Heiße Liebe - süße Vergeltung? - Pippa Roscoe - E-Book

Heiße Liebe - süße Vergeltung? E-Book

Pippa Roscoe

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Beschreibung

Ein fast perfekter Plan: Die schöne Amelia hat sich als Assistentin in Alessandro Rossis Immobilienimperium unentbehrlich gemacht. Nur noch einen Schritt ist sie davon entfernt, den mächtigen Boss zu ruinieren – so wie die Rossis die Firma und damit das Leben ihres Vaters damals zerstört haben! Doch die Leidenschaft macht Amelia einen Strich durch die Rechnung: Während einer Geschäftsreise kapituliert sie vor Alessandros erotischer Anziehungskraft. Und die sinnliche Liebesnacht mit ihrem Feind hat ungeahnte Folgen …

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2023 by Pippa Roscoe Originaltitel: „Expecting Her Enemy’s Heir“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe 2023 in der Reihe JULIA, Band 2616 Übersetzung: Nicole Lacher

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751518826

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Heute war es so weit.

Während Jogger und Radfahrer auf dem schmalen Streifen zwischen Bus und Bürgersteig Leib und Leben riskierten, spähte Amelia Seymore durch das Fenster auf die dunkelgrauen Wolken am Horizont. Ihr wurde übel vom abrupten Anfahren und Stoppen der Linie 176, die über die Brücke Richtung Norden kroch. Letzten Endes war es allerdings der Geruch von feuchter Wolle und Deo, der sie eine Station früher als nötig aussteigen ließ, um nach frischer Luft zu schnappen. So frisch jedenfalls, wie man sie während des morgendlichen Berufsverkehrs mitten in London bekam. Amelia schüttelte den Kopf und versuchte, jene Konzentration und Krisenfestigkeit zu mobilisieren, für die sie bekannt war. Vielleicht brütete sie ja etwas aus.

Reiß dich zusammen, befahl sie sich resolut. Nichts konnte sie ablenken oder von ihrem Kurs abbringen. Auf den heutigen Tag wartete sie seit zehn Jahren. Aber es waren nicht all die investierten Stunden, die schlaflosen Nächte oder die Schwerstarbeit, die sie stählten. Es war die Erinnerung an die Miene ihres Vaters bei ihrer letzten Begegnung. An den Ausdruck in Thomas Seymores Augen, als er sich von ihr abgewandt und mit zittriger Hand zur Whiskyflasche auf seinem Schreibtisch gegriffen hatte. Darum machten sie und ihre Schwester Issy dies hier.

Darum muss ich es heute schaffen.

Statt an der Ampel vor der vierspurigen Straße auf Grün zu warten, flitzte sie zwischen einem Radler und einem Polizeiwagen los, wobei sie den Polizisten verlegen zuwinkte. Gleich darauf stand sie vor einem Gebäude, das als beeindruckendster Neuzugang der Kronjuwelen in der Londoner Skyline galt. The Ruby nannte man die Zentrale von Rossi Industries. Der perfekte Bau für die beiden unverschämt attraktiven Immobilienmagnaten, denen er gehörte.

Amelia legte den Kopf in den Nacken und schaute mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Wut zur obersten Etage. Ich wage mich in das Lager der beiden Männer, die meine Familie zerstört haben. Dieser Gedanke begleitete sie seit zwei Jahren auf dem Weg hierher. Jeden einzelnen Arbeitstag hatte sie sich selbst und ihrer Schwester versprochen, Rache zu üben.

Rachedurst lag ihr nicht im Blut. Er hatte sich auch nicht sofort eingestellt. Sie war fünfzehn und Issy dreizehn gewesen, als sie Alessandro und Gianni Rossi das erste Mal zu Gesicht bekommen hatten – ohne zu wissen, wer die beiden waren. Zwei junge Männer, die an einem Sonntag während des Mittagessens geklingelt hatten, um mit Thomas Seymore zu reden. Eine kurze Unterhaltung später hatten die Rossi-Cousins seine Firma gestohlen und das Fundament von Amelias und Issys Leben weggerissen.

