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Ist christlicher Glaube in einer Welt der Wissenschaft, die uns das Universum erklärt, überhaupt noch zeitgemäß? Wofür brauchen wir noch einen Gott, wenn wir (fast) alles wissen und selbst erschaffen können? Ist Gott ein Auslaufmodell? John Lennox sieht das anders: Glaube und Wissenschaft widersprechen sich nicht - sie ergänzen sich sogar! Wissenschaft muss nicht von Gott wegführen, sondern weist auf ihn hin. Es gibt gute und stichhaltige Argumente für den Glauben an Gott. Man kann auch "rational glauben".
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Seitenzahl: 165
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SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-417-22969-1 (E-Book)
ISBN 978-3-417-26892-8 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck
Dieses Buch erscheint in der Reihe Glaube und Wissenschaft des INSTITUTS FÜR GLAUBE UND WISSENSCHAFT.
Herausgeber der Reihe ist Dr. Alexander Fink.
© der deutschen Ausgabe 2020
SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH
May-Eyth-Straße 4 . 171088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]
Originally published in English under the title:
Can Science Explain Everything?
© John C. Lennox/The Good Book Company, 2019
Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:
Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.
Weiter wurde verwendet:
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen. (ELB)
Lektoriert von Dr. Alexander Fink und Tabea Tacke
Umschlaggestaltung: Daniel Salewski, SCM Bundes-Verlag gGmbH Witten
Satz: Christoph Möller, Hattingen
»Professor Lennox setzt die Logik eines Mathematikers ein, um zu zeigen, dass Wissenschaft und Religion nicht im Krieg miteinander liegen, wie einige es uns glauben machen wollen. Seine gut verständliche Darstellung ist von gescheitem Humor und persönlichen Erfahrungen durchzogen, die mit der Begeisterung von nachvollziehbaren, vernünftigen und gesunden Einsichten aus den am besten bezeugten Manuskripten der Antike verknüpft sind. Mythen werden abgewiesen; Wunder, das Böse und das Leid werden thematisiert; das Standardmodell der Physik, der Urknall und das offene Universum werden ausgiebig untersucht. Aber pass auf, besonders wenn du aus einiger skeptischer Entfernung kommst: Dies ist ein Buch, das Weltanschauungen und sogar Leben ändern kann.«
Brian Heap CBE, FRS Distinguished Fellow, Zentrum für Entwicklungsstudien;Former Master am St. Edmund’s College, Cambridge, UK
»Klar, frisch und genial einfach beantwortet John Lennox Fragen, vertreibt Mythen und klärt Kontroversen auf, so wie der erfahrene Meister dieses Themas, der er ist – und das alles in einem bewundernswert friedfertigen Stil. Ich empfehle unbedingt ›Wozu Glaube, wenn es Wissenschaft gibt?‹.«
Dr. Os GuinnessAutor und Soziologe
»Ich freue mich, dass mein Kollege und Freund John Lennox die Zeit investiert hat, um eine wunderbar lesbare Zusammenfassung seiner wissenschaftlichen Arbeit zu erstellen. Ich habe im Laufe der Jahre so viel von Professor Lennox gelernt, als ich seinen anmutigen und mutigen Umgang mit Kritikern und Skeptikern beobachten durfte. Ich glaube, Sie werden dieses Buch unglaublich hilfreich und unterhaltsam finden.«
Ravi ZachariasAutor und Redner
Für Sally zu unserer goldenen Hochzeit am 14. September 2018.In tiefer Dankbarkeit für deine Liebe, Unterstützung und unermüdliche Ermutigung, die dieses Buch und viele andere überhaupt erst möglich gemacht haben.
Über den Autor
Vorwort
Einführung: Kosmische Chemie
1 Kann man Wissenschaftler sein und an Gott glauben?
2 Die Entwicklung bis heute: Von Newton bis Hawking
3 Entzauberte Mythen I: Religion braucht Glauben, Wissenschaft aber nicht
4 Entzauberte Mythen II: Wissenschaft basiert auf Vernunft, der christliche Glaube nicht
5 Können wir die Bibel in einer wissenschaftlich geprägten Welt wirklich ernst nehmen?
6 Wunder: Ein Schritt zu weit?
7 Kann man dem trauen, was man liest?
8 Wie man das Christentum widerlegt
9 Die persönliche Dimension
10 Im Labor: Das Christentum auf dem Prüfstand
Weitere Bücher von John C. Lennox
Andere Bücher
Danksagung
Anmerkungen
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JOHN LENNOX (Jg. 1943) ist emeritierter Mathematikprofessor an der Universität Oxford und Autor zahlreicher Bücher zum Verhältnis von Glaube, Ethik und Wissenschaft. Durch Vorträge auf Tagungen und Konferenzen ist er auch in Deutschland bekannt.
