeden einzelnen langen Tag geübt, während sie zu Hause am Fenster gesessen und den Händlern und Taschendieben unten auf der Straße zugesehen hat; sie hat alles über sich hinwegspülen lassen, bis ihr Geist klar wie Wasser war. Sie hält sich am Bild eines Flusses fest, ruhig fließend und grau, versucht, sich von ihm in Sicherheit tragen zu lassen.

»Maria Petrowna?«

Es dauert einen Moment, bis sie merkt, dass der Porter sie meint, und sie fährt erschrocken zu ihm herum. »Ja! Ja.« Sie versucht, ihre Verwirrung zu kaschieren. Zu fremd ist noch der Klang ihres neuen Namens.

»Ihr Abteil ist bereit, und Ihr Gepäck wurde schon hineingebracht.« Schweiß perlt auf seiner Stirn und hinterlässt einen feuchten, dunklen Rand an seinem Kragen.

»Danke.« Sie ist froh, dass ihre Stimme nicht zittert. Maria Petrowna ist furchtlos. Neu geboren. Sie kann nur vorwärtsgehen, dem Porter folgen, der in einer Dampfwolke verschwindet. Hier und da ist in dem Gewaber grüner Lack zu sehen und ein goldener Schriftzug auf Englisch, Russisch und Chinesisch: Transsibirien-Express. Peking – Moskau, Moskau – Peking. Sie müssen die ganzen letzten Monate lackiert und poliert haben. Alles glänzt.

»Da wären wir.« Der Porter wendet sich ihr zu, wischt sich über die Stirn und hinterlässt einen dunklen, öligen Fleck. Sie fühlt sich unbehaglich in ihrer Kleidung, die in der Hitze auf ihrer Haut scheuert. Die schwarze Seide saugt die Sonne förmlich auf. Die Bluse umschlingt ihren Hals, und der Rock schnürt ihr die Taille ein, aber ihr bleibt keine Zeit, sich um ihr Aussehen zu sorgen, denn der Porter reicht ihr steif den Arm, und sie erklimmt die hohen Stufen in den Zug, wo ein anderer uniformierter Mann mit einer Verbeugung ihre Hand nimmt und sie durch den mit einem dicken Teppich ausgelegten Korridor führt. Sie ist im Zug, und nun ist es zu spät zum Umkehren.

Vor ihr beugt sich ein Mann mit Bart, goldener Brille und einer Stimme von der Art, die alle anderen Stimmen beiseitedrängt, aus dem Fenster und ruft auf Englisch: »Wo ist der Stationsvorsteher? Vorsicht mit den Kisten! Oh, ich bitte um Verzeihung.« Er drückt sich an das Fenster und deutet eine Verbeugung an, als Maria sich ihm nähert. Sie beschränkt sich auf ein angedeutetes Lächeln und eine leichte Neigung des Kopfes und überlässt ihn seinem Getöne. Sie hat keine Lust auf den Austausch von Höflichkeiten und auf die neugierigen, taxierenden Blicke der Männer, die bereits ihre Trauerkleidung und die Tatsache, dass sie allein reist, zur Kenntnis nehmen. Sollen sie. Sie will nichts weiter, als die Tür ihres Abteils hinter sich zu schließen, die Vorhänge zuzuziehen und sich in die wohltuende Stille sinken zu lassen.

Doch noch lässt man sie nicht.

»Nun lassen Sie doch das Theater, ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen.« Vom anderen Ende des Wagens kommt eine ältere Dame in einem dunkelblauen Seidenkleid auf sie zu, gefolgt von ihrem Dienstmädchen. »Ist das hier wirklich die Erste Klasse?« Sie sieht erst Maria an, dann die Abteiltür neben ihr. »Es hieß, dieser Zug sei das Beste, was man für Geld kaufen könne, aber ehrlich gesagt habe ich da meine Zweifel …«

Den vertrauten Klang des wohlhabenden Sankt Petersburg zu hören, Tausende Kilometer entfernt von seinen breiten Straßen und prächtigen Häusern, weckt in Maria schmerzliches Heimweh.

»Ihr Abteil, Madam«, sagt der Steward mit einer Verneigung zu Maria, blickt dabei aber nervös zu der älteren Dame, die fragt: »Reisen Sie allein?«, und dabei ihr Mädchen wegscheucht, das ihr einen weiteren Schal um die Schultern legen will.

Maria sieht die Mischung aus Mitleid und Missbilligung in ihrer Miene und errötet.

»Mein Dienstmädchen konnte mich leider nicht begleiten. Es war zu viel für ihre Nerven.«

»Na, gut, dass unsere Nerven robuster sind. Meine hasenfüßigen Neffen haben monatelang versucht, mich mit allerlei Schauergeschichten von dieser Reise abzubringen, aber damit haben sie sich selbst mehr Angst eingejagt als mir.« Sie lächelt unerwartet und tätschelt Marias Hand. »So, wo ist denn nun mein Abteil? Wenn Vera mich nicht umgehend mit einer Tasse Tee in einen Sessel verfrachten kann, verliert sie womöglich die Fassung.«

»Gleich hier, Gräfin.« Der Steward verneigt sich sehr viel tiefer und deutet mit schwungvoller Geste auf das Abteil nebenan. Das Mädchen – Vera – öffnet vorsichtig die Tür, als fürchte sie sich vor dem, was sie darin erwartet.

»Ah! Dann sind wir also Nachbarinnen«, sagt die Gräfin.

Maria macht einen Knicks.

»Oh, lassen Sie nur. Ich heiße Anna Michailowna Sorokina. Und wie darf ich Sie nennen?«

Ein Stolpern in ihrem Atem, ein Gefühl, als hätte sie eine Stufe übersehen, doch die Gräfin scheint es nicht zu bemerken. »Ich heiße Maria Petrowna Markowa«, antwortet sie.

»Nun, Maria Petrowna, ich freue mich darauf, Sie näher kennenzulernen. Wir werden dafür ja reichlich Zeit haben.« Und damit lässt die Gräfin sich von ihrem Mädchen, das Maria verstohlen gemustert hat, in ihr Abteil führen.

»Brauchen Sie noch etwas?« Der Steward leckt sich über die Lippen und schluckt. Er hat Angst, denkt Maria, und überraschenderweise gibt ihr das neuen Mut.

»Nein«, erwidert sie mit fester Stimme. »Vielen Dank.«

Ihr Gepäck ist ordentlich auf der Ablage über dem Bett verstaut, das tagsüber zu einem Sofa umgebaut ist, mit üppigen Kissen darauf. Alles sieht neu aus. Die Kompanie muss eine Menge Geld hineingesteckt haben und trägt ihre Zuversicht in den Goldstickereien auf den Kissen, den blank polierten Messingbeschlägen und dem weichen dunkelblauen Teppich unter ihren Füßen zur Schau. Überall ist das Emblem der Transsibirien-Kompanie zu sehen: auf der Blumenvase, den Lampen und dem Teegeschirr auf dem kleinen Tisch am Fenster. Ihr Handkoffer liegt auf dem Sessel daneben. Das Fenster ist von Vorhängen aus blauem Samt umrahmt. Außen vor der Scheibe sind zwei dicke Eisenstäbe angebracht. Sie starrt einen Moment darauf, dann geht sie zu der Wand aus schimmerndem Mahagoni, in die zwei Türen eingelassen sind. Hinter der einen befindet sich ein Schrank, in den bereits jemand ihre Kleider und ihren Schal gehängt hat. Die andere verbirgt eine Nische mit einem kleinen Waschbecken aus weißem Porzellan, glänzenden silbernen Wasserhähnen, einer Ablage mit einer Haarbürste und kleinen Cremetiegeln aus Paris und einem silbergerahmten Spiegel.

Als Kind war sie fasziniert von dem alten vergoldeten Spiegel im Schlafzimmer ihrer Mutter. In der wolkigen Beschichtung sah sie aus wie ein Geist, der aus der Unterwelt oder aus einem See aufgestiegen war. Sie genoss die Vorstellung, für eine Weile jemand anders zu sein, bis ihre Mutter sie zum Tee mit ihrer Großmutter rief oder ihr Vater sie mit Rechenaufgaben piesackte. Sie hatte angenommen, wenn sie älter wäre, würde sie selbstsicherer sein und wissen, was sie wollte. Aber was will diese neue Maria nun?

