Handbuch für Ordnungsämter und Ortspolizeibehörden Baden-Württemberg - Daniel Strecker - E-Book

Handbuch für Ordnungsämter und Ortspolizeibehörden Baden-Württemberg E-Book

Daniel Strecker

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Beschreibung

Das Handbuch für Ordnungsbehörden und Ortspolizeibehörden in Baden-Württemberg ist das bewährte Standardwerk für Studium, Lehre und die Verwaltungspraxis der Gemeinden und Städte im Bereich Polizei- und Ordnungsrecht! Mit der 5. Auflage liegt eine grundlegende Überarbeitung vor, das um ausgewählte und praxisrelevante Teile erweitert wurde. Das Buch vermittelt die nötigen Grundlagen in Theorie bis Praxis, um im Berufsalltag gut gerüstet zu sein. Neben dem Polizeirecht sind auch praxisrelevante Themen wie Verwaltungs-, Vollstreckungs- und Ordnungswidrigkeitenrecht enthalten. Mit vielen Vorlagen, Mustersatzungen und -verfügungen erhält der Leser zusätzliche Hilfestellung für alltägliche und besondere Fälle. Besondere Schwerpunkte wie Grundlegendes zum Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, Hunde, Obdachlosigkeit, Flüchtlinge, Kommunaler Ordnungsdienst/Gemeindlicher Vollzugsdienst, Bestattungen, Umwelt-/Tierschutz, Infektionsschutz, Katastrophenschutz und Bevölkerungsschutz, Feuerwehrwesen, Glücksspielrecht und Spielautomaten, sowie dem Datenschutz, wurden in bewährter Weise ausgebaut. Das Werk bietet nicht nur Orientierung und praktische Tipps, sondern dient auch als zuverlässiges Nachschlagewerk, das auf alle Fragen und Bedürfnisse rund um die vielfältigen Aufgaben des Ordnungsamts und der Ortspolizeibehörde eingeht.

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Handbuch für Ordnungsämter und Ortspolizeibehörden Baden-Württemberg

begründet von

Georg HuttnerOrdnungsamtsleiter a. D. bei der Stadt Eislingen/Fils

fortgeführt von

Daniel Strecker, LL.M.Berater, Dozent, Diplom-Verwaltungswirt (FH), Lehrbeauftragter Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Christian ThomeRechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Diplom-Verwaltungswirt (FH),Lehrbeauftragter Hochschule Kehl

Prof. Dr. Lars SteinhorstProfessor für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Ordnungsrecht,Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg

5., erweiterte und überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

5. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-038990-8

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-038991-5

epub: ISBN 978-3-17-038992-2

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Das Handbuch für Ordnungsbehörden und Ortspolizeibehörden in Baden-Württemberg ist das bewährte Standardwerk für Studium, Lehre und die Verwaltungspraxis der Gemeinden und Städte im Bereich Polizei- und Ordnungsrecht! Mit der 5. Auflage liegt eine grundlegende Überarbeitung vor, das um ausgewählte und praxisrelevante Teile erweitert wurde. Das Buch vermittelt die nötigen Grundlagen in Theorie bis Praxis, um im Berufsalltag gut gerüstet zu sein. Neben dem Polizeirecht sind auch praxisrelevante Themen wie Verwaltungs-, Vollstreckungs- und Ordnungswidrigkeitenrecht enthalten. Mit vielen Vorlagen, Mustersatzungen und -verfügungen erhält der Leser zusätzliche Hilfestellung für alltägliche und besondere Fälle. Besondere Schwerpunkte wie Grundlegendes zum Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, Hunde, Obdachlosigkeit, Flüchtlinge, Kommunaler Ordnungsdienst/Gemeindlicher Vollzugsdienst, Bestattungen, Umwelt-/Tierschutz, Infektionsschutz, Katastrophenschutz und Bevölkerungsschutz, Feuerwehrwesen, Glücksspielrecht und Spielautomaten, sowie dem Datenschutz, wurden in bewährter Weise ausgebaut.

Das Werk bietet nicht nur Orientierung und praktische Tipps, sondern dient auch als zuverlässiges Nachschlagewerk, das auf alle Fragen und Bedürfnisse rund um die vielfältigen Aufgaben des Ordnungsamts und der Ortspolizeibehörde eingeht.

Daniel Strecker, LL.M., Diplom-Verwaltungswirt (FH), Berater, Dozent, Lehrbeauftragter HWR Berlin, Hochschule für öffentliche Verwaltung. Christian Thome, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Diplom-Verwaltungswirt (FH), Lehrbeauftragter Hochschule Kehl. Prof. Dr. Lars Steinhorst, Professor für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Ordnungsrecht, Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg.

Vorwort

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

mit dieser Ausgabe präsentiert sich das beliebte Standardwerk in einer komplett überarbeiteten Neuauflage.

Wir freuen uns, ein umfassendes Handbuch zu den verschiedensten Themen der Ordnungsämter und Ortspolizeibehörden für Praxis, Lehre und Ausbildung vorlegen zu können. Recht ist ständig im Wandel und es ist nicht immer leicht, den Überblick zu behalten. Das Werk soll Ihnen als Orientierungshilfe, Praxisratgeber und Nachschlagewerk für Fragen rund um die vielfältigen Aufgaben des Ordnungsamts und der Ortspolizeibehörde dienen.

Wir Autoren kennen sowohl die Theorie als auch die Praxis und sind mit unseren Spezialisierungen im Polizei- und Ordnungsrecht, unserer Berufspraxis und der Lehre an den Hochschulen für die öffentliche Verwaltung in Kehl, Ludwigsburg und Berlin ein perfektes Team, um schwer Zugängliches und Kompliziertes handhabbar zu machen.

Beliebte Themen wie Grundlegendes zum Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, Hunde, Obdachlosigkeit, Flüchtlinge, Kommunaler Ordnungsdienst/Gemeindlicher Vollzugsdienst, Umweltschutz, Tierschutz, Infektionsschutz, Katastrophen- und Bevölkerungsschutz, Feuerwehrwesen, Glücksspielrecht und Spielautomaten, Meldewesen sowie Datenschutz wurden in bewährter Weise ausgebaut.

Seien Sie gespannt auf neue Themen wie Bescheidtechnik, Vorbereiten auf und Managen von Krisen und Katastrophen, Stabsarbeit sowie auf Neues aus dem Straßen- und Straßenverkehrsrecht und auf viele weitere Themen mehr. Selbstverständlich ergänzen die beliebten Muster und Formulare auch diese aktuelle Ausgabe. 

Anregungen und Kritik nehmen wir gerne unter [email protected] entgegen.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und Freude bei der Arbeit mit diesem Werk!

Daniel Strecker, Christian Thome, Lars Steinhorst

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Bearbeiterverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

I.Grundlagen der Rechtsanwendung und Bescheidtechnik

1.Aktuelle Herausforderungen1

2.Klarstellende Hinweise zu der Konzeption des Werkes1

3.Grundlagen der Rechtsanwendung2

4.Bescheidtechnik11

II.Grundlagen des Gefahrenabwehrrechts

1.Begriff und Gegenstand des Gefahrenabwehrrechts18

2.Begriff der Polizei18

3.Relevante Vorschriften in Baden-Württemberg19

III.Polizeirecht – Allgemeiner Teil

1.Aufgaben der Polizei22

2.Die Ortspolizeibehörde49

3.Der Polizeivollzugsdienst50

4.Gemeindliche Vollzugsbedienstete52

5.Kommunaler Ordnungsdienst (KOD), Präsenzdienst54

6.Aufgabenkatalog der Großen Kreisstädte56

7.Allgemeine Grundsätze für das Einschreiten der Polizei56

8.Die polizeilichen Verfügungen59

9.Störer und Adressaten61

10.Polizeiverordnungen (§§ 17–26 PolG)66

11.Datenerhebung, Datenverarbeitung (§§ 11–16, 42–62, 70–99 PolG)74

12.Einzelmaßnahmen (§§ 27 ff. PolG)78

13.Der Polizeizwang (§§ 63 ff. PolG)89

14.Kosten, Entschädigung, Ersatz96

15.Rechtsbehelfe98

IV.Polizeirecht – Besonderer Teil

1.Abfallbeseitigung102

2.Ausweisrecht108

3.Beistandspflicht gegenüber den Hauptzollämtern111

4.Bestattungswesen111

5.Bevölkerungsschutz, Großschadenslage unterhalb der Katastrophenschwelle, Außergewöhnliche Einsatzlage115

6.Bundeszentralregister, Gewerbezentralregister, Bewacherregister126

7.Bußgeldverfahren (einschließlich Verwarnungsverfahren)132

8.Feuerwehrwesen137

9.Fischereiwesen142

10.Flüchtlinge, Ausländer145

11.Straßennamen/Hausnummern147

12.Hunde (gefährliche), Kampfhunde149

13.Immissionsschutz156

14.Infektionsschutz159

15.Jugendschutz175

16.Katastrophenschutz176

17.Kur- und Erholungsorte178

18.Glücksspielrecht, Automatenglücksspiel, Sportwetten179

19.Manöver und Übungen der Bundeswehr185

20.Meldewesen185

21.Naturschutzrecht192

22.Passrecht195

23.Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung202

24.Privatkrankenanstalten nach der Gewerbeordnung205

25.Schulzwang205

26.Ausstellung von Ausweisen für Schwerbeschädigte und Schwerbehinderte208

27.Sonn- und Feiertagsrecht208

28.Sprengstoffrecht209

29.Tierkörperbeseitigung212

30.Tierseuchen213

31.Versammlungsrecht214

32.Versammlungsstätten216

33.Wahlen216

34.Wasserrecht217

35.Wehrpflicht220

36.Zivilschutz und Katastrophenhilfe des Bundes220

V.Besonderes Verwaltungsrecht

1.Fundwesen223

2.Gaststättenrecht224

3.Gewerbeordnung225

4.Ladenschlussrecht228

5.Landwirtschaftsrecht228

6.Mess- und Eichwesen230

7.Waldrecht und Bodenschutz230

8.Sammlungsrecht234

9.Straßenrecht, Winterdienst236

10.Straßenverkehrsrecht248

VI.Musterverordnungen und Mustersatzungen

1.Vorbemerkung251

2.Muster einer Polizeiverordnung zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und gegen umweltschädliches Verhalten (Polizeiverordnung – PolVO)257

3.Muster für eine Streupflichtsatzung268

4.Muster einer Satzung über die Benutzung von Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünften271

VII.Musterverfügungen, Dienstanweisungen, Arbeitshilfen

Stichwortverzeichnis

Bearbeiterverzeichnis

Daniel StreckerKapitel IV Nr. 2, 3, 5, 7, 8, 14–16, 20, 22, 24, 26, 29, 30, 36, Kapitel V Nr. 9, 10; Kapitel VII.Prof. Dr. Lars ­SteinhorstKapitel II; Kapitel III Nr. 1–9, 12–15; Kapitel IV Nr. 10, 12, 19, 27, 28, 31, 32, 35; Kapitel V Nr. 2–4; Kapitel VII.Christian ThomeKapitel I, Kapitel III Nr. 10 und 11, Kapitel IV Nr. 1, 4, 6, 9, 11, 13, 17, 18, 21, 23, 25, 33, 34; Kapitel V Nr. 1, 5–8; Kapitel VII.

