Haus der Hüterin: Band 7 - Die Hochzeit - Andrea Habeney - E-Book

Haus der Hüterin: Band 7 - Die Hochzeit E-Book

Andrea Habeney

4,5

Beschreibung

Kaum hat die junge Hüterin Rylee das Gefühl, ihrer Aufgabe langsam gewachsen zu sein, wird sie vor eine Herausforderung der besonderen Art gestellt. Eine alte Freundin will heiraten. Und die Hochzeit, zu der Wesen aus allen Ecken der bekannten Welten eingeladen sind, soll ausgerechnet in ihrer magischen Herberge stattfinden. Konflikte sind vorprogrammiert, und wie nur soll sie die unterschiedlichen Gäste unterbringen und versorgen? Obendrein ist auch noch ihr Beinahe-Lover, der Vampir Vlad Tepes, eingeladen. Rylee wundert sich nicht, dass die Seherin Meytal eine Katastrophe voraussagt. Doch Hilfe naht aus einer unerwarteten Ecke. "Die Hochzeit" ist Band 7 der Fantasy-Serie "Haus der Hüterin" von Andrea Habeney. Band 1 "Das Erbe", Band 2 "Das Erwachen", Band 3 "Das leere Bild", Band 4 "Das Portal", Band 5 "Der Verrat" und Band 6 "Der verschwundene Schlüssel" liegen ebenfalls bei mainbook vor. Weitere Bände folgen ...

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Das Buch

Kaum hat die junge Hüterin Rylee das Gefühl, ihrer Aufgabe langsam gewachsen zu sein, wird sie vor eine Herausforderung der besonderen Art gestellt. Eine alte Freundin will heiraten. Und die Hochzeit, zu der Wesen aus allen Ecken der bekannten Welten eingeladen sind, soll ausgerechnet in ihrer magischen Herberge stattfinden. Konflikte sind vorprogrammiert, und wie nur soll sie die unterschiedlichen Gäste unterbringen und versorgen? Obendrein ist auch noch ihr Beinahe-Lover, der Vampir Vlad Tepes, eingeladen. Rylee wundert sich nicht, dass die Seherin Meytal eine Katastrophe voraussagt. Doch Hilfe naht aus einer unerwarteten Ecke.

„Die Hochzeit“ ist Band 7 der Fantasy-Serie „Haus der Hüterin“ von Andrea Habeney. Band 1 „Das Erbe“, Band 2 „Das Erwachen“, Band 3 „Das leere Bild“, Band 4 „Das Portal“, Band 5 „Der Verrat“ und Band 6 „Der verschwundene Schlüssel“ liegen ebenfalls bei mainbook vor. Weitere Bände der Serie folgen.

Zudem gibt es die ersten 3 Bände „Das Erbe“, „Das Erwachen“ und „Das leere Bild“ als Sammelband-Taschenbuch (ISBN 9783946413455)

Weitere Taschenbuch-Sammelbände werden folgen …

Die Autorin

Andrea Habeney, geboren 1964 in Frankfurt am Main, in Sachsenhausen aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte sie in Gießen Veterinärmedizin. 1997 folgte die Promotion. Bis 2013 führte Andrea Habeney im Westen Frankfurts eine eigene Praxis. Heute arbeitet sie als Tierärztin für eine Pharma-Firma.

Als Autorin hat sie sich einen Namen gemacht mit ihrer Frankfurter Krimi-Reihe um Kommissarin Jenny Becker: „Mörderbrunnen“ (Frühjahr 2011), „Mord ist der Liebe Tod“ (Herbst 2011), „Mord mit grüner Soße“ (April 2012), „Arsen und Apfelwein“ (2013), „Verschollen in Mainhattan“ (2014), „Apfelwein trifft Weißbier“ (Oktober 2015) und ab November 2017 „Abgetaucht“.

Zudem hat Andrea Habeney zwei weitere Fantasy-E-Books bei mainbook veröffentlicht: „Elbenmacht 1: Der Auserwählte“ und „Elbenmacht 2: Das Goldene Buch“.