Eisiger Zorn erfüllte Amelia, als sie ihre Zugangskarte zückte, die sie als Projektmanagerin von Rossi Industries auswies, und The Ruby betrat. Trotz der Erinnerungen, die ihren Magen wie in einem Schraubstock hielten, lächelte sie den Wachmann an. Dann ging sie durch die Lobby zu den Aufzügen, um in den vierundsechzigsten Stock zu fahren.

Während sie auf einen Aufzug wartete, zählte sie im Geiste die Stockwerke herunter. Als würde eine Bombe ticken, von der die Rossis keine Ahnung hatten. Sie empfand ungeheure Genugtuung, weil die Welt der Cousins heute zusammenbrechen würde, genau wie ihre und Issys damals. Dann spielte es keine Rolle mehr, dass sie um ein Haar den ganzen Plan zunichtegemacht hätte, in einer Nacht vor anderthalb Monaten …

Wir sollten es lieber nicht tun.

Amelia biss die Zähne zusammen. Sie wollte verdrängen, wie sich die raue Stimme dicht an ihrer Haut selbst jetzt noch anhörte, anfühlte. Schon wieder schlang sich Verlangen um einen Teil von ihr, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass er existierte. Ein Verlangen, das wie eine Flutwelle auf sie prallte, sie unter die Oberfläche zog und im Sog gefangen hielt.

Ich … Ich will es.

Mit diesen Worten hatte sie ihre Eltern verraten, ihre Schwester, sich selbst.

Nein!

Sie ließ nicht zu, dass diese eine Nacht, dieser eine Fehler, alles zerstörte, wofür sie und Issy so geschuftet hatten. Ja, sie hatte eine verbotene Nacht mit ihrem Chef – ihrem Feind – verbracht. Alessandro Rossi. Aber das änderte nichts. Sie musste einfach die erotischen Erinnerungen ignorieren, die sie hartnäckig verfolgten. Denn was auch immer vor sechs Wochen in Hongkong passiert war, entschuldigte keineswegs, was Alessandro und Gianni vor zehn Jahren der Familie Seymore angetan hatten. Und deshalb war heute der Tag des Untergangs für die Rossi-Cousins.

Alessandro schaute aus dem bodenlangen Fenster seines Büros im obersten Stock. Wie eine Bittstellerin lag London ihm zu Füßen. Das Gefühl von Macht durchströmte ihn. Nicht nur wegen seines Vermögens oder der beträchtlichen Erfolge, die er und Gianni vorweisen konnten, seit sie ihre erste Firma übernommen hatten. Einst war jemand anders Chef dieser Firma gewesen, doch unter dem Namen Rossi hatte sie sich zu einem Imperium entwickelt. Nein, die Macht rührte von der Gewissheit, dass Alessandro in der ersten Besprechung seines arbeitsreichen Tages ein Projekt absegnen würde, das die Geschäftswelt so richtig aufmischte.

Einen guten Ruf besaß Rossi Industries schon, aber mit diesem Deal würden sie Geschichte schreiben.

Sein Blick fiel auf das grimmige Lächeln seines Spiegelbildes in der Fensterscheibe. Wie würde sein Vater wohl reagieren, wenn er hörte, dass Alessandro und Gianni erfolgreicher waren, als er es sich je hatte vorstellen können? Allerdings nicht unter dem Nachnamen jener Männer, die sie gezeugt hatten. Nein. Bei der ersten Gelegenheit hatten die Cousins ihn geändert, um den Schandfleck auf eine Weise zu tilgen, der ihre Väter mitten in die schwarzen Seelen traf. Sie hatten den Namen ihrer nonna gewählt. Rossi. Um die einzige Verwandte zu ehren, die wahrhaft gütig zu ihnen gewesen war.

Mein Blut fließt in deinen Adern, Junge. Und es wird in den Adern deiner Kinder und Enkel fließen.

Die Warnung seines Vaters konnte man getrost vergessen, denn dieser Zweig der Familie sollte mit Alessandro aussterben. Dafür würde er sorgen.

