Hart am Wind - Bernard Cornwell - E-Book

Hart am Wind E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

Mit einer Kugel im Rücken ist Nick Sandman aus dem Falklandkrieg heimgekehrt. Niemand glaubt, dass er je wieder laufen wird. Doch der Traum, irgendwann erneut die Segel seiner Yacht zu hissen und der Welt davonzufahren, lässt ihn alle Schmerzen vergessen. Um die «Sycorax» wieder instand setzen zu können, willigt der dekorierte Kriegsheld ein, einen Film über sich drehen zu lassen – von TV-Star Tony Bannister und dessen ätherischer Geliebter Angela Westmacott. Aber über der Vergangenheit des Filmemachers liegt ein finsterer Schatten, und Nick kann nicht aus seiner Haut: Er macht sich daran, Bannisters Geheimnis zu lüften, und gerät zwischen die Fronten der Mächtigen, in eine Welt aus Intrigen und dunklen Leidenschaften. Zum Glück weiß Nick Sandman nicht nur, wie man segelt, sondern auch, wie man kämpft …

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Seitenzahl: 612

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Bernard Cornwell

Hart am Wind

Roman

Aus dem Englischen von Hedda Pänke

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Mit einer Kugel im Rücken ist Nick Sandman aus dem Falklandkrieg heimgekehrt. Niemand glaubt, dass er je wieder laufen wird. Doch der Traum, irgendwann erneut die Segel seiner Yacht zu hissen und der Welt davonzufahren, lässt ihn alle Schmerzen vergessen. Um die Sycorax wieder instand setzen zu können, willigt der dekorierte Kriegsheld ein, einen Film über sich drehen zu lassen – von TV-Star Tony Bannister und dessen ätherischer Geliebter Angela Westmacott. Aber über der Vergangenheit des Filmemachers liegt ein finsterer Schatten, und Nick kann nicht aus seiner Haut: Er macht sich daran, Bannisters Geheimnis zu lüften, und gerät zwischen die Fronten der Mächtigen, in eine Welt aus Intrigen und dunklen Leidenschaften. Zum Glück weiß Nick Sandman nicht nur, wie man segelt, sondern auch, wie man kämpft.

Über Bernard Cornwell

Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC. Nach Übersiedlung in die USA entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugehen: dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Bernard Cornwells Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt, die Gesamtauflage liegt bei mehr als 20Millionen Exemplaren.

Dem Gedenken an David Watt gewidmet

Prolog

Sie sagten, ich würde nie wieder laufen können.

Sie sagten, ich müsste im Rollstuhl bleiben, bis man mich in die Kiste heben und den Deckel zuschrauben würde. Ich solle etwas Kaufmännisches lernen, sagten sie. Etwas Behindertenfreundliches, irgendwas mit Computer zum Beispiel.

Sie behielten mich fast ein ganzes verdammtes Jahr da, bohrten eine Metallstange in meine rechte Hüfte und verpflanzten Haut da, wo meine Hüften und mein Arsch verbrannt waren. Sie malträtierten mein Rückgrat mit einer Mischung aus grober Zimmermannsarbeit und Mikrochirurgie, und als das halbwegs zu wirken begann – das hieß, ich mit den Zehen meines linken Fußes zucken konnte –, machten sie mich erneut auf und probierten noch ein bisschen mehr herum. Das alles hatte Monate gedauert, aber ich konnte noch immer nicht gehen.

Sie müssen sich daran gewöhnen, sagten sie, weil Sie nie wieder laufen werden. Sie werden nie wieder segeln können. Sie sind jetzt doppelseitig gelähmt, Nick, also schlagen Sie sich das alles aus dem Kopf. Ich sagte ihnen, sie könnten mich …

«Das ist nicht die richtige Einstellung, Nick!», sagte Doktor Maitland mit seiner nüchternen Stimme. «Schließlich ist das kein Makel, müssen Sie wissen. Ganz im Gegenteil!» Er blätterte durch die Seiten eines Yachtmagazins, das auf einem Stapel ähnlicher Zeitschriften neben meinem Bett lag. «Und Sie werden bald wieder an Deck sein. Noch in diesem Frühjahr können Sie wieder segeln.»

Das war das erste Hoffnungszeichen, das er mir zuteilwerden ließ, und ich reagierte erregt. «Tatsächlich?»

«Mein lieber Nick, selbstverständlich können Sie. Es gibt da einen Motorsegler auf dem Solent, der auf Fälle wie Ihren eingerichtet ist.»

Meine Erregung verebbte. «Fälle wie meinen?»

«Rampen für die Stühle und ausgebildetes Personal an Bord.» Maitland sprach stets in sachlichem Ton über diese Dinge, als wäre es absolut alltäglich, dass Menschen mit Schläuchen in ihrer Blase herumlaufen. «Vielleicht nehmen Sie jemanden von der Presse mit?», setzte er hoffnungsvoll hinzu. «Die wollen Sie alle interviewen.»

«Sagen Sie ihnen, sie könnten sich zum Teufel scheren. Keine Presse. Das war abgemacht, erinnern Sie sich? Ich will keinen einzigen verdammten Reporter sehen.»

«Also keine Presse.» Maitland konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Er liebte Publicity für sein paraplegisches Paradies. «Vielleicht werde ich mitkommen. Es ist schon viele Jahre her, seit ich segeln war.»

«Sie können allein gehen», erwiderte ich.

«Das ist nicht die richtige Einstellung, Nick.» Er zupfte an meinen Hüllen, an denen es nichts zu zupfen gab.

Ich schloss die Augen. «Ich werde dieses verdammte Gebäude auf meinen eigenen zwei Beinen verlassen.»

«Das muss Sie doch aber nicht daran hindern, im Frühjahr segeln zu gehen, oder würde es?» Maitland und alle seine Hilfstruppen waren auf diese schlaue, forschende Wendung am Ende von Feststellungen spezialisiert; Wendungen, die dazu bestimmt waren, uns unser Einverständnis zu entlocken. Wenn sie uns erst einmal so weit hatten, dass wir es akzeptierten, verdammt zu sein, hatten sie ihre Schlacht schon halb gewonnen. «Würde es?», wiederholte er.

Ich öffnete die Augen. «Als ich das letzte Mal segeln war, befand ich mich auf der Forty Footer eines Freundes und kam gerade von Island zurück. Bei den Färöern wurde sie schwer angeschlagen und verlor ihren Mast über den Spreizen. Wir hackten das zerbrochene Zeug ab, takelten die Mastbacken auf und brachten sie fünf Tage später sicher nach North Uist. Das war eine saubere Arbeit, Doc.» Ich erwähnte nicht, dass sich mein Freund den Arm gebrochen hatte, als das Boot quergeschlagen war, und dass das alles in einer verdammt scheußlichen Nacht geschehen war. Wichtig war nur, dass wir es mit dieser Scheißnordsee aufgenommen und unser Boot nach Hause gebracht hatten.

Maitland hatte geduldig zugehört. «Das war vorher, nicht wahr, Nick?»

«Es kommt ja überhaupt nicht in Frage, Doc, dass ich auf Ihrer Krüppelbarke hocke und all die schönen Boote an mir vorbeiziehen sehe.» Ich wusste, dass ich flegelhaft und undankbar war, aber das war mir egal. Ich würde wieder laufen können.

«Wenn Sie meinen, Nick, wenn Sie meinen.» Maitlands Stimme deutete an, dass ich selbst mein größter Feind war. Er ging zur Tür, hielt dann aber inne, um sich im Zimmer umzusehen. Ein Ausdruck höchsten Erstaunens breitete sich auf seinem runden, rosigen Gesicht aus. «Sie haben ja gar keinen Fernseher!»

«Ich hasse das verdammte Fernsehen.»

«Wir halten es für ein extrem wichtiges therapeutisches Instrument, Nick.»

«Ich brauche keine verdammte Therapie. Ich will ein Paar Wanderschuhe.»

«Wollen Sie tatsächlich keinen Fernseher?», erkundigte sich Maitland ungläubig.

«Ich will keinen Fernseher.»

Und da schickten sie mir an diesem Nachmittag die neue Psychotherapeutin.

 

«Hallo, Mister Sandman», sagte sie strahlend. «Ich bin Doktor Janet Plant. Ich gehöre seit kurzem zum Team für Orientierungshilfe.»

Sie hatte eine nette Stimme, aber ich konnte sie nicht sehen, weil ich der Tür den Rücken zugewandt hatte. «Sie sind die neue Seelenklempnerin?»

«Ich bin die neue Orientierungstherapeutin», stimmte sie zu. «Was machen Sie da?»

Ich hielt mich mit der rechten Hand am Bettgestell fest und schob meinen rechten Fuß vorsichtig in Richtung Fußboden. «Ich bringe mir selbst das Gehen bei.»

«Ich dachte, dafür hätten wir eine physiotherapeutische Abteilung?»

«Da will man mir nur beibringen, wie man im Rollstuhl pinkelt. Sie versprechen mir, im Frühjahr zu Punkt zwei überzugehen, wenn ich ein braver Junge bin.» Ich zuckte zusammen. Der Schmerz war unerträglich. Selbst wenn ich nur ganz wenig Druck auf mein Bein ausübte, reichte das aus, mir einen Fleischerhaken ins Kreuz zu bohren. Ich rechnete damit, dass mich die Psychotherapeutin einen Masochisten nennen würde, weil ich mein Bein noch mehr belastete, sobald der Schmerz zuschlug.