Sie schließt die Tür, will sich nicht im Spiegel ansehen. Aus ihrem Handkoffer nimmt sie ein zerlesenes Buch; der Einband ist abgewetzt, die Seiten voller Knicke. Sie kennt jedes Wort, könnte jede der Illustrationen aus dem Gedächtnis nachzeichnen, doch es dabeizuhaben, anfassen zu können, hat etwas Tröstliches. Es ist Valentin Rostows Handbuch für das Ödland, die Ausgabe ihres Vaters. Früher hat sie oft heimlich darin gelesen, von dem Zug und der Welt vor seinen Fenstern geträumt und sich vorgestellt, sie würde selbst damit reisen. Aber nicht so. Nicht alleine. Mit einem Mal überkommt sie ein schmerzliches Gefühl der Einsamkeit. Der Zug ist noch nicht einmal losgefahren, und sie hat schon gegen Rostows ersten Rat verstoßen: Vor allem unternehmen Sie diese Reise nicht, wenn Sie nicht über ein ausgeglichenes Gemüt verfügen.

Draußen auf dem Bahnsteig geleiten Porter und Stewards die letzten Spätankömmlinge an Bord und weisen tränenäugige Verwandte zurück hinter die Schranken. Mechaniker mit ölverschmierten Gesichtern gehen prüfend den Zug ab. Der Stationsvorsteher hält mühsam einen Haufen Männer mit Notizbüchern zurück. Plötzlich blitzt ein helles Licht auf, und sie sieht einen Mann unter dem schwarzen Tuch seiner Fotokamera hervorkommen. Morgen früh wird es in allen Zeitungen stehen; eine Reise, die schon eine Geschichte ist, bevor sie begonnen hat.

Wiederholtes lautes Knallen verrät, dass die Türen geschlossen und die Eisenriegel vorgelegt werden. Sie konzentriert sich auf ihren Atem, ein und wieder aus, ein und wieder aus. Nichts von draußen kann hereinkommen, nichts von drinnen kann uns etwas anhaben. Sie beißt sich auf die Lippe und schmeckt Blut. Eisen, um uns zu schützen. Der Bahnsteig ist jetzt leer, bis auf die schmale Gestalt des Stationsvorstehers. Sie sieht, wie er die Fahne hebt und auf die Bahnhofsuhr blickt. Gesichter hinter den Bahnsteigschranken starren auf Gesichter hinter den vergitterten Zugfenstern. Einige weinen. Wieder gehen ihr Rostows Worte durch den Kopf: Es heißt, jeder Reisende durch das Ödland hat einen Preis zu zahlen. Einen Preis, der über die Kosten für die Zugfahrkarte hinausgeht.

Rostows Preis war sein Glaube. Manche meinen sogar, sein Leben. Seine Handbücher für vorsichtige Reisende hatten ihn in ganz Europa berühmt gemacht. Er führte den Reisenden zu den hygienischsten Restaurants, den beeindruckendsten Museen und den saubersten Stränden und wies ihn auf die schönsten Kirchen hin, zählte ihre Altarbilder und Fresken, ihre Märtyrer und Heiligen auf, denn wo auch immer ein Reisender auf diesem Kontinent unterwegs war, konnte er gewiss sein, dass Gott an seiner Seite wanderte. Doch sein letztes Buch war einem Land gewidmet, das man nur durch Glas betrachten konnte. Im Großsibirischen Ödland gibt es keine Kirchen mehr, keine Museen oder Springbrunnen oder Denkmäler, die die vertrauten Geschichten erzählen.

Der Moment des Innehaltens auf dem Bahnsteig dauert länger, als er sollte. Dann fällt die Fahne, und in einer langsamen Kakofonie aus Dampfstößen, Quietschen und stampfenden Rädern setzt sich der Transsibirien-Express in Bewegung. Als der Zug schnaufend losfährt, flammt erneut der Blitz des Fotografen auf, und für einen Moment sind die Dampfwolken hell erleuchtet.

Maria weicht blinzelnd zurück, und der Zug rollt aus dem Bahnhof von Peking, auf die ungewissen Weiten zu, die vor ihnen liegen.

Das Zugkind

Es ist besser, in Bewegung zu sein, sagen die Zugleute. Schienen unter sich zu haben, Räder, die einen wiegen, einen fernen Horizont, den es zu erreichen gilt. Gut, dass das Warten ein Ende hat. Und diesmal war das Warten sehr lang. Zehn Monate erzwungener Stillstand; genug, um selbst das ausgeglichenste Gemüt in den Wahnsinn zu treiben. Zhang Weiwei, sechzehn Jahre alt, steht am Fenster des kleinen Vorraums, der zum Arbeitsbereich des Zuges führt. Hier, im vorderen Teil des Zuges – dem Quartier der Crew, dem Gartenwagen, dem Lager – haben Passagiere keinen Zutritt; nur die Porter und Stewards eilen vorbei, zu beschäftigt, um sie zu beachten. Sie sieht zu, wie das solide Steingebäude des Bahnhofs hinter ihnen verschwindet. Die Schienen sind von hohen Mauern umschlossen, auf denen Gruppen kleiner Kinder trittsicher neben dem Zug herlaufen, die Gesichter mit Masken bedeckt, die sie in gelb gehörnte, pausbäckige Ungeheuer verwandeln. Sie tanzen und winken, ein Ritual des Abschieds, der Warnung oder des Übermuts. In den Straßen und Gassen jenseits der Mauern werden jetzt gewiss die Fensterläden zugeschlagen, Wasser, das auf dem Herd vor sich hinköchelt, wird als verdorben weggeschüttet, Sprüche werden aufgesagt, um böse Träume abzuwehren. Die Stadt wird lauschen, und erst wenn sie das Rattern der Räder auf den Schienen und den Pfiff des Zuges nicht mehr hören kann, wird sie ausatmen und wieder ihren Beschäftigungen nachgehen, froh, nicht länger an die Albträume denken zu müssen, die im Norden lauern.

Sie schnuppert. Wie hat sie diese stechenden Gerüche vermisst, die ächzende Mechanik ihres Zuges, die altvertraute Angst und Aufregung, den Lärm – so allgegenwärtig, dass sie ihn erst wahrnimmt, wenn er verstummt. Wie hat sie sich in den vergangenen Monaten nach Bewegung, Geschwindigkeit gesehnt; sie hat sich danach verzehrt, wie die rotäugigen Männer in der Dritten Klasse sich nach Alkohol verzehren, gierig nach der Flasche greifen und voll verzweifelter Wut feststellen, dass sie leer ist.

Doch nun, da sie wieder in Bewegung sind, vibriert die Luft vor Anspannung. Sie hat das Geflüster der Crew gehört. Zu früh. Zu früh, um die Fahrt wieder anzutreten. Warum nicht bis zum Winter warten, wenn das Land träge von der Kälte ist und die Gefahr sich nicht zwischen den Bäumen verstecken kann? Im Sommer ist das Land wach, hungrig. Es ist zu früh, um das Risiko einzugehen.

Nicht für sie. Ihr kann es gar nicht früh genug sein. Aber sie liebt das Risiko ja auch zu sehr, wie Alexei immer sagt.

