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Rylee ist in allergrößter Sorge. Seit ihr Bruder auf der Suche nach ihren gemeinsamen Eltern in eine entfernte Galaxis aufgebrochen ist, erhält sie nur wenige, bruchstückhafte Nachrichten von ihm. Mit Hilfe des Zauberers Merlin und TeqTeqs magischem Laden folgen sie und Vlad seiner Spur. Doch was sie finden, verändert ihre Vorstellung von Raum und Zeit für immer. "Die Zeitfalle" ist Band 14 der Fantasy-Serie "Haus der Hüterin" von Andrea Habeney. Band 1 "Das Erbe", Band 2 "Das Erwachen", Band 3 "Das leere Bild", Band 4 "Das Portal", Band 5 "Der Verrat", Band 6 "Der verschwundene Schlüssel", Band 7 "Die Hochzeit", Band 8 "Die Rettung", Band 9 "Die Fremden", Band 10 "Die Wächterin", Band 11 "Die Bedrohung", Band 12 "Der Händler" und Band 13 "Der Umsturz" liegen ebenfalls bei mainbook vor. Die E-Book-Bände 1-3, 4-6, 7-9 und 10-12 liegen auch als Taschenbuch-Sammelbände vor, die E-Book-Bände 1 bis 13 als Hörbücher.
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Seitenzahl: 273
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Das Buch
Rylee ist in allergrößter Sorge. Seit ihr Bruder auf der Suche nach ihren gemeinsamen Eltern in eine entfernte Galaxis aufgebrochen ist, erhält sie nur wenige, bruchstückhafte Nachrichten von ihm.
Mit Hilfe des Zauberers Merlin und TeqTeqs magischem Laden folgen sie und Vlad seiner Spur.
Doch was sie finden, verändert ihre Vorstellung von Raum und Zeit für immer.
„Die Zeitfalle“ ist Band 14 der Fantasy-Serie „Haus der Hüterin“ von Andrea Habeney. Band 1 „Das Erbe“, Band 2 „Das Erwachen“, Band 3 „Das leere Bild“, Band 4 „Das Portal“, Band 5 „Der Verrat“, Band 6 „Der verschwundene Schlüssel“, Band 7 „Die Hochzeit“, Band 8 „Die Rettung“, Band 9 „Die Fremden“, Band 10 „Die Wächterin“, Band 11 „Die Bedrohung“, Band 12 „Der Händler“ und Band 13 „Der Umsturz“ liegen ebenfalls bei mainbook vor.
Zudem gibt es die Bände 1-3, 4-6, 7-9 und 10-12 als Sammelband-Taschenbücher und die Bände 1 bis 13 als Hörbücher. Weitere Taschenbuch-Sammelbände und Hörbuchbände werden folgen …
Die Autorin
Andrea Habeney, geboren 1964 in Frankfurt am Main, in Sachsenhausen aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte sie in Gießen Veterinärmedizin. 1997 folgte die Promotion. Bis 2013 führte Andrea Habeney im Westen Frankfurts eine eigene Praxis. Heute arbeitet sie als Tierärztin für einen Tierärzteverbund.
Als Autorin hat sie sich einen Namen gemacht mit ihrer Frankfurter Krimi-Reihe um Kommissarin Jenny Becker: „Mörderbrunnen“ (Frühjahr 2011), „Mord ist der Liebe Tod“ (Herbst 2011), „Mord mit grüner Soße“ (April 2012), „Arsen und Apfelwein“ (2013), „Verschollen in Mainhattan“ (2014), „Apfelwein trifft Weißbier“ (Oktober 2015), „Abgetaucht“ (November 2017) und „Apfelwein auf Rezept“ (2019)
Zudem hat Andrea Habeney zwei weitere Fantasy-E-Books bei mainbook veröffentlicht: „Elbenmacht 1: Der Auserwählte“ und „Elbenmacht 2: Das Goldene Buch“.
eISBN 978-3-948987-50-3
Copyright © 2022 mainbook Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Gerd Fischer
Covergestaltung: Olaf Tischer
Coverbild: © Christian Müller - fotolia
Auf der Verlagshomepage finden Sie weitere spannende Taschenbücher und E-Books www.mainbook.de
Andrea Habeney
Band 14: Die Zeitfalle
Fantasy-Serie
Das Buch
Die Autorin
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Von Vlads Hubschrauber aus sah die Landschaft tief unter ihnen winzig aus. Es wurde schnell dunkel und überall in den Ortschaften flammten Lichter auf. Der hünenhafte Vampir steuerte den Hubschrauber sicher in Richtung Securus Refugium, und Rylee genoss es, schweigend neben ihm zu sitzen.
Ab und zu stahl sich seine Hand herüber und legte sich auf ihr Bein. Rylee ertappte sich dabei, dass sie in sich hinein lächelte. Endlich hatte sie Frieden gefunden und war eins mit ihren Gefühlen. Sie warf einen kurzen Seitenblick zu dem Mann neben ihr. Am frühen Morgen, gleich nach dem Aufwachen, hatte er sie mit dem Wunsch überrascht, ihr sein Schloss in den Karpaten zu zeigen. Rylee hatte begeistert zugestimmt, sich aber auserbeten, Maj, ihre Haushälterin, nicht über Nacht mit dem Haus alleinzulassen. Hinter ihnen lagen aufregende Ereignisse, und Rylee konnte deren Folgen noch nicht absehen.