Ist christlicher Glaube in einer Welt der Wissenschaft, die uns das Universum erklärt, überhaupt noch zeitgemäß? Wofür brauchen wir noch Gott, wenn wir (fast) alles wissen und selbst erschaffen können? Ist Gott ein Auslaufmodell?
John Lennox, Mathematikprofessor und erfolgreicher Buchautor, sieht das anders: Glaube und Wissenschaft widersprechen sich nicht – sie ergänzen sich sogar! Wissenschaft muss nicht von Gott wegführen, sondern weist auf ihn hin. In seinem lebendig und allgemein verständlich geschriebenen Buch nennt er gute und stichhaltige Argumente für den Glauben an Gott. Man kann auch »rational glauben«.
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Dieses Buch entstand als Reaktion auf die Bitte vieler Jugendlicher und Erwachsener, die sich eine leichter verständliche Einführung in die Diskussion um Wissenschaft und Glaube gewünscht haben, als sie mein Buch »Hat die Wissenschaft Gott begraben?« bietet. Darüber hinaus wurde ich von vielen gebeten, stärker auf das Verhältnis zwischen Christentum und Wissenschaft einzugehen und mich nicht nur auf Argumente für die Existenz Gottes zu beschränken. Ich hoffe, dass ich diesen Wünschen mit dem vorliegenden Buch ansatzweise nachgekommen bin.
John C. LennoxOxford im April 2018
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Wenn Sie im Internet nach den Stichwörtern »Wissenschaft« und »Religion« suchen, sind Sie nach einigen Mausklicks überzeugt, dass Sie in einem Kriegsgebiet gelandet sind.
In den Kommentaren zu praktisch jedem erdenklichen wissenschaftlichen Thema – von Bioethik und Psychologie über Geologie bis hin zur Kosmologie – finden Sie erbitterte Auseinandersetzungen und Beschimpfungen zweier Parteien, die – den Eindruck gewinnt man – sich niemals gemeinsam an einen Verhandlungstisch setzen würden, selbst wenn die Vereinten Nationen einen Waffenstillstand ausriefen.
Die eine Seite nennen wir der Einfachheit halber die »wissenschaftliche Partei«. Sie selbst versteht sich als Stimme der Vernunft. Sie glaubt, sie dämme die Flut der Unwissenheit und des Aberglaubens ein, die die Menschheit versklavt hat, seit wir aus dem Urschleim gekrochen sind. Wenn ich ihre Position zusammenfasse, klingt das etwa so:
Die Wissenschaft ist eine unaufhaltsame Macht, die die Entwicklung der Menschheit fördert und auf viele Fragen zum Universum Antworten geben und viele, wenn nicht sogar alle Probleme der Menschheit lösen wird: Krankheit, Energieversorgung, Umweltverschmutzung, Armut. Zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft wird die Wissenschaft in der Lage sein, alles zu erklären und alle unsere Bedürfnisse zu befriedigen.
Vielleicht vermuten Sie sogar, dass die Wissenschaft irgendwann auch die Antworten auf die großen Fragen des Lebens geben wird: Wo kommen wir her? Warum sind wir hier? Was ist der Sinn des Lebens?
Auf der anderen Seite finden wir »Gottes Partei«, wie wir sie der Einfachheit halber nennen wollen. Sie vertritt die Meinung, dass eine göttliche Intelligenz hinter allem steht, was existiert und uns als Menschen ausmacht. Sie sucht Antworten auf dieselben großen Fragen, die auch Wissenschaftler stellen, und behauptet sogar, sie gefunden zu haben, allerdings an einer ganz anderen Stelle. Die Vertreter dieser Seite sehen, wie komplex und wunderbar das Universum, wie reichhaltig und vielfältig unser blauer Planet ist. Ihrer Meinung nach liegt es auf der Hand, dass hinter unserer schönen, wunderbaren Welt ein genialer Verstand steht. Sie scheinen überrascht zu sein, dass es tatsächlich Leute gibt, die das anders sehen.