»Wer hier im Zug denn nicht?«, entgegnet sie dann, und er muss die Wahrheit anerkennen: dass sie alle schon halb verrückt vor Ödlandweh sind, einer Mischung aus Sehnsucht und Furcht, die sie kaum in Worte fassen können, die sie aber immer wieder zur Transsibirien-Kompanie zieht. Sie hören das Ödland von der Sicherheit ihrer Städte und Häuser aus, und sie können dem Ruf des großen Zuges nicht widerstehen. Sie gehen zu den Büros der berühmten Kompanie – im Londoner Hauptsitz, in Peking oder in Moskau –, klopfen an die holzverkleideten Türen und stehen vor ernsten, grauhaarigen Männern, die sie streng mustern und von ihnen wissen wollen, warum sie sich für würdig halten. Die meisten werden weggeschickt. Die wenigen Erwählten werden Prüfungen unterzogen, um festzustellen, ob sie imstande sind, einer Landschaft zu widerstehen, die den Geist verwirrt und Männer dazu bringt, sich in dem verzweifelten Verlangen, nach draußen zu gelangen, gegen die Fenster des Zuges zu werfen und sich an den Türen die Finger blutig zu kratzen. Sollten sie diese bestehen, bekommen sie die dunkelblaue Uniform des Transsibirien-Express, einen Vertrag, ein Handbuch und eine Bibel, auf die sie der Königin die Treue schwören müssen. Von dem Moment an sind sie ein Teil der Crew, ein Teil der Kompanie, die sich über den halben Erdball erstreckt.

Weiwei jedoch ist anders. Sie ist das Zugkind. Weder hier noch dort geboren, in keinem Land, unter keines Herrschers Stern, kam sie weinend auf die Welt, als ihre Mutter diese verließ, mitten im Ödland, auf dem Fußboden des Schlafwagens der Dritten Klasse, in einer Nacht, als die Phosphoreszenz die Wesen der Ebenen in Geister verwandelte. Sie wurde in Laken mit dem Emblem der Kompanie gewickelt und zwischen den Portern, den Köchinnen und einer Amme, die sich zufällig unter den Passagieren der Dritten Klasse befand, hin und her gereicht. Als der Zug eine Woche später an der russischen Mauer ankam, schrie sie, denn bis dahin hatte sie nur Lärm und Bewegung gekannt. Die Mitarbeiter der Kompanie in Moskau waren ratlos, was mit ihr geschehen sollte, da sie es noch nie zuvor mit einem unerwarteten Waisenkind zu tun hatten. (Die Mutter hatte ihre Schwangerschaft verborgen und ihren Mitreisenden erzählt, dass sie ganz allein auf der Welt sei.) Doch obwohl die Kompanie solch mütterliche Nachlässigkeit missbilligte, kam sie zu dem Schluss, dass es wohl das Beste sei, das Kind mit dem nächsten Zug zurück nach Peking zu schicken und es den fähigen Händen des chinesischen Staates zu überlassen.

Und so wurde sie von jedem innerhalb der Crew, der gerade im rechten Augenblick eine Hand frei hatte, getragen und gefüttert und gewaschen. Aber als der Zug Peking erreichte und der Captain kam, um sie den Behörden zu übergeben, sagten die Heizer, sie hätte ihnen Glück gebracht und die Kohlen hätten auf dieser Fahrt heller gebrannt; die Küchenjungen sagten, die Butter sei ihnen so gut gelungen, dass ein Passagier der Ersten Klasse der Köchin seine Komplimente ausrichten ließ, was noch nie zuvor geschehen war; und die Porter sagten, sie hätten ihre Gesellschaft genossen, weil sie sich geduldig ihre unzüchtigen Geschichten angehört und kaum einmal geweint hatte. Und so hatte der Captain (zumindest in den Varianten, die man Weiwei kolportiert hatte) gesagt: »Wenn sie sich ihren Lebensunterhalt verdient, kann sie bleiben. Aber in diesem Zug gibt es keinen überflüssigen Ballast – sie muss sich nützlich machen, wie wir alle.«

Ihre erste Aufgabe war die eines Talismans, eines Glücksbringers. Sie schlief in der warmen Küche oder in einem Nest aus Baumwollsäcken im Gepäckwagen und manchmal sogar im Führerstand der Lok, wo sie, wie die Heizer ihr später erzählten, ernst die glühenden Kohlen betrachtet hatte, als habe sie schon damals verstanden, wie wichtig diese für ihre Sicherheit waren. Später setzte man sie ein, um Nachrichten vom einen Ende des Zuges zum anderen zu bringen, und mit sechs Jahren war sie durch und durch eine Zugratte; jedermanns und niemandes Kind. Sie gehörte nur dem Zug.

»Na, nichts zu tun, Zhang?«

Da kommt er: Alexei, nur ein paar Jahre älter als sie, aber schon zum Ersten Ingenieur befördert. Selbstbewusst und mit dem breitbeinigen Gang eines Zugmanns bewegt er sich durch den Korridor, die Ärmel hochgekrempelt, damit man die Tätowierungen auf seinen Unterarmen sieht – verschlungene Muster, die sich die Ingenieure der Kompanie nach jeder geglückten Durchquerung stechen lassen. Als Zeichen der Bruderschaft (sie hat noch nie eine Ingenieurin gesehen) und zur Erinnerung. Manchmal berühren sie ihre Arme, wenn sie über vergangene Fahrten sprechen, über gebrochene Kurbeln und Hebel, die nur mit Mühe hielten. Achsen und Zahnräder haben sich auf ihrer Haut in abstrakte Bilder verwandelt, in eine Art Souvenir. Sie versucht zu erkennen, ob es ein neues gibt, von der letzten Durchquerung, aber er bemerkt ihren Blick und rollt die Ärmel herunter.

Sie hat ihn in den letzten zwei Wochen kaum zu Gesicht bekommen, obwohl sie alle an Bord untergebracht waren, während sie im Bahnhof standen und alles für die Abfahrt vorbereiteten: die Ingenieure und die Stewards, die Porter und die Köchinnen, die Lokführer und die Heizer, die zahllosen Teile des Uhrwerks, die dafür gesorgt haben, dass der Zug wieder in Gang gekommen ist. Ein wenig rostig, ein wenig langsamer als zuvor; ein eigentümliches Stottern hat sich in die vertrauten Routinen geschlichen, ein neues Zögern, als hätten sie Angst, zu schnell zu fahren, weil etwas kaputtgehen könnte. Die wenigen Male, die sie ihn erspäht hat, war er unablässig in Bewegung, voll rastloser Energie nach den langen Monaten der Untätigkeit.

»Erste Kontrolle?«, fragt sie, um das Schweigen zu überbrücken. Sie blickt auf die Uhr an der Wand. Zwei Minuten vor der vollen Stunde.

»Erste Kontrolle«, erwidert er. Die Tage der Ingenieure sind erfüllt von Kontrollen und Tests, ein unbarmherziger Stundenplan, um jeden Zentimeter der komplexen Mechanik des Zuges zu überprüfen – ein von der Kompanie oft hervorgehobener Teil der Sicherheitsvorkehrungen. »Sie haben sie verdoppelt … Wir werden keine ruhige Minute haben.«

Sie unterhalten sich in Railhua, der Sprache des Zuges – einer Mischung aus Russisch, Chinesisch und Englisch, die von den Erbauern der Zugstrecke erfunden wurde –, obwohl die Kompanie dies missbilligt und auf dem Gebrauch von Englisch besteht.

»Man könnte meinen, sie vertrauen euch nicht«, sagt sie, ohne nachzudenken, dann merkt sie, wie sich seine Miene verfinstert. »Ich wollte nicht …«

»Schon gut.« Er macht eine wegwerfende Handbewegung, und sie verspürt einen Stich des Bedauerns, weil die Ungezwungenheit zwischen ihnen dahin ist. Noch etwas, das bei der letzten Durchquerung verloren gegangen ist.

»Sei vorsichtig, Zhang.« Er sieht aus, als wollte er noch mehr sagen, doch die Uhr hat zu schlagen begonnen, und er ist zu sehr Zugmann, um es zu ignorieren. »Sei einfach vorsichtig«, wiederholt er, und sie ärgert sich, weil er offenbar denkt, sie wäre es nicht.