Abkürzungsverzeichnis

AAZuVOAufenthalts- und Asyl-ZuständigkeitsverordnungAbs.Absatza. F.alte FassungAGAusführungsgesetzAGBGBAusführungsgesetz zum Bürgerlichen GesetzbuchAGBMGLandesgesetz zur Ausführung des BundesmeldegesetzesAGTierKBGAusführungsgesetz zum TierkörperbeseitigungsgesetzAGTierSGAusführungsgesetz zum TierseuchengesetzAGVwGOAusführungsgesetz zur VerwaltungsgerichtsordnungAllg./allgem.Allgemeina. M.anderer MeinungAnh.AnhangAnl.AnlageArbZuVOArbeitszuständigkeitsverordnungAsylVfGAsylverfahrensgesetzAufenthVAsylaufenthaltsverordnungBAnz.BundesanzeigerBauGBBaugesetzbuchBay.BayrischBayObLGBayerisches OberlandesgerichtBayVBl.Bayerische VerwaltungsblätterBayVerfGHBayerischer VerfassungsgerichtshofBBodSchGGesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz)BeckOKBeck’scher Online-KommentarBek.BekanntmachungBestattVOBestattungsverordnungBewachVBewachungsverordnungBGBBürgerliches GesetzbuchBGBl.BundesgesetzblattBGHBundesgerichtshofBImSchGBundesimmissionsschutzgesetzBImSchVBundesimmissionsschutzverordnungBLGBundesleistungsgesetzBliwaGBlindenwarenvertriebsgesetzBMGBundesmeldegesetzBNatSchGGesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz)BVerfGBundesverfassungsgesetzBVerwGBundesverwaltungsgerichtBWBaden-WürttembergBW AGBMGBaden-württembergisches Ausführungsgesetz zum BundesmeldegesetzBWAGPassGGesetz zur Ausführung des Passgesetzes, des Personalausweisgesetzes und des eID-Karte-GesetzesBWGZDie Gemeinde, Zeitschrift vom Gemeindetag Baden-WürttembergBWOBundeswahlordnungBWVPr.Verwaltungspraxis Baden-WürttembergBZRGBundeszentralregistergesetzBZRGVwVVerwaltungsvorschrift zur Durchführung des BundeszentralregistergesetzescircacircaDADienstanweisung für StandesbeamtedB (A)DezibelDNPDie neue Polizei, ZeitschriftDÖVDie Öffentliche Verwaltung, ZeitschriftDPolBl.Deutsches Polizeiblatt, ZeitschriftDRKDeutsches Rotes KreuzDurchfErl.DurchführungserlassDVODurchführungsverordnungDVOPolGDurchführungsverordnung zum PolizeigesetzDVOWaffGDurchführungsverordnung zum WaffengesetzEBewiVErnährungsbewirtschaftungsverordnungEichZuVOVerordnung über die Zuständigkeit nach dem Gesetz über Einheiten im Messwesen und nach dem EichgesetzEGEinführungsgesetzErfVorschr.Erfassungsvorschrifterg.ErgänztErl.ErlassEuWOEuropawahlordnungEWMVErnährungsmeldewirtschaftsverordnungFamFGGesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeitff., f.fortfolgende, folgendeFischGFischereigesetzFlüAGGesetz über die Aufnahme von Flüchtlingen (Flüchtlingsaufnahmegesetz)FStrGBundesfernstraßengesetzFTGGesetz über Sonn- und FeiertageFVGGesetz über die FinanzverwaltungFwGFeuerwehrgesetzGABl.Gemeinsames Amtsblatt Baden-WürttembergGastVOGaststättenverordnungGBl.Gesetzblatt für Baden-WürttembergGebOStGebührenordnung für Maßnahmen im StraßenverkehrGemOGemeindeordnung Baden-WürttembergGewArch.Gewerbearchiv, ZeitschriftGewOGewerbeordnungGewOZuVVerordnung über Zuständigkeiten nach der GewerbeordnungGGGrundgesetzGMBl.Gemeinsames MinisterialblattGSZZeitschrift für das Gesamte SicherheitsrechtGT-infoInformation des Gemeindetags Baden-WürttembergGVBl.Gesetz- und Verordnungsblatt BadenGVGGerichtsverfassungsgesetzGZRVwVVerwaltungsvorschrift zur Durchführung des Titels XI der Gewerbeordnung, Gewerbezentralregisteri. d. F.in der FassungIfSGInfektionsschutzgesetzIMInnenministeriumi. S. d.im Sinne desi. V. m.in Verbindung mitJuMJustizministeriumJuSJuristische Schulung, ZeitschriftJuSchGJugendschutzgesetzJWMGJagd- und WildtiermanagementgesetzKAGKommunalabgabengesetzKommJurKommunaljurist, ZeitschriftKomWOKommunalwahlordnungKrWaffGAusführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen)KrWGKreislaufwirtschaftsgesetzKsMKultusministeriumLAbfGLandesabfallgesetzLadSchlVOLadenschlussverordnungLBOLandesbauordnungLBodSchAGGesetz zur Ausführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes (Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetz)LDSGLandesdatenschutzgesetzLFGBLebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch)LFischVOLandesfischereiverordnungLGLandgerichtLGebGLandesgebührengesetzLKatSGLandeskatastrophenschutzgesetzLKrOLandkreisordnungLKVLandes- und Kommunalverwaltung, ZeitschriftLLGLandwirtschafts- und LandeskulturgesetzLMBGLebensmittel- und Bedarfsgegenstände-GesetzLOWiGLandesordnungswidrigkeitengesetzLRLandesregerierungLT-Drs.LandtagsdrucksacheLVLandesverfassungLVGLandesverwaltungsgesetzLVwVfGLandesverwaltungsverfahrensgesetzLVwVGLandesverwaltungsvollstreckungsgesetzLVwVGKOLandesverwaltungsvollstreckungskostenordnungLVwZGLandesverwaltungszustellungsgesetzLWaldGLandeswaldgesetzLWOLandeswahlordnungLWVeranlVLandwirtschafts-VeranlagungsverordnungMin.Minister (Ministerium)MinBl.MinisterialblattMVOMeldeverordnungNatSchGNaturschutzgesetzNJWNeue juristische Wochenschrift, ZeitschriftNJW-RRNeue juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport, ZeitschriftN. N.ohne VerfasserNVwZNeue Zeitschrift für VerwaltungNVwZ-RRNeue Zeitschrift für Verwaltung-Rechtsprechungsreport, ZeitschriftOGDGGesundheitsdienstOLGOberlandesgerichtOVGOberverwaltungsgerichtOWiGOrdnungswidrigkeitengesetzOWiZuVOVerordnung der Landesregierung über Zuständigkeiten nach dem Gesetz über OrdnungswidrigkeitenPassErl.PasserlassPaßGPaßgesetz1PassVwVVerwaltungsvorschrift zum PassgesetzPAuswGPersonalausweisgesetzPAuswVOPersonalausweisverordnungPAuswVwVVerwaltungsvorschrift zum PersonalausweisgesetzPfandlVPfandleihverordnungPflSchGPflanzenschutzgesetzPolGPolizeigesetzPOLIZEIinfoPolizei Info, ZeitschriftPolVOPolizeiverordnungPolVOgHPolizeiverordnung über das Halten gefährlicher HundePsychKHGGesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz)Preuß.PreußischRdErl.RunderlassRn.RandnummerRdSchr.RundschreibenRegBl.RegierungsblattR-FGÜVerwaltungsvorschrift über die Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von FußgängerüberwegenRGBl.ReichsgesetzblattRiLSAVerwaltungsvorschrift über Richtlinien für LichtsignalanlagenRSAVerwaltungsvorschrift über die Durchführung der Richtlinien für die Sicherung von ArbeitsstellenS.Seites./s. a.siehe/siehe auchSachHVSchaustellerhaftpflichtverordnungSchGSchulgesetzSGBSozialgesetzbuchSonGebVOSondernutzungsgebührenverordnungSpielVSpielverordnungSprengGSprengstoffgesetzSprengKostVKostenverordnung zum SprengstoffgesetzSprengVwVVerwaltungsvorschrift zum SprengstoffgesetzSprengGZuVOVerordnung über Zuständigkeiten nach dem Sprengstoffgesetz und nach diesem Gesetz ergangene RechtsverordnungenStAnz.Staatsanzeiger für Baden-WürttembergStGBStrafgesetzbuchStPOStrafprozessordnungStrGStraßengesetz Baden-WürttembergStVGStraßenverkehrsgesetzStVOStraßenverkehrsordnungStVZOStraßenverkehrs-Zulassungs-VerordnungStVOZuVOVerordnung über Zuständigkeiten nach der StraßenverkehrsordnungSVRStraßenverkehrsrecht, ZeitschriftTA-LärmTechnische Anleitung – LärmTierGesGGesetz zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz)TierNebHTierische Nebenprodukte-BeseitigungsgesetzTrinkwVTrinkwasserverordnungUBGUnterbringungsgesetzUrt.UrteilVBlBWVerwaltungsblätter Baden-Württemberg, ZeitschriftVerf.Verfasser/VerfassungVerfGVerfügungVerkGVerkündungsgesetzVerlustanzeige-VwVVerwaltungsvorschrift über die Behandlung von Anzeigen über den Verlust eines Pesonalausweises, Passes oder PassersatzesVersGVersammlungsgesetzVersVwVVerwaltungsvorschrift zur Durchführung des VersammlungsgesetzesVersGZuVOZuständigkeitsverordnung zum VersammlungsgesetzVerstVVersteigererverordnungVGHVerwaltungsgerichtshofvgl.vergleicheVkBl.VerkehrsblattVOVerordnungVRVerwaltungsrundschau, ZeitschriftVStättVOVersammlungsstättenverordnungVV/VwVVerwaltungsvorschriftenVwGOVerwaltungsgerichtsordnungVwVMGVerwaltungsvorschrift zum MeldegesetzVwVPolGVerwaltungsvorschrift zum PolizeigesetzWaffGWaffengesetzWGWassergesetz Baden-WürttembergWGZWürttembergische GemeindezeitungWHGWasserhaushaltsgesetzWPflGWehrpflichtgesetzWürtt.-hohenz. RegBl.Regierungsblatt für das Land Württemberg-HohenzollernZiff.ZifferZMRZeitschrift für Miet- und RaumrechtZPOZivilprozessordnungZRPZeitschrift für RechtspolitikZSGZivilschutzgesetzZSZuVOVerordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des ZivilschutzesZuVZuständigkeitsverordnungZVZuGGesetz über Zuständigkeiten auf dem Gebiet der zivilen Verteidigung