Nicht, dass er sich etwas antun wollte. Rossi Industries war sein Leben, forderte all seine Zeit und Energie. Er war anders als sein Vater, der den Weinbergen in Umbrien alles abpresste und genauso wenig Rücksicht auf Boden oder Pflanzen nahm wie auf die Ehefrau, die er ständig misshandelt hatte. Alessandro hingegen wollte die Welt besser hinterlassen. Das war sein Vermächtnis.

Seine Armbanduhr piepte. Noch fünfzehn Minuten bis zur Besprechung. Nicht der günstigste Zeitpunkt, denn sie fiel in Giannis einzigen und unverrückbaren Urlaub des Jahres. Andererseits hatte Gianni das Projekt Aurora bereits geprüft. Genau wie alle Mitglieder des Vorstands, Alessandros bewährte Berater und die Projektmanagerin, der er viel mehr Vertrauen schenkte, als sie nach nur zweijähriger Tätigkeit für Rossi Industries verdiente.

Amelia Seymore.

Alessandro rückte den Knoten seiner Krawatte zurecht und vergewisserte sich, dass der Hemdknopf dahinter geschlossen war. Im Geiste öffnete er den Knopf und riss sich die Krawatte vom Hals, während er eben diese Frau nicht aus den Augen ließ, die ihn atemlos vor Verlangen ansah.

Ich … Ich will dich.

Bist du sicher, Amelia? Denn …

Nur heute Nacht. Nur jetzt. Aber wir werden nie darüber sprechen. Niemals.

Er hätte jeder Bedingung zugestimmt, so unbedingt hatte er ihre Lippen noch einmal schmecken wollen. Cristo, wenn ihr bewusst gewesen wäre, wie viel Macht sie in dem Moment über ihn besaß – sie hätte ihn dazu bringen können, ihr auf Knien all sein Hab und Gut zu schenken. Vor Verlegenheit bekam er rote Flecken am Hals.

Unwillkürlich streckte er die Finger der rechten Hand, während er sich daran erinnerte, wie sich Amelias nackter Oberschenkel darunter angefühlt hatte. Die Vorstellung zog ihn tiefer in jene Nacht – die einzige Nacht – zurück, in der er beruflich und persönlich eine Grenze überschritten hatte. Ein Tabu.

Scham schien wie etwas Schweres, Hässliches über seine Haut zu kriechen. So ein Mann war er nicht. Er schlief nicht mit Angestellten. Nur war er es anscheinend doch.

Wir werden nie darüber sprechen.

Ein Klopfen schnitt durch die Erinnerung an Amelias Befehl. Er setzte sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch, um den erregten Zustand zu verbergen, in dem er sich beinahe ständig befand, seit Amelia Seymore und er vor sechs Wochen von den erfolgreichen Verhandlungen in Hongkong zurückgekehrt waren. „Herein.“

Seine Sekretärin öffnete die Tür, machte zwei Schritte vorwärts und blieb stehen. Sie hatte rasch gelernt, dass er Distanz schätzte. „Die heutigen Termine sind unverändert. Asimov wird mit seinem Team um elf Uhr zum Briefing herkommen. Lunch ist im Dorchester reserviert, und Gianni hat angerufen. Er lässt ausrichten, dass Sie es nicht … vermasseln sollen.“

„Er hat ‚vermasseln‘ gesagt?“

„Ich habe eine Umschreibung gewählt.“

Alessandro ahnte, wie sich sein Cousin tatsächlich ausgedrückt hatte. Sie waren wie Brüder aufgewachsen. Ein Grund für ihren Erfolg war, dass sie wussten, was der jeweils andere dachte. „Und die Besprechung um neun Uhr?“

„Der Raum ist vorbereitet, die IT-Experten haben Bild und Ton getestet, und Miss Seymore ist schon vor Ort. Sie hat mir eine Kopie der Präsentation gegeben, falls Sie vorab einen Blick darauf werfen möchten.“

„Das wird nicht nötig sein.“

Wenn Amelia Seymore etwas zusagte, lieferte sie auch. Sie bewertete Projekte, traf Klienten, erstellte Hochrechnungen und legte Arbeitsabläufe fest. Sie war fast so genau wie er selbst. Darum hatte er ihr das Projekt Aurora ja auch anvertraut. Nicht, weil sie eine ebenso spektakuläre wie verbotene Nacht miteinander verbracht hatten, sondern weil Amelia ausgezeichnet arbeitete. Sie erschien stets zeitig, war korrekt und wusste immer die richtige Antwort. Die ideale Mitarbeiterin für Alessandro.