Antrax, der korrupte Leiter der Gesellschaft, die den neutralen Häusern vorstand, war abgesetzt worden. Er hatte versucht, eine Diktatur aufzubauen, doch Rylee hatte dieses Vorhaben gemeinsam mit einigen anderen Hütern vereitelt.
Nomtha, eine Vorgängerin von Anthrax, würde die Gesellschaft für einige Zeit kommissarisch führen, bis ein neuer Vorstand gewählt werden konnte. Die komplette Gesellschaft sollte umstrukturiert und in eine Demokratie umgewandelt werden.
Niemand wusste genau, ob es noch Verbündete des gefallenen Leiters gab, die eine Gefahr für die neutralen Häuser darstellen könnten. Alle Beteiligten blieben wachsam.
Haus Securus Refugium war voller Gäste. Und auch deshalb hatte sie nicht lange wegbleiben wollen. Es war Winter und in Haus Heaven in Bayern, das ihr Freund Percival leitete, hatte die Skisaison begonnen. Nahe Securus Refugium lag einer der beiden Raumfahrthäfen der Erde, und viele der Wintersportler reisten von dort an, übernachteten in Securus Refugium und benutzten das Schnellportal zwischen ihren beiden Häusern. Der Strom der Gäste riss nicht ab. Es schien massenhaft Planeten zu geben, die über keinerlei Berge verfügten und auf denen Schnee unbekannt war. Anscheinend war es in Mode gekommen und galt als schick, die Wintersportmöglichkeiten auf der Erde zu nutzen.
Die Gäste blieben oft nur eine Nacht in Securus Refugium, doch verursachte dies überproportional viel Arbeit, da täglich die Betten neu bezogen und die Zimmer gereinigt werden mussten. Zum Glück verfügte Maj, ihre Haushälterin, als Tabatai über Kräfte, die weit größer als die eines Menschen waren. Außerdem arbeitete sie unermüdlich und focht einen ständigen Kampf mit Rylee aus, die sie bremsen wollte. Nur mühsam hatte Rylee sie überreden können, morgen, am Samstag, mit ihrem menschlichen Verehrer, Oberst Müller, ein Theaterstück zu besuchen. Der Ausflug war eigentlich schon eine Woche vorher geplant gewesen, musste aber vom Oberst wegen einer dienstlichen Angelegenheit verschoben werden.
„Wir sind gleich da“, sagte Vlad leise, und Rylee spürte in den Ohren, dass sie bereits an Höhe verloren. Sie drückte ihre Nase an die Scheibe und versuchte, einen ersten Blick auf Securus Refugium zu erhaschen. Doch kaum dass sie seine Lichter ausmachen konnte, setzten sie bereits zur Landung auf der Wiese neben dem Haus an. Vlads große Gestalt versperrte ihr den direkten Blick auf Securus Refugium, doch sie sah von ihrem Sitzplatz aus das Zelt des Händlers TeqTeq. Durch Ritzen in der Zeltplane drang ein diffuses grünliches Licht. Auch bei Emmea und Squeech, die ihr Haus ein Stück entfernt gebaut hatten, brannte Licht. In der anderen Richtung, wo sich zwei weitere Häuser im Bau befanden, war alles dunkel. Eines von ihnen würde bald fertig gestellt sein. Rylees Freundin Emily, die für sie fast Mutterstelle einnahm, würde dort mit ihrem Ehemann, Oberst Landgraf, einziehen. Das andere war für ihre Freundin, die Hexe Evanora, gedacht. Nicht weit entfernt befand sich ein weiterer, noch leerer Bauplatz. Hier sollte für einige von Vlads Leuten, die er auf Dauer vor Ort benötigen würde, ein Domizil entstehen. Die Entscheidung für den Neubau war erst vor Kurzem gefallen, und der eigentliche Bau hatte noch nicht begonnen.
Securus Refugium, das ihre Ankunft bemerkt hatte, begrüßte sie freudig. Auch wenn das Haus mit Maj vertraut war und sogar mit ihr interagierte, war es doch nie wirklich entspannt oder gar zufrieden, wenn Rylee abwesend war. Vlad, der dabei war, im Cockpit verschiedene Schalter umzulegen, hob den Kopf. „Securus Refugium heißt mich willkommen“, sagte er überrascht. „Es fühlt sich …“
Rylee lächelte. „… fantastisch an? Es scheint dich voll und ganz akzeptiert zu haben.“ Sie verband sich in Gedanken mit dem Haus und sandte eine Welle aus Freude und Dankbarkeit aus, wieder mit ihm vereint zu sein.
Sie wartete, bis sich der durch die Rotorblätter erzeugte Wind abgeschwächt hatte, und kletterte aus dem Hubschrauber. Vlad nahm ihre Hand, und gemeinsam legten sie die letzten paar Meter zurück. In der Küche brannte Licht, und Maj öffnete, kaum dass sie durchs Gartentor getreten waren, die Haustür.
„Willkommen zu Hause“, sagte sie herzlich und rieb sich die Arme. „Ist das kalt geworden.“
Rylee lachte fröhlich. „Ist es nicht toll? So frisch.“
Bis vor etwa zwei Wochen hatte das Haus ihr zuliebe das Klima auf dem umgebenden Gelände warm und sommerlich gehalten. Obwohl es Dezember war, hatten Blumen geblüht, und man konnte draußen sitzen, ohne zu frieren. Doch Rylee mochte den Winter, und hatte das Haus vor Kurzem gebeten, das Klima den natürlichen Jahreszeiten anzupassen, nicht ohne sich zuvor bei der Baumnymphe Nialee zu versichern, dass diese Änderung weder den Pflanzen noch den Tieren, die im Garten lebten, schaden würde. Die Nymphe hatte ihr erklärt, dass die Magie des Hauses alle schützen würde. So hatte Maj zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee gesehen und Rylee wieder einmal einen Schneemann bauen können, was viele Jahre nicht möglich gewesen war.
