Hat die Wissenschaft Gott begraben? - John Lennox - E-Book

Hat die Wissenschaft Gott begraben? E-Book

John Lennox

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Beschreibung

Wenn man Richard Dawkins und anderen glauben soll, dann hat die moderne Wissenschaft Gott in die Ecke gestellt, "umgebracht" und schließlich begraben. Der Atheismus sei die einzig legitime Denkposition und die Vorstellungen von einem Schöpfer- und Erhaltergott eine verzichtbare Hypothese, die die Wissenschaft nur behindert. In diesem anregenden und provozierenden Buch lädt der bekannte Mathematiker John Lennox ein, solche Thesen ernsthaft zu überdenken. Gott passt viel besser in die moderne Wissenschaft, als es sich manche Ideologen träumen lassen. Eine durchgesehene und umfassend ergänzte Neufassung des seit Jahren bekannten Longsellers! "Ein Muss für alle, die über die großen Fragen des Lebens nachdenken" Alister McGrath Stand: 9. Gesamtauflage 2009

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John Lennox

Hat die Wissenschaft

Gott begraben?

Eine kritische Analyse

moderner Denkvoraussetzungen

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Dieses Buch erscheint in der Reihe »Glaube und Wissenschaft«

des INSTITUTS FÜR GLAUBE UND WISSENSCHAFT

Herausgeber der Reihe ist Dr. Jürgen Spieß

Titel der Originalausgabe: God’s Undertaker – Has Science Buried God?

Published by Lion, Oxford

Copyright © 2009 John C. Lennox

Bibelzitate folgen der »Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift«, © 1980, Katholische Bibelanstalt Stuttgart

Dieses Buch basiert auf Vorträgen zum Thema Glaube, Vernunft und Wissenschaft im Rahmen einer Vorlesungsreihe am Department for Continuing Education an der Universität Oxford und am Institut für Philosophie an der Universität Salzburg. Es versucht, die Argumente der modernen Wissenschaft in der Debatte zwischen der atheistischen und theistischen Deutung des Universums zu beurteilen und eine Grundlage für Diskussionen zu schaffen.

Deutsch von Ursel Schmidt

9. Gesamtauflage

© 2009 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten

Umschlag: Krausswerbeagentur.de, Herrenberg

Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg

Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

ISBN 978-3-417-21949-4 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26261-2 (lieferbare Buchausgabe)

Bestell-Nr. 226.261

Datenkonvertierung E-Book:

Fischer, Knoblauch & Co. Medienproduktionsgesellschaft mbH, 80801 München

»Eine glänzend begründete Neueinschätzung der Beziehung zwischen Wissenschaft und Religion, die ein begrüßenswert neues Licht auf die aktuelle Debatte wirft. Für jeden, der über die größten Fragen des Lebens nachdenkt, ist dieses Buch ein Muss.«

Alister E. McGrath, MA DPhil DD,

Professor für Historische Theologie an der Universität Oxford und

Senior Research Fellow am Harris Manchester College

»Dieses Buch ist mehr als nur eine kritische Analyse der im Titel tiefgründig gestellten Frage. Es ist eine wissenschaftliche Detektivgeschichte, die die volle Aufmerksamkeit des Lesers fesselt, während ein Beweis nach dem anderen geführt wird. Ganz im Stile Hercule Poirots gelangt John Lennox zu seinem abschließenden Fazit, indem er eine Antwort liefert, die die aus seiner Sicht einzig mögliche Lösung aus den zusammengetragenen Beweisen ist. Wer zu Beginn des Buches denkt, die Antwort auf die Titelfrage sei ›Nein‹, wird an der beachtlichen Beweissammlung Gefallen finden. Denkt jemand zu Beginn, die Antwort laute ›Ja‹, dann ist er am Ende des Buches vielleicht nicht vom Gegenteil überzeugt, aber er wird sicher mit vielen Herausforderungen konfrontiert und erhält Gedankenanstöße, die die eigene Argumentation entkräften. Zu welchem Schluss man auch kommt, es ist unmöglich, die Lektüre nicht anregend zu finden.«