Gott, war ich kraftlos. Mein rechtes Bein zitterte. Angeblich sollten die Nervenstränge durchtrennt sein, aber ich hatte herausgefunden, dass mein Knie angewinkelt blieb, wenn ich es mit den Händen beugte. Also schob ich das Bein hinunter und hangelte mich dann ganz behutsam vom Bett. Ich hielt mich noch immer am Bettgestell fest. Mein linkes Bein wurde ein bisschen belastet, und der Schmerz glitt wie Feuer die Sehnen entlang. Ich hatte weder Gleichgewicht noch Kraft, aber ich zwang mich vom Bett, bis ich halbgebeugt stand. Meine rechte Hand umklammerte das Fußende so krampfhaft, dass die Knöchel weiß waren. Ich konnte nicht atmen. Buchstäblich. Der Schmerz war so stark, dass mein Körper die Atemanweisungen nicht finden konnte. Er raste hinauf in meinen Oberkörper, meinen Hals und explodierte dann glühend in meinem Schädel.

Ich fiel rücklings aufs Bett. Als mein Atem zurückkam, begann mich der Schmerz zu verlassen, aber ich hielt die Augen geschlossen, damit man die Tränen nicht sah. «Als Erstes», versuchte ich ganz nonchalant zu klingen, «muss ich lernen, mich aufzurichten. Und dann einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Rest ist ganz einfach.» Ich wünschte, ich hätte nicht gesprochen, denn die Worte kamen als Schluchzer heraus.

Ich hörte, dass Dr. Plant einen Stuhl heranzog und sich setzte. Mir war nicht entgangen, dass sie keinen Versuch unternommen hatte, mir zu helfen – alles Bestandteil der Behandlung. Wir sollten scheitern, um unsere neuen Grenzen zu erkennen, die wir dann demütig akzeptierten. «Erzählen Sie mir von Ihrem Boot», sagte sie mit institutionell nüchterner Stimme. Es war genau der Tonfall, den sie angeschlagen hätte, wenn ich behauptet hätte, Napoleon Bonaparte zu sein. «Erzählen Sie mir, wie Sie die Schlacht von Austerlitz gewonnen haben, Kaiserliche Hoheit.»

«Es ist ein Boot», sagte ich mürrisch. Mein Atem ging inzwischen leichter, aber meine Augen waren noch geschlossen.

«Wir segeln eine Contessa zweiunddreißig», sagte Doktor Plant.

Ich öffnete die Augen und sah eine vernünftige, kurzhaarige und mütterliche Frau. «Wo liegt Ihre Contessa?», fragte ich.

«In Itchenor.»

Ich lächelte. «Ich bin einmal auf die Sandbank von East Pole aufgelaufen.»

«Unvorsichtig.»

«Es war nachts», verteidigte ich mich, «und es hat ein Schneesturm gewütet, sodass ich die Markierungen nicht sehen konnte. Und eine mistige, hohe Flut. Ich war erst fünfzehn. Ich hätte nicht versuchen sollen, in den Kanal zu kommen, hatte aber Angst, mein alter Herr würde mir das Fell versohlen, wenn ich die ganze Nacht draußen blieb.»

«Hätte er?», fragte sie.

«Vermutlich nicht. Er langte nicht gern zu. Ich hab’s häufig genug verdient, aber er ist nun mal ein ziemlich weicher Knabe.»

Sie lächelte, als wollte sie zeigen, dass ich endlich ein Gebiet betrat, das sie verstehen konnte: einen Kanal, gut markiert mit den Pricken und Bojen des klinischen Studiums der Eltern-Kind-Beziehungen. «Ihre Mutter hat Sie verlassen, als Sie fünfzehn waren. Ist das nicht so?»

«Ich bin wohl ein richtiges Puzzle für Sie, was?»

«Nehmen Sie das denn an?», wollte sie wissen.

«Ich nehme an», erwiderte ich, «dass ich es hasse, wenn verdammte Seelenklempner mich fragen, was ich annehme. Mein Vater hat Dreck am Stecken, meine Mutter hat sich aus dem Staub gemacht, mein Bruder ist ein Arschloch, meine Schwester noch schlimmer, und meine Frau hat mich verlassen, um einen verdammten Parlamentsabgeordneten zu heiraten. Aber aus keinem dieser Gründe bin ich hier, Doktor. Ich bin hier, weil ich eine Kugel in den Rücken bekommen habe und der National Health Service die Aufgabe übernommen hat, mich wieder zurechtzuflicken. Und zu dieser Behandlung gehört nicht – ich wiederhole: nicht –, in meinem Hirn herumzustöbern.» Ich starrte zur Decke. Ich hatte fast ein Jahr damit verbracht, an diese verdammte Decke zu starren. Sie war cremefarben und hatte einen Haarriss, der irgendwie wie die Silhouette einer nackten Frau von hinten aussah. Wenigstens kam es mir so vor. Aber ich hielt es für besser, Dr. Plant nicht zu viel zu sagen, sonst würde ich noch mit an den Schädel geklebten Elektroden auf eine Couch geschnallt. «Ich habe mal eine Contessa zweiunddreißig nach Holland gebracht», sagte ich. «Ein hübsches Boot.»

«Das ist es», sagte sie enthusiastisch. «Erzählen Sie mir von Ihrem Boot.»

Ich nehme an, ich habe es ihr gesagt, weil sie Seglerin war. Der Trick, den nationalen Folterdienst zu überleben, besteht darin, einen Traum zu haben, in den sie sich nicht einmischen können; eine Sache, die einem Hoffnung gibt. Mein Traum war die Sycorax.

«Sie heißt Sycorax», sagte ich. «Achtunddreißig Fuß, Mahagoni auf Eiche, Teakholzdecks. Wurde 1922 als gaffelgetakelte Ketsch gebaut. Für einen reichen Mann, daher wurde an nichts gespart. Ihre übliche Takelung besteht aus Klüver, Stag-, Groß-, Topsegel und Besan. Alle aus schwerer Baumwolle. Sie hat Messingluken und kardanisch aufgehängte Öllampen in der Kabine.» Meine Augen waren wieder geschlossen. «Und die hübschesten Konturen diesseits vom Paradies. Sie ist dunkelblau mit weißen Segeln. Sie hat einen langen Kiel, ist gebaut wie ein Sherman-Panzer und kann genauso eigensinnig sein wie die Hexe, von der sie ihren Namen hat.» Ich lächelte, erinnerte mich an die Sprödigkeit meiner Sycorax vor einem auffrischenden Wind.

«Die Hexe Sycorax.» Dr. Plant runzelte die Stirn in dem Bemühen, den Namen unterzubringen. «Von Shakespeare?»

«Aus dem Sturm. Sycorax war Calibans Mutter. Wer ihren Zorn erregte, den zwang sie in einen Baum. Das ist ein Witz, wissen Sie, weil ein aus Holz gebautes Boot seinen Besitzer in Schulden zwingt.»

Dr. Plant zeigte ein pflichtschuldiges Lächeln. «Ich hoffe, sie liegt während Ihres Aufenthalts hier auf Land.»

Ich schüttelte den Kopf. «Ich hatte keine Zeit, sie aus dem Wasser zu holen. Aber sie ist kupferummantelt und liegt an einem privaten Liegeplatz. Sie ist vielleicht ein bisschen ramponiert, aber das kann ich reparieren.»

«Sie sind Tischler?» Da war ein Anflug von Überraschung in ihrer Stimme.

Ich wandte den Kopf, um sie anzusehen. «Dass ich Armeeoffizier war, Doktor Plant, heißt noch lange nicht, dass ich absolut nutzlos bin.»

«Kennen Sie sich mit Holzarbeiten aus?», beharrte sie.

Ich hob die Hände mit den Schwielen meiner Tätigkeit. Aber wenn die Schwielen auch hart waren – die Fingerspitzen waren weiß und zart. «Früher einmal. Und ich war auch ein guter Mechaniker.»

«Sie betrachten sich also durchaus als einen Mann fürs Praktische, oder etwa nicht?», fragte sie mit der professionellen Wendung.

«Sie mischen sich schon wieder ein», warnte ich. «Sie sind gekommen, um Doktor Maitlands Arie zu singen. Lernen Sie was, Nick. Lassen Sie sich zum Buchhalter und Programmierer ausbilden. Reden Sie mit den Zeitungen, Nick. Man wird Sie für das Interview bezahlen, und dann können Sie sich mit dem Geld einen hübschen kleinen, elektrisch betriebenen Rollstuhl mit Hupe kaufen. Mit anderen Worten – geben Sie auf, Nick, fügen Sie sich. Wenn ich das gewollt hätte, Doktor, wäre ich in der Armee geblieben. Dort hat man mir einen Schreibtischjob angeboten.»

Sie stand auf und ging zum Fenster. Ein kalter Wind trieb winterlichen Sprühregen gegen die Scheiben. «Sie sind ein sehr starrköpfiger Mann, Mister Sandman.»

«Stimmt.»

«Aber wie wird Ihre Starrköpfigkeit mit der Tatsache fertig, dass Sie nicht mehr gehen können?» Sie wandte sich mit einem fragenden Ausdruck auf dem mütterlichen Gesicht vom Fenster ab. «Wenn Sie feststellen, dass Sie Ihre Sycorax nie wieder segeln werden?»

«Im nächsten Jahr», ignorierte ich ihre Fragen, «werde ich mit ihr nach Süden segeln. Nach Neuseeland. Für das Ziel Neuseeland gibt es keinen besonderen Grund. Also fragen Sie nicht danach.» Jedenfalls fiel mir kein besonderer Grund ein. Ich kannte niemanden in Neuseeland, war noch nie dort gewesen, aber irgendwie war es mein Gelobtes Land geworden. Ich wusste, dort spielte man gut Rugby und Kricket, es gab hervorragende Segelgewässer, und es schien ganz allgemein eine Gegend zu sein, in der ein anständiger Mensch anständige Tage verbringen konnte; unbehelligt von der Anmaßung wichtigtuerischer Dummköpfe. Sollte ich Neuseeland je erreichen, werde ich zweifellos feststellen, dass ich mir da etwas vorgemacht habe, aber diese Enttäuschung kann warten, bis ich von Deck mein fernes Ziel sichte. «Zunächst segele ich zu den Azoren», fuhr ich verträumt fort, «dann hinüber nach Barbados, südlich nach Panama, weiter zu den Marquesas …»

«Nicht um Kap Hoorn?», unterbrach Dr. Plant scharf.

