Happenstance Teil 3 - Jamie McGuire - E-Book

Happenstance Teil 3 E-Book

Jamie McGuire

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Beschreibung

Erin Easter weiß genau, was sie will: schnell ihren Abschluss machen, und dann nichts wie weg aus dieser verdammten Kleinstadt. Irgendwo ganz von vorne anfangen. Doch sie hat nicht damit gerechnet, dass sich plötzlich Weston Gates für sie interessieren könnte, dessen verführerische grüne Augen ihr Herz schon seit Jahren höherschlagen lassen. Dann stellt ein tragischer Unfall Erins Leben völlig auf den Kopf und bringt sie und Weston näher zusammen. Aber allmählich muss Erin sich fragen, ob sie all das, wovon sie immer geträumt hat, wirklich will …

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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Henriette Zeltner

ISBN 978-3-492-97093-8Juli 2015© 2014 Jamie McGuire Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Happenstance. A Novella Series«Deutschsprachige Ausgabe:© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015Covergestaltung: Butterfly Effect Design, Mona Kashani-FarCovermotiv: RTimages (Blumen), djmilic (Würfel), Triff/ilolab/Oleg Filipchuk (Hintergrund)/alle ShutterstockDatenkonvertierung: Uhl + Massopust, Aalen

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Für Lori Bretch, Kelly Barrows und Fred LeBaron

Kapitel 1

Geh nach Hause. Mach das Licht aus. Und bring dich um.

Ich riss die Lider auf, und meine Augen irrten durch den dunklen Raum. Sorge, Furcht und Panik stellten sich wieder ein, als ich die nackten weißen Wände des Krankenhauszimmers erkannte. Die grünen Ziffern auf dem Display der Infusionspumpe verbreiteten einen unheimlichen Schimmer, und ich rief mir die Ereignisse des Vortags wieder in Erinnerung.

Es war der furchterregendste Augenblick meines Lebens, als Sanitäter Weston auf einer fahrbaren Trage von der Spielerbank wegschoben. Vor meinen inneren Augen liefen permanent weitere Schreckensszenen ab: Als ihm das Inhalationsspray aus der Hand fiel, die Sirene des Krankenwagens, der zum Krankenhaus raste – in meinem Kopf herrschte ein einziges Durcheinander.

Ich schloss die Augen und verdrängte mit purer Willenskraft die schrecklichen Erinnerungen und Gefühle. Westons gleichmäßiger Atem und das Stakkato-Piepen seiner Lebensfunktionen auf den Monitoren ließen meine Anspannung allmählich von mir abfallen. Er war am Leben. Alles würde gut werden.

Mein Körper hatte sich an seinen geschmiegt, und überdeutlich war mir jeder Quadratzentimeter bewusst, an dem meine Haut seine berührte, weil sie nicht vom Krankenhausnachthemd bedeckt war. Es war ganz warm unter der Decke, die die Schwester uns gegeben hatte. Ich lag immer noch in den Armen des Jungen, der mich liebte. Meine Hüfte schmerzte, weil ich schon so lange in dieser Haltung lag.

Durch die Jalousien konnte man schon den Sonnenaufgang erahnen. Weston bewegte sich ein bisschen, und ich wünschte mir trotz der unbequemen Lage, die Nacht würde noch ein bisschen länger dauern.

Veronica Gates saß in dem mauvefarbenen Sessel auf der anderen Seite des Zimmers und las in einer Zeitschrift. Außer ihrer Lesebrille mit dem rechteckigen schwarzen Gestell benutzte sie die Taschenlampenfunktion ihres Handys.

Ich hob den Kopf, woraufhin auch sie aufschaute.

»Guten Morgen«, flüsterte sie fast unhörbar.

Weil ich nicht riskieren wollte, Weston zu wecken, lächelte ich nur zurück. Als ich meinen Kopf wieder sanft an seine Brust zurücklegte, drückte er mich fester und atmete tief ein.