Keith Frayn, PhD ScD FRCPath,

Professor für Innere Medizin mit Schwerpunkt Stoffwechsel

an der Universität Oxford

»Für mich als Agnostiker (›Nicht-Wissender‹ im eigentlichen Sinne des Wortes) war dieses Buch von John Lennox faszinierend und bot eine Menge Stoff zum Nachdenken. Die Beziehung zwischen der Wissenschaft, sowohl im Bereich der Biologie als auch der Kosmologie, und dem christlichen Glauben wird eingehend diskutiert. Indizien werden sorgfältig abgewogen, um die Ansicht, die beiden Denkansätze seien unvereinbar, zu hinterfragen. Der Autor ist ein engagierter Christ und ein international anerkannter Mathematiker. Kann er den Leser mit seinen Argumenten überzeugen? Dies zu beurteilen, überlasse ich anderen. Unabhängig, zu welcher Schlussfolgerung man kommt, man muss zugeben, dass es ein gut geschriebenes und anregendes Buch ist, das zur argumentativ geführten Diskussion mit der grundlegenden Frage beiträgt: ›Hat die Wissenschaft Gott begraben?‹«

Alan Emery, MD PhD DSc FRCP FRCPE FRSE FRSA,

Professor emeritus für Humangenetik an der Universität Edinburgh

»Hat die Wissenschaft Gott begraben? von John Lennox ist ein wichtiger und aktueller Beitrag zu der Debatte und zu den Fragen über den Ursprung des Universums und seiner physikalischen Gesetze, über die Entstehung der komplexen biologischen Strukturen und – wenn es sie gibt – der Bestimmung des Menschen. Es gibt einige (sowohl religiöse Menschen als auch Materialisten), die den Eindruck vermitteln, dass wir Antworten auf diese sehr grundlegenden Fragen haben und, was bedenklich ist, sie versuchen sogar die Debatte abzuwürgen und zu zensieren. Meiner Meinung nach sollten wir weitere niveauvolle Debatten über die Entstehung der Menschheit anregen, anstatt länger Diskussionen zu hemmen. Deshalb halte ich es für wesentlich, dass Manuskripte wie Hat die Wissenschaft Gott begraben? publiziert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit jeder selbst urteilen kann.«

Chris Paraskeva, BSc DPhil,

Professor für Experimentelle Onkologie an der Universität Bristol

Für Sally, ohne deren Liebe, Ermutigung und Unterstützung dieses Buch – und vieles andere – nie beendet worden wäre.

Vorwort

»Was ist der Sinn des Ganzen?«

Richard Feynman

Warum gibt es etwas und nicht nichts? Warum, vor allem, gibt es ein Universum? Woher kam es und wohin – wenn es ein Wohin gibt – steuert es? Ist es selbst die eigentliche Wirklichkeit, hinter der nichts mehr kommt, oder gibt es etwas darüber hinaus? Stellen wir uns mit Richard Feynman die Frage: »Was ist der Sinn des Ganzen?«, oder hatte Bertrand Russell recht, als er sagte: »Das Universum ist einfach da, und das ist alles«?

Diese Fragen haben nichts von ihrer Kraft verloren, die menschliche Fantasie anzuregen. Angespornt von dem Wunsch, den Mount Everest des Wissens zu erklimmen, haben uns Wissenschaftler bereits spektakuläre Einblicke in das Wesen unseres Universums ermöglicht. Auf der Skala des unvorstellbar Großen überträgt das Hubble-Weltraumteleskop aus seiner Umlaufbahn über der Atmosphäre überwältigende Himmelsbilder. Auf der Skala des unvorstellbar Kleinen deckt das Rastertunnelmikroskop die unglaublich komplexe Molekularbiologie der belebten Natur mit seinen informationsreichen Makromolekülen und seinen mikroskopisch kleinen Proteinfabriken auf, deren Komplexität und Präzision selbst die hoch entwickelten menschlichen Technologien im Vergleich dazu als unausgereift erscheinen lassen.

Sind wir und das Universum mit seiner Fülle an galaktischer Schönheit und subtiler biologischer Komplexität nichts anderes als das Produkt irrationaler Kräfte, die ungesteuert auf geistlose Materie und Energie einwirken? Ist es nicht eher unwahrscheinlich, dass das menschliche Leben nur eine von vielen Ansammlungen von Atomen ist, die sich außerdem noch zufällig ereignet? Oder, wie können wir in irgendeiner Hinsicht etwas Besonderes sein, seitdem wir wissen, dass wir einen winzigen Planeten bewohnen, der einen ziemlich durchschnittlichen Stern umkreist, weit draußen an einem Arm einer Spiralgalaxie, die Milliarden ähnlicher Sterne enthält und die selbst nur eine von Milliarden von Galaxien ist – verteilt in der unermesslichen Weite des Weltraums?