Rylee hörte Kinderlachen irgendwo im Haus. „Ich hoffe, du hattest nicht zu viel zu tun“, fragte sie. „Hast du Emmea gebeten, dir zu helfen?“
Die junge Drachin erwartete zwar bald ihr erstes Kind, schien aber so energiegeladen wie eh und je. Sie bot des Öfteren an, im Haus zu helfen, und Rylee vermutete insgeheim, dass sie sich langweilte. Squeech, ihr zukünftiger Mann, saß die meiste Zeit des Tages vor einem seiner Computer.
Maj winkte ab. „Die Gäste waren alle recht unkompliziert und haben sich bereits auf ihre Zimmer zurückgezogen. Wintersport scheint müde zu machen. Die meisten fahren morgen früh zum Raumhafen, und heute sind nur zwei Familien angekommen.“
„Wie viele Zimmer sind belegt?“, fragte Rylee.
„Sechs“, antwortete Maj zufrieden. „Und das von Cinder natürlich.“
„So viele?“, rief Rylee aus. „Und dazu noch die acht, die heute Morgen abgereist sind. Du musst völlig fertig sein.“
Maj runzelte die Stirn. „Du vergisst immer noch, dass ich kein Mensch bin. Es war wirklich kein Problem. Kann ich euch noch etwas zubereiten? Es ist noch Braten vom Abendessen über. Oder etwas Warmes zu trinken?“
„Für mich nicht, danke“, erklärte Vlad und begrüßte Boh, der erst ihm, dann Rylee um die Füße strich und intensiv schnurrte.
„Ich bin pappensatt“, erklärte Rylee. „Wir haben fantastisch zu Abend gegessen.“ Sie wandte sich an Boh: „Wie geht es Aurelie und dem Nachwuchs?“
Der Werkater sandte ihr ein Bild von Aurelie, die auf einem dicken flauschigen Kissen lag, die zwei Katzenbabys dicht an sich gekuschelt. Sie schienen wesentlich schneller als normale Katzenwelpen erwachsen zu werden und waren schon ein Viertel so groß wie ihre Mutter.
Boh stupste Rylee noch einmal an und verschwand dann. Rylee ging zu Maj. „Kann ich dir noch irgendetwas helfen? Sonst würden wir uns zurückziehen. Ich bin hundemüde. Und du solltest auch schlafen gehen.“
„Es ist alles fertig“, gab Maj zur Antwort. „Gute Nacht.“
Während Vlad im Bad war, las Rylee ihre Mails. Sie wartete sehnsüchtig auf eine Nachricht von Philipp, der aufgebrochen war, um ihrer beider Eltern zu suchen. Erst vor wenigen Wochen hatten sie herausgefunden, dass er ihr Bruder war. Nach einem Unfall während einer Portalreise hatte er mehr als zweihundert Jahre als Geist existiert, und erst die Magie von Securus Refugium hatte es ermöglicht, dass er nicht nur wieder zu einem Menschen geworden war, sondern mit Unterstützung des Zauberers Merlin sogar sein verloren gegangenes Gedächtnis zurückerlangt hatte.
Vor vier Tagen hatte Rylee zuletzt von Philipp gehört, als er einer Spur gefolgt war, die ihn tief in eine fremde Galaxis führen würde. Sooft es ihm möglich war, meldete er sich, doch klappte das nicht so oft, wie Rylee es sich gewünscht hätte. Ihr erschien es immer noch wie ein Wunder, dass sie überhaupt mit ihrem ganz normalen Handy mit jemandem, der sich auf einer fremden Welt befand, sprechen konnte. Das Ministerium für Kommunikation, das sich auf dem Handelsplaneten Aldibaran befand, hatte viele Jahre daran gearbeitet, ein Kommunikationsnetz zwischen den Planeten der Galaxie aufzubauen. Doch gab es ob der Fülle bewohnter Planeten noch immer viele Gebiete, in denen das Netz nur schwach ausgelegt oder gar lückenhaft war.
Am nächsten Morgen wurde Rylee von Lärm auf dem Gang vor ihrem Zimmer geweckt. Sie setzte sich gähnend auf und streckte sich. Diese Wintersportler standen immer grässlich früh auf. Der Platz neben ihr war leer, und sie hörte die Dusche im Bad laufen. Sie strich mit der Hand über das Laken und spürte noch die Wärme, die Vlads Körper hinterlassen hatte.
Rylee stand auf, warf sich einen Morgenmantel über und trat ans Fenster. Sie konnte sich an dem verschneiten Garten einfach nicht sattsehen.
Vlad kam einen Moment später nur mit einem Handtuch um die Hüften aus der Dusche. Sie blickte lächelnd über die Schulter. Er lief quer durchs Zimmer auf sie zu, stellte sich hinter sie und zog sie an sich. Sie drehte sich in seiner Umarmung und legte die Arme um ihn. Tief sog sie den Duft nach Shampoo ein.