I.Grundlagen der Rechtsanwendung und Bescheidtechnik

1.Aktuelle Herausforderungen

1Die öffentliche Verwaltung ist in der Praxis mit einer ständig wachsenden Komplexität konfrontiert. Rechtsgebiete differenzieren sich immer mehr aus, die Flut an Rechtsnormen, Verwaltungsvorschriften, Rechtsprechung und Literatur nimmt immer mehr zu. Hinzu kommt die Digitalisierung, die ebenfalls große Herausforderungen mit sich bringt. All dies betrifft auch die praktische Tätigkeit der Ortspolizeibehörden und Ordnungsämter im Rahmen der Tätigkeit im Recht der Gefahrenabwehr. Das Recht der Gefahrenabwehr unterliegt einem ständigen Wandel. Die Ortspolizeibehörden müssen – auch unter erheblichem Zeitdruck – auf ständig neue Herausforderungen reagieren. Neben dem Studium an den Hochschulen für öffentliche Verwaltung in Kehl und Ludwigsburg kommt aber vor dem Hintergrund ständig wachsender Herausforderungen auch der Fort- und Weiterbildung eine immer größere Bedeutung zu. Es reicht heute nicht mehr aus, sich auf dem in Ausbildung und Studium erworbenen Wissen „auszuruhen“.

Dieses Buch will hier einen Beitrag leisten. Wir meinen, dass für rechtmäßige und zweckmäßige Verwaltungsentscheidungen nicht nur fachliches Wissen in den einzelnen Rechtsgebieten erforderlich ist, sondern auch und gerade ein übergreifendes Systemverständnis der Grundlagen der Rechtsanwendung und der Bescheidtechnik. Solides Grundlagenwissen und eine gute Recherchetechnik tragen zur besseren Bewältigung auch unbekannter Rechtsprobleme bei. Kenntnisse über die praktische Umsetzung des vorhandenen Wissens sind für die Verwaltungspraxis ebenfalls essenziell.

2.Klarstellende Hinweise zu der Konzeption des Werkes

2Es ist vor dem o. g. Hintergrund allerdings ausdrücklich nicht Sinn und Zweck dieses Werkes, den Leser in allen Detailfragen abschließend zu informieren. Ein solches Ansinnen wäre allein aufgrund der – soweit ersichtlich – in der Literatur einmaligen Fülle der in diesem Werk behandelten Rechtsgebiete zum Scheitern verurteilt. Zur Klärung von Detailfragen wird auf die sehr reichlich vorhandene Spezial- und Kommentarliteratur sowie – in der Praxis stets vorrangig – die Rechtsprechung verwiesen. Wir haben es vielmehr unternommen, der Praxis in den relevanten Rechtsgebieten einen Überblick über die Rechtsquellen, zentralen Probleme und Zuständigkeiten zu verschaffen. Wenn wir also dem Rechtsanwender in der kommunalen Praxis einen ersten Einstieg und Überblick („Wo ist das überhaupt geregelt?“) in die Vielzahl der von uns behandelten Rechtsgebiete verschaffen können, wäre unser Ziel schon erreicht. Für Rückmeldungen aus der Leserschaft, ob uns dies gelungen ist, sowie Anregungen, Verbesserungsvorschläge und natürlich auch Kritik sind wir sehr dankbar. Das Gleiche gilt für etwaige Zitat- und Druckfehler, die sich bei der großen Fülle des zu verarbeitenden Materials leider nie ganz ausschließen lassen. Entsprechende Nachrichten lassen Sie uns gerne an folgende Adresse zukommen: [email protected].

3.Grundlagen der Rechtsanwendung

Literatur:

, Blasius/Büchner, Verwaltungsrechtliche Methodenlehre, 2. Aufl. 1984 (speziell zum Verwaltungsrecht); Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium, 4. Aufl. 1998; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1999; Butzer/Epping, Arbeitstechnik im öffentlichen Recht, 3. Aufl. 2006; König, Juristische Methoden für Dummies, 1. Aufl. 2016; Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 7. Aufl. 2018; Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre, 3. Aufl. 2018; Weber, Methodik der Fallbearbeitung im Ordnungs- und Sozialrecht, 1. Aufl. 2018; Kramer, Juristische Methodenlehre, 6. Aufl. 2019; Bringewat, Methodik der juristischen Fallbearbeitung, 4. Aufl. 2020; Herresthal/Weiß, Fälle zur Methodenlehre, 1. Aufl. 2020; Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020; Wank, Juristische Methodenlehre, 1. Aufl. 2020; Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020; Brühl, Einführung in die juristische Denk- und Arbeitsweise, 19. Aufl. 2021 (online verfügbares Skript); Möllers, Juristische Arbeitstechnik und wissenschaftliches Arbeiten, 10. Aufl. 2021; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 12. Aufl. 2021; Pense/Lüdde, Basiswissen Methodik der Fallbearbeitung im Studium und Examen, 5. Aufl. 2022; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, 12. Aufl. 2022; Wank/Maties, Die Auslegung von Gesetzen, 7. Aufl. 2023; Möllers, Juristische Methodenlehre, 5. Aufl. 2023.

3Die Grundlagen der Rechtsanwendung und der Bescheidtechnik haben für die Bearbeitung praktischer Fälle eine Bedeutung, die nicht hoch genug angesetzt werden kann. Der einzelne Sachbearbeiter in der Praxis muss nämlich in der Lage sein, sich durch ein entsprechendes „Handwerkszeug“ in neue Rechtsgebiete sowie ständig neue Fallgestaltungen einarbeiten zu können. Das gilt auch wegen der besonderen Grundrechtsrelevanz der Tätigkeit der Ortspolizeibehörden. Die Tätigkeit der Ortspolizeibehörden im Recht der Gefahrenabwehr gehört zur schärfsten Form der hoheitlichen Eingriffsverwaltung. Greift die Ortspolizeibehörde in Rechte von Bürgern ein, indem sie etwa Verbote ausspricht oder Verpflichtungen oder sonstige Belastungen auferlegt, sind damit Grundrechtsbeeinträchtigungen verbunden. Dem Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) kommt daher eine wichtige Bedeutung zu.

4Aus Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3, 83 und 86 GG ergibt sich, dass die Verwaltung die Gesetze ausführt und dabei an Gesetz und Recht gebunden ist. Die Verwaltung darf also die Voraussetzungen ihres Eingreifens nicht selbst festlegen. Das bedeutet, dass ein Eingriff durch die Ortspolizeibehörde in die Rechtssphäre des Betroffenen nur dann gerechtfertigt ist, wenn er im ordnungsgemäßen Vollzug eines rechtmäßigen Gesetzes erfolgt. Erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer belastenden Verwaltungsmaßnahme ist also das Vorliegen einer gesetzlichen Rechtsgrundlage. Man spricht insoweit vom Vorbehalt des Gesetzes (Merksatz: „Nicht ohne das Gesetz“). Unabhängig von dem Erfordernis einer Rechtsgrundlage gilt, dass die Verwaltung nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen darf. Hier spricht man vom Vorrang des Gesetzes (Merksatz: „Nicht gegen das Gesetz“). Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes werden zusammengefasst als Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bezeichnet (Schmidt, Allgemeines Verwaltungsrecht, 21. Aufl. 2018, Rn. 186).

Um diesen Anforderungen in der kommunalen Praxis gerecht zu werden, muss eine Vielzahl von Rechtsnormen beachtet werden. Rechtsnormen ändern sich heute teilweise – je nach Rechtsgebiet – in atemberaubendem Tempo. Die „Ausführung der Gesetze“ (Art. 83 GG) bedeutet die Anwendung dieser vom Gesetzgeber erlassenen Rechtsnormen auf den Einzelfall. Die Rechtsnormen sind folgenden Rechtsquellen zu entnehmen:

–  Unionsrecht,

–  Grundgesetz,

–  Formelle Gesetze,

–  Rechtsverordnungen,

–  Satzungen.