Darüber hinaus gibt es Mutmaßungen, dass sicher noch weitere Universen mit ganz unterschiedlichen Strukturen existieren könnten, wenn bestimmte grundlegende Eigenschaften unseres Universums, wie die Stärke der Grundkräfte der Natur und die Anzahl der wahrnehmbaren Raum-Zeit-Dimensionen, das Ergebnis von zufälligen Auswirkungen bei der Entstehung des Weltalls sind. Kann es nicht sein, dass unser Universum nur eines aus einer Unmenge nebeneinander bestehender Universen ist, die für immer voneinander getrennt sind? Ist es deshalb nicht absurd zu meinen, dass den Menschen irgendeine entscheidende Bedeutung zukommt? Ihre Größe, gemessen in einem Multiversum, würde praktisch gegen null gehen.

Deshalb wäre es sicher ein intellektuell blamables und nostalgisches Vorhaben, zu den Anfängen der modernen Wissenschaft zurückzugehen, als Naturwissenschaftler, wie zum Beispiel Bacon, Galilei, Kepler, Newton und Clerk Maxwell, noch an einen intelligenten Schöpfergott glaubten, dessen geistiges Produkt das Universum war. Von diesem primitiven Denken hat sich die Wissenschaft weiterbewegt, sagt man uns. Sie hat Gott durch ihre allumfassenden Erklärungen in eine Ecke gedrängt, getötet und ihn dann begraben. Gott, so heißt es, ist nicht greifbarer als das Grinsen der kosmischen Katze aus »Alice im Wunderland«. Im Unterschied zu Schrödingers Katze ist Gott keine geisterhafte Überlagerung zwischen Leben und Tod – er ist ganz sicher tot. Zudem zeigt der ganze Verlauf seines Ablebens, dass jeder Versuch, Gott wieder einzuführen, wahrscheinlich den Fortschritt der Wissenschaft behindern würde. Es wird immer offensichtlicher, dass Naturalismus – die Annahme, alles ist Natur ohne jede Transzendenz – unangefochten an erster Stelle steht.

Peter Atkins, Professor für Chemie an der Universität Oxford, verteidigt diese Ansicht energisch, räumt aber das religiöse Element am Anfang der Entwicklung der Wissenschaft ein: »Das Glaubenssystem Wissenschaft, das fest gegründet auf allgemein anerkanntem, reproduzierbarem Wissen basiert, hat sich aus Religion entwickelt. Als die Wissenschaft ihre Verpuppung abstreifte, um der jetzige Schmetterling zu werden, löste sie die unscheinbare Motte ab. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Wissenschaft nicht jeden Aspekt der Existenz bewältigen kann. Nur die Frommen – zu denen ich nicht nur die Voreingenommenen, sondern auch die wenig Informierten zähle – hoffen, dass es einen dunklen Winkel im physikalischen Universum oder im Universum der Erfahrungen gibt, den die Wissenschaft nie beleuchten wird. Aber die Wissenschaft ist nie auf ein Hindernis gestoßen, und die einzigen Gründe anzunehmen, dass der Reduktionismus scheitern wird, sind der Pessimismus der Naturwissenschaftler und die Angst in den Köpfen der Frommen.«1

Im Jahre 2006 fand im Salk Institute for Biological Studies in La Jolla, Kalifornien, eine Konferenz zum Thema: »Beyond belief: science, religion, reason and survival« statt. Zu der Frage, ob Wissenschaft sich der Religion entledigen sollte, sagte Nobelpreisträger Steven Weinberg: »Die Welt muss von ihrem langen Albtraum Religion aufwachen. […] Alles, was von uns Wissenschaftlern getan werden kann, um den Einfluss der Religion abzuschwächen, sollte getan werden, es könnte tatsächlich unser größter Beitrag für die Zivilisation sein.« Es überrascht nicht, dass Richard Dawkins in seiner Aussage noch weiter ging: »Ich habe es satt, wie wir durch Gehirnwäsche dazu gebracht wurden, der Religion Respekt zu zollen.«

Aber stimmt das tatsächlich? Können alle religiösen Menschen als voreingenommen und wenig informiert abgeschrieben werden? Schließlich sind einige von ihnen Wissenschaftler, die einen Nobelpreis erhalten haben. Setzen sie wirklich ihre Hoffnung darauf, einen dunklen Winkel des Universums zu entdecken, den die Wissenschaft nie beleuchten wird? Das ist keine faire oder wahre Darstellung der frühen Pioniere der Wissenschaft, die, wie Kepler, gerade wegen ihrer Überzeugung von der Existenz eines Schöpfers in ihrer Forschung zu immer Größerem inspiriert wurden. Für sie waren es gerade die dunklen Winkel des Universums, die, von der Wissenschaft beleuchtet, zahlreiche Hinweise für die Genialität Gottes lieferten.