Sie geht in die entgegengesetzte Richtung, zum Quartier der Crew, wo die Arbeiter, die gerade nicht Dienst haben, meist zu finden sind. Sie würfeln, liegen auf ihren Betten oder schlingen in der Kantine eine Schale Reissuppe hinunter. Hier geht es genauso hektisch und chaotisch zu wie im Rest des Zuges, aber am hinteren Ende des Wagens befindet sich in einer Wandnische ein kleiner Schrein mit einer Ikone der heiligen Mathilda und einer Statue von Yuan Guan. Eine Heilige und ein Gott, die über die Reisenden wachen – und über die Zugleute, die zwar auf die Mechanik vertrauen, auf Räder und Achsen und Öl, aber dennoch finden, es könne nicht schaden, für alle Fälle auch dem Göttlichen ein wenig Anerkennung zu zollen. Hatten sie schließlich nicht alle in den Weiten des Ödlands Dinge gesehen, die noch unmöglicher waren als die Wunder, die diesen beiden zugeschrieben wurden?

Weiwei sieht, wie einer der Stewards sich verneigt und verstohlen etwas auf den Schrein legt. Er richtet sich langsam wieder auf, blickt sich um, als hätte er Angst, beobachtet zu werden, dann legt er die Hände aneinander und verneigt sich erneut, bevor er davoneilt.

Als er fort ist, schaut sie nach, was er dorthin gelegt hat. Etwas Blaugrünes funkelt im Licht, das durchs Fenster hereinfällt. Es ist eine kleine, makellos runde Glasperle.

Der Naturforscher

Ein Mann steht am hintersten Fenster im Aussichtswagen und beobachtet Vögel. Azurelstern – Cyanopica cyanus – fliegen aus den Weiden auf, als der Zug vorbeidonnert, und ihre langen Schwanzfedern schillern im nachmittäglichen Sonnenlicht. Wenn Henry Grey ein Lebewesen betrachtet, sieht er ein System von Gefäßen, die in einem Muster von höchstem Geschick miteinander verbunden sind. Er sehnt sich danach, näher heranzukommen, jedes Beben einer Sehne, jedes Zucken eines Muskels zu berühren, den Puls des Lebens unter seinen Fingern zu spüren. In seiner Vorstellung wandert er durch die Gänge eines riesigen gläsernen Gebäudes, dessen Räume mit Vitrinen voll wundersamer Exponate gefüllt sind, und alle Augen sind auf ihn gerichtet. Sie warten darauf, dass er ihre Geheimnisse lüftet. Er spürt ihr Drängen. Er hat es schon immer gespürt – die Natur wartet auf ihn, fordert ihn heraus. Wenn er den Blick zum Himmel hebt, sieht er, wie die Vögel Worte in das Blau schreiben, die er so gerne verstehen würde. Die Erde unter seinen Füßen ist prall von Versprechen.

Er zuckt zusammen, als ihm ein scharfer Stich in den Magen fährt, und kramt in seiner Tasche nach dem Fläschchen mit Tabletten, das man ihm im Ausländerkrankenhaus mitgegeben hat. Ein Magengeschwür, haben sie ihm gesagt. »Wir raten Ihnen, jegliche körperliche wie geistige Anstrengung zu vermeiden«, hat der Arzt betont, ein kleiner Italiener, der wie alle Ausländer, denen Grey in Peking begegnet ist, zu laut und zu schnell sprach, als wäre er mit seiner Aufmerksamkeit stets anderswo. Er nimmt eine Tablette und setzt sich auf eines der Sofas, die in der Mitte aufgereiht sind, damit die Passagiere bequem die Aussicht durch die großen Fenster genießen können, die drei Seiten einnehmen, denn der Aussichtswagen ist der letzte des Zuges. Sogar das Dach ist aus Glas, allerdings ist es, wie auch die Fenster, mit einem Eisengitter versehen. Er sieht zu, wie die niedrigen, kunstvoll verzierten Gebäude der Hauptstadt immer kleiner werden, wie Glockentürme und geschwungene Dächer in der Ferne verschwinden. Ihm erschien die Stadt laut und ermüdend, allzu sehr von sich überzeugt und zu erpicht darauf, einem unschuldigen Mann die Taschen zu leeren.

»Fünfzehn Tage«, sagt er zu sich. In fünfzehn Tagen werden sie Moskau und die Große Ausstellung erreichen, und er wird endlich Gelegenheit haben, sich zu rehabilitieren. Sein Magen zwickt erneut, doch diesmal ist es der scharfe, fast genussvolle Schmerz der Erwartung. Es ist der Schmerz, den er verspürt, wenn er kurz vor einer Entdeckung steht, wenn eine Idee zum Greifen nah ist, oder wenn er unter einem Stein oder in einem Bach eine neue, wundersame Kreatur gefunden hat, deren Bedeutung er noch nicht versteht.

Plötzlich unterbricht ein herzhaftes Lachen seine Träumereien, und ein junges Paar, das sich auf Französisch unterhält, betritt den Wagen. Der Mann hinterlässt bei ihm nur den leicht unangenehmen Eindruck von zu viel Haar und zu vielen Zähnen, aber die Frau ist von einer blassen, zarten Schönheit. Er nickt den beiden steif zu und wendet sich wieder zum Fenster. In der Gesellschaft von Mitreisenden fühlt er sich stets unwohl, und er verspürt keinerlei Bedürfnis, neue Bekanntschaften zu schließen. Bei seinen Exkursionen hat er schon viele solcher Reisenden getroffen, vor allem in jenen Hotels und Restaurants, in denen man europäische Sprachen spricht und das Essen – auch wenn es nur den Anschein nahrhafter Speisen hat – mit vertrautem Besteck serviert wird. Er hat zu viele öde Abende mit ihnen erlebt, fassungslos, wie man so viel reden und so wenig sagen kann. Obwohl sie sich inmitten der eindrucksvollsten Berge oder Städte befinden, reicht ihr Horizont kaum über die Wände ihres eigenen Anwesens hinaus.

Er nimmt noch eine Tablette und mustert das Fläschchen, das sich deutlich leichter anfühlt, als es sollte. Er hätte die Gelegenheit nutzen sollen, sich Nachschub zu besorgen, doch nach der monatelangen Untätigkeit waren die letzten Wochen erfüllt von Forschungen und Vorbereitungen.

Grey hatte China auf einem langen und gefahrvollen Weg erreicht; er war mit dem Schiff um das Kap der Guten Hoffnung gesegelt, mühsam quer durch Indien und dann von Süden in das Land gereist. Nach der Demütigung in London (er sollte besser nicht daran denken, schon bei der geringsten Andeutung lodert der Schmerz in seinem Magen auf) waren die Mittel knapp gewesen, aber er besaß noch die Einnahmen aus dem Verkauf seines Buchs, und wenn er Erfolg hatte – nun, dann würde er sich nie wieder Sorgen um Geld machen müssen. Er war acht Monate lang herumgereist, um die Proben zusammenzutragen, die er benötigte, und dann hatte ihn das Unglück ereilt: Seine ganze Sammlung lebender Proben und ein Großteil seiner persönlichen Dinge waren in Yunnan durch eine Überflutung aufgrund ungewöhnlich starker Regenfälle verloren gegangen. Als er schließlich in Peking angekommen war, hatte er nahezu all seine Mittel aufgebraucht und nichts weiter vorzuweisen gehabt als ein paar Kästen mit aufgespießten Insekten, ein paar getrocknete Gräser und Blumen und seine Skizzen, und dann hatte er obendrein noch erfahren müssen, dass der Transsibirien-Express bis auf Weiteres nicht fahren würde. Er hatte schon fast alle Hoffnung aufgegeben. Doch dann hatte Gott seine Schritte zu dem Mann gelenkt, der ihm zu seiner Wiedergutmachung verhelfen würde. Das ist der Beweis, denkt er. Der Beweis, dass Gott etwas mit ihm vorhat.

Erneutes Lachen von dem Franzosen. Es ist unerträglich. Grey erhebt sich zu seiner vollen Größe und dreht sich um, bereit, die beiden unter seinem eisigen Blick erstarren zu lassen, doch der Mann hält die Hand seiner Frau in seiner und zieht sie so kühn an seine Lippen, als wären sie allein. Henry spürt, wie ihm die Röte ins Gesicht schießt, und versucht, sich unauffällig wieder zu setzen, doch es ist zu spät.