5Zusätzlich gibt es noch das Innenrecht der Verwaltung in Form der Verwaltungsvorschriften, welche in der Praxis uneinheitlich bezeichnet werden (Verwaltungsvorschrift, Anordnung, Dienstanweisung, Erlass, Richtlinie usw.). Man unterscheidet verschiedene Formen von Verwaltungsvorschriften (Organisations- und Dienstvorschriften, norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen schon durch ihr Vorhandensein Rechte des Bürgers. Sie unterliegen daher auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden sind. Das gilt besonders für Fälle, in denen der Wortlaut einer Verwaltungsvorschrift unklar und darum auslegungsbedürftig ist (BVerwG, Urt. v. 17.1.1996 – 11 C 5/95 –, juris Rn. 21; BVerwG, Urt. v. 16.6.2015 – 10 C 15/14 –, juris Rn. 24; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 25.11.2004 – 5 CN 1/03 –, juris Rn. 31: Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten).

Beispiel: Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes – VwV PolG)

In der Praxis der Ortspolizeibehörden stehen nicht abstraktes Wissen oder theoretische Meinungsstreitigkeiten im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, die in der Praxis auftretenden Konfliktfälle zu lösen. Wird ein Fall in der Praxis gelöst, so geschieht dies durch Rechtsanwendung, also der Anwendung der einschlägigen Rechtsnormen auf den konkreten Einzelfall. Die Schritte der Rechtsanwendung gliedern sich wie folgt (empfehlenswert dazu: Hoffmann, Grundlagenwissen: Rechtsanwendung, L&L 2019, 129, 131; Brühl, Einführung in die juristische Denk- und Arbeitsweise, 19. Aufl. 2021, S. 25 ff.):

6Zusammenfassung: Schritte der Rechtsanwendung

(1)  Sachverhalt ermitteln

(2)  Einschlägige Rechtsnormen suchen

(3)  Aufgefundene Rechtsnormen aufbereiten

(4)  Unbestimmte Rechtsbegriffe auslegen

(5)  Subsumtion

(6)  Praktische Umsetzung der gefundenen Lösung im Bescheid

Die hier dargestellten Schritte der Rechtsanwendung lassen sich in der Praxis meistens nicht klar trennen, sondern gehen fließend ineinander über. Insbesondere hängen die Ermittlung des Sachverhalts und die Suche nach den anwendbaren Rechtsnormen oft so eng miteinander zusammen, dass der Blick des Sachbearbeiters ständig „hin und her pendeln“ muss.

(1) Sachverhalt ermitteln

Zuerst ist der Sachverhalt sorgfältig festzustellen, d. h. die zu beurteilenden Lebensvorgänge sind zu ermitteln.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Gemäß § 24 Abs. 2 LVwVfG hat die Behörde alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für den Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG bedient sich die Behörde unter Beachtung des § 3b der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG insbesondere:

–  Auskünfte jeder Art einholen,

–  Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,

–  Urkunden und Akten beiziehen,

–  den Augenschein einnehmen (also sich die Sache anschauen).

Die Sachverhaltsermittlung hat eine außerordentlich hohe Bedeutung für die praktische Bearbeitung eines Falles. Die „beste“ rechtliche Würdigung eines Falles nützt nichts, wenn sie auf einer unzutreffenden bzw. unvollständigen Tatsachenermittlung beruht. Selbst kleine Abweichungen oder Auslassungen im Sachverhalt können zu grundlegenden Änderungen der rechtlichen Würdigung führen. Wird von unzutreffenden bzw. unvollständigen Sachverhaltsfeststellungen ausgegangen, leidet ein Verwaltungsakt der Ortspolizeibehörde, wenn diese ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, an einem Ermessensfehler (vgl. § 40 LVwVfG) in Form eines Ermessensfehlgebrauchs.

(2) Einschlägige Rechtsnormen suchen

Anschließend werden die einschlägigen Rechtsnormen aufgesucht. Hierbei ist ein möglichst breites Wissen über existierende Normen notwendig, da man grob wissen muss, was eine Norm abdeckt, damit man diese überhaupt als (eventuell) einschlägig identifizieren kann. Wichtig wird dieser Punkt vor allem bei der Suche nach der einschlägigen Rechtsgrundlage, die zugleich den Ausgangspunkt der weiteren rechtlichen Prüfung bildet. Diese sollte auch im Bescheid deshalb immer vorangestellt werden.

Bei der Frage, welche Rechtsvorschriften in einem bestimmten Rechtsgebiet überhaupt existieren – das ist gerade in abgelegenen Nebengebieten oftmals nicht ganz einfach festzustellen – mögen die in unserem Werk in den jeweiligen Kapiteln vorangestellten Übersichten zu den Rechtsgrundlagen (Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften usw.) dienen. Ergänzend verweisen wir auf das jährlich aktualisierte und auf www.landesrecht-bw.de abrufbare „Bekanntmachungsverzeichnis mit den Fundstellen zu den Gesetzen, Rechtsverordnungen sowie veröffentlichten Verwaltungsvorschriften des Landes Baden-Württemberg“. Das Bekanntmachungsverzeichnis für Baden-Württemberg ist ein systematisch – nach Bezeichnung der Vorschrift, Erlassdatum, Urheber und Fundstelle – gegliedertes Gesamtregister der veröffentlichten Landesvorschriften. Es wird einmal jährlich zum Stichtag 1. Januar erstellt und enthält

–  die landesrechtlichen Gesetze,

–  die Rechtsverordnungen der Landesregierung und der Ministerien mit Ausnahme der Lehrpläne und

–  die veröffentlichten Verwaltungsvorschriften der Landesregierung und der Ministerien, ausgenommen politische Programme und Pläne, Verwaltungsvorschriften des Landes, die der Durchführung von Verwaltungsvorschriften des Bundes dienen und Lehrpläne des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport.

Bei der Prüfung einer ortspolizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahme ist bei der Suche nach den einschlägigen Rechtsnormen wie folgt vorzugehen:

a)  Spezialbefugnis im besonderen Gefahrenabwehrrecht

Beispiel: Anordnung einer Absonderung (§ 30 Abs. 1 IfSG)

b)  Spezialbefugnis im Polizei- und Ordnungsrecht

Beispiel: Platzverweis, Aufenthaltsverbot, Wohnungsverweis, Rückkehrverbot, Annäherungsverbot (§ 30 PolG)

c)  Generalklausel (§§ 1, 3 PolG)

Beispiel: Die Entlassung einer rechtmäßig in Gewahrsam genommenen Person an einen abweichenden Ort, die räumlich über die Durchsetzung eines Platzverweises hinausgeht (VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.2021 – 1 S 803/19 –, juris 6. LS und Rn. 111).

(3) Aufgefundene Rechtsnormen aufbereiten

Die aufgefundenen Rechtsnormen sollten vor der vertieften Einarbeitung in den Fall entsprechend aufbereitet werden, um eine systematische Herangehensweise zu gewährleisten, die sich auch bei der praktischen Umsetzung im Bescheid (dazu näher unten) niederschlagen sollte. Folgende gedanklichen Zwischenschritte sind zu beachten:

Erster Zwischenschritt:  Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge

Zweiter Zwischenschritt:  Aufspaltung des Tatbestands in einzelne Tatbestandsmerkmale

Dritter Zwischenschritt:  Reduzierung auf die einschlägigen Alternativen

Vierter Zwischenschritt:  Ordnung der Tatbestandsmerkmale

(4) Unbestimmte Rechtsbegriffe auslegen

Sodann wird der Sachverhalt unter die einschlägigen Normen gezogen – die sogenannte Subsumtion. Sachverhalt und Tatbestandsmerkmale werden abgeglichen. Es wird also untersucht, ob ein konkreter Einzelfall von einer abstrakt generellen Regel erfasst ist. Hierbei ergeben sich oft zahlreiche Schwierigkeiten, da die abstrakt-generelle Regel konkretisiert werden muss, um auf den konkreten Fall angewendet werden zu können. Bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe kommt in der Praxis der Rechtsprechung die entscheidende Bedeutung zu. Es gibt folgende Methoden der Auslegung (vgl. Butzer/Epping, Arbeitstechnik im öffentlichen Recht, 3. Aufl. 2006, S. 32 ff.; Blasius/Büchner, Verwaltungsrechtliche Methodenlehre, 2. Aufl. 1984, S. 159 ff):

a)  Wortlaut

Ausgangspunkt jeder Auslegung einer Rechtsvorschrift ist der Wortlaut. Da sich der Gesetzgeber zur Äußerung seines Willens des geschriebenen Wortes bedient, ist dieser Wille zu ermitteln. Der Gesetzgeber wird „beim Wort genommen“.

Praxis-Tipp: Bevor der Wortlaut vom jeweiligen Sachbearbeiter der Ortspolizeibehörde „eigenständig“ bestimmt wird, ist zunächst zu untersuchen, ob in dem anzuwendenden Gesetz Begriffsbestimmungen definiert sind, was meist in den ersten Paragrafen des Gesetzes geschieht.

Beispiel: § 2 Infektionsschutzgesetz, § 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz

b)  Systematik

Die Auslegung nach der Systematik fragt danach, in welchem Zusammenhang die auszulegende Vorschrift besteht. Diese Methode geht davon aus, dass Rechtsnormen nicht beziehungslos nebeneinander bestehen, sondern dass der Gesetzgeber Zusammenhänge so regeln will, dass diese ein sinnvolles Ganzes ergeben. Auch die Stellung der Rechtsnorm innerhalb des Gesetzes kann danach zur Auslegung herangezogen werden.

Beispiel: Die Rechtsgrundlage des § 24 BImsSchG findet entsprechend der systematischen Stellung im BImschG im zweiten Teil, zweiter Abschnitt nur Anwendung auf „nicht genehmigungsbedürftige“ Anlagen, nicht aber auf „genehmigungsbedürftige“ Anlagen.

c)   Sinn und Zweck

Der Auslegung nach dem Sinn und Zweck (teleologische Auslegung) kommt in der Praxis sehr große Bedeutung zu. Teleologische Auslegung heißt Auslegung gemäß den erkennbaren Zwecken und dem Grundgedanken einer Regelung. Soweit der mögliche Wortsinn und der Bedeutungszusammenhang Raum für verschiedene Auslegungsmöglichkeiten lassen, ist diejenige Auslegung vorzuziehen, die der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Zweck der betreffenden Norm am ehesten gerecht wird (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., 1992, S. 232, 220).