Veronica lachte lautlos, dann kam sie und setzte sich auf den Holzstuhl, der näher am Bett stand. »So hat er immer seinen Teddy festgehalten. Wenn ich versuchte, ihn ihm aus dem Arm zu nehmen, sobald er eingeschlafen war, drückte er ihn genauso fest.«

Sie schlug die Beine übereinander und faltete die Hände, während sie ihren Sohn mit bedingungsloser Liebe im Blick ansah. »Als er einmal in der ersten Klasse nach Hause kam, erklärte er Peter und mir ganz sachlich: ›Ich werde heiraten.‹« Sie imitierte ganz gut die Stimme eines Siebenjährigen und musste bei dieser Erinnerung wieder lachen. »Peter fragte ihn: ›Wann denn?‹, und Weston sagte: ›Später.‹ Ich fragte: ›Und wen?‹, da antwortete er: ›Erin.‹« Sie schaute mich an, um zu sehen, wie ich darauf reagierte. »Damals dachte ich, er meine Alder, aber als er mich bat, dir diese Geschichte nie zu erzählen, war mir klar, dass ich mich geirrt hatte.«

Mir stockte der Atem.

»Das ist schon lange her, also glaube ich nicht, dass es ihm jetzt noch etwas ausmacht.« Sie sah kurz Weston an, dann wieder mich. »Ich bin froh, dass er dich gemeint hat, Erin. Ich glaube, das habe ich dir noch nicht gesagt.«

»Ich bin froh, dass er von seinen Vorsätzen nicht so leicht abzubringen ist«, flüsterte ich.

Weston bewegte sich wieder, und Veronica beugte sich vor, um ihn besser betrachten zu können.

Er stöhnte. »Erin?«

Veronica hob eine Augenbraue und warf mir einen wissenden Blick zu.

»Ich bin hier«, sagte ich.

Mit immer noch geschlossenen Augen beugte er sich ein paar Zentimeter vor, um mit seinen Lippen über mein Haar zu streichen. Die Sonne erhellte den Raum gerade genug, um sichtbar zu machen, was vor zehn Minuten noch im Dunkeln gelegen hatte.

Weston seufzte. »Gut. Geh nicht weg.«

»Tue ich nicht«, sagte ich.

»In diesem Fall besorge ich wohl mal lieber ein Frühstück«, sagte Veronica und stand auf.

»Guten Morgen!«, sagte die Krankenschwester, deren Stimme nach Veronicas rücksichtsvollem Schweigen viel zu laut klang. »Ich bin Amelia. Wie geht es dir heute?« Ihre pinkfarbene Uniform passte perfekt zu ihrer guten Laune.

Veronica sah zu ihr hin, während sie Handtasche und Schlüssel von einem Stuhl nahm.

Amelia hatte eine Menge glänzender langer Zöpfchen zu einem hübschen runden Dutt oben auf dem Kopf aufgesteckt, der ihre winzige, aber rundliche Statur bestimmt zehn Zentimeter größer machte.

Weston blinzelte verschlafen. »Mann, ich war wie benommen.«

»Das machen die Medikamente«, sagte sie. »Ich werde jetzt Blutdruck messen, und dann warten wir, bis Dr. Shuart sich meldet. Ich wette, dass er dich heute entlässt.« Sie zwinkerte mir zu und bedeutete, ich solle Platz machen.

Ich gehorchte und beeilte mich, aus dem Bett zu kommen.

Westons Miene verfinsterte sich. »Geh nicht weg.«

Veronica schüttelte amüsiert den Kopf. »Sie hat dir doch schon gesagt, dass sie das nicht tut, Sohn. Du meine Güte!«

Er beobachtete mich misstrauisch. Die Wärme, die Veronicas Anekdote bei mir erzeugt hatte, verflüchtigte sich rasch wieder.

»Ist das dein Mädchen?«, fragte Amelia und wollte Weston offensichtlich ein bisschen aufziehen.

Weston wandte den Blick nicht von mir ab und wartete offenbar darauf, dass ich diese Frage beantwortete.