Manchmal führt das zu heftigen Wortgefechten in aufgeheizter Atmosphäre, die mehr Hitze als Licht in die Sache bringen.
Darum überrascht es nicht, wenn viele Menschen zu dem Schluss kommen, dass Gott und Wissenschaft sich nicht miteinander vereinbaren lassen. Es ist ihrer Meinung nach so, als ließe man metallisches Kalium oder Natrium ins Wasser fallen: Es zischt und brodelt, brennt und wird heiß, und zum Schluss gibt es einen lauten Knall.
Was aber, wenn es eine ganz andere Sichtweise gäbe? Was wäre, wenn man uns getäuscht und in einen sinnlosen Krieg geführt hätte, der auf Falschinformationen und falschen Grundannahmen beruht? Das wäre nicht das erste Mal. Was, wenn es eine ganz andere Art kosmischer Chemie gäbe, die nicht mit einer Explosion aufhört?
Geografisch gesehen stamme ich aus Nordirland – einer Gegend, die leider einen zweifelhaften Ruf genießt, was die »Gottesfrage« betrifft. Ich bin in einem Land aufgewachsen, das von einem konfessionellen und kulturellen Graben gespalten ist. Im Allgemeinen spricht man von einem Konflikt zwischen »Protestanten« und »Katholiken« (obwohl es natürlich viel komplexer ist), der zu drei Jahrzehnten brutaler Morde, Bomben und Terrorismus führte.
In diesen »Unruhen« waren meine Eltern bemerkenswerte Menschen. Sie waren Christen, ja, aber die Konfession war ihnen nicht wichtig – in diesen Tagen war das ein Standpunkt, der viel gekostet hat. Mein Vater lebte diesen Glauben, indem er in seinem Geschäft Leute des anderen konfessionellen Lagers anstellte. Darum wurde es zum Ziel eines Bombenattentats, von dem mein Bruder schwere Verletzungen davontrug. Vom Terrorismus war unsere Familie direkt betroffen.
Ich verdanke meinen Eltern viel, das größte Geschenk aber ist vielleicht, dass sie mich so sehr liebten, dass sie mir den Freiraum gaben, selbstständig zu denken. Das war, wie ich leider sagen muss, damals etwas Ungewöhnliches, denn es gab viele religiöse Vorbehalte und konfessionelle Grabenkämpfe. Als ich im Herbst 1962 an die Universität Cambridge ging, war ich dankbar dafür, dass meine Eltern mich schon vorher ermutigt hatten, auch viel über nicht christliche Weltanschauungen zu lesen und nachzudenken.
Folglich hatte ich in den letzten zwanzig Jahren das Privileg, über diese Themen zu referieren und öffentlich mit führenden Atheisten zu debattieren. Der wichtigste von ihnen ist vermutlich immer noch Richard Dawkins, der wie ich Professor an der Universität Oxford war. Ich habe immer versucht, Menschen mit einer anderen Weltanschauung respektvoll zu behandeln und herauszufinden, wie sie zu ihrer Auffassung gelangt sind und warum sie diese so leidenschaftlich verteidigen.
Vielleicht lesen Sie diese Worte und sind überzeugt, dass die Wissenschaft alles erklären kann und es in unserer Welt keinen Platz mehr für Gott gibt. Vielleicht sind Sie auch einfach neugierig und möchten eine eigene Sichtweise zu diesen Fragen entwickeln. Was auch immer Sie motiviert: Ich hoffe, dass Sie mit meiner Einführung in dieses Thema etwas anfangen können und Sie dadurch angeregt werden, diese Frage auf wissenschaftliche Art und Weise anzugehen. Das bedeutet, dass Sie ergebnisoffen denken und bereit sind, den Argumenten zu folgen, in welche Richtung sie auch immer führen werden, selbst wenn das Ergebnis zunächst nicht nach Ihrem Geschmack sein sollte.