Und wie verhält es sich mit der Biosphäre? Ist ihre vielschichtige Komplexität nur scheinbar geplant, wie Richard Dawkins, Peter Atkins’ treuer Verbündeter im Glauben, annimmt? Kann Vernunft unter den Zwängen der Naturgesetze wirklich durch ungesteuerte natürliche Prozesse, aus den Grundstoffen des Universums nach dem Zufallsprinzip entstehen? Liegt die Lösung des Leib-Seele-Problems einfach darin, dass sich der rationale Verstand aus einem geistlosen Körper durch ungerichtete geistlose Prozesse entwickelt hat?

Wie das öffentliche Interesse zeigt, verschwinden Fragen zur Bedeutung der naturalistischen Theorie nicht so schnell. Ist Naturalismus für die Wissenschaft tatsächlich unabdingbar? Oder ist es auch denkbar, dass Naturalismus eine Philosophie ist, die an die Wissenschaft herangetragen wurde, eher so etwas wie eine Beigabe? Ist die Frage erlaubt, ob es sich dabei vielleicht um einen Ausdruck von Glauben handelt, ähnlich dem religiösen Glauben? Denen, die so denken, möge man wenigstens verzeihen; sieht man doch, wie manche behandelt werden, die es wagen, solche Fragen zu stellen. Ähnlich religiösen Ketzern aus früheren Zeiten erleiden sie eine Art Martyrium, indem man ihnen die Zuschüsse kürzt.

Aristoteles soll gesagt haben, wer Erfolg haben will, muss die richtigen Fragen stellen. Offensichtlich gibt es bestimmte Fragen, die man besser nicht stellt – und noch gefährlicher ist es, wenn man versucht, bestimmte Fragen zu beantworten. Sich jedoch auf diese Art von Risiko einzulassen, entspricht sowohl dem Geist als auch den Interessen der Wissenschaft. Vom historischen Standpunkt aus ist diese Frage an sich nicht kontrovers. Im Mittelalter beispielsweise musste sich die Wissenschaft von bestimmten Sichtweisen der aristotelischen Philosophie befreien, ehe sie einen wirklichen Schub nach vorne machen konnte. Aristoteles hatte gelehrt, dass jenseits des Mondes alles Perfektion besaß und, da für ihn nur die Kreisbewegung vollkommen war, sich die Planeten und Sterne in kreisförmigen Bahnen bewegten. Diesseits des Mondes war Bewegung linear, und es gab Unvollkommenheit. Jahrhundertelang beherrschte diese Ansicht das Denken, bis Galilei durch sein Teleskop die zerklüftete Oberfläche des Mondes sah. Das Universum hatte gesprochen. Ein Teil von Aristoteles’ Schlussfolgerungen aus seinem apriorischen Ansatz der Vollkommenheit lag in Trümmern.

Aber Galilei war nach wie vor besessen von den aristotelischen Kreislinien: »Danach scheint mir der Schluss völlig gerechtfertigt, dass behufs Aufrechterhaltung der vollkommenen Ordnung die beweglichen Teile der Welt notwendig sich kreisförmig bewegen, […].«2 Jedoch die Kreise selbst waren dem Untergang geweiht. Dies ging zurück auf Kepler, der die ersten, sehr genauen Beobachtungen von der Marsbahn benutzte, die sein Vorgänger Tycho Brahe, Kaiserlicher Hofmathematiker in Prag, gemacht hatte. Kepler wagte es zu behaupten, dass astronomischen Beobachtungen eine größere Bedeutung zukommt als den auf die apriorische Theorie gestützten Berechnungen für die kreisförmige Planetenbewegung. Alles Weitere ist Geschichte. Er kam als Erster auf die bahnbrechende Idee, dass die Umlaufbahn der Planeten um die Sonne durch eine ›perfekte‹ Ellipse beschrieben werden kann, in deren einem Brennpunkt sich die Sonne befindet. Später wurde diese Auffassung eindeutig durch Newtons Gesetz bestätigt, dass die Gravitationskraft proportional zum inversen Abstand im Quadrat ist (G ~ 1/r). Dieses Gesetz fasste alle diese Entwicklungsschritte in einer erstaunlich kurzen, eleganten Formel zusammen. Kepler hatte die (Natur-)Wissenschaft für immer verändert, indem er sie von der unzulänglichen Philosophie, die sie über Jahrhunderte gefesselt hatte, löste. Es wäre wahrscheinlich ein wenig vermessen anzunehmen, dass ein derartig befreiender Schritt nie wieder getan werden muss.