ISBN 978-3-946413-71-4

Copyright © 2017 mainbook Verlag

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Gerd Fischer

Covergestaltung: Olaf Tischer

Coverbild: © Christian Müller - fotolia

Auf der Verlagshomepage finden Sie weitere spannende Taschenbücher und E-Books www.mainbook.de

Andrea Habeney

Haus der Hüterin

Band 7: Die Hochzeit

Fantasy-Serie

Inhalt

Noch 5 Tage bis zur Hochzeit

Noch 4 Tage bis zur Hochzeit

Noch 3 Tage bis zur Hochzeit

Noch 2 Tage bis zur Hochzeit

Der Tag vor der Hochzeit

Der Tag der Hochzeit

Am Tag danach

Noch 5 Tage bis zur Hochzeit

Rylee saß auf der Holzveranda vor der Küche und sah in den Garten. Sie hatte schlecht geschlafen. Gegen ein Uhr war sie hochgeschreckt, weil sie einen Eindringling an den äußeren Grenzen des Grundstücks gefühlt hatte. Doch es hatte sich um falschen Alarm gehandelt. Zusammen mit Boh, ihrem Wächter, war sie den Zaun abgegangen, hatte aber nichts Ungewöhnliches entdecken können.

Jetzt genoss sie die Ruhe, die, seit die aus zwölf Kratorianern bestehende Reisegruppe am Morgen abgereist war, herrschte.

Dabei hatte es sich bei ihnen um ausgesprochen pflegeleichte Gäste gehandelt, die sich die meiste Zeit im Speisesaal auf dem mitgebrachten Beamer Dokumentarfilme angesehen und ansonsten ihre Zimmer kaum verlassen hatten. Sie hatten sich auf einer Kulturreise befunden und wollten als nächstes über Wien nach Rom, um sich die dortigen Altertümer anzusehen.

Alleine die Aufgabe, Mahlzeiten für über zehn Leute zuzubereiten, hätte Rylee jedoch überfordert, wenn ihre Freundin Emily, die in der Nähe wohnte, nicht täglich herüber gekommen wäre, um ihr zu helfen.

Und es war absehbar, dass jetzt, wo das Portal, das Reisen in die entferntesten Ecken der Galaxie erlaubte, voll in Betrieb war, mehr und mehr Gäste eintreffen würden.

Sie brauchte unbedingt Hilfe, doch selbst, wenn die Einnahmen, die jetzt endlich flossen, ausreichen würden … wo sollte sie jemanden finden, der bereit wäre, für alle Arten von Außerirdischen zu kochen und für ein Gasthaus zu sorgen, dessen Gäste nicht nur exotisch sondern oft auch potenziell gefährlich waren? Und die um jeden Preis geschützt werden mussten?

Außerdem war die oberste Direktive Geheimhaltung. Wenn sie jemandem die Geheimnisse von Haus Securus Refugium enthüllen wollte, musste sie sicher sein, dass er alles tun würde, um dessen Existenz und Bestimmung vor der menschlichen Welt zu verbergen.

Die Menschheit war einfach noch nicht bereit für Außerirdische.

Sie ließ ihre Blicke schweifen. Das Haus war gestärkt durch die Anwesenheit so vieler Gäste und hatte überall Verbesserungen vorgenommen. Die Gartenmauer war aufgestockt und mit eisernen Spitzen verstärkt worden. Der Garten, den die Zwergensoldaten, die vor einiger Zeit zu Gast gewesen waren, bereits grob von Unkraut befreit und umgegraben hatten, war mittlerweile fast gepflegt zu nennen, und überall blühten Blumen.

Sie blickte hoch. Die Fassade, die damals, als sie an ihrem achtzehnten Geburtstag hier eingetroffen war, völlig verwahrlost ausgesehen hatte, glänzte nun in strahlendem Weiß, und die alten Holzbalken waren makellos und wiesen kein einziges Holzwurmloch mehr auf. Auch um das Dach hatte Securus Refugium sich gekümmert. Alle defekten Dachschindeln waren ersetzt und funkelten in der Sonne.