Er seufzte. „Ich habe heute einen Termin in Hamburg und muss spätestens in einer halben Stunde weg.“
„Schade“, murmelte sie an seiner Brust. „Bist du heute Abend wieder da?“, fragte sie hoffnungsvoll, zögerte dann jedoch. „Allerdings werde ich eine Menge zu tun haben. Heute ist Majs Theaterabend.“
Vlad küsste sie auf den Kopf. „Hältst du es wirklich für eine gute Idee, dass sie mit diesem Oberst Müller ausgeht?“
Rylee sah ihn erstaunt an. „Erstens geht es mich überhaupt nichts an, mit wem sie ausgeht. Und zweitens: Was hast du gegen den Oberst?“
„Persönlich gar nichts“, erklärte der Vampir, löste sich sanft von ihr und ging zum Kleiderschrank. „Außer, dass ich ihn für einen humorlosen Paragraphenreiter halte. Aber ich sorge mich um Maj. Er scheint mir nicht sehr aufgeschlossen all denjenigen gegenüber, die keine Menschen sind.“
„Aber“, begann Rylee und hielt dann inne. „Das gilt vielleicht für feindliche Außerirdische, aber doch nicht für Maj. Der Oberst weiß doch, dass sie von einem anderen Planeten kommt.“
„Vielleicht. Aber was genau weiß er über sie?“, fragte Vlad beiläufig und begann, Kleider aus dem Schrank zu nehmen und auf einem Stuhl zu deponieren.
Rylee überlegte lange. Sie konnte sich nicht mehr an alle Gelegenheiten erinnern, in denen sie mit dem Oberst gesprochen oder gar zusammengearbeitet hatte. Sicher war irgendwann die Rede auf Majs Herkunft gekommen. Oder etwa nicht?
„Ich werde Maj fragen“, sagte sie entschlossen und hob ihm ihren Mund für einen Kuss entgegen.
Eine dreiviertel Stunde später hatte Vlad das Haus verlassen, und Rylee war hinunter zu Maj gegangen. Die Wintersport-Gäste hatten schon gefrühstückt und waren abgereist. Während sie gemeinsam mit ihr die Betten in einem der Gästezimmer neu bezog, fragte sie beiläufig: „Hat Oberst Müller eigentlich schon mitbekommen, über welch große Kräfte du verfügst?“
Maj sah sie erschrocken an. „Aber nein.“ Sie überlegte kurz, schwieg aber.
„Weiß er eigentlich, woher du stammst?“, schob Rylee eine weitere Frage nach. „Ich meine, hat er sich für deine Herkunft interessiert?“
Maj sah sie verwundert an. „Ich glaube nicht, dass er weiß, dass ich von einem anderen Planeten komme. Wieso fragst du?“
„Hat er dich nicht ausgefragt?“, hakte Rylee nach.
Darüber dachte Maj einen Moment nach. „Eigentlich nicht. Er hat viel von sich selbst erzählt und von seiner Arbeit.“ Sie sah Rylees Blick. „Das hört sich jetzt völlig falsch an. Er hat sich schon für mich interessiert. Aber er hat mehr nach anderen Dingen gefragt, wie mein Lieblingsessen, meine Lieblingsfarbe und so.“ Sie stockte, bevor sie nachdenklich fortfuhr. „Vielleicht hätte ich ihm sagen müssen, was ich bin, aber irgendwie hat sich nie eine Gelegenheit ergeben. Außerdem muss ich ihn ja nicht auf meine Fremdartigkeit stoßen. Ich dachte, ich erzähle ihm von mir, wenn … falls wir uns näher kennenlernen.“
Rylee nickte. „Vermutlich wollte er euer erstes Rendezvous nicht wie ein Verhör klingen lassen. So viel Zartgefühl hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“
Maj kicherte wie ein junges Mädchen. „Er hat sich wie einer dieser Männer im Film benommen.“
Rylee lächelte traurig. Was musste es für ein Gefühl sein, als Sklavin aufzuwachsen, ohne die Möglichkeit zu haben, sich selbst einen Partner auszusuchen. Im Gegenteil, Maj war mit dem Wissen groß geworden, eines Tages von ihrem Besitzer verpaart zu werden. Mit einem Mann auszugehen, musste für Maj eine völlig neue Erfahrung sein.
Rylee überlegte, ob sie ihr irgendwelche Ratschläge mit auf den Weg geben konnte. Vermutlich musste Maj jedoch, wie jeder andere auch, ihre eigenen Erfahrungen machen. Und sie, Rylee, war gerade einmal achtzehn Jahre alt und hatte selbst nicht viele Erfahrungen in Bezug auf Männer vorzuweisen. Vlad war ihre erste feste Beziehung, und man konnte ihn zudem kaum mit einem normalen Mann vergleichen.
Dann fiel ihr noch etwas ein. „Wie lange bleibt dieser Cinder eigentlich noch?“
Maj sah sie überrascht an. „Warum? Er hat die erste Woche bereits bezahlt.“
„Darum geht es mir nicht“, sagte Rylee. „Ich bin nur neugierig. Er wohnt jetzt schon fast zwei Wochen hier. Hast du eine Ahnung warum?“
Maj wandte sich ab und begann, einen Kissenbezug glatt zu streichen. „Nein. Ich habe ihn nicht gefragt. Es ist doch gut, wenn wir Gäste haben.“
Als sie mit den Zimmern fertig waren, machte sie noch einen Kontrollgang durchs Haus und zog sich dann in ihr Büro zurück. Seit Tagen versuchte sie, Kontakt zu Merlin herzustellen, um ihn um Informationen zum Verschwinden ihrer Eltern zu bitten.