Dem werden Wissenschaftler wie Atkins und Dawkins entgegenhalten, dass seit der Zeit von Galilei, Kepler und Newton die Naturwissenschaft ein exponentielles Wachstum gezeigt hat und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass die Philosophie des Naturalismus, mit der die Naturwissenschaft so eng verbunden ist (zumindest in den Köpfen von Vielen), unzureichend ist. Ihrer Ansicht nach dient der Naturalismus dazu, die Naturwissenschaft voranzubringen, die sich nun ungehindert, sozusagen ohne den mythologischen Ballast, der sie in der Vergangenheit so oft behindert hat, weiterentwickelt. Der große Vorzug des Naturalismus, so wird argumentiert, liegt darin, dass er unmöglich die Naturwissenschaft behindern kann, ganz einfach, weil er davon ausgeht, die wissenschaftliche Methode sei überlegen. Es ist die einzige Philosophie, die schon von ihrer Definition her mit Naturwissenschaft absolut vereinbar ist.

Aber stimmt das wirklich? Zweifellos empfand Galilei die aristotelische Philosophie mit ihrer apriorischen Theorie, wie das Universum auszusehen hat, als wissenschaftliches Hemmnis. Aber weder Galilei noch Newton noch die meisten anderen großen Wissenschaftler, die zu dieser Zeit zum meteorhaften Aufstieg der Wissenschaft beitrugen, glaubten, dass ein Schöpfergott diesen Aufstieg hemmt. Im Gegenteil, er war für viele ein positiver Ansporn und für einige sogar der Hauptbeweggrund für wissenschaftliche Forschung. Wenn das so ist, dann drängt sich aufgrund der Vehemenz, mit der der Atheismus von einigen zeitgenössischen Autoren vertreten wird, die Frage auf: Warum sind sie gerade jetzt so davon überzeugt, dass Atheismus der einzige intellektuell haltbare Standpunkt ist? Stimmt es wirklich, dass alles in der Wissenschaft auf Atheismus hinweist? Sind Naturwissenschaft und Atheismus natürliche Verbündete?

Anders argumentiert der bekannte britische Philosoph Antony Flew, der über viele Jahre hinweg ein führender Vertreter des Atheismus war. In einem BBC-Interview3 gab er öffentlich bekannt, dass eine Überintelligenz die einzig gute Erklärung für die Entstehung des Lebens und für die Komplexität der Natur ist.

Die Debatte um »Intelligent Design«

Diese Stellungnahme seitens eines Denkers vom Format Flews gab der heftigen, manchmal hitzig geführten Auseinandersetzung um »Intelligent Design« neue Aufmerksamkeit. Zum Teil ist die Vehemenz darin begründet, dass der Begriff »Intelligent Design« bei vielen Menschen den Eindruck vermittelt, es handle sich um einen relativ neuen, versteckt kreationistischen, antiwissenschaftlichen Standpunkt, der hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, die Evolutionsbiologie anzugreifen. Das bedeutet, dass der Begriff »Intelligent Design« einen subtilen Bedeutungswandel erlebt hat. Es besteht die Gefahr, dass ernsthaft geführte Auseinandersetzungen nicht mehr möglich sind.

»Intelligent Design« ist für einige ein seltsamer Begriff, da wir Design als Folge von Intelligenz ansehen und damit das Adjektiv überflüssig ist. Würden wir den Begriff einfach nur durch »Design« oder »intelligente Kausalität« ersetzen, dann sprächen wir von einer sehr bekannten Anschauung in der Geschichte des Denkens. Denn die Auffassung, dass eine intelligente Kausalität hinter dem Universum steht, ist längst nicht mehr neu, sie ist so alt wie die Philosophie und die Religion selbst. Bevor wir als Nächstes die Frage stellen, inwiefern es sich bei »Intelligent Design« um versteckten Kreationismus handelt, müssen wir zunächst den Begriff »Kreationismus« selbst klären, um einem weiteren möglichen Missverständnis vorzubeugen. Auch die Bedeutung von Kreationismus hat sich geändert. Er bedeutete zunächst ganz einfach den Glauben an einen Schöpfer. Heute jedoch beinhaltet er nicht nur den Glauben an einen Schöpfer, sondern auch ein Bekenntnis zu einer Vielzahl zusätzlicher Auffassungen, von denen die wichtigste eine besondere Interpretation der Genesis darstellt, nach der die Erde nur einige Tausend Jahre alt ist. Dieser Bedeutungswandel von »Kreationismus« oder »Kreationist« hat drei sehr bedauernswerte Folgen nach sich gezogen. Zuallererst polarisiert er die Diskussion und bietet offensichtlich denen ein leichtes Ziel, die pauschal jegliche Annahme von intelligenter Kausalität im Universum ablehnen. Außerdem wird er der Tatsache nicht gerecht, dass es selbst unter den christlichen Denkern, die dem biblischen Bericht letzte Autorität zuschreiben, eine große Bandbreite von Meinungen hinsichtlich der Interpretation der Genesisberechnung gibt. Schließlich verschleiert er den ursprünglichen Verwendungszweck des Begriffs »Intelligent Design«, der eine wesentliche Unterscheidung zwischen dem Erkennen von Design und der Identifikation des Designers macht.