»Ich habe gehört, dass sie die halbe Nacht auf dieser schrecklichen Bank im Wartezimmer geschlafen hat und die restliche Zeit in dein Bett gequetscht. Die Nachtschwestern fanden das süß, aber mein Rücken hätte sich bedankt.« Amelia schüttelte den Kopf.

Der Blutdruckmesser brummte, als sie die Manschette aufpumpte. Weston zuckte, weil sie so eng wurde. Als Nächstes steckte Amelia ihm eine Klammer auf einen Finger und schien zufrieden mit den Zahlen, die sie darauf ablas und die mir rein gar nichts sagten.

»Alles gut?«, fragte Veronica.

Amelia nickte. »Als wäre nie etwas vorgefallen.«

Veronica stieß einen kleinen Seufzer aus. »Darf er frühstücken?«

»Selbstverständlich.« Sie gab ihm eine laminierte lange Karte. »Ruf mich einfach mit dem Buzzer, wenn du dich zwischen dem suppigen Haferbrei und den fettigen Rühreiern entschieden hast.«

An Westons Gesicht konnte man ablesen, dass das Angebot auf der Karte nicht besonders verlockend war. Amelia verließ das Zimmer so schnell, wie sie es betreten hatte, und Veronica schob sich den Träger ihrer Handtasche über die Schulter.

»Ich hole mal schnell etwas für uns alle. Biscuits und Gravy von Braum’s.«

Weston richtete sich erfreut auf.

»Ich komme mit«, sagte ich.

»Nein, du solltest dableiben«, sagte Weston.

Veronica gab ihrem Sohn noch einen schmatzenden Kuss auf die Wange und griff dann nach ihren Schlüsseln. »Ich rufe Dad an und sage ihm, dass du wach bist.« Ihr Blick fiel auf mich. »Bleibst du hier?«

Ich konnte Weston ansehen, dass er die Gelegenheit nutzen wollte, unter vier Augen mit mir zu reden. Also nickte ich Veronica nur zu.

»Ruft mich unbedingt an, wenn Dr. Shuart vorbeikommt«, sagte sie.

»Na klar«, sagte ich.

Sie trat auf den Flur, schaute links und rechts und ging dann nach links zu den Aufzügen. Man hörte sie noch, als sie das Personal beim Schwesternzimmer grüßte, und kurz darauf klingelte auch schon der ankommende Aufzug.

Ich stand noch in der Ecke, wohin ich mich zurückgezogen hatte, und sah Weston mit unergründlicher Miene eine Hand hinter seinen Kopf legen.

»Biscuits und Gravy, das klingt gut.« Wie auf Kommando begann mein Magen zu knurren, und ich hielt beide Hände auf mein weißes Shirt.

»Du bist die ganze Nacht hiergeblieben«, sagte er, und es klang kein bisschen wie eine Frage.

Ich nickte einmal, verschränkte die Arme und fragte mich, was er mir wohl erst hatte sagen wollen, nachdem seine Mutter weg war.

Gedankenverloren schaute er auf seine Füße hinunter. »Du kannst mich ruhig anlügen. Ich werde dir hinterher keinen Vorwurf machen.«

»Wieso?«, fragte ich.

Er sah mich mit abgrundtief traurigen Augen an. »Ich meine es so, wie ich es gesagt habe. Selbst wenn du nach Stillwater gehst, die OSU liebst und nie wieder hierher zurückkommst, meine Erinnerungen an die nächsten paar Wochen werden mir nicht so viel bedeuten, wenn du darin nicht vorkommst. Ich will dich nicht zu Versprechen überreden, die du nicht halten kannst, Erin … aber im Moment kann ich dir versichern, dass ich auch mit einer Lüge klarkomme. Lüg mich doch einfach an. Lass uns diese Ballgeschichte durchziehen, wie verrückt unseren Abschluss feiern und dann den besten Sommer aller Zeiten haben. Wir steigen einfach in die Achterbahn, fahren mit und tun so, als würde es nie zu Ende gehen.«

»Improvisierst du immer noch?«

Er hob einen Mundwinkel, aber seine Kiefer verspannten sich.