Praxis-Tipp: Die Auslegung nach dem Sinn und Zweck sollte in der Praxis jedoch nicht missverstanden werden. Es geht nicht darum, den „Sinn und Zweck“ einzelfallbezogen im Sinne einer „eigenen Meinung“ des jeweiligen Sachbearbeiters zu bestimmen. In einer Vielzahl von Fällen ist das Verständnis einer Norm durch die Rechtsprechung geklärt. In der Praxis sollte daher unbedingt eine Prüfung der einschlägigen Rechtsprechung erfolgen.

Für die Recherche von Rechtsprechung haben sich vor allem die zwei folgenden (kostenpflichtigen) juristischen Datenbanken etabliert: www.juris.de und www.beck-online.de.

Stehen bei der jeweiligen Ortspolizeibehörde diese Datenbanken (leider oft aus Kostengründen) nicht zur Verfügung, kann in Baden-Württemberg neben sonstigen allgemein zugänglichen Quellen vor allem auf folgende Adresse ausgewichen werden, welche auf der Datenbank juris aufbaut: www.landesrecht-bw.de.

Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass sich die Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung bei den zentralen Problemen des Falles unseres Erachtens auch in der praktischen Umsetzung im Bescheid niederschlagen sollte. Es ist zwar richtig, dass ein Verweis auf Rechtsprechung keine Begründung ersetzt. Dennoch ist es so, dass in der Praxis der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nun einmal eine zentrale Bedeutung zukommt. Der Rückgriff auf vorhandene Rechtsprechung steht daher nicht nur für eine „Absicherung“ des gefundenen Ergebnisses, sondern auch für eine hohe Anwendungs- und Rechtssicherheit.

Praxis-Tipp: Wir empfehlen anhand eines Urteils des VGH Baden-Württemberg – abgerufen über www.landesrecht-bw.de folgende Zitierweise:

„VGH Mannheim, Beschl. v. 9.4.2020 – 1 S 925/20 –, Rn. 25 – landesrecht-bw“

Das Zitat setzt sich wie folgt zusammen: Zu Beginn steht das Gericht, welches die Entscheidung getroffen hat (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg). Die Entscheidungsform „Beschluss“ weist darauf hin, dass es sich um eine Entscheidung in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren handelt (hier: § 47 Abs. 6 VwGO). Das Aktenzeichen (1 S 925/20) setzt sich aus dem erkennenden Senat des Gerichts (hier: 1. Senat, vgl. § 9 Abs. 2 VwGO) sowie einer nach Jahren gegliederten (hier: 2020) fortlaufenden Zählweise (hier: die Verwaltungsrechtssache Nr. 925) der beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im jeweiligen Jahr erfassten Streitfälle zusammen. Die Nennung der konkreten Randnummer (hier: Rn. 25) erleichtert das schnelle Auffinden der Passage der gerichtlichen Entscheidung, auf die konkret Bezug genommen wird.

Praxis-Tipp: Es sollte im Bereich des Landesrechts vorrangig auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte des „eigenen“ Bundeslandes zurückgegriffen werden. Es ist insbesondere bei fehlender Rechtsprechung des „eigenen“ Bundeslandes zwar grundsätzlich möglich, auch Rechtsprechung aus „fremden“ Bundesländern zu verwenden. Hier ist allerdings gerade im Bereich des Landesrechts, wozu auch das Recht der Gefahrenabwehr gehört, Vorsicht geboten. Es sollte stets darauf geachtet werden, dass eine gleiche oder zumindest in den wesentlichen Punkten vergleichbare landesrechtliche Regelung vorliegt. Die herangezogene Entscheidung ist daher immer in Beziehung mit den vom jeweiligen Gericht untersuchten Rechtsgrundlagen und Vorschriften des jeweiligen Landesrechts zu sehen, die stets nachgeschaut werden sollten. Weichen Rechtsgrundlagen und sonstige Vorschriften nicht voneinander ab, ist nichts dagegen einzuwenden, auch im Bereich des Landesrechts Rechtsprechung anderer Bundesländer zu verwerten. Das gilt erst recht, wenn zu dem jeweiligen Problem Rechtsprechung des „eigenen“ Bundeslandes (noch) nicht vorliegt. Rechtsprechung aus einem anderen Bundesland ist nicht deshalb „unanwendbar“, weil sie nicht zur Rechtslage in Baden-Württemberg ergangen ist. Rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Entscheidungen – egal aus welchem Bundesland – sind ohnehin nicht wie eine Rechtsnorm allgemein verbindlich, sondern stellen letztlich immer Einzelfallentscheidungen dar und binden genau genommen auch nur die Beteiligten des jeweiligen Rechtsstreits (vgl. § 121 VwGO). Nur ausnahmsweise sind verwaltungsgerichtliche Entscheidungen allgemein verbindlich, wie die Sonderstellung der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO) zeigt. In der Praxis ist es aber regelmäßig so, dass von einer vorhandenen, erst recht obergerichtlichen (d. h. in Baden-Württemberg des VGH Baden-Württemberg) oder höchstrichterlichen Rechtsprechung (d. h. des Bundesverwaltungsgerichts) nicht abgewichen wird und diese von Behörden bzw. Vordergerichten mehr oder weniger „wie eine Rechtsnorm“ zugrunde gelegt wird.

d)  Historische Auslegung

Die historische Auslegung arbeitet mit früheren Normtexten bzw. Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte einer Rechtsvorschrift und dem Gesetzgebungsprozess. Es wird gefragt: Was hat sich der Gesetzgeber bei der konkreten Norm gedacht? Welche Absichten zur Regelung eines Problemkomplexes hatte er? Wie war die Materie früher geregelt? Was war Anlass, Grund, Art und Ziel von Änderungen? In der Praxis erfolgt die historische Auslegung insbesondere unter Heranziehung von Gesetzesmaterialien, insbesondere der Gesetzesbegründung.

Beispiel: Hintergrund zum sogenannten „erweiterten Bestandsschutz“ nach § 1 Abs. 10 BauNVO in der BT-Drs. 354/89, Seite 24 ff.

Praxis-Tipp: In der praktischen Arbeit empfiehlt es sich, bei problematischen Fällen auf diese Quellen zurückzugreifen und die so gefundenen Ergebnisse auch bei der praktischen Umsetzung im Bescheid zu berücksichtigen bzw. nachvollziehbar zu machen, indem die entsprechende Erkenntnisquelle zitiert wird.

Drucksachen bezüglich der Bundesgesetzgebung sind unter folgender Adresse abrufbar:

https://www.bundestag.de/drucksachen

Drucksachen bezüglich der Landesgesetzgebung sind unter folgender Adresse abrufbar:

https://www.landtag-bw.de/home/dokumente/drucksachen.html

(5) Subsumtion

Ist nach den oben genannten Auslegungsarten der konkrete Inhalt der entsprechenden Rechtsvorschrift ermittelt, kann diese auf den zu beurteilenden Sachverhalt angewendet werden (Subsumtion). Unter Subsumtion versteht man den Vorgang, einzelne Umstände des Sachverhalts den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen einer Rechtsnorm zuzuordnen. Zu vertretbaren Ergebnissen gelangt man nur dadurch, dass man ein Tatbestandsmerkmal nach dem anderen aufgreift und Tatbestandsmerkmal und Sachverhalt in Beziehung zueinander bringt.

Wichtig zu wissen ist, dass die Rechtsprechung der Verwaltung bei der Rechtsanwendung auf der Tatbestandsseite grundsätzlich keinen eigenen Entscheidungsspielraum zubilligt. Das Rechtsstaatsprinzip und die Rechtsschutzgarantie fordern die volle richterliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen. Eine Ausnahme wird nur in der Fallgruppe des sogenannten Beurteilungsspielraums (oder auch: Einschätzungsprärogative) anerkannt. Ein Beurteilungsspielraum wird von der Rechtsprechung aber nur in eng umgrenzten Fällen anerkannt, die im Tätigkeitsbereich der Ortspolizeibehörde nur selten bzw. gar nicht vorkommen. Diese sind (Schmidt, Allgemeines Verwaltungsrecht, 21. Aufl. 2018, Rn. 284): Prüfungen und prüfungsähnliche Entscheidungen, dienstrechtliche Einstellungsentscheidungen und Beurteilungen, Prognoseentscheidungen über künftige Verfassungstreue eines Einbürgerungsbewerbers, nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen gemäß § 3 Nr. 1a Informationsfreiheitsgesetz, komplexe Prognoseentscheidungen im Naturschutzrecht, Entscheidungen wertender Art durch weisungsfreie, mit Sachverständigen und/oder Interessenvertretern besetzte Ausschüsse bzw. pluralistisch besetzte Gremien sowie Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen vor allem im Bereich des Umwelt-, Technik- und Wirtschaftsrechts. Liegt keine von der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe eines Beurteilungsspielraums vor, ist im Zweifel von einem „normalen“ unbestimmten Rechtsbegriff auszugehen, bei dem kein eigener Entscheidungsspielraum der Verwaltung besteht und der von den Verwaltungsgerichten folglich voll gerichtlich überprüfbar ist.

