Hans Joggeli der Erbvetter - Jeremias Gotthelf - E-Book

Hans Joggeli der Erbvetter E-Book

Jeremias Gotthelf

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Beschreibung

Hans Joggeli, ein reicher Bauer auf dem Nidlebode erfährt, wie es geht, dass man immer mehr Verwandte erhält, je reicher und je älter man wird. Mit seinem Witz erwehrt er sich der Erbschleicher und kann unbelästigt und in Ruhe sterben. Sein Testament allerdings erzeugt einige Unruhe!

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Jeremias Gotthelf

 

Hans Joggeli der Erbvetter

 

Erzählung

 

 

Basel, 2016

[email protected]

1. Kapitel

Ein lieblicher Frühlingsabend dämmerte über die Erde herein. Fröhlich eilten die Arbeiter von den Äckern heim, einem nahrhaften Abendbrote zu; rasch liefen Kinder mit Milchtöpfen den bekannten Ställen zu, gleich von der Kuh weg gute Milch zu fassen und eine sorgliche Hausfrau vor der Versuchung zu bewahren, zu erproben, wie Wasser in der Milch sich mache. Mit königlicher Stimme rief der Hahn seine Weiber ins Nachtquartier, und ängstlich trippelte seine Lieblingssultanin herbei, damit ihr ja der Sitz an ihres Herrn Seite nicht fehle. Einem Bache entlang kam ein alt, klein Männchen, auf dem Kopfe eine weiße, baumwollene Kappe, ein sogenannt Wasserschäufelchen auf der Achsel, kurze Hosen ohne Schnallen an den Beinen, von Halblein Rock und Hosen. Derselbe schritt gemächlich einem großen Hause zu, an welchem ein Schild baumelte. Auf dem Schilde waren die Reste eines Bären sichtbar. Dort stellte er sein Schäufelchen hinter die Haustür, öffnete eine andere schwarz angelaufene Tür, trat mit dem Wunsche »Guten Abend miteinander!« in eine große Stube und setzte sich stillschweigend in die Ecke neben den Ofen.

In der Stube war die Dämmerung bereits ziemlich dick, das Gespräch sehr laut, doch bemerkte die Wirtin den neuen Gast alsbald und schenkte ihm besondere Aufmerksamkeit. »Ei guten Abend, guten Abend, Vetter Hans Joggi, Ihr seid ein seltener Gast bei uns, womit kann ich aufwarten?« rief die Wirtin, auf ihn zutrippelnd, wischte die Hand an der Schürze ab und reichte sie ihm. »Guten Abend, Anne Bäbi!« sagte der Alte, »bringe mir einen Schoppen, aber Guten und Ungemischten; den Mischmasch mag ich nicht mehr vertragen; und wenn es gemischt sein muß, so mache ich es lieber selbst.«

»Ei bewahre, Vetter, welch bös Zutrauen habt Ihr zu uns! Meint Ihr, wir hätten solchen Wein im Keller, und, wenn wir ihn auch hätten, denn man wird gar oft angeführt von dem Zeug, den Weinhändlern, wir würden Euch von solcher Sorte aufstellen?« »Nein, nein, Base, nicht expreß, aber du weißt, man versieht sich so leicht, besonders eine Wirtin am Abend, ist am unrechten Faß, man weiß nicht, wie«, entgegnete das Männchen.

»Ihr seid immer der gleiche«, antwortete die Wirtin einlenkend. »Schon oft habe ich es gesagt, es gebe keinen wie Vetter Hans Joggi im Nidleboden, der könne immer spaßen und vexieren; es kämen ihm Sachen in den Sinn, an die sonst kein Mensch dächte. Doch damit ihr wegen dem Versehen nicht im Kummer seiet, will ich expreß ein Licht anzünden.«

Lauter war unterdessen das Gespräch geworden, nach Abgang der Wirtin wandte der Alte demselben seine Aufmerksamkeit zu und begriff alsbald, worum es sich handle.