Alles lief im Moment optimal. Nur einen Wermutstropfen gab es, der Rylee, als er ihr in den Sinn kam, die Stirn runzeln ließ. Ihre Verbindung zum Haus war zwar intakt, ließ aber in ihrer Stärke zu wünschen übrig, seit Adriana, die sich unter dem Vorwand, ihre Tante zu sein, bei ihr eingeschlichen hatte, mit ihrem Schlüssel verschwunden war. Dem Schlüssel, der nicht nur Symbol für ihre Stellung als Hüterin war, sondern auch die Magie, die sie und das Haus verband, kanalisierte und stärkte. Ohne ihn war sie schwächer, und viele ihrer Kräfte waren ihr nicht zugänglich.

Sie seufzte. Adriana war in den Weiten des Weltalls untergetaucht, und obwohl sie von den Behörden gesucht wurde, gab es nicht mehr als ein paar vage Spuren.

Rylee vermutete, dass Vlad Tepes, Jahrhunderte alter Vampir und ihr Beinahe-Lover ebenfalls auf der Suche nach der Flüchtigen war. Doch sie hatte sich eine Auszeit von ihrer aufkeimenden Beziehung erbeten, und ihr Kontakt bestand derzeit nur aus kurzen Nachrichten bezüglich Adrianas Verbleib. Zu viel war zwischen ihnen passiert und zu viele Geheimnisse gab es nach wie vor. Außerdem war ihr Gefühlsleben völlig durcheinander, seit Walburga, die ehemalige Hüterin des Bayrischen Hauses, ihren Sohn Gregor und Rylee mit Hilfe eines Trankes verzaubert hatte, sodass beide geglaubt hatten, sich zu lieben. Fast hätte sie ihn sogar geheiratet, wenn Vlad sie nicht in letzter Sekunde davon abgehalten hätte. Obwohl sie wusste, dass sie nichts gegen den Zauber hätte machen können, blieb doch ein leiser Zweifel. Hätte sie nicht stärker sein müssen? Aufmerksamer? Treuer?

Ärgerlich wischte sie den Gedanken beiseite. Selbst Vlad hatte ihr ihr Versagen nicht zum Vorwurf gemacht. Vlad …

Wenn sie ehrlich war, vermisste sie ihn. Obwohl sie so viel zu tun hatte, waren da doch die einsamen Stunden in ihrem Zimmer, in denen ihr höchstens Kater Boh ab und zu Gesellschaft leistete.

Doch wahrscheinlich war sie für Vlad sowieso nur ein Spielzeug, eine nette Herausforderung.

Sie wischte den Gedanken beiseite. Es gab Wichtigeres.

Im Keller hatte sie einen ganzen Raum voller Bilder gefunden, die, wie sie jetzt wusste, dazu dienten, Gegenstände zu transportieren. Doch niemand hatte ihr bisher sagen können, wie sie funktionierten. Nur dass sie von einem Planeten namens Eidolon stammten, hatte sie in Erfahrung bringen können. Es wäre äußerst hilfreich für sie, ihren Gebrauch zu erlernen, gerade wenn es darum ging, Lebensmittel für die exotischeren Gäste zu besorgen.

Sie trank einen Schluck Kaffee. Diese Zeit der Ruhe war selten geworden. Wann war das Haus zuletzt so leer gewesen? Sie wusste es nicht.

Für den Nachmittag waren schon wieder Gäste angesagt. Der Gimlik Richard würde gegen sechzehn Uhr eintreffen, um hier eines seiner in regelmäßigen Abständen stattfindenden Handelstreffen mit den auf der Erde lebenden Farundeln abzuhalten. Viel hätte Rylee nicht zu tun. Richard ging ihr nicht einmal bis zum Knie, und die Farundeln hatten eine ähnliche Größe und erinnerten Rylee fatal an Gartenzwerge. Sie tagten im Geheimen unter einem Busch im Garten und alles, was das Treffen erforderte, war ein kleiner Krug Bier.