Es handelt sich hier um verschiedene Sachverhalte. Der zweite – die Identifikation des Designers – ist im Wesentlichen theologischer Art und wird von den meisten als außerhalb des Bereiches der Wissenschaft angesehen. Mit der Unterscheidung von Design und Designer ebnet man den Weg für die Frage, ob Wissenschaft uns irgendwie bei der Beantwortung des ersten Sachverhaltes – Design – behilflich sein kann. Es ist daher bedauerlich, dass diese Unterscheidung zweier grundlegend verschiedener Sachverhalte ständig verschleiert wird durch den Vorwurf, »Intelligent Design« stehe für versteckten Kreationismus.

Die oft wiederholte Frage, inwiefern »Intelligent Design« Wissenschaft ist, kann daher irreführend sein, wenn wir den Begriff »Intelligent Design« in seiner ursprünglichen Bedeutung verstehen. Angenommen, wir würden die Fragen analog stellen: Ist Theismus Wissenschaft? Ist Atheismus Wissenschaft? Dann würden die meisten Menschen dies verneinen. Aber stellen wir überhaupt die richtigen Fragen? Sind wir nicht eigentlich daran interessiert, ob es einen wissenschaftlichen Beweis für Theismus (oder Atheismus) gibt?

Entsprechend kann die Frage nach der Wissenschaftlichkeit von (»Intelligent«) »Design« sinngemäß uminterpretiert werden in: Gibt es einen wissenschaftlichen Beweis für »Design«? Wenn die Frage so gemeint ist, dann sollte sie auch so formuliert und damit Missverständnisse der Art vermieden werden, wie sie bei der Begründung im Dover-Prozess zutage traten: »ID ist ein interessantes theologisches Argument, aber es handelt sich dabei nicht um Wissenschaft.«4 Tatsächlich scheint Richard Dawkins in dem Film »Expelled« (April 2008) einzuräumen, dass man wissenschaftlich erforschen kann, ob der Ursprung des Lebens natürliche Prozesse widerspiegelt oder nicht, oder ob es eher das Ergebnis des Eingreifens einer externen, intelligenten Ursache zu sein scheint.

In dem faszinierenden Artikel »Public Education and Intelligent Design«5 (Staatliches Erziehungswesen und Intelligent Design) schreibt Thomas Nagel, ein prominenter atheistischer Professor der Philosophie in New York: »Die Ziele und Absichten Gottes – so es denn einen Gott gibt – und die Art seines Willens können nicht Gegenstand einer wissenschaftlichen Theorie oder wissenschaftlichen Erklärung sein. Aber das bedeutet nicht, dass es keine wissenschaftlichen Beweise für oder gegen das Eingreifen einer solchen ohne-Gesetz-wirkenden Ursache in die natürliche Ordnung gibt.«6 Nachdem er sich mit »Edge of Evolution« von Michael Behe (ein Zeuge im Dover-Prozess) beschäftigt hat, schreibt er: »Intelligent Design scheint nicht auf einer massiven Verdrehung der Beweislage oder hoffnungslosen Unstimmigkeiten ihrer Interpretationen zu beruhen.«7 Seiner Beurteilung nach basiert Intelligent Design nicht auf der Voraussetzung, dass es »immun gegen empirische Beweise« ist, wie etwa Vertreter eines biblischen Literalismus glauben, dass die Bibel immun gegen Widerlegung durch Beweise ist, und er schließt »ID unterscheidet sich stark von Schöpfungs-Wissenschaft«8. Professor Nagel schreibt weiter, dass er selbst »lange Zeit sehr skeptisch gegenüber dem Anspruch der traditionellen Evolutionstheorie war, dass sie die ganze Wahrheit über die Geschichte des Lebens sei«.9 Und: »Es ist schwierig, in der zurzeit zugänglichen Literatur ein Fundament für diese Ansprüche zu finden.« Seiner Auffassung nach rechtfertigt die »derzeitig verfügbare Beweislage bei Weitem nicht«, als Tatsache zu behaupten, »dass die evolutionären Standardmechanismen die Evolution des Lebens insgesamt erklären«.10