Ich bin überzeugt, dass die gängige Vorstellung, Gott und Wissenschaft lassen sich nicht miteinander vereinbaren, schlicht und einfach nicht wahr ist. Und es ist relativ einfach, das zu beweisen. In diesem Buch möchte ich etliche Missverständnisse unter die Lupe nehmen – nicht nur, was den Glauben an Gott betrifft, sondern auch die Wissenschaft. Dabei möchte ich zeigen, dass es eine andere Sichtweise gibt, die vernünftiger, logischer und noch dazu konstruktiver ist als der allzu schnell zitierte, vermeintliche Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion.
Ich möchte zeigen, dass auch eine andere Art kosmischer Chemie denkbar ist: dass Wissenschaft und Glaube auch in einer anderen Beziehung zueinander stehen können, die dem Wesen und dem Geist beider Bereiche viel eher gerecht wird und fruchtbarer ist als die hinreichend bekannte und festgefahrene Debatte, die wir um uns herum wahrnehmen.
Wasserstoff und Sauerstoff bilden zwar wie Natrium und Wasser eine explosive Mischung, aber das Endergebnis könnte nicht unterschiedlicher sein – erfrischendes, Leben spendendes Wasser.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
»Sie können heutzutage doch wohl nicht Wissenschaftler sein und an Gott glauben?«
Diese Ansicht habe ich im Laufe der Jahre von vielen Menschen gehört. Doch ich habe den Verdacht, dass es vielmehr die unausgesprochenen Zweifel sind, die Menschen davon abhalten, sich ernsthaft mit ernst zu nehmenden Denkern über Wissenschaft und Gott auseinanderzusetzen.
Ich entgegne auf diesen Einwurf häufig, indem ich die sehr wissenschaftliche Frage stelle: »Warum nicht?«
»Na ja«, erwidert dann mein Gegenüber, »die Wissenschaft erklärt doch das Universum wunderbar und zeigt uns damit, dass Gott nicht notwendig ist. An Gott zu glauben ist altmodisch. Dieser Glaube gehört in die Zeit, als die Menschen das Universum noch nicht verstanden haben und denkfaul behaupteten: ›Das war Gott.‹ Diese ›Lückenbüßer-Gott-Logik‹ funktioniert heute nicht mehr. Je früher wir Gott und Religion über Bord werfen, desto besser.«
Ich seufze innerlich und mache mich auf ein langes Gespräch gefasst, in dem ich versuche, die vielen Mutmaßungen, Missverständnisse und Halbwahrheiten zu entwirren, die man kritiklos aus der kulturellen Suppe, in der wir schwimmen, aufgesogen hat.
Es überrascht kaum, dass dieser Standpunkt so verbreitet ist, dass er für viele, wenn nicht sogar die meisten Menschen zum Standard geworden ist. Es ist ein Standpunkt, der von einflussreichen Stimmen unterstützt wird. Stephen Weinberg etwa, Träger des Physik-Nobelpreises, sagte:
Die Welt muss aus dem langen Albtraum der Religion aufwachen. Alles, was wir Wissenschaftler beitragen können, um uns aus dem Klammergriff der Religion zu lösen, sollte auch getan werden, und vielleicht ist das unser größter Beitrag zur Zivilisation.1
Ich hoffe, Ihnen ist das recht düster klingende, totalitäre Element dieser Aussage nicht entgangen: »Alles, was wir Wissenschaftler tun können …«
Dieser Standpunkt ist nicht neu. Zum ersten Mal bin ich ihm vor fünfzig Jahren begegnet, als ich an der Universität Cambridge studierte. Bei einem festlichen Bankett saß ich neben einem anderen Nobelpreisträger. Noch nie hatte ich einen Wissenschaftler solchen Ranges kennengelernt, und um so viel wie möglich aus dem Gespräch mitzunehmen, stellte ich ihm ein paar Fragen. So wollte ich zum Beispiel wissen, wie die Wissenschaft seine Weltanschauung präge – welches Bild er sich vom Universum und dessen Bedeutung mache. Insbesondere interessierte mich, ob ihn die intensive Beschäftigung mit wissenschaftlichen Themen dazu gebracht hatte, über die Existenz Gottes nachzudenken.
Die Frage bereitete ihm Unbehagen, das war deutlich zu sehen, und ich hakte nicht weiter nach. Als das Bankett zu Ende war, lud er mich ein, in sein Büro zu kommen. Auch zwei oder drei andere Wissenschaftler lud er ein, aber keine weiteren Studenten. Ich sollte mich hinsetzen, doch soweit ich mich erinnere, blieben die anderen stehen.