Obwohl sie heute so wenig zu tun hatte, fühlte Rylee sich müde und erschöpft. Die Bindung zum Haus gab ihr ohne den Schlüssel weniger Kraft, und die Trennung von Vlad setzte ihr zu.

Sie zuckte zusammen, als sie fühlte, wie jemand die äußeren Grenzen des Hauses berührte. Doch gleich entspannte sie sich wieder. Es war Emily, die zu Besuch kam. Und doch …

Rylee fühlte eine zweite Person. Oberst Landgraf, der, Rylee konnte sich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen, der neue Freund oder Partner ihrer älteren Freundin zu sein schien. Emily hatte den Oberst, Anführer einer Kompanie außerirdischer Zwerge, in Rylees Haus kennengelernt, als diese auf der Suche nach einem verschwundenen Freund waren. Zu Rylees Überraschung waren die sogenannten Zwerge mehr als mannsgroß, führten aber ihre Abstammung auf die kleineren Erdenzwerge zurück.

Rylee erhob sich, um ihren Besuch zu begrüßen. Emily und der Oberst kamen gerade in die Halle und Emily fächelte sich Luft zu. „Kind, ist das heiß draußen!“, rief sie und umarmte Rylee. Der Oberst nickte wie immer knapp, und Rylee nickte höflich zurück.

„Kommt mit auf die Veranda!“, schlug sie vor. „Wie wärs mit Eistee? Oder lieber ein kühles Bier, Oberst?“ Im selben Moment wusste sie, dass sie etwas Unpassendes gesagt hatte.

Der Oberst verbarg höflich seine Entrüstung. „Nein danke, das ist mir doch noch etwas zu früh.“

Rylee seufzte unhörbar. Sie mochte den Oberst, aber er machte immer den Eindruck, als habe er einen Stock verschluckt. Sie sah von ihm zu Emily und stellte sich vor … Nein, den Gedanken wollte sie lieber nicht weiter verfolgen.

Sie blickte auf und stellte fest, dass ihre Besucher immer noch am gleichen Platz standen, sich untergehakt hatten und sie mit einem merkwürdigen Ausdruck ansahen.

Unsicher fragte sie. „Ist etwas?“

Emily warf einen liebevollen Blick auf den Oberst, der mehr als einen Kopf über ihr aufragte.

„Wir wollten es dir als erstes sagen. Arthur und ich werden heiraten.“

Rylee fiel die Kinnlade hinunter. „Heiraten? So schnell? Ich meine … also, das ist ja eine tolle Nachricht! Ich gratuliere ganz herzlich!“

Um ihre Überraschung zu überspielen, ging sie schnell auf Emily zu und umarmte sie. Unsicher sah sie dann den Oberst an. Er schien sich ebenso unbehaglich wie sie zu fühlen. Rylee streckte die Hand aus, besann sich dann jedoch und umarmte ihn ebenfalls. Steif erwiderte er die Umarmung.

„Darauf müssen wir anstoßen!“, erklärte Rylee. „Ich habe Sekt. Und es ist mir egal, wie früh es ist!“, setzte sie mit einem warnenden Blick auf den Oberst hinzu.

Er lächelte zu ihrer Überraschung und nickte. „Gerne.“

Rylee holte eine Flasche Sekt aus dem riesigen Kühlschrank, wo sie für besondere Gelegenheiten bereitgehalten wurde. Wenn das keine besondere Gelegenheit war …!

Der Oberst nahm ihr die Flasche aus der Hand und öffnete sie geschickt. Sie füllten drei Gläser und stießen an. „Auf euch!“, sagte Rylee feierlich. „Möget ihr immer glücklich sein!“

Emily wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Der Oberst beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. Wehmütig sah Rylee zu.

Dann trat der Oberst auf sie zu und hob sein Glas. „Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich Arthur nennen würdet, Hüterin.“

„Gerne!“, antwortete sie, „wenn Sie mich Rylee nennen also … wenn du …“ Sie musste lachen.