Ich warf ihr einen warnenden Blick zu. «Schon wieder Einmischungen?»

«Es war keine unfaire Frage.»

«Nehmen Sie an, ich wolle nicht in den südlichen Atlantik zurück?»

Sie schwieg einen Moment. «Dieser Gedanke ist mir gekommen, ja.»

«Ich habe keine Albträume, Doktor, nur Träume.» Das stimmte nicht. Noch immer fuhr ich zitternd aus dem Schlaf hoch, mit meinen Gedanken auf einer Insel im Südatlantik. Aber das war meine Sache, nicht ihre.

Dr. Plant lächelte. «Träume können in Erfüllung gehen, Nick.»

«Bemuttern Sie mich nicht, Doktor.»

Sie lachte und klang plötzlich viel mehr nach einem Segler als nach einem Psychotherapeuten. «Sie sind wirklich ein sturer Hund, was?» Ich war es; und zwei Wochen später, obwohl ich es niemandem erzählte, schaffte ich es, humpelnd, hüpfend und schlurfend bis zum Fenster zu kommen. Es kostete mich drei Minuten und heftige Schmerzen, und mein Atem rasselte wie Glaspapier, als ich mich schließlich ans Fensterbrett klammerte und die Stirn gegen die kühlen Scheiben lehnte. Es war ein wolkenloser Winterabend. Der Vollmond stand über dem Krankenhausgelände, auf dem die kahlen Bäume mattschwarz und -silbern schimmerten. Ein Auto bog um das Nachbarhaus, und seine Scheinwerfer blendeten mich einen Augenblick lang. Dann waren sie verschwunden. Als ich wieder sehen konnte, suchte ich den Aldebaran. Es hatte eine Zeit gegeben, in der ich diese ferne Sonne mühelos hinunter zum morgendlichen Horizont bringen konnte. Das gelang durch das Wunder eines Sextantenspiegels. Jetzt war ich ein zitternder Krüppel, aber irgendwo weiter südwestlich wartete mein Boot. Sie würde an ihren Warpleinen zerren, ihre Trossenschoner an der Kaimauer reiben und wie ich darauf warten, freigelassen zu werden. Frei zu sein für die langen, langen Winde unter dem kalten Licht des Aldebarans.

Denn eines Tages, egal was die verdammten Ärzte auch sagten, würde die Sycorax mich nach Neuseeland tragen. Nur wir zwei in großartigen Wassern, nach Süden segelnd und frei.

Erster Teil

Vierzehn Monate später durchschritt ich das Krankenhaustor.

Ich wusste, dass Dr. Maitland der Presse von meiner Entlassung berichten würde, deshalb ging ich zwei Tage vor der Zeit. Ich wollte kein großes Theater. Ich wollte nur zurück nach Devon, dort in ein Pub gehen und so tun, als wäre ich lediglich ein oder zwei Wochen fort gewesen, mehr nicht.

Also hinkte ich die Auffahrt hinunter und redete mir ein, der Schmerz in meinem Rücken sei erträglich und der humpelnde Gang nicht allzu grotesk. Vor dem Krankenhausgelände bestieg ich einen Bus, dann einen Zug nach Totnes und schließlich einen weiteren Bus, der sich durch die tiefeingeschnittenen Täler zwischen den Hügeln der West Harns entlangschlängelte. Der Winter ging zu Ende, und an den Hecken entlang der Straße blühten Schneeglöckchen. Ich hätte heulen können; aus diesem Grund hatte ich niemandem erzählt, dass ich nach Hause kam. Ich hatte gewusst, wie glücklich mich der Anblick der Hügel von Devon machen würde.

Ich bat den Busfahrer, mich oben an der Ferry Lane abzusetzen. Er sah zu, wie ich die Stufen des Fahrzeugs hinunterhinkte, und hörte mein Ächzen unter der Anstrengung des letzten, tiefsten Schritts auf die Straße. «Alles in Ordnung, mein Freund?»

«Ausgezeichnet», log ich. «Ich möchte nur ein bisschen laufen.»

Die Tür zischte zu, und der Bus rumpelte auf das Dorf zu, während ich mich humpelnd die Straße zur alten Fähren-Helling hinunterquälte. Von dort aus konnte ich einen Blick über den Fluss auf die Sycorax werfen.

Ein Blick auf mein Zuhause, denn wie angeschlagen sie durch den Frost und die Stürme des Winters auch sein mochte – die Sycorax war mein Zuhause. Sie war das einzige Zuhause, das ich hatte oder wollte, und der Gedanke an sie hatte mich durch die langen Monate bis zu dem Moment aufrechterhalten, an dem ich nun auf sie zuging.

Oder besser zuhinkte. Das Laufen schmerzte, aber ich wusste, dass es für den Rest meines Lebens schmerzen würde. Ich musste ganz einfach damit leben, und ich hatte entschieden, dass der beste Weg zum Damitleben das Vergessen war. Und der beste Weg zum Vergessen war, an etwas anderes zu denken.

Das fiel mir plötzlich ganz leicht, denn als ich auf halbem Wege um die scharfe Biegung kam, spiegelte sich eine wässrige Sonne überraschend strahlend in den Fenstern des alten Hauses meines Vaters hoch über dem anderen Ufer.

Ich blieb stehen. Der neue Besitzer hatte einen Vorbau hinzugefügt und ihn fast vollständig verglasen lassen, sodass man über die weiten, geschwungenen Rasenflächen bis hinunter zum Wasser blicken konnte. Der hohe Mast, den mein Vater auf der Terrasse installiert hatte, stand immer noch da mit seinem Dwarssaling, seinen Wanten und seiner winkligen Rah. Da keine Flagge am Mast hing, nahm ich an, dass niemand zu Hause war. Als ich so über den Fluss blickte, wirkte das Haus auf mich wie ein fremder Ort, für den mein Visum längst abgelaufen war.

Ich nahm meine kleine Tasche auf und hinkte weiter. Im Sommer war diese Straße voller Dingi-Segler, die ihre Fahrzeuge zum Ufer zogen. Aber jetzt, im Kielwasser der Winterkälte, war lediglich ein Auto oben an der alten Helling geparkt. Es war ein großer Kombi, gefüllt mit Werkzeug, Warpleinen und all den Utensilien, die nötig sind, um ein Boot für die neue Saison fertig zu machen. Ein Mann mittleren Alters verstaute Dosen und Pinsel in einem Sack. «Morgen! Ist es nicht ein herrlicher Tag?»

«Ist es», stimmte ich zu. Draußen im Fluss war etwa ein Dutzend Boote vertäut – eine Handvoll, verglichen mit der Zahl der Schiffe, die diesen Ankerplatz im Sommer nutzten, aber genügend, um mir die Sicht auf die Sycorax zu versperren. Sie lag an der Anlegemauer, die zum alten Bootshaus meines Vaters führte, am gegenüberliegenden Ufer.

Es war Ebbe. Ich hoffte, dass der Mann mich nicht beachten würde, weil nun der Moment gekommen war, der mich die ganzen Monate im Krankenhaus am Leben erhalten, mich die Schmerzen hatte ertragen lassen. Das war der Traum: das Boot zu sehen, das mich nach Neuseeland bringen würde. Ich war auf das Schlimmste vorbereitet, dass ihre oberen Seitenteile schäbig und ihr Rumpf von der Kälte zweier Winter angegriffen war. Im Herbst hatte Jimmy Nicholls geschrieben, dass an ihr etwas getan werden müsse, und zwischen den Zeilen hatte ich gelesen, dass eine Menge Arbeit nötig war. Ich hatte mir aber eingeredet, dass es ein Vergnügen sein würde, die Sycorax zu reparieren, wenn die Tage länger wurden und meine Kräfte zurückkehrten.

Wie ein Kind, das eine Vorfreude verlängern will, sah ich nicht auf, während ich zum Ende der Helling humpelte. Erst als meine Füße fast das schnellfließende Wasser des Flusses berührten, hob ich den Blick. Ich hielt den Atem an. Ich war wieder zu Hause.

Und die Sycorax war fort.

 

«Ist irgendetwas nicht in Ordnung?»

Mein rechtes Bein zuckte unkontrolliert. Die Sycorax war fort. An ihrer Stelle, festgemacht an der Mauer, die mein privater Liegeplatz war, befand sich ein kastenförmiges Hausboot.

«Entschuldigen Sie …» Es war der Mann mittleren Alters, der sich auf weichsohligen Gummistiefeln genähert hatte. Es war ihm peinlich, die Frage stellen zu müssen. «Geht es Ihnen auch gut?»

«Ja», erwiderte ich schroff, da ich nichts von der Verärgerung verraten wollte, die ich empfand. Ich sah zur großen Bucht weiter flussaufwärts, in der eine Handvoll Boote vertäut waren, aber auch dort war die Sycorax nicht. Ich blickte zur Flussbiegung, die das Dorf verbarg, aber da war kein einziges Schiff festgemacht. Sie war fort.

Ich drehte mich um. Der Mann war zurückgegangen, um sein Schlauchboot mit Gerätschaften zu beladen. «Haben Sie während des Winters draußen gelegen?», fragte ich.