Der Zauberer, der zu ihrer großen Überraschung identisch mit dem Merlin aus ihrem Geschichtsunterricht war, lebte auf dem Planeten Kropok, der momentan wegen eines ungewöhnlich schweren Sandsturms nicht zu bereisen war. Er führte dort ein Einsiedlerleben und legte weder Wert auf ungebetene Gäste noch auf Post oder Telefonanrufe.
Da sie seine Hilfe gebraucht hatte, war sie mit Vlad und zweien seiner Männer zu ihm gereist. Merlin hatte ihr Problem tatsächlich lösen können und sie dann nach Securus Refugium begleitet, war dort jedoch überstürzt aufgebrochen, als er erfahren hatte, dass der Händler TeqTeq in der unmittelbaren Nachbarschaft lebte. TeqTeq hatte sich geweigert, den Grund seines Zwists mit Merlin zu erklären. Der Zauberer hatte ihr angeboten, dass sie ihn jederzeit besuchen konnte, jedoch hatte sie bisher keinerlei Möglichkeit gehabt, ihn zu kontaktieren. Der Sandsturm war immer noch nicht abgeklungen.
Sie klappte ärgerlich den Laptop zu. Jetzt, wo alle anderen drängenden Probleme gelöst waren, schob sich der angebliche Tod ihrer Eltern wieder in den Vordergrund. Ein Gott hatte ihr erlaubt, als Zuschauer deren vermeintlichen Todeszeitpunkt in der Vergangenheit mitzuerleben. Tatsächlich hatte sie jedoch gesehen, wie sich ein Spalt zwischen den Dimensionen aufgetan hatte, und ihre Eltern zwar verwundet, anscheinend jedoch lebendig in ihm verschwunden waren. Seitdem hegte sie die Hoffnung, dass sie immer noch am Leben sein könnten. Die erfolgversprechendste Spur war eine Sichtung auf einem Gefangenenschiff, das mit unbekanntem Ziel in einer benachbarten Galaxie unterwegs gewesen war. Sowohl Squeech als auch Rylees Bruder gingen ihr nach.
Doch vielleicht konnte sie selbst mehr über die Magie, die den Spalt geschaffen hatte, erfahren. Die Portalmagier hatten ihr keine Auskunft geben können. Auch TeqTeq, der über enormes Wissen verfügte, und, wie sie vor Kurzem erfahren hatte, genau wie Merlin schon viele hundert Jahre lebte, wusste nichts über dieses Phänomen.
Bevor sie Merlin hatte fragen können, war dieser durch ein von ihm selbst geschaffenes Portal verschwunden.
Sobald der Sandsturm vorbei wäre, würde sie die anstrengende Reise erneut auf sich nehmen und Merlin fragen. Vielleicht würde sie dann auch erfahren, warum er und TeqTeq sich so verabscheuten.
Die nächsten Stunden verbrachte sie mit Büroarbeiten und sah erst auf, als Maj ins Zimmer trat.
„Der Oberst wird gleich da sein“, sagte sie verlegen. „Ich bin dann weg.“
Rylee betrachtete sie anerkennend. Die Tabatai trug ein einfaches, aber gut geschnittenes, dunkelrotes Kleid, das ihr ausgezeichnet stand. „Du siehst toll aus! Ich hoffe, du hast einen wunderschönen Abend.“
Maj lächelte. „Das hoffe ich auch.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand, eine Leichtigkeit im Schritt, die Rylee schmunzeln ließ.
Seufzend stand Rylee auf, räumte ihre Unterlagen weg und machte sich auf den Weg nach unten. Auch wenn Maj vermutlich alles zum Abendessen vorbereitet hatte, blieb doch einiges zu tun. Mehrere Gäste würden in den nächsten Stunden eintreffen, und sie musste sie begrüßen und ihnen ihre Zimmer zuweisen. Meist hatten sie unzählige Fragen zu ihrer Weiterreise nach Haus Heaven und dem dortigen Ski-Gebiet. Viele wollten auch mehr über die Erde allgemein wissen. Rylee hatte sich schon lange vorgenommen, eine Broschüre zu entwerfen, in der die wichtigsten Tipps für einen Aufenthalt auf der Erde enthalten waren. Etwas Ähnliches wurde von den Einreise-Behörden allen Ankommenden an den Flughäfen ausgehändigt, doch war es mehr auf Sicherheitsaspekte ausgelegt, während Rylee ihre Gäste eher über die örtlichen Begebenheiten und Sitten aufklären wollte.
Mit Grauen erinnerte sie sich an einen jungen Mann, der, als die Temperaturen noch wärmer waren, im Adamskostüm die Dorfstraße entlangspaziert war, um sich die Gegend anzuschauen. Zum Glück war Maj zur gleichen Zeit einkaufen gewesen, hatte ihn eingesammelt und zurück zum Haus gebracht. Später hatte Rylee sein Auftreten mit einer hitzschlagbedingten Verwirrung erklärt. Vermutlich hatte niemand ihr geglaubt, sondern angenommen, dass der junge Mann Drogen genommen hatte. Aber das war ihr gleichgültig, solange keiner auf die Idee kam, die Polizei zu verständigen.