»Nein«, sagte er. »Du warst immer geplant. Das wirst du auch immer sein.«

Ich trat an sein Bett und beugte mich herab. Kurz bevor unsere Lippen sich berührten, suchte ich seinen Blick, um darin ein Versprechen zu entdecken oder irgendeinen Beweis dafür, dass er die Zukunft sah. Er griff nach meinen Armen und zog mich so nah an sich, dass sein Mund auf meinem lag.

Eines Tages würde er mich vielleicht gehen lassen, aber nicht jetzt. Mit achtzehn und dem ganzen Leben vor uns. Er bat mich, mich im letzten Abschnitt meiner Kindheit zu verlieren, irgendwo in diesem Sommer, der uns gehörte. Ich war schon mein ganzes Leben lang haltlos gewesen, und das, worum er mich jetzt bat, war besonders furchterregend.

Doch als Weston diese Dinge sagte, wurde mir bewusst, dass ich noch nie daran hatte denken wollen, dass mich irgendjemand fand.

»Babe?«, flüsterte er und suchte meinen Blick. Der Monitor, an den er immer noch angeschlossen war, piepte jetzt etwas schneller.

Ob es nun Naivität war oder närrische Hoffnung, die uns glauben ließ, wir gehörten zu der Sorte Menschen, die in dem Paralleluniversum lebten, wo eine Schulliebe halten konnte, ich wollte jedenfalls nicht nur daran glauben. Ich wollte ihm vertrauen, auch wenn es nur bis August sein würde.

»Abgemacht«, sagte ich.

Er antwortete mit einem halben Lächeln, legte eine Hand auf die zerzausten Haare an meinem Hinterkopf und zog mich so dicht an sich, bis seine Lippen meine berührten. Seine Zunge schob sich in meinen Mund – zu einem langsamen, süßen Tanz mit meiner. So besiegelte er das Versprechen, das wir uns gerade gegenseitig gegeben hatten, und zog mich auf sein Bett.

Er vergrub seine Nase an meinem Hals, und ich kicherte. Es war mir egal, ob jemand mich hörte. Er drückte mich fest an sich und wirkte entspannt, erleichtert und vielleicht auch noch ein bisschen benommen von den Medikamenten.

Ein Klopfen an der Tür ließ uns innehalten. Dann drehte ich mich um und sah Dr. Shuart im weißen Kittel über einem karierten Hemd mit offenem Kragen dastehen.

»Und wie geht es Mr. Gates heute Morgen?«, fragte er und trat mit einer Schwester ein. »Ich stelle jetzt mal eine wilde Vermutung auf und behaupte: Dir geht’s blendend.«

Ich wurde rot und wich noch mal zu dem Stuhl in der Ecke zurück. Weston schien nicht beunruhigt. Er grinste sogar ziemlich zufrieden.

»Das hier ist Dacia«, sagte Dr. Shuart und drehte eine Schulter ein wenig in ihre Richtung.

Dacia nickte mir zu und lächelte Weston zur Begrüßung an. Dann fuhr sie fort, auf das Blatt Papier zu schreiben, das sie in einem aufgeklappten Ordner vor sich hatte. »Weston ist unser letzter Patient, Doktor. Ihnen bleiben noch zehn Minuten, um vor Ihrem ersten Termin wieder in Ihr Büro zu kommen. Also halten Sie sich im Erdgeschoss nicht zum Plaudern auf, sondern gehen Sie direkt rüber«, erklärte sie in mütterlichem Tonfall.

Dr. Shuart drehte ihr den Rücken zu und hob kurz seine Augenbrauen. »Sie hat mich ganz schön unter ihrer Fuchtel. Passt auf, dass ich im Plan bleibe.«

»Einer muss es ja tun«, murmelte sie, während sie weiterschrieb.

Ich setzte mich auf den Polstersessel und nahm mein Telefon zur Hand, um Veronica per SMS zu informieren. Dr. Shuart plauderte inzwischen mit Weston. Sie besprachen seine Medikamente, und der Arzt erklärte Weston, dass noch eine Atemtherapie nötig sei, bevor man ihn entlassen könne.