«Ich fürchte, ja», erwiderte er zögernd, als würde ich ihn beschuldigen, sein Boot zu misshandeln.

«Sie wissen nicht zufällig, was mit der Sycorax geschehen ist, oder?»

«Sycorax?» Er richtete sich verdutzt auf und schnippte dann mit den Fingern, als er sich an den Namen erinnerte. «Tommy Sandmans altes Boot?»

«Ja.» Es war kaum der richtige Zeitpunkt für die Erklärung, dass mir mein Vater die Yacht vor langer Zeit verkauft hatte.

«Traurig», sagte er. «Eine Schande, wirklich. Sie liegt da oben.» Er deutete über den Fluss. Ich drehte mich um, und endlich sah ich sie.

Sie war nicht verschwunden, sondern auf den bewaldeten Hügel südlich vom Bootshaus gezogen worden. Ich konnte gerade noch ihr Heck im Unterholz erkennen. Ein tiefgekielter Rumpf wie der der Sycorax sollte auf einen Stapelschlitten gehoben oder auf Böcken gelagert werden, aber wer auch immer mein Boot an Land gebracht hatte, hatte es wie ein Stück totes Fleisch ins Trockene gehievt und im Unterholz ausgesetzt.

«Eine verdammte Schande», meinte der Mann bekümmert. «Sie war ein hübsches Ding.»

«Können Sie mich hinüberbringen?», fragte ich.

Er zögerte. «Ist das nicht Privatbesitz?»

«Das Gehölz nicht, glaube ich.» Ich war sicher, aber ich wollte meine Beziehungen zu diesem Flussstreifen nicht preisgeben. Er verfolgte die unbeholfenen Manöver, die nötig waren, damit ich in sein Dingi klettern konnte. Statt einfach einzusteigen, musste ich mich auf die Steine am Rand der Helling setzen und dann den Körper zur Seite wuchten, als wollte ich vom Bett in den Rollstuhl.

«Wie ist das passiert?», fragte er.

«Autounfall. Vorderreifen geplatzt.»

«Pech.» Er ließ die Säcke mit Farbe und Pinseln hinuntergleiten, kletterte dann selbst ins Boot und zerrte den Außenbordmotor in sein geräuschvolles Leben. Er erzählte mir, er sei Zahnarzt mit einer Praxis in Devizes. Seine Frau verabscheute das Meer. Er zeigte mir sein Boot, eine Westerly Fulmar, und meinte, er glaube, langsam zu alt dafür zu werden; was vermutlich hieß, dass die Nörgelei seiner Frau ihn fertigzumachen begann. In ein oder zwei Jahren, sagte er, werde er seine Westerly auf den Markt werfen und das dann für den Rest seines Lebens bereuen.

«Machen Sie es nicht», sagte ich.

«Sie will Disney World sehen.»

Wir verfielen in gemeinschaftlichen Trübsinn. Ich sah zur Sycorax hinüber. Die goldene Beschriftung am Heck fing einen Sonnenstrahl auf und zwinkerte mir zu. «Wer hat sie an Land gebracht?», fragte ich.

«Weiß der Himmel. Es ist eigentlich nicht Bannisters Art.»

«Bannister?», fragte ich.

«Tony Bannister.» Er bemerkte mit einigem Erstaunen, dass ich den Namen nicht sofort unterbringen konnte. «Tony Bannister? Der Tony Bannister? Ihm gehört jetzt der Besitz. Er hat sein Boot unten in der Marina des Ortes.»

Nun war es an mir, erstaunt zu sein. Anthony Bannister war ein Fernsehmoderator, der ein Liebling des britischen Publikums geworden war. Sein Ruhm ging über den Glanz der Idiotenkiste weit hinaus. Sein Gesicht erschien auf den Titelseiten von Zeitschriften, und seine werbende Fürsprache wurde für so unterschiedliche Produkte wie Autos und Sonnencreme gesucht. Er war auch ein Segler, einer von diesen goldenen Amateuren, deren große Boote die teuersten Regatten der Welt schmücken. Aber Bannister, erinnerte ich mich, hatte auch die Schrecken des Meeres kennengelernt. Seine Frau war ein Jahr zuvor bei einem Unfall auf See ums Leben gekommen, während Bannister unterwegs war, um die St.-Pierre-Trophy zu gewinnen. Die Tragödie hatte im ganzen Land große Anteilnahme erregt, da Bannister eine Berühmtheit war. In der Tat so berühmt, dass ich mich eigenartig geschmeichelt fühlte, dass er jetzt im alten Haus meines Vaters lebte.

«Vielleicht ist es ein Unglückshaus, wie?» Der Zahnarzt starrte an der breiten Glasfront empor.

«Wegen seiner Frau, meinen Sie?»

«Tommy Sandman hat auch dort gewohnt.»

«Ich erinnere mich.» Ich hielt meine Stimme neutral.

Der Zahnarzt lachte glucksend. «Ich frage mich, wie ihm sein neues Zuhause gefällt.»

Das Glucksen zeigte ein eindeutig britisches Vergnügen am Sturz eines reichen Mannes. Mein Vater, der einmal so glanzvoll erfolgreich gewesen war, saß jetzt im Gefängnis. «Ich nehme an, er wird überleben», bemerkte ich trocken.

«Jedenfalls leichter als sein armer Sohn. Für immer gelähmt, habe ich gehört.»

Ich schwieg und heuchelte Interesse an dem hässlichen Hausboot, das an meinem Liegeplatz festgemacht war. Es war einmal ein Arbeitsschiff gewesen, ein Trawler vielleicht, aber sein Oberwerk war abmontiert und durch eine Hütte ersetzt worden. Es gab kein anderes Wort dafür: eine Hütte, die so hässlich aussah wie ein Container auf einer Barke. Die Hütte hatte ein geschwungenes Dach, das mit Dachpappe gedeckt war. Mittschiffs ragte ein Ofenrohr empor. Am Heck umspannte eine Reling das Achterdeck, auf dem zwei Liegestühle herumstanden. An die Reling war Wäsche geklammert. «Wer lebt denn dadrin?», fragte ich mit deutlichem Abscheu.

«Bannisters Regatta-Crew. Verdammte Affen sind das.»

Das Hausboot an meinem Liegeplatz wies darauf hin, dass es Bannister gewesen sein musste, der die Sycorax entfernt hatte, aber ich wollte nicht, dass es so war. Anthony Bannister hatte in der Öffentlichkeit das Image eines starken und besonnenen Mannes; das eines Menschen, an den sich jeder von uns mit der Bitte um Rat und Hilfe wenden könnte. Ich zögerte, diesen imaginären Freund aufzugeben. Abgesehen davon war er ein Segler, der seine Frau verloren hatte. Das ließ mich ihm gegenüber Mitleid empfinden. Ich war sicher, dass ein anderer die Sycorax entfernt hatte.

Wir waren jetzt auf der Höhe des Bootshauses, und ich konnte ein zweites Bannister-Fahrzeug im Inneren erkennen. Dieses Schiff war ein flaches, gedrungenes zweimotoriges Rennboot mit hochpoliertem Rumpf und einem protzigen Radarschirm. Ich konnte seinen Namen erkennen, Wildtrack II, und ich erinnerte mich, dass Bannisters Yacht, die fast die St. Pierre gewonnen hätte, den Namen Wildtrack getragen hatte. Am Dachbalken über dem Motorboot hing ein Schild: «Privat. Kein Zutritt.»

«Sind Sie sicher, dass wir richtig handeln?» Der Zahnarzt drosselte den Motor, beunruhigt durch weitere Schilder am Flussufer: «Privat»; «Anlegen verboten»; «Privat». Die Beschriftung war rot auf weiß; grelle Verbote, die die Landschaft verschandelten.

«Der Makler sagte, das ginge schon in Ordnung.» Ich reckte meinen Kopf der Sycorax entgegen. «Er meinte, jedermann könne sie besichtigen.»

«Wollen Sie sie kaufen?»

«Ich habe daran gedacht», sagte ich vorsichtig.

Die Erklärung schien den Zahnarzt davon zu überzeugen, dass ich kein Einbrecher war; auch mein Dialekt klang vermutlich beruhigend, aber er wirkte noch immer skeptisch. «Sie werden ein bisschen Arbeit in sie investieren müssen.»

«Die Therapie habe ich nötig.» Ich sah zur Sycorax und bemerkte, dass sie volle zwanzig Fuß über die Hochwassermarkierung geschleppt worden war. Auf dem Hang lagen Steine, die mit Sicherheit ihre Planken aufgerissen oder zumindest zerschrammt haben mussten, als sie hügelan gezerrt worden war. Ihr Heck war mir zugewandt, der Kiel zeigte den Hügel hinunter, und die Schraube war fort. Man hatte sie zwischen die Bäume geschleppt und zum langsamen Sterben verurteilt. «Warum hat man sie nicht einfach im Wasser verrotten lassen?», fragte ich ärgerlich.

«Das hätte die Hafenbehörde wohl kaum zugelassen, oder?» Der Zahnarzt wendete das Schlauchboot fachmännisch und ließ sein Heck leicht an die Anlegemauer stoßen, wo eine Treppe zum Wäldchen hinaufführte. Er hielt das Dingi flott, während ich unbeholfen an Land kletterte. «Winken Sie, wenn Sie zurückwollen», sagte er.

Ich musste mich auf die Steine setzen, bis der Schmerz in meinem Rücken nachließ, und sah dabei zu, wie der Zahnarzt sein Schlauchboot zu den Liegeplätzen flussaufwärts steuerte. Als sein Motor erstarb, waren nur noch die sanften Geräusche des Flusses zu hören, aber ich war nicht in der Stimmung, den Frieden zu genießen. Mein Rücken tat weh, mein Boot war ein Wrack, und ich fragte mich, warum Jimmy Nicholls es zugelassen hatte, dass man so mit der Sycorax umgegangen war. Verdammt noch mal, schließlich hatte ich Jimmy ein Honorar gezahlt. Es war nicht gerade viel gewesen, aber um es zu verdienen, hätte er nur ein Auge auf die Sycorax zu werfen brauchen. Stattdessen fand ich sie nun auf dem Trockenen vor.