Beispiel: Gefahr für die öffentliche Sicherheit gemäß § 1, 3 PolG

Die „volle gerichtliche Überprüfbarkeit“ von Tatbestandsmerkmalen bedeutet in der Praxis vor allem Folgendes: Obwohl man bei vielen unbestimmten Rechtsbegriffen mit guten Argumenten unterschiedlicher Auffassung über den Bedeutungsgehalt sein kann, gibt es im konkreten Fall nur ein „richtiges“ Ergebnis. Welches das ist, bestimmt nicht die Ortspolizeibehörde oder der betroffene Bürger bzw. dessen Rechtsanwalt, sondern im Zweifel das zur Entscheidung berufene (letztinstanzliche) Gericht. Auch vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum der Rechtsprechung in der praktischen Rechtsanwendung eine so hohe Bedeutung zukommt. Damit ist auch die Feststellung verbunden, dass ein den Bescheid aufhebendes Gerichtsurteil von der Ortspolizeibehörde dann nicht als „verschuldete Niederlage“ empfunden werden muss, wenn zuvor – bei Fehlen einschlägiger Rechtsprechung – eine handwerklich gute und inhaltliche vertretbare Verwaltungsentscheidung getroffen wurde. Bei komplexen Fällen kann – trotz der Existenz der Methodenlehre – regelmäßig nicht sicher vorausgesagt werden, wie ein Gericht entscheiden wird. Das hängt auch damit zusammen, dass die richterliche Entscheidungsfindung kein vollständig rationalisierbarer Vorgang ist, sondern vom Vorverständnis und der Methodenwahl der Richter abhängt. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass das Ergebnis, einzelne Begründungelemente bzw. die rechtliche Einordnung ganzer Sachverhaltskomplexe eines Falles nicht nur von den Beteiligten des Verfahrens, sondern auch von den Gerichtsinstanzen untereinander völlig unterschiedlich beurteilt werden. Diesen Umstand kann man zwar beklagen. Er lässt sich aber bei komplexen Fallgestaltungen nicht vermeiden, sodass man sich mit ihm anfreunden sollte. Recht ist eben keine Mathematik, sondern mit Wertungen verbunden, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Dieser Gesichtspunkt wird auch bedeutsam, wenn es darum geht, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels (etwa behördenintern gegenüber der Verwaltungsleitung) zu beurteilen.

Beispiel: Ein Verwaltungsakt wird zunächst von der Widerspruchsbehörde als rechtmäßig bestätigt, vom Verwaltungsgericht als rechtswidrig aufgehoben, dann vom Verwaltungsgerichtshof (mit anderer Begründung als zuvor) als rechtmäßig erkannt.

Dieser wichtige Gesichtspunkt wird auch bei der (in der Praxis leider kaum bekannten) Haftung der Beamten/Beschäftigten im Innenverhältnis gegenüber dem Dienstherrn relevant.

Rechtsgrundlage der Haftung der Beamten im Innenverhältnis sind in Baden-Württemberg die §§ 48 Satz 1 BeamtStG, 59 LBG. Danach haben Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Auch Beschäftigte haften: Die Schadenshaftung der Beschäftigten, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied eines Mitgliedverbandes der VKA ist, ist bei dienstlich oder betrieblich veranlassten Tätigkeiten aber – wie bei Beamten gemäß § 48 Satz 1 BeamtStG – auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt (§ 3 Abs. 6 TVÖD).

Die unrichtige Gesetzesauslegung durch einen Beamten stellt allerdings nur dann eine schuldhafte Amtspflichtverletzung dar, wenn sie gegen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verstößt oder wenn die Auslegung sich in Gegensatz zu einer gefestigten, höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt; ein Verschulden des Beamten ist dagegen in der Regel zu verneinen, wenn seine objektiv unrichtige Auslegung eine Vorschrift betrifft, deren Inhalt zweifelhaft sein kann, und durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht klargestellt worden ist. Kann die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Beamten bei der Anwendung eines neuen Gesetzes als rechtlich vertretbar angesehen werden und hält er daran bis zu Klärung der Rechtslage durch die dazu berufenen Gerichte fest, so kann ihm jedenfalls der Umstand, dass seine Rechtsauffassung später von den Verwaltungsgerichten missbilligt wird, nicht rückschauend als Verschulden angerechnet werden (BGH, Urt. v. 23.3.1959 – III ZR 207/57 –, juris Rn. 11).

Praxis-Tipp: Den Abschluss einer Diensthaftpflichtversicherung sollte jeder Beamte/Beschäftigte zumindest ernsthaft in Erwägung ziehen. Die Praxiserfahrung zeigt, dass die Folgen einer Inanspruchnahme durch den eigenen Dienstherrn gravierend sein können (sehr anschaulich: VG Stuttgart, Urt. v. 28.5.2020 – 14 K 20290/17 –, juris, bestätigt durch VGH Mannheim, Beschl. v. 29.3.2021 – 4 S 2078/20 –, juris: Verurteilung einer ehemaligen Bürgermeisterin und eines ehemaligen Kämmerers auf Schadenersatz gegenüber dem Dienstherrn i. H. v. 223.167,96 € wegen Verletzung von Kontroll- und Aufsichtspflichten in der Gemeindefinanzverwaltung).

(6) Praktische Umsetzung in einem Bescheid

Die praktische Umsetzung der gefundenen rechtlichen Lösung eines Falles erfolgt regelmäßig durch einen Bescheid. Unter dem Begriff „Bescheid“ (synonym werden die Begriffe „Entscheidung“, oder „Verfügung“ verwendet) versteht man in diesem Zusammenhang die von der Ortspolizeibehörde abschließend getroffene(n) rechtliche(n) Regelung(en), die regelmäßig mehrere selbstständige Verwaltungsakte gemäß § 35 LVwVfG umfassen und das Verwaltungsverfahren abschließen (vgl. § 9 LVwVfG).

Beispiel: Hauptsacheentscheidung (ggfs. unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, welche ihrerseits kein Verwaltungsakt darstellt), Androhung eines Zwangsmittels, Festsetzung einer Gebühr. Auch der Widerspruchsbescheid, welcher das Widerspruchsverfahren abschließt (§ 73 Abs. 1 S. 1 VwGO), ist ein Bescheid in diesem Sinne.

4.Bescheidtechnik

Literatur:

, Büchner/Schlotterbeck, Bescheidtechnik auf dem Gebiet des Baurechts, 2003; Büchner/Joerger/Trockels, Übungen zum Verwaltungsrecht und zur Bescheidtechnik, 5. Aufl. 2010; Möller/Warg, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht mit Verwaltungszwang und ­Bescheidtechnik, 6. Aufl. 2011; Kubitza/Mollik, Bescheidtechnik, 3. Aufl. 2018; Haakh, Bescheidtechnik, Stand 2018/2019 (online verfügbares Skript); Brenndörfer/Joerger, Bescheidtechnik und Bescheid-Qualitäts-Management, in: Schweickhardt/Vondung (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 2021, S. 203–237; Linhart, Der Bescheid, 6. Aufl. 2022; Stein, Bescheidtechnik: Grundlagenband, 1. Aufl. 2022. Stein, Bescheidtechnik: Ergänzungsband, 1. Aufl. 2022; Hofmann/Gerke/Hildebrand, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Bescheidtechnik, Verwaltungsvollstreckung und Rechtsschutz, 12. Aufl. 2022; Globisch/Moldenhauer/Weidemann, Bescheidtechnik, 3. Aufl. 2023; Müller-Grune, Bescheidtechnik, 5. Aufl. 2023; Brenndörfer/Hesselbarth, Grundlagen und Fälle zum Verwaltungsrecht: Gutachten und Bescheid, 1. Aufl. 2023.

7Wegen der hohen Praxisbedeutung stellen wir die Bescheidtechnik überblicksartig dar und verweisen im Übrigen auf die oben angegebene Literatur.

a) Aufbau eines Ausgangsbescheides der Ortspolizeibehörde.

Absender

Stadt Musterhausen

Ordnungs- und Bürgeramt

Mustermannstraße 10

11111 Musterhausen

Aktenzeichen

Ort, Datum

Bekanntgabe/Zustellung

(„Zustellung“ ist gemäß § 2 Abs. 1 LVwZG die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der im LVwZG bestimmten Form.)

per Postzustellungsurkunde; gegen Empfangsbekenntnis (z. B. bei Rechtsanwälten, vgl. § 5 Abs. 4 LVwZG)

Anschrift des Empfängers

An

Herrn Martin Mustermann

Mustermannstraße 10

11111 Musterhausen

Ist ein Bevollmächtigter (Rechtsanwalt) bestellt, so kann die Bekanntgabe/Zustellung ihm gegenüber vorgenommen werden. (§ 41 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG/§ 7 Abs. 1 Satz 1 LVwZG)

Zustellungen sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 LVwZG an den Bevollmächtigten zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 19.2.2004 – 1 K 1738/03 –, juris Rn. 35).

An

Rechtsanwaltskanzlei …

Mustermannstraße 10

11111 Musterhausen

Übermittlungszusätze

z. B. vorab per Mail; vorab per Fax

Betreff

Hundehaltung

Bezug

z. B. Ihr Antrag vom …

Anlagen

z. B. Überweisungsträger

Überschrift

Ordnungsverfügung/Entscheidung

Anrede

Sehr geehrter Herr Mustermann,

sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Mustermann,

Tenor

(§ 37 Abs. 1 LVwVfG)

Es ergeht folgende Entscheidung:

Verfügungsinhalt bezüglich der Entscheidungen in der Hauptsache

1. Ihr Hund, Rufname: „Bello“, Fellfarbe schwarz, ist ab sofort außerhalb des befriedeten Besitztums sicher an die Leine zu nehmen…

Anordnung der sofortigen Vollziehung

(§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO)

2. Die sofortige Vollziehung von Ziff. 1 dieser Entscheidung (konkret benennen, worauf sich die sofortige Vollziehung bezieht) wird angeordnet.

Androhung von Verwaltungszwang

(§ 18 ff. LVwVG)

3. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 wird hiermit ein Zwangsgeld i. H. v. 500,00 € angedroht.

Die Behörde ist nach § 20 Abs. 3 Satz 2 LVwVG nicht befugt, in ein und derselben Verfügung eine völlig ungewisse, weil vom zukünftigen Verhalten des Vollstreckungsschuldners abhängige Zahl von Zwangsmitteln solange anzudrohen, bis der Vollstreckungsschuldner den zu vollziehenden Verwaltungsakt erfüllt. Auch erlaubt das LVwVG nicht, zur Vollstreckung eines Verwaltungsakts, der zu einer Handlung verpflichtet, ein Zwangsgeld „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ anzudrohen. Vor einer erneuten Anwendung eines Zwangsmittels ist vielmehr eine erneute Androhung erforderlich. Der Androhung mehrerer Zwangsmittel zur Durchsetzung mehrerer sachlich oder zeitlich zu unterscheidender Handlungspflichten steht dies jedoch nicht entgegen (VGH Mannheim, Beschl. v. 16.9.1994 – 8 S 1764/94 –, juris Rn. 2)

Kostenentscheidung

(LGebG, § 31 LVwVG, LVwVGKO)

Die Kosten des Verfahrens (Gebühren und ggfs. Auslagen) haben Sie zu tragen. Eine Rechnung geht Ihnen gesondert zu.