In stiller Eintracht stießen sie an und tranken.

Emily hatte noch etwas auf dem Herzen. „Wir dachten …“ Hilfesuchend sah sie zum Oberst. „Wir hofften … also die Frage ist, ob wir unsere Hochzeit wohl hier abhalten könnten.“ Bevor Rylee etwas sagen konnte, sprach sie schon weiter. „Es wäre so praktisch, weil wir natürlich viele außerirdische Gäste haben, die irgendwo unterkommen müssen, und die wir kaum in einem normalen Hotel unterbringen können. Du hättest Gäste und der Speisesaal würde genug Platz für die Zeremonie bieten.“ Erwartungsvoll sah sie Rylee an.

„Ja natürlich könnt ihr hier feiern. Ich glaube aber nicht, dass ich ein Festessen für so viele Menschen … äh … Besucher machen kann.“

Emily lachte erleichtert auf. „Das sollst du auch gar nicht. Dafür würde ich schon sorgen. Du müsstest dich um nichts kümmern, versprochen. Nur um das Haus und die Zimmer.“

„Ja dann“, sagte Rylee feierlich, „ist es abgemacht. Wann soll die Hochzeit denn sein und wie viele Gäste werden ungefähr kommen?“

„Am Samstag, und wir dachten an etwa zwanzig Gäste. Nur der kleinste Kreis. Na, vielleicht auch dreißig.“

„Zwanzig!“ Rylee schluckte. So viele Gäste hatte sie noch nie auf einmal beherbergt. Und nur ein paar Tage Zeit! Doch Emily zuliebe würde sie es schaffen.

Emily erkannte ihre aufsteigenden Bedenken. „Ich habe mir etwas überlegt“, sagte sie. „Meine Großnichte Emmea wünscht sich nichts mehr, als etwas von der Welt zu sehen. In diesem Fall meine ich natürlich, von anderen Welten. Sie hat Marisol noch nie verlassen. Wie mir meine Nichte, ihre liebe Mutter, erzählt hat, kennt sie sich mit ihren achtzehn Jahren bereits mit allen Hausarbeiten aus. Wie wäre es, wenn ich sie hierher einlade, und sie hilft dafür bei allen anfallenden Arbeiten rund um die Hochzeit?“

„Das wäre fantastisch!“, meinte Rylee ehrlich. „Alleine schaffe ich es sicher nicht, und ich wüsste nicht, wen ich so auf die Schnelle einstellen sollte.“

„Dann ist es abgemacht. Ich werde ihr gleich schreiben. Komm Arthur, lass uns lieber gehen. Es gibt noch so viel zu tun! Ich rufe dich später an, Rylee, wegen der Einzelheiten.“

Kurz darauf waren sie verschwunden und ließen Rylee in einem Zustand gelinder Verwirrung und aufsteigender Panik zurück.

Sie war definitiv noch nicht bereit für ein Haus voller Außerirdischer, auch oder gerade dann, wenn es sich um Emilys Verwandte handelte. Vor einiger Zeit hatte sie Emilys Tochter kennengelernt, eine recht herbe, abweisende Frau um die dreißig, die als geborene Drachin in der Lage war, aus Drüsen im Mund ein tödliches Gift zu spritzen.

Sicher würden auch Verwandte oder Freunde des Oberst kommen. Sie sah sorgenvoll aus dem Fenster. Hoffentlich vertrugen sich die unterschiedlichen Völker. Zumindest mussten alle ihr und dem Haus den Eid leisten und waren somit verpflichtet, unter seinem Dach Frieden zu halten.