„Sir?“

Wenn sie ihn nur nicht auf eine Weise ablenken würde, wie es noch nie jemand getan hatte. „Bitte?“, zwang er sich zu fragen, so schwer es auch fiel.

„Wünschen Sie Ihren Kaffee hier oder bei der Besprechung?“

„Hier.“ Er musste sich sammeln.

Während ein Mitglied ihres Teams nach dem anderen in den verglasten Konferenzraum kam, legte Amelia die Präsentationskopien mit den Notizbüchern und Kugelschreibern in eine Reihe. Alessandro mochte es akkurat.

Und er mochte es, wie sie geklungen hatte, als …

Heißes Blut schoss ihr in die Wangen. Auf den Schultern breitete sich feiner Schweiß aus. Im Geiste knallte sie die Tür des Zimmers mit ihren Erinnerungen ins Schloss. Ihr Blick fiel auf die Skizze des Gebäudes, das die Konstruktion innerstädtischer Appartements auf der ganzen Welt hätte revolutionieren können – hätten die Rossi-Cousins ihr Imperium nicht auf der zerrütteten Seele von Thomas Seymore gegründet. Alessandro und Gianni Rossi hatten das Unheil über sich selbst gebracht.

Seit zehn Jahren schmiedeten Amelia und Issy Pläne für diesen Tag. Die Sterne standen so günstig, dass es regelrecht vorherbestimmt wirkte. Nach zwei erfolgreichen Jahren war Amelias Position bei Rossi Industries unangreifbar. Deshalb hatte man sie auch zur Managerin des wichtigsten Projekts bestimmt, das die Rossis je in Angriff genommen hatten. Gemeinsam waren die Cousins unbesiegbar. Aber getrennt voneinander, während Giannis Urlaub? Das war die einzige Schwachstelle, und die Seymore-Schwestern wollten sie nutzen, um die Rossis in die Knie zu zwingen.

Issy hatte Jahre damit verbracht, sich in die perfekte Ablenkung für den Playboy Gianni zu verwandeln, der sogar seinen eigenen Hashtag besaß: HotRossi. Gestern war eine ganz nach Giannis Geschmack gestylte Issy in die Karibik geflogen – mit dem Ziel, ihn auf eine Jacht zu locken und von Alessandro fernzuhalten, während die Entscheidung über Projekt Aurora fiel. Mit einem unerreichbaren Gianni konnte Amelia nun den größten Sabotageakt in der Industriegeschichte begehen. Sie würde sicherstellen, dass die Welt der Rossis ausgelöscht wurde, genau wie es der Welt der Seymore-Schwestern widerfahren war.

Wir tun doch das Richtige, oder?

Die Frage, die Issy gestellt hatte, bevor sie zum Flughafen gefahren war, nagte an Amelias Gewissen. Nicht, weil sie etwa gezweifelt hätte. Sie taten definitiv das Richtige. Aber um den Plan ins Rollen zu bringen, war sie gezwungen gewesen, ihre Schwester anzulügen. Etwas, das sie nie für möglich gehalten hatte.

Keine Vergeltung ohne einen handfesten Beweis, dass die Rossis korrupt waren. So hatten die Schwestern es zu Beginn ihres Rachefeldzuges beschlossen. Es mussten belastende Unterlagen über korrupte Deals der Cousins existieren. Allerdings war Amelia in ihren zwei Jahren bei Rossi Industries auf keinen Beweis gestoßen.