Drei Stunden später waren alle Gäste versorgt und hatten sich auf ihre Zimmer zurückgezogen. Rylee hatte die Küche aufgeräumt und wischte gerade abschließend über die Anrichte, als sie hörte, wie die Eingangstür so fest aufgestoßen wurde, dass sie gegen die Wand knallte. Alarmiert rannte sie in die Eingangshalle, wo sie entsetzt stehen blieb. In der offenen Haustür stand Maj, bleich wie ein Gespenst und zitternd wie Espenlaub.
Rylee eilte zu ihr. „Was ist passiert?“ Entsetzt sah sie, dass die Tabatai teilweise in ihre Kampfgestalt gewechselt war. Ihre Nägel hatten sich zu Klauen geformt, und aus den Haaren in ihrem Nacken ragten einzelne Stacheln. Auch ihre Eckzähne hatten sich verlängert und lugten über die Unterlippe.
„Was ist passiert?“, fragte Rylee noch einmal und setzte leiser hinzu: „Seid ihr angegriffen worden? Hat der Oberst dich so gesehen?“
Maj versuchte sichtlich, sich zusammen zu reißen und stammelte: „Ja … Nein …“
Rylee ging um sie herum, schloss die Haustür, und nahm Maj am Arm. „Komm“, sagte sie fest und führte sie in die Küche. Sie schob Maj auf einen Küchenstuhl und setzte Wasser für einen Tee auf. Als es kochte, goss sie eine Tasse auf, stellte sie vor Maj und setzte sich neben sie.
Erleichtert sah sie, dass die Tabatai wieder komplett in ihre menschliche Gestalt zurück gewechselt war. „Und jetzt erzähl mir, was passiert ist!“
Maj rang sichtlich um Fassung. Sie streckte eine zitternde Hand aus, nahm die Tasse und trank vorsichtig einen Schluck. „Es war alles meine Schuld“, begann sie.
Rylee sah sie zweifelnd an, sagte jedoch nichts.
Maj sprach stockend weiter. „Der Abend war perfekt. Wir haben in einem sehr schicken Restaurant gegessen. Und das Theater …“ Ihre Stimme verklang. Nach einem Moment sprach sie weiter. „So etwas Schönes habe ich überhaupt noch nie gesehen. Es war … einfach wunderbar.“
„Und dann?“, drängte Rylee, als Maj nicht weitersprach.
„Auf dem Heimweg hat der Oberst auf einem Parkplatz in dem Wäldchen auf der anderen Seite unseres Dorfes angehalten.“
Uh oh, dachte Rylee, die ahnte, was folgen würde.
Maj blickte sie hilflos an. Auf ihrem blassen Gesicht hatten sich hochrote Flecken gebildet.
„Er hat versucht, dir näher zu kommen? Dich zu küssen?“, fragte Rylee.
Maj nickte. „Es war … Es kam so plötzlich. Ich habe noch nie …“
„Du hast noch nie einen Mann geküsst?“
Maj schüttelte energisch den Kopf. „Noch nie. Der Oberst rückte ganz dicht an mich heran, beugte sich über mich und hat mich gestreichelt. Da habe ich Angst bekommen.“
Rylee seufzte und rieb sich die Augen. „Und da hast du dich verwandelt?“
Maj nickte, und die Schamesröte stieg ihr ins Gesicht. „Ich wollte ihn nur wegschieben, habe aber meine Kraft unterschätzt. Er ist mit dem Kopf gegen die Seite des Wagens geknallt. Darüber bin ich so erschrocken, dass ich begonnen habe, mich zu wandeln.“
Rylee ahnte Schlimmes. „Wie hat er reagiert?“
„Er war schockiert! Zuerst hat er mich entsetzt angestarrt, dann hat er mich angebrüllt.“
„Oh je“, sagte Rylee mitfühlend.
Maj sah sie mit einer Mischung aus Scham und Wut an. „Er hat geschrien, ich sei ein Monster, eine Missgeburt.“
„Was?“, rief Rylee und sprang auf.
Maj hatte jetzt Tränen in den Augen. „Er hat behauptet, ich hätte ihn getäuscht, ihn belogen. Dabei würde ich nie vorgegeben, etwas anderes zu sein, als ich bin. Er hätte mich nur fragen müssen.“
Rylee setzte sich langsam hin, griff über den Tisch und nahm Majs Hand. „Es tut mir so unendlich leid. Er hat nicht das Recht, dich so zu behandeln. Ich weiß, er hat dir sehr wehgetan. Aber offensichtlich ist er ein Rassist und als solcher nicht wert, dass man ihm eine Träne nachweint.“
Maj senkte den Kopf. „Du hast recht. Aber ich habe ihn wirklich gemocht. Das hätte ich nicht von ihm erwartet.“
Rylee seufzte. „Ich auch nicht.“
Sie blickte erschrocken auf, als sie ein Geräusch hörte. Cinder stand im Eingang zur Küche und sah sie an. Seine breiten Schultern füllten den Türrahmen fast aus. Er schien die Situation mit einem Blick zu erfassen, kam in den Raum und zog sich kommentarlos einen Stuhl neben die Tabatai. Ohne zu zögern, legte er einen Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich. Zu Rylees Überraschung lehnte Maj sich an ihn und schloss die Augen.
Sie wartete einen Moment, doch als niemand etwas sagte und Maj keine Anstalten machte, sich von Cinder zurückzuziehen, stand sie auf.
„Wenn du mich brauchst … Ich bin jederzeit für dich da.“
Maj sah auf. „Das weiß ich. Danke.“
Rylee konnte sich einen letzten Satz nicht verkneifen. „Und wenn der Oberst es noch jemals wagt, an unserer Tür zu erscheinen …“
Cinder hob jetzt ebenfalls den Kopf und sah sie an.