Ein junger Stadtmetzger stritt mit mehreren Bauern. Der Metzger hatte ein gut Stück Stadtstolz im Leibe und einen noch größern Schluck Wein; er war in dem Zustande, welchen die Bauern am geeignetsten fanden, um ein eigentümlich Spiel mit ihm zu treiben, welches sie in angestammter Kaltblütigkeit gar trefflich verstehen. Dieses Spiel besteht darin, jemand, den man sich auserwählt, durch Reden, Rühmen oder Tadeln oder beides zusammen in Hitze zu bringen und entweder zum Wetten oder zum Schimpfen und Schelten zu verleiten; in beiden Fällen kömmt er in eine stattliche Weinzeche, er weiß nicht, wie. Der Metzger war in das Gehäge des Bramarbasierens mit seinem Reichtume getrieben worden. Einer der Bauern hatte geäußert, er hätte wohl auch fettes Vieh, verkaufe es aber keinem Stadtmetzger; diese hätten Geld, aber nur, um die Herren zu spielen, und nicht, die Bauern zu bezahlen. Sehe man sie auf dem Lande, so glaube man, es seien alles Engländer, gehe man aber in die Stadt dem Gelde nach, so finde man sie so arm wie Kirchenmäuse. Der Metzger ließ sich andrehen, schimpfte über die Bauern, die bei all ihrem Hochmut oft nicht sechs Kreuzer zu Hause hätten, um Salz zu kaufen, daher kein fettes Vieh mehr zu finden sei, und wenn einmal einer drei Batzen zahlen solle, so müsse er im ganzen Dorfe vergeblich herumlaufen.

So spann sich der Handel an, stieg zu immer größerer Hitze, bis sich endlich der Metzger vermaß, er trüge mehr Geld bei sich als sie alle zusammen, ja mehr, als sie alle zusammen zu Hause hätten, die Sparbüchsen der Weiber und Kinder eingerechnet. Er werde meinen, sie hätten es mit solchen Sparbüchsen wie die Herren. Diese hätten es nämlich damit wie die Weiber mit den Hühnernestern, welche sie immer über den andern Tag leerten. Zornig bot der Metzger eine Wette von zwei Maß Wein an, er trüge mehr Geld bei sich, als sie in einer Stunde zusammenbringen könnten. Kaltblütig spotteten sie ihn aus, ob er denn meine, wegen zwei Maß lohne es sich ihnen der Mühe, mit der Hand in die Tasche zu fahren, geschweige gar nach Hause zu laufen, das wäre anfällig eben gut für Kirchenmäuse. Der Metzger sah begreiflich dieses für einen versteckten Rückzug an, fuhr um so hitziger hintendrein, steigerte seine Wette bis zu sechs Maß hinauf vom Allerbesten. Ja, sagte einer, es wäre doch eine Schande für sie, wenn sie alle zusammen so gegen ein Metzgerlein stünden; verspiele er auch, so würde er doch sich rühmen, wie viele Bauern hätten zusammenstellen müssen, um ihn aufzuwiegen. Er hülfe wetten, jenes alte Männchen hinter dem Ofen hätte mehr Geld in der Tasche als der Metzger. Das sei ihnen recht, riefen die anderen Bauern. Der Metzger, welcher dieses für eine neue rückgängige Bewegung ansah, war in hohem Grade erbost, redete von Hudel- und Fötzelbauern, von denen er sich nicht zum besten wolle halten lassen; was er mit dem alten Lump da solle? Nur nicht so aufbegehren solle er, kriegte er zur Antwort. Ihnen sei es Ernst, er aber scheine es nicht einmal mit einem alten Lump aufnehmen zu dürfen. Das wolle er ihnen zeigen, brüllte der Metzger, warf sechs Gulden auf den Tisch, soviel sollten sie, wenn sie es hätten nämlich, hervormachen. Bei der Wirtin wollten sie das Geld niederlegen; wer gewinne, dem gebe sie seine Einlage wieder, die Einlage der Verlierenden werde in Wein verwandelt. Zögernd, einredend, es werde wohl früh genug sein, zum Gelde zu greifen, wenn die Wette entschieden sei, für sechs Gulden seien sie doch wohl noch lange gut genug, legten sie endlich die sechs Gulden unter Drohen und Fluchen des Metzgers, der zum Stock griff und dem Hund pfiff, zusammen. Die Wirtin sollte es zuhanden nehmen, sagte aber, sie wollte lieber überhaupt nichts mit der Sache zu tun haben, und erst, als der Metzger gebrüllt hatte: »Willst oder willst nicht!« strich sie das Geld zusammen und sagte: »Enfin, wenn Ihrs haben wollt!« Jetzt strahlte der Metzger im Siegerglanz, trat an des Alten Tisch und rief: »Seh jetzt, du altes Kudermännchen, lies deine Kreuzer zusammen und zeige, wieviel du hast!«