»Oh, bitte entschuldigen Sie!«, ruft der Mann auf Englisch mit deutlichem Akzent und verneigt sich in Greys Richtung. »Ich hoffe, es wird einem Mann vergeben, dass er in Gegenwart seiner Frau die guten Manieren vergisst. Guillaume LaFontaine und meine Frau, Madame Sophie LaFontaine.«

Grey ringt sich ein Lächeln ab und deutet eine knappe Verbeugung an. »Dr. Henry Grey«, erwidert er und wartet auf Anzeichen von Spott auf ihren Gesichtern. Mittlerweile kennt er das verräterische Zucken der Lippe, den verstohlenen Seitenblick. Wie diese aufgeblasenen Schwafler von der Royal Scientific Society seine Demütigung in London genossen hatten! Und auch wenn er aus dem Land geflohen war, den Blicken und dem wissenden Lächeln entkam er nicht. Über seinen Sturz war in wissenschaftlichen Zeitschriften überall auf der Welt berichtet worden, und sogar in der Boulevardpresse mit ihren boshaften kleinen Zeichnungen. Doch er sieht in den Mienen der LaFontaines keine Spur des Erkennens und entspannt sich ein wenig.

»Wir werden bestimmt Freunde werden«, fährt LaFontaine fort. »Schließlich wird es ja genug geben, worüber wir reden können. Meine Frau weiß, dass ich es kaum erwarten kann, unsere Mitreisenden kennenzulernen.«

Vergnügungsreisende, denkt Grey mit leiser Verachtung. Dieser elende Rostow und sein verdammtes Buch! Ohne ihn wäre der Zug den ernsthaften, zielstrebigen Reisenden vorbehalten geblieben, nicht diesen törichten Sensationslustigen, die einen derartigen Überfluss an Geld und Zeit haben, dass sie bewusst die Gefahr suchen müssen. Sie fahren nur mit dem Zug, um eine Erfahrung zu sammeln, wie ein hübsches Souvenir, das sie sich zu Hause an die Wand hängen und mit dem sie gegenüber ihren Freunden prahlen können. Sie werden in ihr komfortables Leben zurückkehren, zu ihren Salons und Kaffeehäusern, kaum berührt von den Wundern, die sie gesehen haben. Er bemitleidet sie und stellt fest, dass es ein angenehmes Gefühl ist.

»Ich reise zu Forschungszwecken, Sir«, sagt er, »und ich fürchte, ich werde wenig Zeit für die Freuden der Konversation haben.«

»Kommen Sie, Dr. Grey«, entgegnet LaFontaine. »In dieser rollenden Festung wird sicher Zeit genug für alles sein, wonach uns der Sinn steht. Wann sonst haben wir so viele Stunden und Tage zur Verfügung, ohne uns noch eine Kunstgalerie, noch ein Museum, noch eine Statue von einem längst verstorbenen Bildhauer ansehen zu müssen, die man auf keinen Fall verpassen darf? Wir sind befreit von der Tyrannei, Entscheidungen treffen zu müssen. In welchem Restaurant sollen wir heute zu Abend essen, Liebling? Ah, ich weiß es bereits! Was für eine Erleichterung!«

Grey lächelt schmal. »Dafür können wir gewiss dankbar sein. Aber wir dürfen nicht vergessen, wo wir uns befinden. Diese Reise sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen.«

Als der Morgen voranschreitet, besuchen noch andere Passagiere den Aussichtswagen, wobei einige beim Anblick der großen Fenster und des Glasdachs sofort wieder kehrtmachen. Ein Geistlicher kommt herein, ein eisernes Kreuz und einen Rosenkranz in den Händen, einen ruhelosen Ausdruck auf dem Gesicht. Er stellt sich ans hintere Fenster, lässt den Rosenkranz durch die Finger gleiten und spricht – lauter als nötig – ein Gebet.

Grey vermutet, dass der Geistliche Russisch spricht, und obwohl er kein Wort davon versteht, ist ihm der Rhythmus des Gebets so vertraut wie der seiner eigenen Liturgie zu Hause, ein Auf und Ab von Versprechen und Bitten, das ihn einhüllt, während sie Peking immer weiter hinter sich lassen. Jetzt rollen sie durch Felder, hier und da von Bauernhäusern durchsetzt. Die Feldarbeiter halten inne und schauen herüber. Einige nehmen den Hut ab und verneigen sich. Andere malen Zeichen in die Luft, geheimnisvolle Symbole, um das Böse abzuwehren.

Mitreisende

Das Zugkind ist schnell und gewitzt. Weiwei ist nicht so groß geworden, wie sie gehofft hat, und so kann sie sich noch immer in die winzigsten Nischen zwängen und in die verborgenen Winkel des Zuges klettern. Sie kennt alle Geheimnisse des Zuges: wie man unbemerkt durch die Küchen huscht und dabei eine heiße Teigtasche stiehlt, wie man den Gartenwagen durchquert, ohne die übel gelaunten Hühner zu stören, wie man an die Drähte und Rohre herankommt, wenn etwas nicht funktioniert (und das kommt häufiger vor, als die Kompanie sich oder ihren Investoren eingestehen will). Sie bewegt sich im Rhythmus des Zuges, läuft in einer Art schlingerndem Slalom durch die schmalen Korridore, an den Passagieren vorbei, die noch unsicher auf den Beinen sind und ihr verwirrt nachschauen, und sie hält nur inne, um sich in die Küche der Dritten Klasse zu schleichen und den schläfrigen Küchenjungen eine Handvoll Trockenfrüchte zu stibitzen.

»Zhang Weiwei, tu nicht so unschuldig, ich weiß, dass du etwas im Schilde führst!« Anja Kascharina, die Köchin der Dritten Klasse, hat sie ertappt. Weiwei dreht sich um, breitet die Hände aus und zuckt mit den Achseln. Anja lacht schallend und gibt einem der Küchenjungen einen Klaps auf den Hinterkopf. »Wer hat Ratten in meine schöne, saubere Küche gelassen, hm? Ihr müsst besser aufpassen!«

Weiwei verdrückt sich, bevor die Küchenjungen sich an ihr rächen können.

Zwischen den Küchen für die Erste und die Dritte Klasse befindet sich ein kleiner Raum, den die Zugleute die Kluft nennen, oder manchmal auch sarkastisch die Zweite Klasse. Weiwei ist es nie gelungen, eine vernünftige Antwort darauf zu bekommen, warum der Zug eine Erste und eine Dritte Klasse hat, aber keine Zweite. In seinem Buch äußert Rostow die Vermutung, die ursprünglichen Architekten der Kompanie hätten sich übernommen und ihnen sei das Geld ausgegangen, doch viele von der Crew sind der Ansicht, dass sie einfach vergessen wurde. Was auch immer der Grund sein mag, im Transsibirien-Express besteht die Zweite Klasse nur aus diesem Zwischenraum, in den die Köchinnen und ihre Gehilfen aus beiden Küchen kommen, um ein Nickerchen zu halten oder Klatsch über die Passagiere auszutauschen. Das verleiht ihm eine ungewöhnliche Neutralität, jenseits der Klassenunterschiede zwischen den Passagieren, die sich in der Regel auf diejenigen ausdehnen, die sie bedienen. Und obwohl die Köchin der Ersten Klasse behauptet, das Essen in der Dritten sei nicht mal für Straßengesindel genießbar, und Anja Kascharina überzeugt ist, dass von dem Essen in der Ersten nicht mal eine Mücke satt würde, hat man die beiden schon zusammen auf den schmalen Bänken in der Kluft sitzen sehen, mit einer Kanne Tee und einem gemächlichen Kartenspiel.

Dorthin kommen auch die übrigen Mitglieder der Crew, um sich einen Moment von den Passagieren zu erholen, deshalb lauscht Weiwei stets an der Tür, bevor sie hineingeht, um ein wenig von dem Tratsch aufzuschnappen, der die lange Reise versüßt.