Rylee fuhr zurück. Waren seine Augen wirklich einen Moment komplett gelb geworden, oder hatte sie sich das eingebildet?
„Das würde ich ihm nicht raten.“ Seine Stimme klang mehr wie das Knurren eines Tieres als wie das Produkt menschlicher Stimmbänder.
Rylee stand noch einen Moment unschlüssig im Zimmer, nickte den beiden abschließend noch einmal zu und ging nach oben. Der Tag war lang gewesen, und sie war hundemüde. Trotzdem hielt die Wut über Oberst Müllers Verhalten sie noch lange wach. Wie konnte er es wagen, Maj so zu behandeln? Und wie sollte sie unter diesen Umständen weiter mit ihm zusammenarbeiten? Irgendwann schlief sie endlich ein und wachte am frühen Morgen schweißgebadet aus einem wirren Traum auf, in dem Außerirdische auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden waren.
Seufzend setzte sie sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Wie sehr sie sich ein paar friedvolle Wochen ohne irgendwelche Katastrophen wünschte. Ständig geschah irgendetwas, um das sie sich kümmern musste. Als wäre die Sorge um ihre Eltern nicht genug.
Doch genug des Selbstmitleids. Ein Tag voller Arbeit wartete auf sie. Wie spät war es überhaupt? Sie fluchte leise und schwang die Beine aus dem Bett. Vielleicht ging es Maj schlecht. Sie hätte ihr anbieten sollen, ihre morgendlichen Pflichten zu übernehmen. Aber wahrscheinlich hätte die Tabatai sowieso entrüstet abgelehnt.
Trotzdem machte Rylee sich eilig fertig, und hastete zehn Minuten später die Treppe ins Erdgeschoss hinab.
Erleichtert hielt sie in der Tür zur Küche inne. Alles war wie immer. Maj werkelte an der Anrichte, es duftete nach Kaffee, Rühreiern und Pfannkuchen, und aus dem großen Wohnzimmer klangen Stimmen und das Klirren von Geschirr.
Die Tabatai drehte sich zu ihr um und sagte freundlich: „Guten Morgen.“
Rylee eilte zu ihr. „Ich bin eine schreckliche Freundin“, sagte sie. „Nach deinem Erlebnis gestern Abend hättest du wenigstens ausschlafen sollen.“
Maj schüttelte energisch den Kopf. „Auf keinen Fall. Ich werde doch nicht wegen des Obersts meine Pflichten vernachlässigen. Außerdem konnte ich sowieso nicht schlafen.“
Diese Bemerkung war nicht gerade dazu angetan, Rylees schlechtes Gewissen zu beruhigen. „Was kann ich helfen?“, erkundigte sie sich eifrig.
Maj drückte ihr eine volle Tasse Kaffee in die Hand. „Du kannst dich hinsetzen und deinen Kaffee trinken“, sagte sie, „oder du gehst hinüber und unterhältst die Gäste.“
Rylee trank einen Schluck und schloss genüsslich die Augen. Dann warf sie einen Blick zum Wohnzimmer, aus dem immer noch fröhliche Stimmen zu hören waren. „Als gute Gastgeberin sollte ich das wohl“, sagte sie mit wenig Begeisterung.
„Sie sind sowieso fast fertig“, erklärte Maj.
Rylee nahm ihre Tasse und ging hinüber ins Wohnzimmer, wo am Esstisch eine bunte Truppe versammelt war. Eine ältere Korallianerin schmierte gerade ein Marmeladenbrötchen und legte es ihrem Mann auf den Teller. Seine Schlappohren wackelten fröhlich, als er sich mit einem liebevollen Lächeln bedankte. Ein Paar vom Planeten Xophobos versuchte, ihre beiden Kinder zu überreden, ihr Müsli zu essen. Wäre die Familie menschlich, würde Rylee die Kinder auf etwa sechs oder sieben Jahre schätzen. Mit großen Augen starrten sie auf den Stapel Pfannkuchen, der mitten auf dem Tisch stand und vor Ahornsirup troff.
„Es geht wirklich nicht“, sagte die Mutter bedauernd und schob den Teller etwas weiter von ihren Kindern weg. Verlegen sah sie Rylee an. „Wir können das, was ihr Zucker nennt, nicht verwerten. Wenn ich die Kinder das essen ließe, hätten sie tagelang Bauchkrämpfe.“
Erschrocken nahm Rylee den Teller und stellte ihn ans andere Ende des Tisches, wo ein junger, extrem magerer Mann saß und Rührei in sich hineinschaufelte. Rylee wusste nicht genau, von welchem Planeten er stammte. Bis auf einen ausgeprägten Stirnwulst sah er wie ein Mensch aus.
Sie nickte ihm zu und wandte sich wieder an die Mutter. „Ich muss mich aufrichtig entschuldigen. Normalerweise nehmen wir auf die Ernährungsgewohnheiten unserer Gäste Rücksicht.“
Die junge Frau winkte ab. „Wir wollten für den einen Morgen keine Umstände machen und haben eure Haushälterin absichtlich nicht informiert. Sie ist so nett, und es ist wirklich genug zum Frühstücken da. Dieses Müsli ist zum Beispiel zuckerfrei.“
Rylee setzte sich ihnen gegenüber. „Woraus besteht die Nahrung auf eurem Planeten?“, fragte sie interessiert.