Dann winkten er und Dacia mir zu, bevor sie das Zimmer wieder verließen. Mein Telefon meldete sich.

»Deine Mom möchte, dass ich den Arzt bitte, in einer Viertelstunde noch mal wiederzukommen«, sagte ich. »Offenbar ist die Schlange beim Drive-Thru außergewöhnlich lang.«

»Schreibt sie das so?«, fragte Weston skeptisch.

»Vielleicht hat sie auch ›die verdammte Schlange‹ geschrieben.«

»Ich glaube nicht, dass Dacia sich darauf einlässt.«

»Ich glaube, da hast du recht«, sagte ich und schob das Handy in meine hintere Hosentasche. Dann schaute ich auf die Uhr.

»Arbeitest du heute?«, fragte Weston.

»Nur ein Friseurtermin mit Julianne. Aber den werde ich absagen.«

»Du hast doch schon einmal abgesagt. Mach ruhig. Ich will sowieso nicht, dass du mich an diesem dämlichen Inhalator saugen siehst. Da käme ich mir lächerlich vor.«

»Der Termin ist erst in einer Stunde. Außerdem freue ich mich auf Biscuits und Gravy.«

»Du fürchtest, meine Mom wäre sauer auf dich, wenn du mich jetzt hier allein lässt, was?« Er grinste.

»Das auch.«

Mein Handy meldete sich schon wieder. Ich holte es heraus und las die Nachricht, danach ließ ich das Telefon auf meinem Schoß liegen.

»Wer was das?«, fragte Weston.

»Julianne. Sie wollte mich an den Termin erinnern.«

Da kam Veronica keuchend mit zwei Plastiktüten hereingeeilt. Ich stand auf, um ihr zu helfen, und schon fiel mein Telefon auf den Boden.

»Oh-oh!«, sagte Veronica.

Ich drehte es um und seufzte erleichtert, als ich sah, dass das Display unversehrt war. Als ich einen Schritt auf Veronica zumachte, scheuchte sie mich zum Bett. Also setzte ich mich neben Weston. Sie gab jedem von uns einen Styroporbehälter mit Deckel und ein Päckchen mit Plastikbesteck und Serviette.

Kaum hatte er den Deckel geöffnet und die Gabel in der Hand, begann Weston, gierig zu essen. Ich kämpfte mit dem Plastikmesser, um den Biscuit zu zerschneiden. Daher brauchte ich doppelt so lang, um aufzuessen, aber das machte ja nichts. Die Gravy-Soße war sahnig und pfeffrig, und meine Geschmacksknospen sangen Hymnen auf die Südstaatenküchen und denjenigen, der sich diese perfekte Kombination von Fett, Mehl und Milch ausgedacht hatte.

Veronica nahm uns die leeren Behälter, Besteck und Servietten ab und stopfte alles in den kleinen Mülleimer neben der Tür.

Ich griff nach meiner Handtasche und dem Telefon.

»Gehst du?«, fragte sie.

Weston antwortete an meiner Stelle. »Sie hat eine Verabredung mit Julianne. Ich habe nicht zugelassen, dass sie sie absagt.«

»Natürlich nicht«, sagte Veronica. »Schließlich habe ich dich so erzogen.«

Kichernd ging ich zur Tür, aber Weston deutete auf seine Wange. Rasch gab ich ihm noch einen Kuss dorthin, doch er drehte rasch den Kopf und küsste mich mitten auf den Mund. Dabei hielt er mich auch noch an den Handgelenken fest, sodass unsere Lippen eine Weile aufeinander blieben.

Zum zweiten Mal an diesem Morgen wurde ich vor Verlegenheit knallrot. Im Rausgehen vermied ich den Blickkontakt mit Veronica.

Ich war kaum um die Ecke gebogen, als ich Veronica mit ihrem Sohn schimpfen hörte. »Du hast sie nicht gefragt, oder?«

Ich blieb stehen und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand. Ein paar Sekunden lang blieb es still, dann musste ich mich sehr anstrengen, um Westons Antwort zu verstehen.