Er meinte: »Lennox, Sie streben eine wissenschaftliche Karriere an?«
»Ja, Sir«, entgegnete ich.
»Dann«, sagte er, »müssen Sie noch heute vor Zeugen diesen kindischen Glauben an Gott ablegen. Wenn Sie das nicht tun, werden Sie zum intellektuellen Krüppel werden und im Vergleich zu Ihren Kommilitonen schlechter abschneiden. Sie werden es einfach nicht schaffen.«
Erzählen Sie mir jetzt mal was über Druck! So etwas hatte ich noch nie erlebt.
Wie gelähmt saß ich auf meinem Stuhl, war schockiert von diesem unverfrorenen und unerwarteten Angriff. Eigentlich wusste ich nicht, was ich sagen sollte, doch schließlich platzte ich heraus: »Sir, was können Sie mir anbieten, das besser ist als das, was ich habe?« Daraufhin erwähnte er das Konzept der »schöpferischen Evolution«, das der französische Philosoph Henri Bergson 1907 bekannt gemacht hatte.
Dank C.S. Lewis wusste ich ein wenig über Bergson und erwiderte, ich könne nicht erkennen, wie Bergsons Philosophie ein ausreichendes Fundament für eine ganze Weltanschauung sowie für Sinn, Moral und Leben liefern würde. Mit zitternder Stimme und so respektvoll, wie ich nur konnte, erklärte ich der Gruppe, die um mich herumstand, dass ich die biblische Weltsicht weitaus reichhaltiger und die Argumente, die für ihre Wahrheit sprachen, sehr viel einleuchtender fand und dass ich, bei allem Respekt, das Risiko eingehen und bei meiner Meinung bleiben würde.2
Es war eine beeindruckende Situation. Hier saß mir ein brillanter Wissenschaftler gegenüber, der mich einschüchtern und dazu bewegen wollte, das Christentum aufzugeben. Seitdem ist mir oft der Gedanke durch den Kopf gegangen, wie es wohl gewesen wäre, wenn die Situation sich genau andersherum dargestellt und ich als Atheist auf diesem Stuhl gesessen hätte, umgeben von christlichen Akademikern, die mich gedrängt hätten, meinen Atheismus aufzugeben. Das hätte ein Erdbeben in der gesamten Universität ausgelöst und wahrscheinlich zu Disziplinarmaßnahmen gegen die beteiligten Professoren geführt.
Dieser doch etwas unheimliche Zwischenfall stählte Herz und Verstand. Ich fasste den Entschluss, mein Bestes zu geben, um als Wissenschaftler so gut wie möglich zu werden, und – wenn sich mir die Gelegenheit bieten sollte – Menschen zu ermutigen, über die großen Fragen nach Gott und Wissenschaft nachzudenken, damit sie sich ein eigenes Urteil bilden können, ohne lächerlich gemacht oder unter Druck gesetzt zu werden. In den folgenden Jahren habe ich es als Privileg empfunden, mit vielen Menschen – alt und jung – ins Gespräch zu kommen, die freundschaftlich und ergebnisoffen waren. In diesem Buch habe ich einige der Gedanken und Vorstellungen zu Papier gebracht, die ich persönlich am hilfreichsten finde, wenn ich mit anderen Menschen spreche, sowie darüber hinaus die interessantesten und ungewöhnlichsten Gespräche, die ich führen durfte.
An jenem Tag habe ich noch eine weitere wertvolle Lektion gelernt: dass die akademische Welt eine dunkle Seite hat. Es gibt Wissenschaftler, die voreingenommen an diese Fragen herangehen, gar nicht wirklich über die Argumente diskutieren wollen und offensichtlich nicht die Wahrheit suchen. Stattdessen wollen sie nur ihre vorgefasste Meinung unter die Leute bringen, dass sich Gott und Wissenschaft nicht miteinander vereinbaren lassen und diejenigen, die an Gott glauben, einfach Ignoranten sind.
Doch das stimmt einfach nicht.
Mehr noch, man muss gar nicht lange nachdenken, um einzusehen, dass das falsch ist. Denken Sie zum Beispiel an den Physik-Nobelpreis. 2013 gewann ihn Peter Higgs, ein aus Schottland stammender Atheist, für seine bahnbrechenden Arbeiten zu subatomaren Teilchen und seine Vorhersage der Existenz des Higgs-Teilchens, die später nachgewiesen wurde. Einige Jahre zuvor war William Phillips, ein amerikanischer Christ, mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden.