Bekanntlich behaupten Autoren wie Peter Atkins, Richard Dawkins und Daniel Dennett, dass es überzeugende wissenschaftliche Beweise für den Atheismus gibt. Sie haben kein Problem damit, die Wissenschaft heranzuziehen, um eine metaphysische Position zu verteidigen. Daher haben sie am allerwenigsten einen Grund zur Kritik denen gegenüber, die mit Wissenschaft die entgegengesetzte metaphysische Position, göttliches »Design«, stützen. Dabei bin ich mir wohl bewusst, dass einige sofort einwenden werden, es gäbe gar keine zwei Alternativen. Aber das könnte etwas vorschnell geurteilt sein.

Eine andere Möglichkeit die Frage zu interpretieren, ob »Intelligent Design« Wissenschaft ist, ist zu fragen, ob die »Intelligent-Design«-Hypothese zu wissenschaftlich überprüfbaren Hypothesen führen kann? Wir sehen später, dass in zwei wesentlichen Bereichen eine solche Hypothese bereits Ergebnisse geliefert hat: bei der rationalen Verstehbarkeit des Universums und bei der Entstehung des Universums.

Eine weitere Schwierigkeit bei der Verwendung des Begriffs »Intelligent Design« ist, dass selbst schon die Verwendung des Wortes »Design« in den Köpfen einiger Menschen untrennbar mit dem Uhrwerk-Universum von Newton verbunden ist, von dem sich die Wissenschaft bereits seit Einstein verabschiedet hat. Mehr noch, es beschwört Erinnerungen an Paley und seine »Design«-Argumente aus dem neunzehnten Jahrhundert herauf, von denen viele denken, sie seien bereits von David Hume widerlegt worden. Ohne über den letzten Punkt im Voraus zu urteilen, wäre es vielleicht klüger, von intelligenter Kausalität oder intelligentem Ursprung als von »Intelligent Design« zu sprechen.

Die in diesem Buch vorgebrachten Argumente habe ich in vielen Ländern in Vorträgen, auf Seminaren und Konferenzen entwickelt. Obwohl ich glaube, dass noch sehr viel getan werden muss, habe ich auf Drängen vieler Teilnehmer den Versuch unternommen, die Argumente schriftlich festzuhalten. Das Buch ist bewusst kurz gehalten, um der Nachfrage nach einer übersichtlichen Einführung in die wichtigsten Themen gerecht zu werden. Ich bin dankbar für die vielen Fragen, Anregungen und Kritiken, die mir bei meiner Arbeit geholfen haben. Natürlich bin ich allein für verbliebene Unstimmigkeiten verantwortlich.

Einige Bemerkungen zu der Vorgehensweise sind angebracht. Ich werde versuchen, meine Ausführungen in einen Zusammenhang mit der derzeitigen Debatte zu stellen, so wie ich sie verstehe. Der häufige Gebrauch von Zitaten führender Wissenschaftler und Denker soll ein klares Bild davon vermitteln, was in vorderster Reihe der Debatte tatsächlich gesagt wird. Mir ist bewusst, dass bei kontextlosen Zitaten immer die Gefahr besteht, der zitierten Person gegenüber nicht fair zu sein und außerdem die Wahrheit zu verzerren. Ich hoffe, es ist mir gelungen, dies zu vermeiden.

Ich habe die Befürchtung, dass bei dem Gebrauch des Wortes »Wahrheit« einige Personen mit postmoderner Überzeugung versucht sind, nicht weiterzulesen, weil der Text von jemandem geschrieben ist, der noch an Wahrheit glaubt. Im besten Falle lesen sie ihn aus Neugierde oder um ihn auseinanderzunehmen. Was mich betrifft, so finde ich es seltsam, dass die, welche behaupten, dass es so etwas wie Wahrheit nicht gibt, von mir erwarten, dass ich das, was sie sagen, für wahr halte. Vielleicht missverstehe ich sie, aber sie scheinen sich selbst aus ihrer allgemeinen Aussage, dass es keine Wahrheit gibt, herauszunehmen, wenn sie mit mir reden oder ihre Bücher schreiben. Denn letzten Endes glauben sie doch an Wahrheit.

Jedenfalls haben Wissenschaftler ein offensichtliches Interesse an Wahrheit. Warum sonst würden sie sich der Mühe unterziehen, Wissenschaft zu betreiben? Und weil ich an Wahrheit glaube, habe ich versucht, nur faire Zitate zu wählen, die den allgemeinen Standpunkt eines Autors widerspiegeln, und keine Äußerungen zu zitieren, die an einem schlechten Tag gemacht wurden – wie es jedem von uns einmal passieren kann. Letztlich beurteilt der Leser, ob es mir gelungen ist.