Die Kletterei war anstrengend. Die ersten paar Schritte waren die schwierigsten, weil es keine Bäume gab, an denen man sich hätte festhalten können, und weil der Boden vom Transport der Sycorax glattgewalzt war. Nach ein paar Metern musste ich vornübergebeugt stehen bleiben, um wieder Luft in meine Lungen zu bekommen. Auf den letzten paar Metern gaben niedrighängende Äste und das Unterholz genügend Halt, aber als ich die Sycorax erreicht hatte, war es so, als bohre sich weiß glühender Stahl in mein Rückgrat. Ich hielt mich an ihrem Ruder fest und zwang mich zu der Überzeugung, dass der Schmerz erträglich war. Es muss volle zwei Minuten gedauert haben, bis ich mich wieder aufrichten und mein Boot in Augenschein nehmen konnte.

Es lag auf der Seite, gesprenkelt von der Wintersonne. Wenigstens ein Drittel der Kupferummantelung war fortgerissen. Treibeis hatte ihre Planken gedellt, aber nicht aufgerissen. Der Kiel war aufgebrochen, der Bleiballast gestohlen. Masten und Bugspriet waren fort. Die Masten waren nicht herausgelöst, sondern plan mit dem Deck abgesägt worden. Die Teak-Gräting im Cockpit, die Setzborde und beide Lukendeckel fehlten. Die Kompasse waren verschwunden.

Die Springluken aus Messing waren herausgerissen worden. Die Wegweiser und die Rollen waren fort. Alles von Wert war entfernt worden. Das Kabinendach muss auf dem Transport den Hügel hinauf gegen einen Baumstumpf geraten sein, denn es war aufgeschlitzt wie von einem Dosenöffner. Ich stützte mich auf das gebrochene Dach und spähte in die Kabine.

Es dauerte einen Moment, bis sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Anfangs konnte ich lediglich den schwachen Schimmer unbewegten Wassers tief unten im Rumpf erkennen. Aber dann sah ich, was ich erwartet hatte: nichts. Die Funkgeräte waren nicht mehr da, die Ofen gestohlen, und es fehlten alle Lampen. In der Hauptkabine war die Täfelung heruntergerissen. Eine Matratze lag im Regenwasser. Inzwischen musste die Fäule im Schiffskörper sein. Salzwasser imprägniert Holz, aber Süßwasser zerstört es. Der Motor lag frei, weil die Kabinenstufen herausgerissen worden waren. Er zeigte eine dicke Rostschicht.

Ich war seltsam ruhig. Wenigstens war die Sycorax hier. Sie war nicht verschwunden, nicht gesunken. Sie konnte restauriert werden. Alles, was ich dazu benötigte, waren meine Zeit und das Geld des Mistkerls, der ihr das angetan hatte. Der Schaden war herzzerreißend, doch ich empfand eher Schuld als Wut. Als ich acht Jahre alt war, wurde mein Hund, ein Foxterrier, von einem Milchlaster überfahren. Ich fand die Hündin vor, wie sie im Gras neben der Straße starb. Sie begrüßte mich mit wedelndem Schwanz, und ich weinte neben ihr, fühlte mich schuldig, weil ihr ganzes aufrichtiges Vertrauen in mich verraten worden war. So empfand ich jetzt auch. Ich hatte das Gefühl, die Sycorax im Stich gelassen zu haben. Auf See achtete sie auf mich, aber in den Gefilden, an denen die Menschen leben, war ich ihr Beschützer; und ich hörte mich mit ihr sprechen – genauso wie ich mit ihr gesprochen hatte, als wir auf See waren. Ich tätschelte ihr aufgeschlitztes Kabinendach und sagte, es würde schon alles wieder in Ordnung kommen. Sie wäre lediglich zur Reparatur fällig, das sei alles.

Dann stolperte ich wieder den Hügel hinunter. Ich nahm mir vor, den Fluss zu überqueren und dann in das Pub zu gehen und Jimmy Nicholls ein paar sehr unangenehme Minuten zu bereiten. Warum zum Teufel hatte er nichts unternommen? Der Liegeplatz gehörte mir, und kein Gesetz auf Gottes Erdboden konnte mir mein Recht streitig machen. Die Anlegestelle war vor zweihundert Jahren gebaut worden, als Kalk über den Fluss transportiert worden war, aber jetzt waren die gut zwanzig Meter der altern Steinmauer mein Besitz. Selbst die Hafenbehörde hatte kein Recht an dieser Front, weil ich sie von meinem Vater gekauft hatte, weil sie ein Hafen für die Sycorax war und einen Ort darstellte, den ich Zuhause nennen konnte. Verdammt noch mal, es war meine Adresse, meine einzige Adresse: Lime Wharf, Tidesham, South Devon, und jetzt hatte Anthony Bannister sein abscheuliches Hausboot dort festgemacht. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass ein solcher Prominenter wie Bannister die Anlegestelle gestohlen hatte, indem er die Sycorax einfach entfernte – aber irgendjemand hatte mein Boot aufs Trockene gesetzt, und ich schwor, denjenigen zu finden und auf jeden Penny zu verklagen, den mein geborstenes Schiff für die Wiederherstellung nötig hatte.

Ich trat über eines der Springtaue, die das Hausboot an meiner Anlegestelle festhielten. Ich wollte den Zahnarzt für die Fahrt über den Fluss heranwinken, warf aber zuvor einen Blick in das Bootshaus.

Und sah dort mein Dingi. Ordentlich vertäut hing es an der Steuerbordseite der Wildtrack II. Abblätternde Farbe an seinem Heck wies es als mein Eigentum aus: «Tender der Sycorax». Es war ein klinkergebautes hölzernes Dingi, mein Dingi, und es war an Bannisters protzigem Rennboot festgemacht.

Ich nehme an, dass es die Hässlichkeit dieses Motorbootes war, die mich von Bannisters Schuld überzeugte. Jemand, der ein so protziges und aufgemotztes Boot besaß, konnte nicht so vernünftig und besonnen sein, wie sein Image in der Öffentlichkeit vorgab. Für mich wurde er zu einem weiteren reichen Mistkerl, der überzeugt war, sein Geld gäbe ihm Privilegien, die über geltendes Gesetz weit hinausreichten.

So ein blöder Hund. Er hatte mein Boot ruiniert, meine Anlegestelle gestohlen, aber ich wollte verflucht sein, wenn er auch mein Dingi stehlen konnte. Ich beschloss, das Beiboot wieder in meinen Besitz zu nehmen und damit bei Ebbe zum Pub im Dorf zu rudern. «Hallo!», rief ich laut. Keine Antwort. Ich schlug gegen die Seitenwand des Hausbootes, aber niemand schien an Bord zu sein.

In das Bootshaus gelangte man entweder über das Wasser oder durch eine Tür vom Garten aus. Ich musste die Gartentür benutzen, die mit einem Vorhängeschloss gesichert war. Ich verharrte einen Moment, grübelte über die Rechtslage nach, entschied mich dann aber gegen die Möglichkeit, dass Bannister das Dingi sichergestellt hatte, um es bis zu meiner Rückkehr aufzubewahren. Die Existenz seines scheußlichen Hausbootes an meiner Anlegestelle wies auf anderes hin, und so entschloss ich mich einzubrechen.

Mein Rücken schmerzte schauderhaft, als ich einen schweren Stein aufhob und damit gegen das Metallschloss hämmerte. Die Geräusche meines Angriffs hallten dumpf vom kurzgeschorenen Rasenhang unter dem alten Haus meines Vaters wider. Sechs kräftige Schläge waren nötig, bis die Haspe aus dem Holz riss und die Tür aufsprang.

Ich trat ein und sah, dass die Wildtrack II sanft in der fallenden Flut schaukelte. Das Boot war vom Windschirm bis zu den massiven Zwillingsmotoren am Heck mit einer grünen Persenning verhüllt. Der Bug, scharf wie die spitze Nase eines Kampfjets, war glänzend verchromt. Das Boot war ein Monstrum, ausgebrütet von der Gier nach Vulgarität, und mein Vater hätte jeden Zentimeter an ihm geliebt.

Ich humpelte über das innere Dock des Bootshauses. Meine Baumwollsegel, noch immer in ihren Säcken, waren neben meinem Anker an einer Wand gestapelt. Die Leinensegelsäcke trugen den Namen Sycorax. Ich bückte mich, pfiff vor Schmerz durch die Zähne und spürte die verräterische Feuchtigkeit in den Säcken. Dieser verdammte Bannister, dachte ich. Gott verfluche seine Habgier!

Ich fand zwei Riemen, warf sie in mein Dingi und kletterte dann vorsichtig über das Schutzgeländer aus rostfreiem Stahl an Deck der Wildtrack II. Das Boot erzitterte unter meinem Gewicht. Ich stellte fest, dass die beiden Springtaue, die mein Dingi am Motorboot festhielten, unter der Persenning irgendwie mit Klampen befestigt waren. Also begann ich, den steifen Stoff aufzuschnüren und von dem Windschirm zurückzurollen. Als die Umhüllung zurückgefaltet war, trat ich zum schwarzen Ledersitz des Steuermanns hinunter.

Und fand meine Springluken.

Und meine Funkgeräte. Das Hochfrequenzradio und das Kurzwellengerät waren da – beide kurzgeschlossen.