Panik hatte sie gepackt. Was, wenn sie nie jene Gerechtigkeit erlangen konnte, die sie Issy versprochen hatte? Was, wenn alle Opfer umsonst gewesen waren? Während andere Teenager auf Partys und in Clubs gefeiert hatten, waren die Seymore-Schwestern mit ihrem Plan beschäftigt gewesen. Mit eiserner Disziplin hatte Amelia kaufmännische Seminare und Sprachkurse absolviert, um die perfekte Bewerberin für Rossi Industries abzugeben. Währenddessen hatte Issy im Internet alles über das Leben ihrer Feinde herausgefunden, was es herauszufinden gab.

Aber dann war Amelia geschäftlich nach Hongkong gereist. Eigentlich hatte Alessandro gar nicht mit von der Partie sein sollen, doch sie hatte sich nicht aus dem Konzept bringen lassen und eine hervorragende Präsentation geliefert. Der Kunde hatte Rossi Industries nicht nur den Auftrag erteilt, sondern Amelia und Alessandro sogar zum Dinner eingeladen. Deshalb waren die beiden länger in Hongkong geblieben als der Rest des Teams.

Sie hatte nicht fassen können, welche Euphorie der Zuschlag für das Projekt in ihr auslöste. Ihr Job hatte eine List sein sollen, ein Mittel zum Zweck. Stattdessen hatte sie in den Augen des Mannes, dessen Meinung am allerwenigsten zählen sollte, jene überbordende Freude gesehen, die sie selbst durchströmte. Sein Blick war nur ein bisschen zu lange in ihren getaucht. Diese wenigen Sekunden hatten genügt, um überbordende Freude in Lust zu verwandeln.

Amelias Herz zuckte in ihrer Brust, als wäre es untrennbar verbunden mit dem Moment, in dem die Grenze zwischen ihr und ihrem Chef zusammengestürzt war. Ein Sturz, der sie gezwungen hatte, etwas Ungeheuerliches zu tun. Sie konnte nicht mehr warten, bis sie einen Beweis fand. Die Schuldgefühle, die Anspannung, das Verlangen, das sie noch immer für einen Mann empfand, der ihre Familie zerstört hatte … all das zerriss sie förmlich. Immer weiter trudelte sie fort von jener Selbstbeherrschung, die sie normalerweise auszeichnete. Ihr ausgefeilter Plan zerfaserte. Sie war immer weniger Herrin der Lage.

Aus dem Grund hatte sie das Undenkbare getan und Issy erzählt, sie wäre auf einen Beweis für die Korruption der Rossis gestoßen, und damit den Startschuss für den Niedergang der Cousins gegeben. Sie hatte den einzigen Menschen betrogen, der seit dem Tod des Vaters und dem Zusammenbruch der Mutter unbeirrt an ihrer Seite geblieben war. Die fröhliche, reizende, warmherzige Issy. Der Gedanke ließ den Riss in ihrem Herzen noch ein wenig tiefer werden, obwohl sie sich sagte, dass sie aus den richtigen Motiven gehandelt hatte. Die Rossis mussten bestraft werden.

Sie trugen die Schuld an Thomas Seymores Tod. Das stand so unverrückbar fest, als hätten sie ihn eigenhändig umgebracht. Die von Alessandro und Gianni entfesselten Dämonen hatten Thomas Seymore verfolgt, bis er sich schließlich zu Tode gesoffen hatte. Er war nie über den Verlust seines guten Rufes und seines gesellschaftlichen Standes hinweggekommen. Auch Issys und Amelias Mutter war nie mehr dieselbe gewesen. Der Verlust des Ehemannes und des Freundeskreises, die Insolvenz … Daran war die ehemals lebensfrohe Jane Seymore zerbrochen.

„Hoffentlich kommt Gianni bald zurück“, meinte einer von Amelias Kollegen. „Ich hasse Besprechungen, an denen nur Alessandro teilnimmt.“

„Er ist ein solcher Zuchtmeister“, stöhnte eine Kollegin.

„Wenigstens erfahren wir gleich, mit welcher Firma sich Rossi Industries zusammenschließt. Das Hin und Her geht ja nun schon seit Monaten.“

Zum ersten Mal an diesem Morgen schlug Amelias Herz nicht mehr so sprunghaft. Genau. Gleich würde sie Rossi Industries dazu bringen, mit der falschen Firma zu kooperieren und den Niedergang zu besiegeln. Sie würde jene Rache erlangen, die sie Issy vor zehn Jahren versprochen hatte. Endlich, endlich könnten sie einen Schlussstrich ziehen. Amelia würde gehen und nie wieder zurückschauen.