Der Alte hatte zum ganzen Handel kein Wort gesagt, nun aber angeredet, meinte er: ihn hätte niemand gefragt, ob er wolle oder nicht, und zwingen könnte ihn eigentlich niemand, sein Beutelchen hervorzunehmen. Indessen lenkte er, da der Metzger zum Stock griff und dem Hunde pfiff, ein, es sei ihm am Ende recht, wenn er mittrinken könne, müsse er doch nicht mitzahlen; doch der Metzger müsse zuerst zeigen, wieviel er habe. Dieser zögerte nicht, schnallte den Gurt ab, schüttete die Taler heraus, daß sie in der ganzen Stube herumfuhren; es fand sich, daß hundertfünfzig Gulden sein Vorrat betrug. »Nun, du alter Stöffeler, zeige, was du hast!« sagte der Metzger und stellte sich triumphierend vor denselben hin; hinter dem Metzger stellten die Bauern sich auf, zogen an ihren Pfeifchen und machten einen Rauch, daß sie selbst fast erstickten. Der Alte griff in die Busentasche der Weste, zog eine kleine zusammengedrehte Schweinsblase hervor, wickelte sie auf und sagte, während der Metzger lachte und siegestrunkene Bemerkungen machte über das kleine Beutelchen: es wäre ihm lieber gewesen, man hätte ihn in Ruhe gelassen. Indessen wenn man es gehabt haben wolle, so habe man es, aber wer verliere, solle es ihm nicht nachtragen, und allweg werde es dem Metzger nichts schaden, wenn er wüßte, daß auch noch außerhalb der Stadt Leute seien. Während er dieses sagte, ließ er den Inhalt der Blase über die Hand laufen, und er funkelte schön. Es waren lauter Louisdors, doppelte und einfache, wenigstens sechzig an der Zahl. Es war eine Zeit im Kanton Bern, wo der Bauer, wenn er den Pflug ins Feld führte oder mit der Schaufel in die Wiesen ging der Wässerung nach, in einer Rinderblase wenigstens seine hundert Taler bei sich trug; wo man, der Überlieferung zufolge, auf großen Höfen bei Erbteilungen das vorgefundene bare Geld nicht teilte, sondern mit dem Kornmaß es den verschiedenen Erben zumaß. Der erzählte Vorfall geschah nicht zu jener Zeit, aber Hans Joggi gehörte noch der alten Zeit an und war bekannt deshalb. Der Metzger jedoch in jugendlich städtischem Übermute, der ungeheuer beschränkt ist und alle Tage, aller Bildung zum Hohn und Spott, beschränkter wird, hatte von solchem Besitztum keine Ahnung, obgleich er oft genug aufs Land kam. Aber er hatte eben leider nicht Augen für alles, sondern nur für die Häuser, wo man guten Wein fand oder willige Mädchen. Der Metzger wurde nun mörderlich zornig, denn die Augen gingen ihm auf, er sah ins angelegte Spiel. Er fing an, sich grimmig aufzublasen, mit Schelmen und Spitzbuben um sich zu werfen, und wer weiß, wie tief in den Schlamm er noch geraten wäre, wenn der Alte ihm nicht vernünftig zugesprochen, Wirt und Wirtin nicht rechts und links an seiner Seite gestanden wären, zwei zahmen Elefanten gleich, zwischen welche man einen wilden eingefangenen knebelt und bindet. Er ließ sich besänftigen, trank einige Gläser des Wettweines mit, allein es brannte ein solch Raketenfeuer verblümten und unverblümten Witzes auf ihn ein, welches er nicht erwidern konnte, daß er es nicht aushielt; teils stob er, teils stolperte er von dannen.

Die Bauern lachten zusammen über den glücklich vollführten Streich und ließen den gewonnenen Wein sich wohlschmecken. Hans Joggeli, von den Bauern Kirchmeier tituliert, mußte mithalten und seinen Schoppen stehenlassen, den die Wirtin zurücknahm und für das nächste Mal aufzuheben versprach. Als der Kirchmeier die gewohnte Anzahl von Gläsern getrunken hatte, welche er selten und höchstens um eins überstieg, brach er allen Nötigens ungeachtet auf. Er war gewohnt wie selten jemand, in allem, Zeit, Speise und Trank, ein bestimmtes Maß zu halten. Dabei sei er wohl, und etwas zu tun, was ihm nicht wohlmache, wäre ja dumm, sagte der Alte nach seiner alten, daher auch bewährten Weisheit.