Die Funkgeräte befanden sich in einem Haufen anderer Gegenstände, die in zwei Teekisten gestapelt unter der Persenning versteckt gewesen waren. Die meisten Dinge stammten von anderen Yachten. Da waren Echolote, elektronische Logs, Hochfrequenzausrüstungen, Kompasse und sogar Lewmar-Winsche, die von den Decks vertäuter Boote sorgsam entfernt worden sein mussten. Es ist wenig einträglich, in England Boote zu stehlen, weil die Registrierung so gut ist, aber es war schon immer gewinnbringend, von ihnen die Wertsachen zu plündern. Ich starrte auf die Kisten und schätzte, dass ihr Inhalt zwischen drei- und viertausend Pfund auf dem Schwarzmarkt bringen würde. Warum in Gottes Namen gab sich ein Mann, der so reich wie Bannister war, mit krummen Geschäften ab?

«Keine Bewegung!»

Die Stimme kam von der Tür, die ich aufgebrochen hatte.

Ich drehte mich um.

«Keine Bewegung, habe ich gesagt, du Bastard!» Der Mann schrie, so wie wir geschrien hatten, wenn wir in irgendeiner nordirischen Hinterstraße in ein Haus eingedrungen waren. Das erste Kommando ließ die Menschen drinnen stets erschreckt hochfahren, und wir schrien den zweiten Befehl, um sie erstarren zu lassen.

Ich erstarrte.

Der Mann stand als Silhouette im Türrahmen. Die Sonne schien hell auf den fahlen Rasen hinter ihm, während das Bootshaus in tiefem Schatten lag, sodass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Ich sah nur, dass er riesig war, weit über eins achtzig groß, mit muskelbepackten Schultern und einem kurzgeschorenen Schädel. Mit Sicherheit war es nicht Bannister, der mir da gegenüberstand. Der Mann trug eine doppelläufige Schrotflinte, die auf meine Brust gerichtet war.

«Was machen Sie da?» Er hatte eine harte und knarrende Stimme, die seine Worte abrupt kurz klingen ließ. Der Akzent war der des Bankerts der niederländischen Sprache: Afrikaans.

«Ich nehme mein Eigentum wieder an mich», stellte ich fest.

«Sie haben das Schloss aufgebrochen und sind eingedrungen», korrigierte der Südafrikaner. «Sie sind ein beschissener Dieb, Mann. Kommen Sie her!» Er fuchtelte mit der Waffe, um seiner Anordnung Nachdruck zu verleihen.

«Warum verpissen Sie sich nicht?» Ich hätte nicht so aggressiv reagieren sollen, nicht in meinem geschwächten Zustand; aber ich war sauwütend über das, was mit der Sycorax geschehen war. Ich bückte mich zum Bugspringtau meines Dingis und riss es aus der Stahlklampe.

Die Wildtrack II schaukelte heftig, als der Mann auf das Vordeck sprang. Die Bewegung brachte mich ins Schwanken, und ich musste mich am Radarschirm festhalten – gerade als er mit seiner linken Hand über den Windschirm griff. Ich fing die Hand mit meinen Fingern in dem instinktiven Versuch ein, ihn auf mich zuzuziehen und aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Ich hatte vergessen, wie wenig Kraft in meinen Beinen war. Ich zog ein bisschen, und dann gab mein rechtes Knie nach. Ich stolperte zurück zu den Teekisten. Der Südafrikaner lachte, und ich sah den stumpf glänzenden Metalllauf seiner Waffe auf mich zukommen.

Ich hatte keine Balance, ich konnte nicht parieren, und der Lauf bohrte sich wie eine Ramme gegen meine Rippen. Mit den Fingern stieß ich nach seinen Augen, aber meine Koordination war gleich null. Die Waffe kam erneut auf mich zu, warf mich zurück. Und dann ergriff er verächtlich mein Jackett, um mich aus dem Cockpit zu zerren.

Ich hörte mich schreien, als mein Rücken über die Oberkante des Windschirms glitt. Ich schlug nach ihm, aber das musste ihn erheitert haben, denn er ließ ein merkwürdig feminines, hohes Kichern hören, bevor er mich wie Müll auf das Dock warf. Ich landete auf meinen eigenen Segelsäcken, die nicht weich genug waren, um zu verhindern, dass der Schmerz wie glühender Phosphor meine Beine hinunterfuhr. Die Flinte drückte erneut gegen meine Rippen.

Er stand über mir. Überzeugt davon, mir eine Niederlage beigebracht zu haben, ließ er die Waffe sinken. «Stehen Sie auf», meinte er knapp.

«Hören Sie, Sie Bastard …» Mühsam schob ich mich in die Senkrechte, aber der Schmerz schlug wie eine Kugel in meinen Rücken. Ich ächzte und stürzte zurück. Ich wollte darauf bestehen, nicht notwendigerweise höflich, dass der Südafrikaner mir half, mein Eigentum aus dem Bootshaus zu schaffen, aber der Schmerz drückte mir die Kehle zu.

Mein sich windender, ächzender Körper muss ihm Angst eingejagt haben. «Stehen Sie auf.» Er machte eine Pause. «Sie machen mir was vor, Sie Weichei.» Besorgnis klang aus seiner Stimme. «Sie sind nicht verletzt, Mann. Ich habe Sie doch kaum angerührt.» Er versuchte, sich selbst zu überzeugen.

Er muss sich zu mir heruntergebeugt haben, denn ich erinnere mich an seine Hände unter meinen Oberarmen und auch daran, dass er mich hochgezogen hat. Er ließ mich los, und ich versuchte, mein rechtes Bein zu belasten, aber es war wacklig wie Pudding. Ich stürzte erneut, und diesmal muss mein geschundener Rücken vom hoch stehenden Ankerflügel aufgespießt worden sein.

Und ich schrie mich in eine segensreiche Ohnmacht.

 

Als ich wieder zu mir kam, sah ich über mir eine cremefarbene Decke. Da war kein Haarriss; stattdessen waren da zwei hell fluoreszierende Röhren, die eingeschaltet waren, obwohl Tageslicht durch ein großes Fenster rechts von mir zu kommen schien. Ich konnte die Töne eines Kardiographen hören. Links von mir stand ein Chromgestell, von dessen Haken Kochsalzlösung tropfte. In meinem linken Nasenloch steckte ein Schlauch, der sich dick und würgend meine Speiseröhre entlangschob. Zwei ernste Gesichter waren über mich gebeugt. Eins gehörte einer Schwester, das andere einem Arzt, der mit einem Stethoskop gegen meine Brust drückte.

«Großer Gott», sagte ich.

«Sprechen Sie nicht.» Der Arzt nahm das Stethoskop aus den Ohren und begann meine Rippen zu betasten.

«Lieber Himmel!» Plötzlich spürte ich den Schmerz. Nicht den alten Schmerz, sondern einen neuen, in meinem Oberkörper.

«Ich sagte, Sie sollen nicht sprechen.» Der Arzt trug eine Halbbrille. «Können Sie die Finger Ihrer rechten Hand bewegen?» Ich versuchte es – offenbar erfolgreich, denn er nickte zufrieden. «Nun die linke. Das ist gut. Das ist sehr gut.» Sein Gesicht spiegelte den Optimismus seiner Worte nicht wider. «Wenn Sie sprechen», riet er, «dann machen Sie es sehr vorsichtig. Können Sie uns Ihren Namen sagen?»

«Meinen Namen?» Ich war verwirrt.

«Sie hatten keinerlei Papiere bei sich, als man Sie gefunden hat. Sie sind hier im South Devon General Hospital. Können Sie sich an Ihren Namen erinnern?»

«Sandman», sagte ich. «Nick Sandman.»

Er schien den Namen nicht zu kennen. «Das ist gut, Nick.» Während ich sprach, hatte er meine Rippen befühlt, aber jetzt beugte er sich vor, um mir in die Augen zu leuchten. «Wo wohnen Sie?»

«Hier», sagte ich, wohl wissend, dass das keine hilfreiche Antwort war. Aber plötzlich verschmolz der neue Schmerz mit dem alten, durchfuhr mich, ließ mich den Rücken krümmen. Ich sah, dass die Hand des Arztes zum Tropf schoss, und wusste, was geschehen würde. Aber ich wollte jetzt nicht schlafen. Ich wollte wissen, wie schwer verletzt ich war. Und so versuchte ich zu protestieren, aber kein Wort kam über meine Lippen. Ich sah, dass mich die Schwester stirnrunzelnd betrachtete, und ich wollte ihr versichern, dass ich schon Schlimmeres durchgemacht hatte, viel Schlimmeres, aber ich konnte nicht sprechen, weil ich wieder in den weichen, dunklen und vertrauten Tunnel pharmazeutischen Schlafs fiel.

Wo ich von der Sycorax träumte. Nachts, wenn das Nachleuchten in ihrem wirbelnden Kielwasser funkelte, setzte ich gern ihre Ruderpinne fest und ging nach vorn. Ganz nach vorn, an der Kanzel vorbei, bis ich auf dem Bugspriet stand und mich am Fockstag festhielt. Dort drehte ich mich um und sah sie mir an. Davon träumte ich jetzt, allerdings hatte ich in meinem Traum zwei gesunde Beine. Ich träumte, ich stehe auf dem Bugspriet und betrachte die schlanke Schönheit eines leeren Schiffskörpers, der durch dunkle Wasser treibt und einen pfeilförmigen Pfad aus Licht unter den Sternen hinterlässt.

So sollte die Sycorax ewig segeln; die glitzernde See durchschneidend und – getrieben von den stetigen Winden der Nacht – frei.