Wie steht es mit der Befangenheit? Niemand – weder Autor noch Leser – kann ihr entgehen. Wir sind alle befangen in dem Sinne, dass unsere Weltanschauung aus Antworten und Teilantworten besteht, die wir auf die Fragen geben, die uns das Universum und das Leben stellen. Vielleicht sind unsere Weltanschauungen nicht einmal klar oder bewusst formuliert, aber sie sind trotzdem da. Sie sind geprägt durch Erfahrung und Reflexion. Sie können sich ändern und tun es auch – hoffentlich auf der Grundlage von stichhaltigen Beweisen.

Die zentrale Frage dieses Buches erweist sich als eine Weltanschauungsfrage: Welche Weltanschauung steht der Wissenschaft näher – Theismus oder Atheismus? Hat die Wissenschaft Gott begraben oder nicht? Wir werden sehen, wohin die Beweise führen.

1. Krieg der Weltanschauungen

»Naturwissenschaft und Religion können nicht versöhnt werden.«

Peter Atkins

»Alle meine naturwissenschaftlichen Studien […] haben meinen Glauben bestätigt.«

Ghillean Prance

»Wenn Ihnen das nächste Mal jemand erzählt, dass etwas wahr ist, dann fragen Sie ihn doch, welchen Beweis es dafür gibt. Erhalten Sie keine gute Antwort, dann denken Sie hoffentlich gut darüber nach, bevor Sie ein Wort glauben.«

Richard Dawkins

Der letzte Nagel in Gottes Sarg?

Es herrscht die weitverbreitete Vorstellung, dass mit jedem wissenschaftlichen Fortschritt ein weiterer Nagel in Gottes Sarg geschlagen wird. Dieser Eindruck wird von einflussreichen wissenschaftlichen Denkern vorangetrieben. Peter Atkins, Professor für Chemie in Oxford, schreibt: »Die Menschheit sollte akzeptieren, dass die Wissenschaft die Rechtfertigung für den Glauben an Sinn und Zweck des Kosmos beseitigt hat und dass jegliches Überleben von Zweckbestimmung nur dem Gefühl zu verdanken ist.«1 Es ist jedoch fraglich, wie der Wissenschaft so etwas gelingen konnte, da sie sich traditionell nicht mit Fragen der Zweckbestimmung beschäftigt; aber darauf kommen wir später zurück. Was klar wird, ist, dass Atkins den Glauben an Gott mit einem Schlag herabsetzt; nicht nur auf die Gefühlsebene, sondern auf ein wissenschaftsfeindliches Gefühl. Atkins ist nicht allein mit dieser Ansicht. Richard Dawkins geht – unübertroffen – noch einen Schritt weiter. Für ihn ist der Glaube an Gott ein Übel, das ausgemerzt werden muss: »Es ist modern, sich apokalyptisch mit der Bedrohung der Menschheit auseinanderzusetzen, die sich im Aids-Virus, im Rinderwahnsinn (BSE) und in anderen Krankheiten darstellt, aber ich stelle die These auf, dass der Glaube eines der größten Übel dieser Welt ist, vergleichbar mit dem Pockenvirus, aber schwieriger auszurotten. Glaube als eine Überzeugung, die nicht auf empirischen Indizien beruht, ist der größte Makel jeder Religion.«2

Unlängst ist der Glaube, laut Dawkins, vom Makel zur Wahnvorstellung aufgestiegen (sofern man das so bezeichnen kann). In seinem Buch Der Gotteswahn3 zitiert er Robert Pirsig, Autor des Buches Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten:»Leidet ein Mensch an einer Wahnvorstellung, so nennt man es Geisteskrankheit. Leiden viele Menschen an einer Wahnvorstellung, nennt man es Religion.« In Dawkins’ Augen ist Gott nicht nur eine Wahnvorstellung, sondern eine bösartige Wahnvorstellung.

Solche extremen Ansichten stellen das äußerste Ende einer Meinungsvielfalt dar, und es wäre falsch zu denken, sie seien typisch. Viele Atheisten heißen diesen Kampfgeist nicht für gut, ganz zu schweigen von den repressiven, ja sogar totalitären Andeutungen. Leider erhalten gerade die extremen Ansichten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien mit dem Ergebnis, dass viele Menschen davon erfahren und beeinflusst werden. Es wäre dumm, sie zu ignorieren; wir müssen sie ernst nehmen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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