Sie wurde durch das Aktivieren des Portals abgelenkt. Abwesend murmelte sie: „Boh, hol bitte Richard ab.“

Wie aus dem Nichts tauchte ihr Wächter, der meist in der Gestalt eines großen Katers auftrat, auf, miaute sein Einverständnis und verschwand im Keller. Sie folgte ihm langsamer und wartete oben an der Treppe. Da sie wusste, wie sehr Richard es genoss, auf Boh zu reiten, wunderte sie sich nicht, sein Lachen zu hören. Kurz darauf kam Boh die Treppe herauf gerannt. Richard klammerte sich an seinen Hals, löste aber eine Hand, um ihr zuzuwinken. „Hallo Hüterin. Ich bin spät dran. Entschuldigt, aber ich muss sofort zum Treffpunkt.“

„Kein Problem, ich komme gleich nach und bringe euer Bier.“

Richard verzog das Gesicht. Er teilte die Leidenschaft der Farundeln für das Getränk nur bedingt, musste jedoch gute Miene zum bösen Spiel machen, um seine Geschäftspartner bei Laune zu halten.

Richard hielt sich wieder fest und Boh sprintete die Tür zur Veranda hinaus. Rylee füllte eine Mokka-Tasse mit Bier und folgte ihnen in den hinteren Teil des Gartens. Hier befand sich eine winzige freie Stelle unter einigen dichten Büschen. Diesen Platz hatten die Zwerge als Treffpunkt auserkoren.

Sie schienen noch nicht da zu sein. Richard hatte sich auf einen flachen Stein gesetzt, und Boh lag ein Stück neben ihm, als würde er Wache halten.

Rylee stellte die Tasse ab und fragte: „Braucht ihr sonst noch etwas?“

Der Gimlik winkte jedoch ab. „Nein, danke. Sie müssen jeden Moment da sein.“

Das war das Zeichen für Rylee, sich zurückzuziehen. Sie ging ein paar Schritte weiter und sah sich im Garten um. Hier schienen ihr die Veränderungen am Deutlichsten. Als sie ankam, hatte sie in eine Wüste geschaut, voller herumliegender Steine, verdorrten Gestrüpps und wuchernden Unkrauts. Sie sah nach oben und betrachtete die Krone des Apfelbaums, der weiß und rosa blühte. Irgendwie schienen sich die Pflanzen in ihrem Garten nicht unbedingt an die auf der Erde herrschenden Wachstumszeiten zu halten. Hier und da blühten einige, während an anderen Stellen schon Früchte zum ernten bereit waren.

Erschrocken zuckte sie zusammen. Ein Zweig hatte ihre Schulter gestreift, obwohl sie sich nicht bewegt hatte. Einen Moment stand sie ganz still. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht. Es war nicht der geringste Windhauch zu spüren. Hatte ein Tier den Zweig bewegt? Ein Vogel vielleicht? Doch da geschah es wieder. Ein Zweig senkte sich wie von alleine und strich ihr sanft über die Schulter.

Sie trat an den Stamm und legte die Hand darauf. „Ich wusste nicht, dass du …“ Ihr fehlten die richtigen Worte. Vorsichtig sah sie sich um. Hoffentlich beobachtete sie niemand, wie sie mit Bäumen sprach.

Doch fühlte sie, dass die Bäume auf die gleiche Art lebendig waren wie Securus Refugium und ebenfalls mit ihr in Verbindung standen. Die Verbindung war schwach, doch sie war vorhanden. Rylee vermutete und hoffte, dass sie stärker werden würde, je weiter sich das Haus entwickelte.

Wieder im Haus ging sie durch die Räume im Erdgeschoss und machte Bestandsaufnahme. Sie brauchte mehr Stühle. Und Tischdecken. Und Geschirr. Und mehr Zimmer. Nicht dass sie nicht genügend hatte, doch nur einige von ihnen waren sauber und eingerichtet. Ein tiefes Seufzen entfuhr ihr. Das bedeutete eine Menge Arbeit. Und kein Vampir, den sie bitten konnte, mal eben schnell ein Bett durch die Gegend zu tragen.

Ob es im Keller noch weitere bisher verschlossene Lagerräume gab? Einige hatte das Haus ihr gezeigt, doch jetzt, wo ihre Verbindung so schwach war …

Die Bilder fielen ihr ein. Doch um ihren Gebrauch zu erlernen, musste sie zum Planeten Eidolon und bisher hatte sie noch keinen Zugangscode. Und eine Reise alleine zu einem fremden Planeten kam sowieso nicht in Frage.