»… aber was will sie denn tun? Sie finden, es ist viel zu lange nach ihrem Kopf gegangen.«

»Wenn sie das wirklich glaubte, würde sie doch nicht das Risiko einer Durchquerung eingehen, oder?«

»Du vergisst, dass für sie Risiko nicht dasselbe ist wie für uns. Genau das ist ja auch deren Fehler – sie denken, sie hätte genauso viel Angst wie sie. Aber so tickt sie ja nicht.«

Zwei von den Stewards, beide regelmäßige Gäste der Zweiten Klasse. Sie sprechen vom Captain. Sie sprechen alle so über sie, halb bewundernd, halb ängstlich.

»Aber alle so einer Gefahr auszusetzen, und das nach dem, was beim letzten Mal passiert ist … Das würde sie doch nicht tun …«

»Meinst du?«

Die Stimmen der Stewards sind mal lauter und mal leiser. Weiwei nimmt an, dass sie immer wieder über die Schulter blicken. Es heißt, der Captain weiß, wenn über sie geredet wird. Es heißt, sie ist hinter der Tür, bevor du auch nur Luft holen kannst. Es kursieren so viele Geschichten über sie, dass kaum noch jemand sagen kann, was wirklich stimmt und was zu den Zuglegenden zählt.

Eines jedoch scheint sicher zu sein, nämlich dass ihre Familie aus dem Landstrich stammt, der jetzt direkt hinter der Mauer liegt; dass sie dort ihr Vieh geweidet und ihre Pferde geritten haben, bis die Veränderungen begannen und sie von dort vertrieben wurden. Die Haut ihrer Tiere wurde durchsichtig, Vögel fielen vom Himmel, Sämlinge schossen aus dem Boden, so schnell, dass man seinen Augen nicht traute, und brachten fremdartige Blätter hervor. Und so kehrt der Captain immer wieder in das verlorene Land ihrer Vorfahren zurück, sie treibt den Zug über den verräterischen Boden und fordert das Ödland heraus, sich gegen sie zu erheben.

Doch Weiweis Lieblingsgeschichten über den Captain sind die, als sie noch eine junge Frau war: Wie sie sich die Haare abgeschnitten und als Junge verkleidet bei einer Zugcrew angeheuert hat. Wie sie sich zum Lokführer hochgearbeitet hat, ohne dass je irgendwer etwas von ihrem Geheimnis ahnte. Wie sie eines der ersten Crewmitglieder beim Transsibirien-Express wurde. Und wie sie bei ihrer Ernennung zum Captain den Direktoren der Kompanie eröffnet hat, dass sie eine Frau ist – es heißt, die Herren waren so schockiert, dass sie bereits an Bord des Zuges war, als sie ihre Fassung zurückgewannen, und da hatten Fotografen aus der ganzen Welt sie schon bei ihrem Aufstieg in den Wachturm festgehalten, sodass es zu spät war, um das Ganze rückgängig zu machen.

Nun blickt Weiwei selbst über die Schulter, weil sie halb damit rechnet, dass der Captain urplötzlich hinter ihr auftaucht, als hätte sie ihre Gedanken gelesen – etwas, das sie, als Weiwei klein war, oft getan hat, meistens wenn Weiwei umherschlich und an Türen lauschte. Doch im Korridor ist niemand, und sie verspürt eine leise Enttäuschung. Diesmal hätte sie sich gefreut, den Captain kommen zu sehen.

»Glaub mir«, sagt einer der Stewards, »das ist ein schlechtes Zeichen. Sie hätten uns die Segnung abhalten lassen sollen …«

Schweigen. Lang genug für ein unbehagliches Scharren mit dem Schuh, ein besorgtes Kratzen an der Nase.

»Diese Reise steht unter einem schlechten Stern.« Sie hört, wie einer der Stewards in seine Hand spuckt und an das Eisengitter vor dem Fenster klopft. »Und die von der Kompanie wissen das, genau wie der Captain, obwohl sie nichts sagt. Sie wissen, dass es stimmt.«

Sie wendet sich ab, sie will nichts mehr hören. Die Segnung schickt sie sicher auf die Reise. Jedes Mitglied der Crew sprengt nacheinander mit einem Weidenzweig Wasser auf die Lok und sieht zu, wie es zischend verdampft. Das Wasser stammt aus einem Fass mit Früchten und Blättern der Jahreszeit und Erde vom Boden des Bahnhofs, an dem sie aufbrechen, um den Zug vor dem unfreundlicheren Land unter seinen Rädern zu schützen.

Doch nicht bei dieser Reise. Diesmal ist der Zug ohne Segnung losgefahren.

Die Kompanie hatte schon immer etwas gegen alles, was ihnen abergläubisch oder rückständig erschien, aber bis vor Kurzem herrschte eine Art unbehaglicher Waffenstillstand. Die Zugleute durften ihre kleinen Rituale, ihre Ikonen und Götter behalten, solange sie diskret damit umgingen und solange die Passagiere es charmant fanden. Doch nun, so wurde ihnen gesagt, sei es Zeit für eine Veränderung. Ein neues Jahrhundert nahe, und die Passagiere wollten keinen Mystizismus, sondern Modernismus. Diese Rituale hätten hier keinen Platz mehr, hat die Kompanie verkündet.

Und so murren die Crewmitglieder vor sich hin: Das Verbot der Segnung beweist mal wieder, dass diese verstaubten Büroleute keine Ahnung haben, was der Zug braucht. Und das ausgerechnet bei dieser Durchquerung! Hat es nicht schon genug ungute Vorzeichen gegeben? Wurde nicht am helllichten Tag eine weiße Eule im Tempel von Pinghe gesichtet? Hat man im Fluss nicht eine Schildkröte mit zwei Köpfen gefangen, auf deren Panzer ein Muster in Form eines auffliegenden Vogels war?

Zwei erst kürzlich eingestellte Porter haben sich einen ungefährlicheren Posten bei der Südost-Bahn gesucht. Einer der Stewards der Dritten Klasse hat gerade gestern gekündigt. Er habe ein neugeborenes Kind zu Hause, hat er gesagt, ohne jemandem ins Gesicht zu sehen; er habe mit sich gerungen, aber er könne nicht guten Gewissens wieder in diesen Zug steigen.

Weiwei hat noch nie erlebt, dass die Segnung nicht stattgefunden hat. Es fühlt sich an, als laste ein Gewicht auf ihnen, das sie zurückhält. Wenn sie an ihren Fingernägeln kaut, fehlt der Geschmack nach Erde.

In der Dritten Klasse riecht es nach Schweiß, Angst und halb verdorbenem Essen. Es gibt zwei Schlafwagen mit jeweils dreißig Betten, immer drei übereinander. Beide Wagen sind voll, und schon jetzt ist die Luft stickig. Die Kompanie hat den Preis für die Fahrkarten gesenkt, aus Sorge, dass die Passagiere wegbleiben könnten. Doch es gibt viele, die die Reise trotz ihrer Gefahren unbedingt unternehmen wollen. Als Weiwei hindurchgeht, zupfen sie sie am Ärmel – »Wo ist das Bad, wo gibt es Wasser, wie funktioniert das?« Die Fragen sind ebenso drängend und lästig wie die greifenden Hände, obwohl sie weiß, was die Leute eigentlich beschäftigt: »Sind wir sicher? Haben wir das Richtige getan?« Doch sie kann ihnen nicht die Antworten geben, die sie hören wollen.

Im ersten der beiden Wagen kauern die Passagiere allein oder zu zweit, ihre Furcht wie einen Mantel um sich gehüllt. Im zweiten hat sich jedoch bereits eine kleine Gemeinschaft gebildet: Eine Frau verteilt leuchtend rote Zuckerpflaumen, zwei Händler spielen Karten und trinken abwechselnd aus einem angelaufenen silbernen Flachmann, und ein junger Priester liest in einer Sprache, die Weiwei nicht kennt, aus einem ledergebundenen Buch vor, eine Kette mit Holzperlen zwischen den Fingern.

Niemand sieht aus dem Fenster.

Niemand außer einem Mann mit wirrem silbrigem Haarschopf, der seine langen Glieder auf einen der schmalen Klappsitze an der Wand gefaltet hat und so konzentriert nach draußen starrt, dass er die anderen Passagiere, die an ihm vorüberdrängen, den Tee, der hinten auf seinen Mantel kleckert, und die Tabletts mit Essen, die dicht an seinem Kopf vorbeigetragen werden, gar nicht wahrzunehmen scheint.