Wenn sich Wissenschaft und Gott nicht miteinander vereinbaren ließen, gäbe es keine christlichen Nobelpreisträger. Tatsächlich bezeichneten sich über 60 Prozent der Nobelpreisträger zwischen 1900 und 2000 als an Gott gläubig.3 Was die beiden Professoren Higgs und Philipps voneinander unterscheidet, ist meiner Meinung nach nicht ihre Physik oder ihr Status als Wissenschaftler – beiden wurde der Nobelpreis verliehen. Was sie unterscheidet, ist ihre Weltanschauung. Higgs ist Atheist und Philipps Christ. Folglich ist die Behauptung der Akademiker, die mich vor so vielen Jahren in Cambridge einzuschüchtern versuchten – dass man nämlich Atheist sein müsse, um ein angesehener Wissenschaftler werden zu können –, offensichtlich falsch. Es kann keinen grundlegenden Konflikt darin geben, gleichzeitig Wissenschaft zu betreiben und an Gott zu glauben.
Es gibt allerdings tatsächlich einen Konflikt zwischen den beiden Weltanschauungen, die von diesen beiden brillanten Wissenschaftlern vertreten werden: Atheismus und Theismus.
Genau genommen bedeutet Atheismus einfach, nicht an Gott zu glauben. Das bedeutet jedoch nicht, dass Atheisten keine Weltanschauung hätten. Man kann die Existenz Gottes nicht verneinen, ohne nicht eine ganze Reihe von Grundannahmen über das Wesen der Welt zu postulieren. Darum ist Richard Dawkins’ Buch Der Gotteswahn auch kein einseitiges Flugblatt, in dem er erklärt, dass er nicht an Gott glaubt. Vielmehr handelt es sich um ein ausführliches Buch, das sich um seine atheistische Weltanschauung dreht, den Naturalismus. Dieser besagt, dass das Universum bzw. Multiversum alles ist, was existiert, und dass das, was Wissenschaftler »Masse und Energie« nennen, der elementare Stoff ist, aus dem das Universum gemacht ist. Darüber hinaus gebe es nichts.
Der Physiker Sean Carroll erklärt in seinem Bestseller The Big Picture, wie der Naturalismus den Menschen sieht:
Wir Menschen sind strukturierte Schlammpfropfen. Durch das unpersönliche Wirken natürlicher Strukturen haben wir die Fähigkeit entwickelt, über die Ehrfurcht einflößende Komplexität der Welt um uns herum nachzudenken, sie wertzuschätzen und in sie einzugreifen … Der Sinn, den wir im Leben finden, ist nicht transzendent …4
Das ist die Weltanschauung, der viele Atheisten glauben.
Meine Weltanschauung entspricht dem christlichen Theismus. Ich glaube, dass es einen intelligenten Gott gibt, der das Universum geschaffen und geordnet hat und es aufrechterhält. Er schuf die Menschen nach seinem Bild. Das bedeutet, dass er den Menschen mit der Fähigkeit ausgestattet hat, nicht nur das Universum um sich herum zu verstehen, sondern auch Gott selbst kennenzulernen und sich an der Gemeinschaft mit ihm zu freuen. Für Christen hat das Leben einen herrlichen transzendenten Sinn. Ich möchte zeigen, dass die Wissenschaft diesen Standpunkt keineswegs untergräbt, sondern vielmehr untermauert. Später werden wir dann sehen, dass die Wissenschaft im Gegensatz dazu kaum Argumente für den Atheismus liefert. Vorher möchte ich aber den Grund dafür bereiten, indem ich den geschichtlichen Hintergrund aufzeige, der zu der seltsamen Auffassung führte, dass sich Wissenschaft und Gott nicht miteinander vertragen würden.
Sprachen lernen ist mir immer leichtgefallen – sprachliche und mathematische Begabung gehen oft Hand in Hand. Als junger, mittelloser Akademiker in Cardiff verdiente ich mir durch das Übersetzen wissenschaftlicher Artikel vom Russischen ins Englische etwas zusätzliches Geld, um meine wachsende Familie zu versorgen.
Durch eine Reihe seltsamer Umstände saß ich einige Jahre später in