Die Kinder hatten sich inzwischen beruhigt und löffelten ihr Müsli. Die Mutter entspannte sich sichtlich und antwortete: „Unser Planet ist sehr trocken. Wir essen die Früchte der Pflanzen, die bei uns heimisch sind. Dann noch die Eier einer Tierart, die man mit Echsen auf der Erde vergleichen kann.“ Sie lächelte verlegen. „Als wir unseren Urlaub hier planten, habe ich einige Bücher über euren Planeten gelesen.“
„Ihr seid auch zum Skifahren hier?“, erkundigte sich Rylee.
Die Frau nickte eifrig. „Ja, es ist fantastisch. Wir haben vorher noch nie Schnee gesehen. Das nächste Mal möchten wir uns eure Meere ansehen. Auf unserem Planeten gibt es nur wenig Wasser. Ich kann mir so eine große Menge gar nicht vorstellen.“
„Das Meer ist nicht weit von hier“, erklärte Rylee. „Vielleicht eine Stunde mit dem Auto.“
„Leider müssen wir morgen schon abreisen“, sagte die Frau. „Wir müssen beide am Tag darauf wieder auf den Plantagen arbeiten. Auf unserem Planeten hat jeder nur wenige freie Tage im Jahr.“
„Das ist schade“, sagte Rylee, „aber vielleicht kommt ihr nächstes Jahr wieder.“
„Auf jeden Fall, und unsere Nachbarn haben auch schon gesagt, dass sie mitkommen möchten.“
Wenig später rüsteten sich die Gäste zum Aufbruch. Rylee öffnete ihnen am Portal die Schnellverbindung zu Haus Heaven und ging dann wieder nach oben, um Maj beim Aufräumen zu helfen. Als sie gerade die Eingangshalle durchquerte, schob der Händler TeqTeq seine untersetzte Gestalt ins Haus. Obwohl auf seinen Haaren Schneeflocken waren, schien er in dem bunten Gewand, das eher für die wärmere Jahreszeit geeignet schien, nicht zu frieren.
„Guten Morgen!“, rief Rylee erfreut. „Kommt Ihr zum Frühstück?“
Er deutete eine Verbeugung an und wedelte mit der speckigen Hand. „Natürlich nicht, wobei ich gegen einen Kaffee nichts einzuwenden hätte. Ich hätte da übrigens eine neue besondere Mischung …“
Rylee schüttelte lachend den Kopf. „Bitte nicht. Eure besonderen Mischungen sind mir zu gefährlich.“
Er sah sie gespielt beleidigt an. „Normalerweise sind meine besonderen Mischungen hoch begehrt und werden teuer bezahlt“, erklärte er würdevoll. „Aber wenn Ihr sie nicht zu schätzen wisst …“
„Ich möchte sie Euren anderen Kunden keinesfalls vorenthalten“, erklärte Rylee immer noch grinsend. „Möchtet Ihr mit in die Küche kommen, oder ist Euch das Wohnzimmer lieber?“
„In der Annahme, dass die bezaubernde Maj dort werkelt, bevorzuge ich die Küche.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, watschelte er an ihr vorbei. Rylee folgte ihm.
Maj sah erfreut auf und begrüßte den Händler herzlich. Obwohl Rylee wenig davon mitbekommen hatte, schienen die Tabatai und TeqTeq eine für beide Seiten befriedigende Übereinkunft gefunden zu haben. Maj hatte den einen oder anderen wohlhabenden Gast, der auf der Suche nach etwas Besonderem und Ausgefallenen war, hinüber in den Laden geschickt. Dafür tauchten im Haus immer wieder Lebensmittel oder auch Gegenstände auf, die Rylee gänzlich unbekannt waren. Darunter war auch eine Sorte Kaffee gewesen, der zwar über keine magischen Fähigkeiten verfügte, dafür jedoch ausgezeichnet schmeckte. Rylee hatte immer noch ein großes Arsenal magischer Bilder, von denen sie eins auf den Kaffee geeicht hatte, sodass sie zu TeqTeqs Verdruss endlose Vorräte davon generieren konnte.
Sie hatte immer noch das Gefühl, dass sie irgendwie für auf diese Weise erzeugte Waren bezahlen müsste. Doch hatte sie Kontakt mit den Eidolanern, die ihr die Bilder zur Verfügung gestellt hatten, aufgenommen. Diese hatten ihr versichert, dass dies nicht der Fall sei, solange sie die Waren nur für den Eigenbedarf nutze.
Maj schenkte dem Händler eine Tasse ein, und Rylee setzte sich zu ihm. Sie wartete, bis er einen Schluck getrunken hatte und genussvoll die Augen schloss. Dann fragte sie: „Führt Euch etwas Bestimmtes her?“
Ohne die Augen zu öffnen, sagte er: „Merlin.“
Rylee hob abwehrend die Hände. „Ihr wisst, ich habe es ihm versprochen. Ich kann, nein, ich darf Euch einfach nicht sagen, wo er lebt.“
Jetzt schlug der Händler die Augen auf und sah sie direkt an. Ein listiges Lächeln umspielte seine Lippen. „Aber natürlich nicht, meine Liebe. Ich würde auch nie erwarten, dass Ihr ein Versprechen brecht. Ich bin nur gekommen, um gemütlich mit Euch zusammen Kaffee zu trinken und mir von Eurem letzten Urlaub erzählen zu lassen.“