»Professor?«, sagt sie auf Russisch und berührt ihn an der Schulter. Er fährt erschrocken herum, doch als er sie erblickt, verzieht sich sein faltiges Gesicht zu einem Lächeln, und er schließt sie unbeholfen in seine knochigen Arme. Eine Woge der Erleichterung überkommt sie. Nicht alles hat sich verändert. Trotz allem, was geschehen ist, sind ein paar Dinge so geblieben wie immer.

Der Professor ist kein richtiger Professor, obwohl er genauso aussieht, wie sie sich einen vorstellt, und sobald sie alt genug war, hat er sie unter seine Fittiche genommen, entschlossen, ihr eine richtige Ausbildung zukommen zu lassen, »da sich ja sonst niemand hier im Zug dafür zuständig zu fühlen scheint«. Sie hatte ihn darauf hingewiesen, dass die Heizer und die Ingenieure, die Stewards und die Porter und sogar der Captain höchstpersönlich sich bemühten, ihr jeden Zentimeter des Zuges zu zeigen und ihr alles beizubringen, was man darüber wissen musste. »Eine Ausbildung mit Büchern«, hatte der Professor darauf erwidert.

Soweit sie weiß, hat er nie genug Geld gehabt, um selbst an einer Universität zu studieren, denn sein Leben lang hat er alles, was er verdiente, für Zugfahrkarten ausgegeben, um die Landschaft dort draußen studieren zu können. Mitglieder der Gesellschaft zur Erforschung der Veränderungen in Großsibirien – beziehungsweise die Ödland-Gesellschaft, wie sie gemeinhin genannt wird – reisen oft mit dem Zug, und die Crew bringt ihnen eine gewisse Sympathie entgegen, weil sie ein gemeinsames Interessengebiet haben. Allerdings schaut sie auch ein wenig auf diese Gelehrten herab, die Großsibirien nur in Büchern erforschen und dann ihrerseits Bücher darüber schreiben, sodass ihr Ödland nur aus Papierwäldern und Tintenflüssen besteht, ebenso substanzlos wie die Gelehrten selbst.

Der Professor jedoch gehört praktisch zur Crew, und im Gegensatz zu einigen Mitgliedern der Ödland-Gesellschaft hat er auch noch andere Interessen. Er hat sich selbst Chinesisch beigebracht, wobei Weiwei ihm manchmal hilft, und er spricht es recht ordentlich, wenn auch unmelodiös und mit einem Akzent, bei dem sie immer an rostige Pfannen denken muss, die aneinanderreiben.

»Wollten Sie hier nicht studieren?«, hat sie ihn einmal gefragt, als sie vor dem großen steinernen Gebäude standen, zu dem er sie während eines Aufenthalts in Moskau geführt hatte. Als er ihr sagte, dass Männer von überallher zu diesem Ort kamen, um etwas über die Welt zu erfahren, war sie verwirrt, denn die Mauern waren so hoch und dick, als sollten sie die Welt eher fernhalten. Sie sahen, wie junge Männer mit Büchern unter dem Arm hineineilten, und sie fragte sich, ob sie bei all dem Stein über ihnen keine Angst hatten, zerquetscht zu werden. Doch der Professor lachte nur. »Wozu brauchen wir diese staubigen Klassenzimmer?« Das sagte er immer, wenn sie im Zug waren. »Wir haben doch all das.« Und er deutete mit ausgebreiteten Armen auf die Landschaft draußen.

»Kind!«, ruft er nun und mustert sie lächelnd. »Ich habe mich schon gefragt, wann du uns mit deiner Gegenwart beehrst. ›Ist sie zu bedeutend für die Dritte Klasse geworden?‹, habe ich mich gefragt. ›Ist das letzte Mal schon so lange her, dass sie ihre alten Freunde vergessen hat?‹«

»Das ist Ihre eigene Schuld«, entgegnet Weiwei. »Ich bin jetzt so gebildet, dass mir kaum eine freie Minute bleibt, weil ich dauernd Fragen beantworten muss. Sogar der Kartograf besteht darauf, mich bei seinen neuen Karten zurate zu ziehen.«

Der Professor seufzt theatralisch. »Ach, wenn es nur so wäre.«

Weiwei wirft ihm einen gespielt finsteren Blick zu. Trotz seiner Bemühungen ist sie nie eine gute Schülerin gewesen – zu rastlos, zu schnell abgelenkt. »Aber ich hatte wirklich viel zu tun«, sagt sie. »Einige von der Crew sind nicht zurückgekommen, und die Kompanie lässt uns alle doppelt so hart arbeiten. Und dann gibt es natürlich ein paar besonders anstrengende Passagiere, die ständig Ärger machen.«

»Ich bin sicher, du wirst dich auf gute und gerechte Weise um sie kümmern. Wenn du allerdings fleißiger lernen würdest, könntest du eine Beförderung erlangen, und dann müsstest du dich nicht mehr mit solchen Leuten herumschlagen.«

Weiwei ignoriert diese Bemerkung und das Zucken in seinen Mundwinkeln. »Und Ihre Arbeit? Geht sie gut voran?«, fragt sie im Plauderton, sieht ihn jedoch aufmerksam an.

Er antwortet nicht sofort, sondern wendet den Blick wieder aus dem Fenster, auf die Wiesen, die draußen vorübergleiten. »Ich denke, ein alter Mann wie ich hat ab und zu eine Ruhepause verdient«, sagt er schließlich. »Nach allem, was passiert ist.«

Er sieht zu ihr hoch, doch als er weitersprechen will, erstarrt er plötzlich. Sie folgt seinem Blick zur Tür, in der zwei Männer stehen und den Wagen mustern. Sie tragen schwarze Anzüge mit langen Rockschößen, die in einem bestimmten Licht aussehen wie Flügel.

»Ah«, sagt der Professor leise. »Unsere höchsteigenen Unheilsvögel.«

Ihre Ankunft wird durch das Klirren ihrer Schuhe angekündigt, glänzend schwarz und im europäischen Stil, mit Schnallen. Es ist ihre einzige Eitelkeit; oberhalb der Füße sind sie mit ihren dunklen Anzügen, den Drahtgestellbrillen und dem humorlosen Lächeln ebenso unscheinbar wie die übrigen Angestellten der Kompanie.

Li Huangjin und Leonid Petrow sind gemäß ihrem offiziellen Titel Berater, doch die Zugleute nennen sie nur die Krähen. Wie alle Berater der Kompanie sind sie stets zu zweit, einer aus China und einer aus Russland – eine Ausgewogenheit, auf die die Direktoren in London sorgfältig achten. Sie sprechen das dröge, umständliche Englisch der Kompanie so, dass Weiwei den Anfang ihrer Sätze meist schon vergessen hat, bevor sie zum Ende kommen. Die Krähen klappern mit ihren glänzenden Schnallen und hacken unentwegt auf dem Zug und seiner Crew herum. Nicht mal der Captain kann sie von sich fernhalten, obwohl Weiwei mitbekommt, dass es den beiden unangenehm ist, wenn der Captain ihnen mit eisiger Höflichkeit und einem ebenso kalten Blick wie dem ihren begegnet.

Einmal, als Weiwei noch kleiner war, hat sie bei einer Durchquerung so getan, als wäre die giftige Luft des Ödlands in den Zug eingedrungen. Mit angehaltenem Atem rannte sie durch den Korridor eines Wagens und stieß dabei plötzlich mit einer der Krähen zusammen. Sie wäre beinahe hingefallen, aber er hielt sie an der Schulter fest.

»Wo willst du denn so schnell hin?« Er kam ihr riesig vor, und sie konnte seine Augen hinter der Brille nicht sehen, nur sich selbst, in den Gläsern gespiegelt. Sie hatte sich stets bemüht, den Krähen aus dem Weg zu gehen. Ihre Doppelheit machte ihr Angst, obwohl sie nicht wusste, warum. Doch diesmal war nur einer von ihnen da, und sie rechnete förmlich damit, dass er den anderen aus seiner Seite ausfahren würde wie ein zusätzliches Körperteil.