 

Die Sycorax wurde an meinem Fluss als Spielzeug für einen reichen Mann, aber von Männern gebaut, die lediglich wussten, wie ein Fischerboot konstruiert wurde. Sie hatte die Linienführung einer Schute, eines Brixham Mule, mit ihrem geraden Bug, dem überhängenden Heck, ihrem Großmast und niedrigem Besan. Das Design war alt und von Männern erprobt, die die gefährlichen Western Approaches bewältigt hatten. Sie war ein ehrliches Boot, robust und funktionell, aber auch schön durch ihre elegante, überhängende Gillung und die Qualität ihrer Ausstattung. Ihr erster Eigner, an Schnelligkeit nicht besonders interessiert, hatte ein Kreuzfahrtboot in Auftrag gegeben, das sich verbissen durch die schlimmsten Wasser kämpfen konnte.

Die Sycorax hatte fünf gute Jahre hinter sich, als die Wirtschaftskrise zuschlug. Ihr reicher Eigner verkaufte sie, und dann bekam sie bis 1932 Jahr für Jahr einen neuen Besitzer, für die sie entweder zu langsam oder zu teuer im Unterhalt war. So wurde die Sycorax von Sommer zu Sommer schäbiger. Ihre Beschläge waren angelaufen, die Segel verschlissen und die Farbe abgeblättert. Aber die Kupferummantelung hielt ihre Rumpfplanken so intakt und trocken wie an dem Tag, an dem sie kalfatert worden waren.

Mitte der dreißiger Jahre wurde sie zum Arbeitsboot. Aus ihrer Kabine wurden alle Luxusgegenstände entfernt, und sie wurde so verkleinert, dass nur eine winzige Kajüte hinter dem Großmast blieb. Ihr langes, überhängendes Heck kürzte man ein und verzichtete auf den Besan. Das alles muss sie auf See zu einem sehr unausgeglichenen Wesen gemacht haben, aber sie ertrug die schlechte Behandlung wie die sture Hexe, die sie nun einmal war. Man änderte auch ihren Namen – etwas, was durchaus Unglück hätte bringen können, aber als The Girl Pauline kreuzte sie fünf Jahre lang sicher vor den Gestaden Devons. Der Krieg machte dem ein Ende. Sie wurde in Schräglage auf die Sandbank von Dawlish Warren gesetzt und aufgegeben. Man riss ihr das oxidierte Kupfer vom Rumpf, entfernte das Blei vom Kiel. Soldaten, die sich auf die Invasion in der Normandie vorbereiteten, benutzten das Boot als Zielscheibe. Ihre Planken rissen, und Regen sickerte in die Eichenspanten und ließ sie faulen.

In den sechziger Jahren entdeckte sie mein Vater auf der Sandbank. Damals machte er sein Geld, viel Geld, so viel Geld, dass er kaum wusste, was er damit anfangen sollte. Seine Geschäfte auf dem Londoner Immobilienmarkt hatten ihm einen Rolls eingebracht, zwei Jaguar, drei Maserati und zwei Nicholson-Motorkreuzer, die vor unserem Haus am Flussufer lagen. Das war das Haus in Devon, in dem ich geboren worden bin. Es gab auch ein Haus in London, eins in Berkshire und eine Wohnung am Hafen von St. Tropez. Aus irgendeinem Grund hatte mein Vater Lust, seine Flotte um eine alte Yacht zu bereichern. Er liebte auffällige Dinge wie schnelle Autos, stark geschminkte Frauen und einen Sohn in Eton. Mein älterer Bruder trug eine feine Weste in Eton, aber zu meiner Erleichterung wollte dieses College mich nicht haben. Ich war zu still, zu langsam und musste auf eine Boarding School für kleine Dummköpfe geschickt werden, auf der ich in Unwissenheit zufrieden vor mich hin dämmerte.

Ich interessierte mich nur für Schiffe, und in jenem langen Sommer, bevor ich auf meine Trottelschule musste, half ich dabei, die Sycorax auf der Werft zu restaurieren, auf der sie das Licht der Welt erblickt hatte. Wie der erste Eigner ordnete auch mein Vater an, dass an nichts gespart wurde. Sie sollte in alter und hinreißender Schönheit wiedererstehen.

Ihr Schiffskörper wurde mit Liebe und fast vergessenem Können repariert. Ich half die Planken zu kalfatern und lernte das uralte Geräusch von Holzhämmern kennen, deren Schläge von Hafenmauern widerhallen. Wir teerten und polierten sie mit Sandpapier, verkleideten sie mit neuem Kupfer, sodass sie glänzte wie ein Boot aus purem Gold. Wir verlängerten das gestutzte Heck, um die Doppelstützen für den neuen Besan unterbringen zu können. Teakdecks wurden genutet und eine neue Kabine gebaut, in der all die von meinem Vater gesammelten Messinggeräte liebevoll installiert wurden.

Neue Masten wurden geschnitten, sorgsam auf der Nordseite eines Fichtenwaldes ausgewählt, sodass das Kernholz des Stammes genau in der Mitte saß und nicht etwa an der Südflanke des Waldes von der Sonne verzogen war. Ich half den Bootsbauern, die Fichten mit dem Breitbeil zu bearbeiten, bis zwei Baumstämme zu glatten und schimmernden Masten geworden waren. Wir tränkten sie mit Leinöl und Paraffin und trugen dann eine Schicht Lack nach der anderen auf. Wenn ich die Augen schließe, kann ich noch immer den fertigen Großmast auf seinen Böcken liegen sehen – gerade wie ein Pfeil und in der Sonne glänzend.

Segel wurden gemacht, Tau in Tuch geschert, Öllampen poliert, und auf den Schlippen einer Werft in Devon erwachte ein totes Boot zu neuem Leben. Sein alter Name wurde tief in das neue Heck eingeschnitten und dann golden ausgemalt: Sycorax. Ein Dieselmotor wurde in ihrem Hinterbauch installiert, und es kam der Tag, an dem sie von Stroppen in das schmutzige Wasser des Werftdocks gehoben wurde. Sie musste noch aufgetakelt werden, aber als ich sah, wie der Schiffskörper im Seetang der Flut trieb, schwor ich, dass sie mein Boot fürs Leben werden würde.

Mein Vater bemerkte meine Hingabe und war amüsiert. Aber nachdem sie vom Stapel gelassen worden war, verlor er das Interesse an der Sycorax. Sie war so schön, wie er es sich vorgestellt hatte, aber sie war nicht das langsame, gefügige Fahrzeug, das er sich erträumt hatte. Er wollte ein Boot für ausgedehnte Sonnenuntergänge mit Gin und dahinschmelzenden Mädchen, aber die Sycorax konnte eine sture Hexe sein, wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hatte. Sie war ein zäher Seemann in steifen Seewinden und zu langkielig für leichtes Kreuzen auf dem Fluss. Mein Vater hätte sie verkauft, aber er hatte es noch nie ertragen können, sich von schönen Dingen zu trennen. Und die Sycorax war atemberaubend schön mit ihrem schimmernden Messing und glänzendem Lack. Er vertäute sie unter dem Haus wie eine Gartendekoration. Nur selten fuhr er sie mit Motorkraft den Fluss hinauf, aber ich war der Einzige, der sich die Mühe machte, ihre Segel zu setzen. Jimmy Nicholls und ich nahmen sie aufs Meer hinaus und richteten ihren Bug gegen die gewaltigen Wellen, die vom Atlantik heranrollten. Sie konnte verdammt starrköpfig sein, aber Jimmy sagte, sie wäre ein feines, seetüchtiges Boot – einzigartig in ganz Devon. «Sie ist nur eigensinnig, wenn du gegen sie kämpfst, Junge», sagte er in seinem ausgeprägten Devon-Dialekt. «Lass ihr ihren Willen, und sie wird für dich sorgen.»

Sechs Jahre nachdem die Sycorax zum zweiten Mal zu Wasser gelassen worden war, trat ich in die Armee ein. Selten habe ich meinen Vater so wütend erlebt. «Himmeldonnerwetter noch einmal!», hat er geschrien. «Die Armee?» Es entstand eine Pause, und dann schlich sich ein vorsichtig-hoffnungsfroher Klang in seine Stimme: «Bei den Guards?»

Nein, nicht bei den Guards.

«Warum gehst du denn nicht zur verdammten Navy? Du segelst doch gern, oder? Ist schließlich so etwa das Einzige, was dir Spaß macht. Das und eigene Wege zu gehen.»

«Auf großen Schiffen habe ich keine Freude daran.»

«Du verschwendest dein Leben!»

Ich mag vielleicht nicht besonders gescheit gewesen sein, aber mein Vater dachte, ich könnte mir meinen Lebensunterhalt in der Finanzwelt, an der Börse oder mit einer der Nadelstreifenformen von Diebstahl verdienen, in denen er und mein Bruder sich so auszeichneten.

Ich trat in die Armee ein, fuhr aber noch immer nach Devon, holte die spröden Baumwollsegel vom Boden des Bootshauses und fuhr mit der Sycorax aufs Meer hinaus. Ich heiratete Melissa und nahm sie für lange Wochenenden ins Haus am Fluss mit. Aber mein Vater hatte immer weniger Zeit für uns. Später entdeckte ich den Grund. Er lieh Geld, das er trotz Versprechen nicht zurückzahlen konnte. Er verkaufte mir sogar die Sycorax wie auch den Liegeplatz, um an etwas Geld zu kommen. Sein Kampf wurde immer verzweifelter und exzentrischer – und er verlor ihn. Er bekam sieben Jahre. Ein hartes Urteil, aber der Richter hatte klarstellen wollen, dass auch ein in einem Büro begangenes Verbrechen eine Straftat war. Aber zu diesem Zeitpunkt schipperte ich in den Südatlantik, und alles veränderte sich.