»Ich habe sie schon gefragt, Mom.«

»Dann ist es jetzt offiziell?«

»Wir … wir gehen zusammen auf den Ball.«

»Und?«

»Ich weiß nicht. Frag mich nichts über Erin, Mom. Es ist seltsam.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Ich habe euch übrigens gehört.«

»Die Teddybärgeschichte? Tut mir leid. Ich konnte nicht anders.«

»Die andere auch.«

»Dass du sie als deine künftige Braut bezeichnet hast?«

Veronica murmelte noch irgendwas anderes.

Dann sprach wieder Weston. »Ist schon okay. Ich bin froh, dass sie Bescheid weiß.«

»Dann war es so. Du hattest Easter gemeint.«

»So heißt sie nicht mehr, Mom. Aber ja, ich hatte sie gemeint.«

Ich hörte die Bettfedern knarzen.

»Ich hoffe, du weißt, was du tust, mein Sohn.«

»Lass das«, warnte Weston sie.

»Ich möchte doch nur nicht, dass am Ende einer von euch beiden verletzt ist«, sagte sie aufrichtig.

»Ich werde einfach abwarten, bis sie geht, Mom. Mehr kann ich nicht tun.«

Veronica erwiderte nichts darauf, also setzte ich meinen Weg zum Aufzug fort und versuchte, unterwegs nicht über seine Worte zu stolpern.

Kapitel 2

»Mir gefällt’s«, sagte Weston und schraubte den Deckel von meiner Flasche mit Fanta Orange.

Die vertrauten Geräusche – das Zischen der Limonade und die unter uns fahrenden Autos – sorgten dafür, dass mein ganzer Körper sich entspannte. Es fühlte sich irgendwie behaglich an, auf einem Quilt aus Denim auf der Ladefläche von Westons rotem Pick-up zu sitzen, an dem kalten Getränk zu nippen und die Kanten der rauen Ladeflächenwanne an meinen Schulterblättern zu spüren. Viel besser, als bei allen anderen auf dem Parkplatz vor dem Baseballgelände zu sein.

»Es fühlt sich richtig kurz an«, sagte ich und fuhr mit den Fingern durch meine lockigen kastanienbraunen Strähnen. Der Friseur hatte gute zwanzig Zentimeter abgeschnitten, aber die Haare reichten immer noch ein Stückchen über die Schultern.

»Es ist glänzender, schwingt mehr und es wirkt dunkler.«

»Lauter gute Sachen«, sagte ich.

Ich presste meine Schultern noch stärker gegen die Ladeflächenwanne, als könnte ich mir dadurch die Einzelheiten besser einprägen. Glücklichsein konnte sich gar nicht besser anfühlen, und selbst wenn der Rest meines Lebens bilderbuchmäßig verliefe – ich wusste, dass ich mich an jede Sekunde unserer Abende auf der Überführung erinnern wollte.

Glühwürmchen schwebten über dem gerade aufschießenden Weizen auf den Feldern zu beiden Seiten der Brücke. Selbst in der Dämmerung sahen die Felder noch wie endlose üppig grüne Wiesen aus. Die Mücken summten, aber wir wedelten sie einfach weg, denn die ungewöhnlich warme Frühlingsluft war uns lieber als die moskitofreie Fahrerkabine des Trucks.

»Du trägst ja die Kette.«

»Ich habe sie nach meinem Friseurtermin zum Juwelier Gose gebracht. Du musstest da ja noch auf deine Entlassung warten.«

»Das hat ewig gedauert«, brummte er.

»Wenigstens geht es dir jetzt besser. Es geht dir doch besser, oder?«

»Könnte nicht besser sein«, sagte er und zwinkerte mir zu. Er beugte sich vor, die Handflächen auf den Quilt gestützt, und stupste mit seiner Nase meinen Kopf zur Seite, um mit der Zunge an meinen Hals zu gelangen.

»Salzig«, flüsterte er, nachdem er meine Haut mit der Zunge gekitzelt hatte.

»Nicht so gut wie Eis«, sagte ich lächelnd.