Als Hans Joggeli sein Schäufelchen hinter der Haustüre hervorgenommen hatte und von der ihm leuchtenden Wirtin Abschied nehmen wollte, reichte dieselbe ihm ein klein Säcklein. »Vettermann«, sprach sie, »hier hätte ich ein paar Dreizinke (die Wirtin war nämlich in der Bereitung dieses Backwerkes berühmt), wenn Ihr sie etwas schätzet. Sie sind mürbe, und wer mit dem Beißen nicht mehr recht fortkömmt, hat sie zu einem Glase guten Weines lieber als Brot. Wenn Brot noch so weiß ist, so ist es doch immer härter.« »Ei danke schönstens, Base!« sagte der Alte, »daran hätte ich nicht gedacht. Was sollen sie kosten?« »Was denkt Ihr, Vetter!« sagte die Wirtin. »Wenn ich was dafür wollte, ich hätte sie nicht anbieten dürfen. Es ist ein klein Zeichen, um den guten Willen zu zeigen, und wie man es meint.« »Das, Base, weiß man ja, wie du es meinst; Kosten zu haben deretwegen, wäre nicht nötig. Aber wenn du bald kommen willst, daß ich es wieder gutmachen kann, so will ich es mit großem, mächtigem Danke annehmen. Gute Nacht gebe dir Gott, Anne Bäbi!« »Was ich noch sagen will, Vetter Kirchmeier: Dem Hauptmanne zu Waschliwyl, der noch so von weitem in der Verwandtschaft ist, aber gar weit, es mag sich eigentlich niemand besinnen, wie weit, dem trauet doch recht nicht! Er macht den Herrn, ist aber ein Lumpenhund. Es weiß kein Mensch, wie geldnötig er ist; sieht er von weitem einen Kreuzer, so schießt er danach wie ein hungriger Hund nach einem Stücke Fleisch.«

»Was du mir nicht sagst, Base!« entgegnete Hans Joggeli. »Erst in voriger Woche war er bei mir, konnte nicht genug rühmen, wie er und seine Familie im Glanze sei: Ratsherr zu werden, fehle ihm nicht und wahrscheinlich auch seinem Bruder nicht, sie hätten aber dafür getan und dem Fuchse gerichtet. Es seie ihnen eigentlich nicht wegen ihnen, sondern wegen der Familie, in der noch kein Ratsherr gewesen sei, geschweige zwei. Das sei allweg eine Ehre, daneben sei die Familie sehr groß, und vielleicht könne man dann desto besser einander helfen. Da dachte ich bei mir selbst, wenn es so sei, so sei es doch zuerst an mir, etwas nachzuhelfen, ein Ratsherr ist immer Ratsherr und eine Ehre für eine Familie, wenn er schon daneben ein Lumpenhund ist.«

»O nein, Vetter Kirchmeier, o nein, das tut doch recht nicht, dem helfet nicht, ein jeder Kreuzer, den Ihr ihm anhängen würdet, wäre eine Sünde. Daneben möchte ich Euch nicht befehlen, begreiflich natürlich, aber ein Lumpenhund ist ein Lumpenhund, mache man ihn zum Ratsherrn oder nicht, und je weiter so einer kommt, desto mehr Schande macht er der Familie, und je mehr Geld er hat, desto wüster tut er. Daneben könnt Ihr immer machen, Vetter, was Euch gut dünket, begreiflich natürlich. Aber, was mir in Sinn kömmt, im Küchenschranke habe ich noch von einer Pastete, einer bsonderbar guten, die Gerichtsmänner konnten gestern die Beine nicht unter dem Tische stillehalten, während sie davon aßen. Sie ist besonders mürbe, Teig und Fleisch, beides vergeht einem auf der Zunge, die will ich Euch holen.« »Sei nur ruhig, Base!« antwortete der Alte, »du hast dich schon viel zuviel verköstigt wegen mir.« Aber ehe er ausgeredet, hatte die Wirtin das Säcklein erhascht und kam alsbald mit dem eingepackten Pastetenreste wieder, hing es ihm an die Hand und sagte: »Keinem Menschen rede ich sonst zum Bösen, und in Eure Sache möchte ich mich nicht mischen, bewahre! Aber im Grabe noch würde ich mich umkehren, wenn ich dort vernehmen sollte, der Hauptmann von Waschliwyl mache mit Vetter Hans Joggelis schönem Geld jetzt erst recht den Lumpenhund und sei Ratsherr obendrein. Ich glaube, verzeih mir Gott meine Sünde, ich käme wieder und drehte ihm den Hals um in einer schönen Nacht.« »Selb wird wohl nicht nötig sein, Base«, sagte Vetter Hans Joggeli, »und wegen dem zu Waschliwyl habe nicht Kummer! Daneben kann man nichts sagen; was einer wird, was einer kriegt, das steht in Gottes Hand, daran kann der Mensch nichts machen. Aber jetzt, Base, muß ich fort, sie werden zu Hause nicht wissen, wo ich bleibe. Vergelts Gott, Base, was du an mir tust, ich glaube nicht, daß ein Mensch in der Welt so an mich denkt wie du. Aber hörst, komm bald und ziehe es ein! Gute Nacht!« »Vetter Hans Joggeli, kommt glücklich heim und bald wieder zu uns! Nehmt Euch in acht, dort steht ein Wagen halb im Weg! Es ist doch so finster, soll der Knecht Euch begleiten?« So sprach die Wirtin, mit hochgehaltenem Lichte dem Vetter nachtrappend, bis derselbe nicht mehr zu sehen und zu hören war.