Nur die Sycorax nicht. Sie war jetzt alles, was ich hatte, und alles, was ich wollte.

 

«Sie erinnern sich nicht mehr an mich, was?» Ein hochgewachsener, dürrer Mann in einem schäbigen grauen Anzug trat an mein Bett. Er war in seinen Fünfzigern, sah aber älter aus. Er hatte gelbe Zähne, blutunterlaufene Augen, dünnes graues Haar und ein kummervolles Gesicht mit Rasierschnitten.

«Selbstverständlich erinnere ich mich an Sie», entgegnete ich. «Detective Sergeant Harry Abbott. So appetitlich wie eh und je.»

«Inzwischen Inspector Abbott.» Er war erfreut, dass ich ihn nicht vergessen hatte. «Wie geht es Ihnen, Nick?»

«Mir geht es verdammt gut.» Es war kompliziert für mich, deutlich zu sprechen, weil der Schmerz in der Brust das Atmen erschwerte. «Wenn es trocken bleibt, könnte ich eine kleine Radtour machen.»

«Es regnet nicht», erklärte Abbott düster. «Es ist zur Abwechslung sogar mal recht frühlingshaft. Was dagegen, wenn ich rauche?» Er zündete sich unverzüglich eine Zigarette an. Abbott pflegte mit meinem Vater Golf zu spielen, der mit den örtlichen Gesetzeshütern gern auf gutem Fuß stand. Mein Vater hat ihrem Klatschbedürfnis Nahrung gegeben und sich auf ihre Hilfe verlassen, wenn er sich angetrunken hinters Steuer setzte. Er gab tolle Partys, mein Vater. Sie waren eine Meile flussaufwärts zu hören, aber nie gab es irgendeine Beschwerde; nicht solange die Polizei vor Ort von ihm so angetan war. «Schon die Mittwochzeitungen gesehen?», wollte Abbott jetzt von mir wissen.

«Nein.»

Er hielt mir ein Boulevardblatt vor die Nase. «VC-Held der Falklands in TV-Tonys Versteck überfallen», stand da. Auf der Titelseite. Da war ein Foto von mir in Uniform, ein großes Bild von Anthony Bannister und eines vom Haus. «Verdammt», sagte ich.

«Mister Bannister hat sich in London aufgehalten.» Abbott faltete die Zeitung zusammen. «Also war er es nicht, der Sie so zugerichtet hat.»

«Es war ein Südafrikaner.»

«Habe ich mir schon gedacht.» Abbott zeigte keine Überraschung und wenig Interesse. Er zupfte eine Weintraube vom Strang neben meinem Bett und spuckte die Kerne auf den Fußboden. «Ein großer Typ?»

«Gebaut wie eine Schaluppe.»

Abbott nickte. «Fanny Mulder. Er ist Mister Bannisters professioneller Skipper.» In den letzten beiden Worten lag grenzenloser Hohn.

«Fanny?»

«Francis, aber überall Fanny genannt. Hat sich natürlich abgesetzt. Ist wahrscheinlich inzwischen in Frankreich. Oder in Spanien. Oder ist ins Vaterland zurückgekehrt. Wie auch immer; er wird abwarten, dass sich die Dinge ein bisschen beruhigen, bevor er wiederkommt.» Abbott starrte mir ins Gesicht. «Er hat Sie richtig rangenommen, was?»

«Er hat mir meine Brieftasche geklaut. Und meine Tasche. Und alles von meinem Boot.»

«Er hat verdammt versucht, Sie umzubringen, was?» Abbott klang nicht allzu besorgt. «Er hat Sie am Ufer abgeladen und wahrscheinlich gehofft, dass die Flut Sie hinausträgt. Irgend so ein Zahnarzt hat Sie gefunden. Mister Bannister behauptet, Sie wären in sein Bootshaus eingebrochen.»

«Er hat mein verdammtes Dingi dadrin!» Ich hatte zu heftig protestiert, und der Schmerz in meiner Brust peitschte mich wie der Rückstoß eines durchgescheuerten Stahlkabels. Ich musste gemein husten. Tränen traten mir in die Augen.

Abbott wartete, bis ich mich beruhigt hatte. «Mister Bannister möchte, dass das alles möglichst nicht so hoch gehängt wird. Klar.»

«Klar?»

«Nicht gerade gut fürs Image, oder? Er will nicht, dass die Schundblätter schreiben, ein Kriegsheld ist von einem seiner Lieblingsgorillas zusammengeschlagen worden. Für Mister Bannister ist das Image sehr wichtig. Er ist einer von diesen Kerlen, die sich in einen Bombersitz schnallen, nur um eine verdammte Makrele zu fangen.» Abbott lachte verächtlich. «Sie kennen den Typ, Nick; ein verdammter Londoner, der an den Wochenenden herunterkommt, um uns dämlichen Einheimischen zu zeigen, wo’s langgeht.»

«Sagt man nicht, er sei ein brillanter Segler?», fragte ich.

«Seine Frau war es. Sie hat darauf bestanden, das Haus in Devon zu kaufen. Sie war sehr häufig hier und dann fast immer nur segeln.» Abbott zog die Schublade des Nachttisches auf und schnippte ein langes Stück Asche hinein. «Ich habe sie nicht besonders gemocht. Amerikanerin.» Er setzte das letzte Wort hinzu, als würde es seine Abneigung erklären, und blies dann ein Rauchwölkchen gegen meinen Tropf. «Ihr alter Herr fehlt mir, Nick.»

«Nicht überraschend, wenn man bedenkt, wie großzügig er den Waisen- und Champagnerfonds der Polizei bedacht hat.»

Abbott rümpfte missbilligend die Nase. «Haben Sie Ihren Vater besucht, Nick?»

«Ich hatte keine Zeit», sagte ich und dann, um das Thema zu wechseln: «Wann hat Bannister das Haus gekauft?»

«Vor wenigen Jahren. So lange haben die Gerichte gebraucht, um das Chaos Ihres alten Herrn zu sortieren.»

«Hat Bannister mein Boot aus dem Wasser geholt?»

«Weiß der Himmel.» Abbott schien das nicht zu bekümmern. «Hätte jeder getan haben können. In diesem Winter ist eine Menge Schaden auf dem Fluss angerichtet worden. Das Übliche. Funkgeräte und Lote wurden geklaut.»

«Das war Mulder», stellte ich fest. «Im Bootshaus waren Kisten voll mit allem möglichen Zeug. Einschließlich meiner Ausrüstung.»

«Wird kaum noch da sein, oder?», meinte Abbott sorglos. «Er hat sicher alles zu George Cullen geschafft. Erinnern Sie sich an George?»

«Natürlich erinnere ich mich an George.»

«Er hat sich nicht geändert. Mulder macht mit Georgie krumme Geschäfte, aber es ist schwer zu beweisen.»

«Ich habe angenommen, wir Steuerzahler bezahlen Sie dafür, dass Sie schwierige Fälle lösen.»

«Nicht mein Job, Nick. Nicht mein Job.» Abbott ging zum Fenster und starrte mürrisch in den wolkenlosen Himmel. «Ich bin inzwischen vom Verbrechen weg.»

«Wo sind Sie jetzt? Verkehrsvergehen? Verteilen Sie Strafzettel an Grockles?» Grockles waren Touristen.

Abbott ignorierte die Häme. «Ich werde der Kripo von dem gestohlenen Zeug erzählen, Nick. Natürlich werde ich das tun. Aber ich bezweifle, dass die irgendetwas unternehmen. Ich meine, reiche Typen, deren glänzende Yachten ausgeraubt werden, stehen nicht gerade ganz oben auf unserer Prioritätenliste. Nicht solange Witwen und Waisen beraubt werden. Witwen und Waisen neigen dazu, nicht versichert zu sein, müssen Sie wissen; anders als die flüssigen Reichen.»

«Mein Boot war nicht versichert. Meine Frau hat vergessen, mir die Vertragsverlängerung zum Unterschreiben nachzusenden.»

«Sie sind ein verdammter Narr», stellte Abbott fest.

«Es war nicht leicht für Melissa, an alles zu denken, wenn sie sich amüsierte. Abgesehen davon», zuckte ich mit den Schultern, «sollte Jimmy Nicholls nach der Sycorax sehen.»

«Jimmy ist seit November im Krankenhaus gewesen», sagte Abbott und erklärte damit, warum die Sycorax entfernt worden war. «Ein Emphysem. Er raucht zu viel.» Er sah auf seine Zigarette hinunter, zuckte mit den Schultern und nahm sich eine weitere Weintraube. «Haben Sie Ihre Kinder gesehen?»

«Sie haben mich im anderen Krankenhaus besucht.» Ich fragte mich, warum Abbott dringenderen Themen so absichtsvoll aus dem Wege ging. «Werden Sie Mulder belangen?», wollte ich wissen.

«Ich bezweifle es, Nick. Ich bezweifle es. Würde doch kaum etwas bringen, oder?»

«Guter Gott! Er hat mir meine gesamte Ausstattung gestohlen!»

«Schwer zu beweisen. Sie könnten ihn wegen Körperverletzung anzeigen, wenn Sie das wollen.» Abbott klang nicht begeistert.

«Warum nehmen Sie ihn nicht fest?»

«Sie sind derjenige, der die Sache einleiten muss», führte Abbott logisch aus. «Nicht ich.»

«Sind Sie denn nicht gehalten, gegen ihn vorzugehen?»

«Ich habe es Ihnen doch schon gesagt. Ich bin nicht mehr für Verbrechen zuständig. Ich bin aus freien Stücken hergekommen, um mit Ihnen zu plaudern. Der guten alten Zeiten wegen.»

«Vielen Dank, Harry», sagte ich spöttisch.