Stille breitete sich aus. Amelia hob den Kopf und sah, wie Alessandro seinen Platz am Kopfende des Tisches einnahm. Als alle Beteiligten saßen, nickte er ihr zu. Das Signal, den letzten Deal auf den Weg zu bringen, den Rossi Industries je tätigen würde.

Heute war es so weit.

Alessandro blätterte eine Seite des Ausdrucks um, den Amelia bereitgelegt hatte. Sie war wortgewandt und präzise. Sogar sich selbst präsentierte sie wohlüberlegt: elegant, aber unaufdringlich. Es gab fast nichts, was sich an ihr einprägte. Vermutlich hatte sie diese Präsentation immer wieder geübt. Alessandro hätte es an ihrer Stelle jedenfalls getan. Sie stand neben dem großen Bildschirm, auf dem Details über beide Firmen standen, die unbedingt Partner von Rossi Industries werden wollten. Im sanften Lichtschein des Bildschirms wirkte Amelia wie eine Silhouette.

Genau wie vor der hauchdünnen Gardine des Hotelzimmers in Hongkong. Als Alessandro das Band, das ihr Wickelkleid zusammenhielt, gefasst und die Schleife gelöst hatte. Lautlos war das Kleid auseinandergefallen, um Vollkommenheit zu entblößen. Die Unterwäsche aus schwarzer Spitze auf der hellen Haut zog seine Hand wie ein Magnet an. Sacht ließ er die Handfläche über ihren geschmeidigen Körper gleiten und löste damit eine Unruhe aus, die Amelia nicht verbergen konnte. Mit jedem Einatmen hoben sich ihre Brüste sichtbar. Sein Körper hatte gebebt, als er schließlich beide Hände nach ihr ausgestreckt hatte.

„Und genau das ist unser Problem“, sagte Amelia jetzt.

Alessandro fuhr zusammen, tarnte seine Reaktion aber erfolgreich mit dem Griff zur Kaffeetasse. Wobei Koffein das Letzte war, was er brauchte. Er dachte an seine erste Begegnung mit ihr zurück. Sein Blick war an ihrem Nachnamen hängen geblieben, der ihn an eine Zeit erinnert hatte, mit der er sich nicht beschäftigen wollte. Amelia war eine Bewerberin mit ausgezeichneten akademischen Leistungen, Tatendrang und tadellosen Referenzen gewesen. Auch im Vorstellungsgespräch hatte sie sich gut geschlagen. Er hatte fest daran geglaubt, dass sie ihren Job erstklassig machen würde. Damit hätte es ein Ende haben sollen. Aber …

Sie hatte ihn ignoriert.

Das war ungewöhnlich. Alessandro erregte genauso viel Aufmerksamkeit wie sein charmanter Playboy-Cousin Gianni. Er ging nur nicht darauf ein, denn er wollte sich mit keiner Frau einlassen, die Interesse an einem Mehr hatte, das er kategorisch ausschloss. Darum nannte man ihn auch Mönch. Trotz seiner distanzierten Haltung bescherte ihm sein Aussehen allerdings Interesse, ob er es wollte oder nicht. Und doch hatte Amelia Seymore ihn zwei Jahre mit derselben kühlen Unvoreingenommenheit behandelt wie jeden anderen Menschen in The Ruby. Ihre Art mochte ihr im Kollegenkreis keine Freundschaften einbringen, aber Begabung und Effizienz ließen sich nicht leugnen.

Die dichten Haare – Rottöne, Kastanienbraun und eine Andeutung von Gold erspähte Alessandro – band sie stets zusammen. Entweder zu einem Dutt oder einem geflochtenen Zopf oder einem geschlungenen Knoten, der die Regeln der Erdanziehung außer Kraft zu setzen schien. Offen reichten ihr die Haare bis knapp über die Schulterblätter, schmiegten sich an runde Brüste und fielen über faszinierend rosige Knospen. Eigentlich hätte er das nicht wissen dürfen.