Dann flog ein Lächeln über ihr Gesicht. Ihr fiel ein, dass das Haus ihr einen Raum geöffnet hatte, in dem Festkleidung aus der Zeit ihrer Eltern aufbewahrt wurde, ebenso Schmuck und das Ornament, das Hüter zu offiziellen Veranstaltungen trugen. Endlich würde sie einen Anlass haben, die Sachen zu tragen.

Mit der Sichtung der Einrichtung ging der Nachmittag vorbei und schon stand Boh in der Tür mit Richard auf dem Rücken. Der Gimlik hatte Schluckauf und hielt sich peinlich berührt die Hand vor den Mund.

„Es tut mir leid, Hüterin. Sie erwarten einfach von mir, mitzutrinken.“

„Weiß ich doch“, beruhigte ihn Rylee. „Habt ihr alles bekommen, wie geplant?“

Er tätschelte seine Umhängetasche. „In der Tat. Und jetzt muss ich auch schon wieder abreisen. Seid Ihr so freundlich, mir das Portal zu öffnen?“

Mittlerweile kannte Rylee den Code für das Portal in Richards Welt auswendig und so dauerte es nur wenige Sekunden, bis sie die entsprechenden Ornamente gedrückt hatte, und es zu leuchten begann. Richard verbeugte sich vor Boh, dann vor ihr, und dann war er auch schon verschwunden.

Wieder war das Haus leer. Eine Ruhepause, die sicher nicht lange andauern würde. Sie ließ den Blick über die Bilder schweifen, die überall herum standen. Entschlossen ging sie hinauf in ihr Zimmer und holte das Codebuch ihrer Eltern aus seinem Versteck. Beim ersten flüchtigen Durchblättern hatte sie Eidolon nicht gefunden, der Planet musste aber da sein. Immerhin hatten ihre Eltern mit den Bildern gearbeitet.

Endlich fand sie den Eintrag unter einer Unterrubrik am Ende des Buches mit der Überschrift: Haus.

Hier stand auch der Code für den Planeten der Portalmagier, der allerdings auch über eine Schnelltaste am Portal erreichbar war. Außerdem der des Handelsplaneten Aldibaran und diverse weitere, die Rylee nichts sagten.

Sie notierte die Adresse Eidolons auf einem kleinen Zettel.

Dann stieg sie auf den Dachboden und suchte aus den dort herumstehenden Truhen alles, was sie an Wäsche und Einrichtungsgegenständen finden konnte.

Sie trug die Sachen in eines der leeren Zimmer im zweiten Stock und sortierte sie. Als sie fertig war, schwitzte sie und hatte Hunger. Nach einem flüchtigen Abendessen setzte sie die Suche im Keller fort.

Auch hier fand sie viele Dinge, die sie gebrauchen konnte, und schleppte sie nach oben.

Das Schönste hatte sie sich für zuletzt aufgehoben. Sie stöberte durch die Kleidungsstücke, die ihr das Haus offenbart hatte, und suchte sich ein schlicht geschnittenes langes Kleid aus einem weich fließenden grünen Stoff heraus. Das Ornament würde toll darauf aussehen.

Erschöpft stieg sie nach oben, hängte das Kleid in ihr Zimmer und fiel nach einer schnellen Dusche in ihr Bett. Sie schlief sofort ein und träumte von einer Hochzeitsfeier, bei der sie die Braut war und ein Brautkleid trug, dessen Schleppe den ganzen Raum ausfüllte und sie nach und nach erstickte.

Noch 4 Tage bis zur Hochzeit

Der Morgen begann mit einer Überraschung, die größer nicht hätte sein können. Rylee setzte sich, eine Tasse Kaffee in der Hand, an ihren Laptop und wählte sich in das interstellare Web ein. Eine Mail, deren Absender ihr völlig unbekannt war, trug den Vermerk „eilig“. Sie zögerte kurz, doch dann gewann ihre Neugier die Oberhand.