2. Kapitel

Zurückkehrend brummte sie vor sich hin: »Das ist mir ein wunderlicher Heiliger, mit dem weiß man nie, wie man daran ist. Ein zäh Ketzers Mannli, der schlägt noch mit unsern Beinen Nüsse von den Bäumen. Aber geizige Leute – und ein wüsterer Kümmelspalter als der läuft nicht auf dem Erdboden herum – haben es alle so, sie können nicht sterben. Drei Tage nach dem jüngsten wird man sie noch totschlagen müssen. Man ist doch eigentlich nur ein Narr, daß man dem so viel anhängt. Wie hat er gesagt? Was einer wird, was einer kriegt, das steht in Gottes Hand. Der alte Schelm! Zuletzt hat man Speckseiten nach einer Wurst geworfen oder kriegt gar nichts als eine lange Nase! Das wäre der Teufel! Wohl, da würde mein Mann mir den Marsch machen!«

Unterdessen war der Alte bedächtig seines Weges gegangen, sorgfältig die Mitte der Straße haltend, zu seinem Säcklein Sorge tragend, damit das so gerühmte mürbe Backwerk nicht Schaden nehme. Trotz seiner Vorsicht stieß er sich und stolperte. Als er untersuchte, was ihn fast zu Falle gebracht, fand er einige hingeworfene Zaunstecken. Er brummte über die mutwillige Jugend, welche so die Arbeit der Alten zerstöre, steckte dieselben unter den Arm und trug sie heim, weil er, wie er sagte, es für nützlicher hielt, wenn er daheim damit einen Kaffee machen ließe, als wenn wilde Buben sie fänden und mit denselben sich die Köpfe zerschlugen.

Schwer bepackt also mit Pasteten und Stecken, wandte er sich einem großen Hause zu, welches etwas seitwärts vom Wege in einem prächtigen Baumgarten stand. Es war des Alten selbsteigenes Haus; denn der Vetter Hans Joggeli und Kirchmeier seines Titels war der reiche Bauer im Nidleboden, ein alter Knabe, welcher größern Hof hatte und mehr Liebhaber als manches schöne Mädchen ohne Hof und ohne Geld. In seinem Testamente obenan zu stehen, hätten so viele von ganzem Herzen sich selbst gegönnt. Es lohnte sich aber auch der Mühe, zu erben, denn das Erbe bestand nicht bloß in einigem zerbrochenen Geschirre, etlichen alten Strümpfen und mehreren alten Schuhen ohne Sohlen oder sonstigem Gerümpel, sondern aus einem der schönsten Höfe, nicht umsonst der Nidleboden genannt, und aus Kapitalien, deren Betrag niemand kannte, welcher aber sehr hoch sich belaufen mußte; denn wenn irgendwo ein Hausvater starb, dessen Nachlaß gerichtlich untersucht wurde, so fand es sich zumeist, daß er dem Kirchmeier im Nidleboden schuldig war. Ob der Kirchmeier bereits ein Testament gemacht habe oder nicht, darüber wurde viel disputiert, aber nie sicher ausgemacht; diese Ungewißheit eben unterhielt die Hoffnung der Liebhaber und mehrte den Eifer in ihren Bewerbungen. Zudem hatte er weder Brüder noch Schwes [...]