Begründung

(§ 39 Abs. 1 LVwVfG)

I. Sachverhalt

Einleitungssatz

Unbestrittenen Tatsachen

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Verfahrensgang

Gegenstand dieses Bescheides ist…

Anlässlich einer Überprüfung wurdefestgestellt, dass…

Sie haben vorgetragen, dass…

Die Ermittlungen haben ergeben, dass…

Praxis-Tipp: Auf vollständige Sachverhaltsermittlung achten und angeben, worauf ermittelte Informationen gestützt werden.

II. Rechtliche Begründung

1. Rechtsgrundlage nennen

Gemäß § … kann …

2. Formelle Voraussetzungen

a) Zuständigkeit

(§ 105 ff. PolG)

b) Verfahren

(Anhörung des Betroffenen, Beteiligung anderer Behörden)

c) Form

(§ 37 Abs. 2 LVwVfG)

Die Zuständigkeit ergibt sich aus…

Mit Schreiben vom … wurden sie zu der Maßnahme angehört im Sinne von § 28 LVwVfG.

Hinweis: Ein Verwaltungsakt kann gemäß § 37 Abs. 2 LVwfG schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3 a Abs. 2 LVwVfG findet insoweit keine Anwendung.

Praxis-Tipp: Zu Beweiszwecken und wenn keine Eile geboten ist, ist die Schriftform empfehlenswert.

3. Rechtliche Begründung der Entscheidung in der Hauptsache (hier: Leinenzwang):

Materielle Voraussetzungen

a) Tatbestandsvoraussetzungen

b) Rechtsfolge

aa) Störer/Störerauswahl

bb) Ermessen

Subsumtion aller Tatbestandsmerkmale der Rechtsgrundlage

Praxis-Tipp: Man sollte mit Zwischenüberschriften und Absätzen arbeiten. Die Angabe einschlägiger Rechtsprechung sollte beachtet werden.

Eine Ermessenbetätigung ist zur Vermeidung eines Ermessenausfalls unbedingt ausdrücklich im Bescheid deutlich zu machen. Ermessen ist dann auch tatsächlich auszuüben.

Beispiel: § 1,3 PolG eröffnet uns Ermessen, welches wir ordnungsgemäß ausgeübt haben. …

4. Rechtliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 3 VwGO)

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beruht auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach entfällt die aufschiebende Wirkung, wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird Ein besonderes öffentliches Interesse an dem Entfallen der aufschiebenden Wirkung eines eventuellen Widerspruchs besteht vorliegend, weil … (einzelfallbezogene Gründe anbringen).

Praxis-Tipp: In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts (gesondert) schriftlich zu begründen (vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

5. Rechtliche Begründung des Verwaltungszwangs bzw. dessen Androhung

Die Androhung des Zwangsgeldes beruht auf § 20, 23 i. V. m. § 2 LVwVG. Nach § 23 LVwVG kann ein Zwangsgeld i. H. v. 10–50.000 € festgesetzt werden. Nach § 20 Abs. 1 LVwVG ist es vorher schriftlich anzudrohen. Zwangsmittel dürfen wiederholt und solange angewandt werden, bis der Verwaltungsakt vollzogen oder auf andere Weise erledigt ist (§ 19 Abs. 4 LVwVG). Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist angemessen, weil…

Praxis-Tipp: Unmittelbarer Zwang darf gemäß § 26 Abs. 2 LVwVG nur angewandt werden, wenn Zwangsgeld und Ersatzvornahme nicht zum Erfolg geführt haben oder deren Anwendung untunlich ist.

6. Rechtliche Begründung der Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf…

Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58 VwGO)

Beim Ausgangsbescheid: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe [ggfs. „Zustellung“, siehe oben] Widerspruch bei der Gemeinde [vollständige Adresse angeben] erhoben werden.

Grußformel, Unterschrift

Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift

8b) Praktische Hinweise zur Bescheidtechnik. Im LVwVfG finden sich über die o. g. Vorschriften hinaus keine genauen Vorgaben dazu, wie der Erlass eines Verwaltungsaktes in einem Bescheid praktisch umgesetzt wird. Es haben sich aber bestimmter Formen und Vorgehensweisen als zweckmäßig erwiesen. Abweichungen sollten daher gut überlegt sein. Diese führen bei den zu einer Überprüfung der Verwaltungsentscheidung berufenen Gerichten im Zweifel zu Irritationen.

9aa) Tenor. Der Tenor ist das „Herzstück“ des Bescheides und muss daher besonders sorgfältig formuliert werden. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist § 37 Abs. 1 LVwVfG, wonach der Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss. Der Tenor sollte eingerückt und abgesetzt vom übrigen Text des Bescheides formuliert werden. Insbesondere sollte sich der Sachbearbeiter stets darüber bewusst sein, ob er tatsächlich einen Verwaltungsakt erlassen will, oder ob lediglich ein rechtlich unverbindlicher Hinweis erfolgen soll. Eine förmliche Regelung durch Verwaltungsakt sollte stets klar und eindeutig getroffen werden („Es ergeht folgende Verfügung…“, „Wir treffen folgende Entscheidung…“) und sich in einer entsprechenden äußeren Form (einschließlich Rechtsbehelfsbelehrung) niederschlagen. Ist dagegen nur ein rechtlich unverbindlicher Hinweis bzw. ein Verweis auf die ohnehin bestehende Rechtslage ohne einzelfallbezogene Regelung gewollt, sollte dies ebenfalls unmissverständlich formuliert werden. Hintergrund ist, dass ansonsten zweifelhaft sein kann, ob ein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 LVwVfG gewollt ist, der – auch bei Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung – nach einem Jahr (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO) bestandskräftig werden kann. Diese Rechtsfolge tritt insbesondere unabhängig vom subjektiven Willen des einzelnen Sachbearbeiters ein. Dass dieser eine förmliche Regelung persönlich also evtl. gar nicht gewollt hat, spielt keine Rolle. In solchen Fällen kann der Ortspolizeibehörde dann z. B. Mehrarbeit durch Rückfragen des Bürgers und Widerspruchsverfahren, die von Betroffenen im Zweifel vorsorglich eingeleitet werden, drohen.

Eine etwaige Unbestimmtheit des Tenors des Bescheides wirkt sich auch im weiteren Verlauf bei der Vollstreckung aus. § 2 LVwVG ermöglicht nur die Vollstreckung eines im Sinne des § 37 Abs. 1 LVwVfG inhaltlich hinreichend bestimmten – vollstreckungsfähigen – Verwaltungsakts. Ist ein Verwaltungsakt wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht vollstreckungsfähig, schließt dieser Mangel Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung aus. Das gilt auch dann, wenn der Bestimmtheitsmangel „nur“ zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts infolge Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i. V. m. § 44 Abs. 1 LVwVfG) führt (VGH Mannheim, Urt. v. 10.1.2013 – 8 S 2919/11 –, juris Rn. 22).

Beispiel: Die mit einer bestandskräftigen Baugenehmigung für ein Gebäude verbundene Auflage, „die Außenwände in einem landschaftlich unauffälligen Farbton zu gestalten“, ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und deshalb auch nicht vollstreckungsfähig. Die Auflage kann von der Behörde also in der Praxis nicht durchgesetzt werden.

10bb) Begründung. § 39 Abs. 1 LVwVfG regelt: Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen (= Sachverhalt) und rechtlichen Gründe (= Rechtliche Begründung) mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

Die Begründung braucht sich aber nicht mit allen Einzelüberlegungen auseinanderzusetzen (BVerwG, Urt. v. 6.4.1989 – 2 C 9/87 –, juris Rn. 22). Was „wesentlich“ ist, kann als Einzelfallfrage nicht abstrakt bestimmt werden. In Zweifelsfällen sollte aber die Begründung eher etwas „ausführlicher“ ausfallen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, man habe Gesichtspunkte übersehen bzw. unberücksichtigt gelassen.

Praxis-Tipp: Bei der Darstellung der Begründung in einer Verwaltungsentscheidung ist eine Trennung von „Tatbestand“ (Sachverhalt) und „Entscheidungsgründen“ (Rechtliche Begründung) – wie es für verwaltungsgerichtliche Urteile vorgeschrieben ist (§ 117 Abs. 2 VwGO) – zwar rechtlich nicht zwingend, aber aus Gründen der Übersichtlichkeit unbedingt empfehlenswert. Es empfiehlt sich deshalb, die Zwischenüberschriften „I. Sachverhalt“ und „II. Rechtliche Begründung“ auch im Bescheid zu verwenden, auch um die eigenen Ausführungen gedanklich zu ordnen.

Schließlich ist zu bedenken, dass die Begründung eine zusammenfassende Fixierung der abschließenden Haltung der Ortspolizeibehörde ist und damit eine Klarstellungs- und Beweisfunktion einhergeht (vgl. Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 5. Aufl. 2018, § 39 Rn. 26).

11(1) Sachverhalt. Die tatsächlichen Gründe sind der – aus Sicht der Ortspolizeibehörde – entscheidungserhebliche Sachverhalt, den diese nach den §§ 24, 26 LVwVfG (dazu oben) ermittelt hat.

Praxis-Tipp: Es empfiehlt sich, den Sachverhalt chronologisch darzustellen und jeweils ausdrücklich kenntlich zu machen, aus welchen Quellen die genannten Informationen geschöpft wurden. Wird auf Unterlagen Bezug genommen, sollten diese konkret unter Angabe der genauen Fundstelle bezeichnet werden. Eine Bezugnahme auf vorausgegangene Anträge, Schriftsätze, Gutachten ist zwar zulässig. Allerdings sollte der Bescheid unbedingt aus sich heraus verständlich sein, ohne dass der Betroffene umfangreiche Vergleiche mit weiteren Unterlagen anstellen muss. Lässt sich derartiges nicht vermeiden, sind die Unterlagen dem Bescheid als Anlage beizufügen und im Bescheid ausdrücklich zum Gegenstand des Bescheides zu machen („In der Anlage 1 beigefügt ist … Die Anlage 1 ist Gegenstand dieses Bescheides“). Die Ausführungen sollten im Zweifel nicht zu knapp geraten. Das in der Verwaltungspraxis gegen ausführliche Darstellungen von Sachverhalt und rechtlicher Begründung bzw. Subsumtion teilweise vorgebrachte Argument, „man habe dafür keine Zeit“ überzeugt nicht. Die vermeintliche „Zeitersparnis“ bei der Erstellung eines knappen und damit oft unverständlichen Bescheides löst sich in Luft auf, wenn dieser nach gegebenenfalls mehrjähriger Verfahrensdauer vom Gericht aufgehoben wird.