Und hier war sie, die Nachricht, die sie unbewusst erhofft hatte, seit Zimmermann, der Herr von der Gesellschaft, die den Häusern vorstand, ihr von ihrer richtigen, echten Tante erzählt hatte:

Liebe Rylee, Zimmermann hat mir von dir geschrieben. Ich bin die Schwester deiner Mutter und dachte bis vor Kurzem, auch du wärest tot. Welche Freude war es, zu hören, dass du lebst und es sogar geschafft hast, Securus Refugium zu übernehmen. Ich lebe seit vielen Jahren zusammen mit meinem Mann auf einem Planeten am entferntesten Ende der erschlossenen Galaxis. Er ist ein Ausgangsort für Forscher und Entdecker und durch die Nähe zu einem schwarzen Loch oft monatelang vom Rest der Galaxie abgeschlossen. Ein hartes aber auch aufregendes Leben.

Wir verfügen über ein Portal auf dem eine Stunde entfernten Nachbarplaneten, doch auch das funktioniert nur, wenn die Planeten eine bestimmte Konstellation haben.

Ich würde dich furchtbar gerne besuchen, damit wir uns neu kennenlernen können. Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, warst du noch ein Baby.

Das Problem ist, dass das Portal nur bis heute Nacht offen, dann jedoch für etwa zwei Wochen nicht erreichbar sein wird.

Wäre ich dir für eine so lange Zeit willkommen? Ich weiß nur wenig über dich oder deine Situation. Vielleicht kann ich dir helfen, aber vielleicht bin ich auch eine Last für dich? Dann besuche ich dich ein andermal, wenn das Portal länger offen ist. Bitte antworte schnell, damit ich, falls du es möchtest, packen und abreisen kann. In Liebe, Tanita

Rylee starrte auf die Mail. Eine unbändige Freude stieg in ihr auf. Gleichzeitig fühlte sie jedoch auch Zweifel. Sie hatte sich immerhin schon einmal täuschen lassen.

Lange war es Rylees größter Wunsch gewesen, eine richtige Familie zu haben. Sie war als Waisenkind bei lieblosen Pflegeeltern groß geworden und wohl deshalb so bereitwillig auf Adriana hereingefallen, die ihr vorgegaukelt hatte, ihre Tante zu sein. Wer konnte ihr verdenken, dass sie den Gedanken an eine weitere zunächst verdrängt hatte. Konnte es wirklich sein, dass Tanita ihre echte Tante war?

Zimmermann hatte ihr bei ihrem letzten Gespräch eröffnet, dass sie eine Verwandte habe, die auf einem weit entfernten Planeten leben würde, zu dem momentan alle Verbindungen unterbrochen wären.

Sie suchte in ihrem Adressbuch nach Zimmermanns Visitenkarte. Ungeachtet der frühen Stunde meldete er sich beim ersten Klingeln. „Miss Montgelas!“, rief er erfreut. „Wie geht es Ihnen? Ich hoffe, es gibt keine Probleme?“

„Aber nein“, antwortete Rylee. „Keine Probleme. Nur eine Frage.“ Sie erzählte ihm von Tanitas Mail.

„Aber das ist doch wunderbar!“, erklärte er. „Ich habe Tanita Sarazin kontaktiert, wusste aber nicht, wann meine Nachricht zu ihr durchkommen würde. Deshalb wollte ich Ihnen auch nicht unnötig Hoffnung machen.“

„Sie ist also wirklich meine Tante? Was wissen Sie von ihr?“

„Sie ist es wirklich. Leider kenne ich sie nicht persönlich, aber sie ist hoch angesehen in der Gesellschaft. Nicht jeder würde ein Haus auf einem kaum erschlossenen Planeten am sprichwörtlichen Ende der Welt übernehmen. Sie erweist der Gesellschaft und allen Lebewesen damit einen unschätzbaren Dienst.“