Er beugte sich hinunter, stützte die Hände auf die Knie und lächelte sie an, was ihr einen größeren Schrecken einjagte als der Jähzorn der Stewards. »Man könnte meinen, du wärst ein Ödlandkind, so wild, wie du herumtobst. Du bist ein Mitglied der Kompanie und musst dich auch so benehmen.«

Sie starrte ihn nur stumm an.

»Was passiert mit denen, die sich nicht an unsere Vorgaben halten?« Er führte sie zur nächsten Übergangstür, hinter der ein kleiner Raum lag, mit einer weiteren Tür, die nach draußen führte. Er nahm einen großen Schlüsselbund heraus und schloss die innere Tür auf. Der Raum dahinter war gerade groß genug, dass zwei Leute darin stehen und die erste Tür hinter sich schließen konnten, bevor sie die zweite öffneten. Seine Hand lag in ihrem Nacken. Durch das kleine Fenster konnte sie die Tundra vorübergleiten sehen, und zwischen dem Gras blitzten weiße Knochen auf. Er schob sie weiter nach vorn, drückte über ihr die Klinke der Außentür herunter, und sie stieß einen panischen Schrei aus.

Er trat ein Stück zurück, hielt sie aber weiter im Nacken fest und zwang sie, aus dem Fenster zu sehen. »Wir lassen sie da draußen zurück, wo sie hingehören.«

Manchmal spürt sie noch diesen Klammergriff der Angst, wenn sie an den Türen vorbeigeht, und sie ist jedes Mal erleichtert, wenn die Krähen in Moskau oder Peking bleiben. Doch in den letzten Jahren, seit der Zug auf Drängen der Kompanie häufiger fährt, sind sie fast bei jeder Durchquerung dabei. Dennoch bewegen sie sich, wie ihr aufgefallen ist, nach wie vor unbeholfen, schaffen es nicht, ihre Schritte den Bewegungen des Zuges anzupassen. Man muss sich dem Holpern und Wiegen anpassen, statt dagegen anzukämpfen, wie jede Zugratte weiß.

Jetzt gehen die beiden lächelnd an den Bettreihen entlang und nicken den Passagieren zu. Mr. Petrow (sie bestehen auf dem Mr., als wäre ihr Name zu schwach, um allein stehen zu können) beugt sich sogar hinunter, um einem kleinen Jungen, der ihn mit unbewegter Miene ansieht, durchs Haar zu strubbeln. Weiwei verdreht die Augen. Aber sie werden nicht lange hierbleiben, sondern in die Erste Klasse weitergehen, um sich unter die Passagiere zu mischen, die die Kompanie bevorzugt, die ihrem Bild von sich eher entsprechen.

»Versuch, sie nicht allzu böse anzustarren«, sagt der Professor leise.

Doch sie schafft es nicht, die Maske aufzusetzen, die die Kompanie gerne hätte.

Als die beiden die Mitte des Wagens erreicht haben, strafft sie die Schultern und spürt, wie auch der Professor sich anspannt. Die Krähen nicken ihr knapp zu. »Wir freuen uns, unseren treuesten Reisenden wieder an Bord begrüßen zu dürfen«, sagt Mr. Li zu dem Professor. »Uns ist zu Ohren gekommen, dass es in letzter Zeit Differenzen innerhalb der Gesellschaft gab. Wir hoffen, die sind inzwischen beigelegt?«

Der Professor lächelt nur milde und mustert die beiden kurzsichtig durch seine Brille – der Inbegriff des harmlosen Gelehrten. »Oh, aber Differenzen sind doch das Lebensblut jedes wissenschaftlichen Diskurses, nicht wahr?«

»Ganz recht, Professor, ganz recht.« Die Krähen lächeln ebenfalls.

»Was hat er mit Differenzen gemeint?«, fragt Weiwei, als sie fort sind, doch der Professor schüttelt nur den Kopf.

»Nicht jetzt«, sagt er leise und blickt den Wagen hinunter, als rechne er damit, dass die Krähen erneut angeflogen kommen.

Weiwei wartet auf eine Erklärung, aber der Professor scheint sich nicht weiter äußern zu wollen.

Eine Krähe ist ein Zeichen des Bösen, sagen die Zugleute. Als die Veränderungen begannen, waren die Krähen die einzigen Vögel, die über die Mauer flogen, Aas aus dem veränderten Land fraßen und mit glitzerndem Tand oder funkelnden Steinen in den Klauen zurückkehrten. Deshalb werfen die Menschen im Norden Chinas mit Steinen nach ihnen; sie sind verdorben.

Als sie klein war, hat sie gedacht, die beiden Männer der Kompanie könnten fliegen. Sie dachte, im schwarzen Stoff ihrer Gehröcke wären Flügel verborgen, mit denen sie sich in die Luft schwangen wie die Schattenvögel im Ödland. Sie dachte, sie würden den Mund weit öffnen und einander etwas in scharfem, verschachteltem Englisch zurufen, und sie hielten all das Böse des Zuges in ihren Klauen wie Steine, so hart und glänzend, dass es wehtat, sie anzusehen.

Die Mauer

Im Salon ist es heiß und stickig vor lauter Menschen. Parfüm hängt in der Luft und kratzt Maria im Hals. Hier ist zu viel Stoff, zu viel Samt und Seide. Sie erstickt darin.

Die Passagiere der Ersten Klasse haben sich versammelt, um auf das Herannahen der Mauer anzustoßen, wie es Brauch ist. An klaren Tagen kann man sie schon etwa siebzig Kilometer hinter der Hauptstadt erspähen.

Sie hat gehört, dass diesmal trotz der vergünstigten Fahrkarten weit weniger Passagiere in der Ersten Klasse mitreisen als sonst, aber dennoch herrscht Gedränge. Die Damen wedeln sich mit ihren Fächern Luft zu, die Gesichter der Herren in ihren gestärkten Hemden mit steifem Kragen sind gerötet von der Hitze und dem hochprozentigen Alkohol, den die Stewards auf silbernen Tabletts anbieten. Maria kostet einen Schluck und verzieht das Gesicht.

»Es heißt, in Peking ist schon seit Monaten nicht an echten russischen Wodka heranzukommen«, sagt die Gräfin, die auf einem Berg von Kissen thront wie ein kleiner, aufbrausender Monarch am Hof eines winzigen Staates. »Deshalb müssen wir uns wohl mit diesem Gebräu abfinden.« Sie schüttelt den Kopf. »Ich fürchte, wir haben eine schwierige Reise vor uns. Zufällig konnte ich einen Blick auf die Abendkarte werfen, und es war nicht ermutigend. Die arme Vera sagt, ihr Verdauungssystem verträgt einfach nicht noch mehr sonderbares Gemüse.«

Vera schürzt die Lippen und nickt schweigend.

Maria sucht nach einer passenden Erwiderung, doch ihr fällt nichts ein. Es ist zu lange her, dass sie unter so vielen Fremden war. Zum ersten Mal fällt ihr auf, wie trist ihr Kleid neben dem bunten Gefieder dieser Männer und Frauen wirken muss. Sie kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass ihr der Betrug anzusehen ist, dass diese andere Maria von ihr abfallen wird wie ein schlecht sitzendes Gewand.

Doch Anna Michailowna ist vollauf damit beschäftigt, ihren Hofstaat kritisch zu mustern, und ihr steter Strom an Kommentaren ist geradezu beruhigend, da es genügt, wenn Maria zuhört und hin und wieder etwas Zustimmendes murmelt. Ihr verstorbener Gatte war Diplomat, sagt die Gräfin gerade. »Obwohl es vor allem der Wunsch seines Vaters war. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir unser Leben in den Petersburger Sümpfen verbracht. Erst jetzt, nach seinem Tod, kann ich zum Vergnügen reisen.« Maria fällt auf, dass sie sich viele essenzielle Qualitäten des Botschafterlebens bewahrt hat, unter anderem einen zynischen Blick auf ihre Mitmenschen.

»Und der