12(2) Rechtliche Begründung. Es geht um die aus der Sicht der Behörde tragenden Gründe. Welche Gründe das sind, ergibt sich aus der von der Behörde für die Entscheidung herangezogenen Rechtsgrundlage, deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Deshalb gehört zu einer Begründung auch die Angabe der Rechtsgrundlage der Entscheidung (VGH Mannheim, Urt. v. 28.8.2006 – 5 S 2497/05 –, juris Rn. 29; Kopp/Ramsauer, 19. Aufl. 2018, § 39 Rn. 18a mit weiteren Nachweisen).

Praxis-Tipp: Wir empfehlen unbedingt, die Rechtsgrundlage immer zu Beginn der Prüfung im Bescheid anzugeben. Dafür spricht schon, dass sich aus der Rechtsgrundlage erst das genaue Prüfprogramm der Ortspolizeibehörde ergibt. Hier empfiehlt es sich dann weiter, die sich aus der Rechtsgrundlage ergebenden Tatbestandsvoraussetzungen sauber und der Reihe nach abzuarbeiten. Man sollte auch hier mit Zwischenüberschriften und einzelnen Absätzen in der Verwaltungsentscheidung arbeiten. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit. In der Praxis kommt es aber regelmäßig vor, dass Bescheide nicht sauber aufgebaut werden, sondern teilweise nach der Art eines „privaten Briefes“ formuliert und ohne eine stringente Struktur ein schwer lesbarer Fließtext abgefasst wird. Eine solche Vorgehensweise führt nach der Praxiserfahrung zu einer deutlich erhöhten Fehleranfälligkeit entsprechender Verwaltungsentscheidungen, die durch handwerklich „gute“ Bescheide vermieden werden kann.

II.Grundlagen des Gefahrenabwehrrechts

1.Begriff und Gegenstand des Gefahrenabwehrrechts

13Das vorliegende Werk stellt das von den Ortspolizeibehörden respektive Ordnungsämtern anzuwendende Recht der Gefahrenabwehr für das Land Baden-Württemberg dar. Die Materie der Gefahrenabwehr umfasst dabei alle Regelungen, die dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen, indem Gefahren abgewendet und eingetretene Störungen beseitigt werden. Konzeptionell wird im Folgenden zunächst auf das Allgemeine Polizeirecht (Abschnitt III.), sodann das Besondere Polizeirecht (Abschnitt IV.) und schließlich das sonstige Besondere Verwaltungsrecht mit Bezug zum Recht der Gefahrenabwehr (Abschnitt V.) eingegangen. Das Allgemeine Polizeirecht, das allgemeinen Gefahren begegnen will, ist in Baden-Württemberg im Polizeigesetz (PolG) kodifiziert. Es ist abzugrenzen vom Besonderen Polizei- und Verwaltungsrecht, das die Abwehr spezifischer Gefahren bezweckt und in besonderen, eigenständigen Gesetzen enthalten ist (beispielsweise im BImSchG, im IfSG oder in der GewO).

2.Begriff der Polizei

14Seinen Ursprung hat der Begriff der Polizei im griechischen Wort „politeia“, das ursprünglich so viel wie „Verfassung des Staates“, „Zusammenwirken der Staatsorgane“ oder „Zusammenspiel der Staatsfunktionen“ bedeutete, woraus im Lateinischen dann das Wort „politia“ entstanden ist. In Deutschland taucht das Wort „Polizey“ erstmals im 15. Jahrhundert auf und bezeichnet dort einen „Zustand guter Ordnung des Gemeinwesens“. Die geschichtliche Entwicklung des Polizeibegriffs soll hier allerdings nicht nachvollzogen, sondern sogleich der Ist-Zustand in Baden-Württemberg beleuchtet werden: Baden-Württemberg hat sich – wie auch die Bundesländer Bremen, Saarland und Sachsen – für das sogenannte Einheitssystem entschieden. Der Polizei unterfallen danach sämtliche Behörden, die Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehmen, in Baden-Württemberg also die Polizeibehörden (§§ 106 ff. PolG) und der Polizeivollzugsdienst (§§ 115 ff. PolG). Demgegenüber folgen die anderen Bundesländer dem sogenannten Trennsystem. Hier wird nur der Polizeivollzugsdienst als Polizei bezeichnet, während die übrigen Behörden, die im Bereich der Gefahrenabwehr tätig werden, in den Bundesländern mit Trennsystem überwiegend „Ordnungsbehörden“ (beispielsweise Brandenburg), teilweise „Verwaltungsbehörden“ (Hamburg und Niedersachsen), „Sicherheitsbehörden“ (Bayern und Sachsen-Anhalt) oder „Gefahrenabwehrbehörden“ (Hessen) heißen.

Zu unterscheiden sind weiterhin der institutionelle, materielle und formelle Polizeibegriff. Der institutionelle Polizeibegriff betrifft die Organisation der Polizei und steht im Zusammenhang mit dem Einheits- und Trennsystem. Da Baden-Württemberg dem Einheitssystem folgt, sind hier sowohl die Polizeibehörden als auch der Polizeivollzugsdienst der Institution Polizei zugehörig. (In den Bundesländern mit Trennsystem versteht man unter Polizei im institutionellen Sinn dagegen nur die Vollzugspolizei.) Polizei im materiellen Sinn ist der Teil der Verwaltung, der im Bereich des Gefahrenabwehrrecht tätig wird, und zwar unabhängig davon, ob die Tätigkeit von Polizeibehörden, Polizeivollzugsdienst oder anderen Verwaltungsbehörden ausgeht. Alle Regelungen, die die Gefahrenabwehr bezwecken, zählen zum materiellen Polizeirecht. Niederschlag hat der materielle Polizeibegriff in § 1 Abs. 1 PolG gefunden. Der formelle Polizeibegriff schließlich umfasst alle Aufgaben, die der Polizei im institutionellen Sinn (= Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst) zugewiesen sind. Hierzu zählen nicht nur Aufgaben der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 PolG), sondern insbesondere auch die Aufgaben im Bereich von Straf- und Bußgeldverfahren (z. B. die Erforschung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gem. § 163 Abs. 1 StPO und § 53 Abs. 1 OWiG).

3.Relevante Vorschriften in Baden-Württemberg

15Rechtliche Grundlage für die Gefahrenabwehr in Baden-Württemberg bildet das neu gefasste Polizeigesetz vom 6.10.2020 (GBl. S. 735, ber. S. 1092), das seit dem 16.1.2021 anzuwenden ist. Der Ausgangspunkt liegt dabei schon länger zurück und ist im am 21.11.1955 (GBl. S. 249) erlassenen Polizeigesetz zu sehen. Danach wurde das Polizeigesetz mehrfach geändert und ergänzt. Mit der Neufassung des PolG vom 6.10.2020 wurde insbesondere die Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten umgesetzt („Richtlinie (EU) 2016/680 des europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung per­sonenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Ver­hütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der ­Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates“). Weiterhin ist das neue PolG an die Entscheidungen des BVerfG vom 20.4.2016 (1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 [zum Bundeskriminalamtgesetz]) und vom 18.12.2018 (1 BvR 2795/09, 1 BvR 3187/10, 1 BvR 142/15 [zu automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen u. a. in Baden-Württemberg]) angepasst worden. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestand zudem u. a. im Zusammenhang mit öffentlichen Großveranstaltungen, die ein besonderes Gefährdungsrisiko aufweisen, was zu den neuen Regelungen in § 27 Abs. 1 Nr. 2 PolG, § 34 Abs. 1 Nr. 3 PolG und § 35 Nr. 4 PolG führte. Auch wurden die Einsatzmöglichkeiten der Bodycams erweitert: Das neue PolG erlaubt nunmehr die Verwendung in Wohnungen. Schließlich wurden die Gefährderansprache und das Gefährderanschreiben sowie die Gefährdetenansprache als Standardmaßnahmen in das PolG aufgenommen (§ 29 Abs. 1 und 2 PolG).

16 Neben dem PolG sind vom Rechtsanwender die zahlreichen Vorschriften in anderen Gesetzen zu beachten, die vom Regelungsgehalt an die Gefahrenabwehr anknüpfen oder im Rahmen der Wahrnehmung der Aufgaben anzuwenden sind. Eine abschließende Auflistung ist hier nicht möglich. Die wesentlichen einschlägigen Rechtsquellen werden in diesem Werk für den Allgemeinen Teil in Rn. 18 und sodann im Zusammenhang mit der Darstellung der verschiedenen Sachmaterien, beginnend mit Rn. 176 (Abfallbeseitigung), weiter mit Rn. 185 (Ausweisrecht) etc., aufgeführt.

17Von wesentlicher Bedeutung ist auch die Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (DVO PolG) vom 16.9.1994 (GBl. S. 567, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 für die Polizei in Baden-Württemberg und zur Änderung weiterer polizeirechtlicher Vorschriften vom 6.10.2020 [GBl. S. 735]). Für die Ortspolizeibehörden relevant sind die §§ 1 bis 3, 31, 32. Ansonsten ist hauptsächlich der Polizeivollzugsdienst durch die Verordnung tangiert.

Wichtige Grundlage für die Praxis ist auch die Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.7.1997 (GABl. S. 406). Allerdings wurde sie bisher nicht an die Neufassung des Polizeigesetzes vom 6.10.2020 angepasst, was die Anwendbarkeit erschwert.