Sie besaß zierliche, ebenmäßige Gesichtszüge. Im Grunde fiel kein Detail besonders auf. Nur, dass Alessandro alle Details auffielen. Die blassrosigen Lippen zum Beispiel, weder üppig noch mit einem dramatischen Amorbogen versehen. Mit ihnen hatte sie Alessandros Körper derart ungehemmt und euphorisch erkundet, dass er fast die Beherrschung verloren hätte. Die geschwungenen mahagonifarbenen Augenbrauen. Wangen und Kinn, die in seine Handflächen passten, als wären sie dafür geschaffen. Ein Pulspunkt hinter ihrem linken Ohr, der sich rot färbte, wenn sie erregt war.

Zwischen ihren Beinen hatte Alessandro gelegen. Er hatte gespürt, wie sie bei seinen Berührungen lustvoll erschauerte. Diese feuchte Hitze, die ihn willkommen geheißen, ihn gelockt hatte, zu schmecken, zu provozieren, zu …

Cristo.

Er räusperte sich. Prompt blickten ihn sämtliche Leute im Konferenzraum an. Obwohl Amelias Blick geschäftsmäßig war, fühlte er ihre Missbilligung. Rasch signalisierte er ihr mit einer Handbewegung, sie möge fortfahren.

„Diese Entscheidung ist von allergrößter Wichtigkeit und wird nicht nur das Projekt, sondern auch die Zukunft von Rossi Industries prägen“, sagte sie.

Ich muss mich besser im Griff haben, dachte Alessandro. Amelia schien diese Kunst bereits zu beherrschen.

Sie hatte Wort gehalten. Nichts hatte sich verändert. Fast, als wäre die Nacht nie passiert. So ist es am besten, versicherte er sich. Nach dieser Besprechung würde er nur noch insofern mit Amelia Seymore zu tun haben, als ihr Name auf Unterlagen zu diesem Projekt stand. Und das, fand Alessandro, war zweifellos eine gute Sache.

Während Amelia zum Schluss kam, breitete sich gespannte Erwartung im Raum aus. Die Leute hatten ja keine Ahnung …

Sie hatte ihre Präsentation so aufgebaut, dass es schien, als würde sie die Wahl zwischen den beiden Firmen Chapel Developments und Firstview bieten. Die Entscheidung für Firstview würde in einen Albtraum münden. Firstview besaß weder die Infrastruktur noch die Finanzmittel, um das Projekt zu stemmen. Amelia hatte allerdings jede erdenkliche Mühe investiert, um das zu verschleiern.

Der Deal konnte alle an diesem Tisch zu Milliardären machen. Ihr drehte sich der Magen um, denn in den Augen von Alessandros Leitungsteam las sie Gier. Dieselbe Gier, die ihre Familie zerstört hatte. Einen kurzen Moment warf die Übelkeit sie aus der Bahn. Unwillkürlich sah sie den Mann an, von dem ihre Rache abhing – und stellte fest, dass sein Blick auf sie geheftet war. Heiße Wellen überfluteten ihren Körper und schienen einen Kurzschluss im Hirn auszulösen. Sie erinnerte sich. Erinnerte sich an den schier endlosen Orgasmus, den Alessandro ihr geschenkt hatte. An die Ekstase, so berauschend wie nichts zuvor in ihrem Leben. Dieser Rausch war eine Bedrohung für all ihre Überzeugungen, all ihre Opfer gewesen. Die heißen Wellen verebbten. Sie fand ihre Stimme wieder: „Meiner Meinung nach ist Firstview der einzige geeignete Kandidat auf dem Weg zum gewünschten Ergebnis.“

Mit diesem Satz brachte sie den Stein ins Rollen, um eine der größten Immobilienfirmen der Welt zu ruinieren. Zehn Jahre nachdem Alessandro und Gianni ihr und Issy alles genommen hatten würden sie am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlte, wenn alles zerbrach.

2. KAPITEL

Irgendetwas stimmte nicht, aber Alessandro konnte es nicht benennen. Das Gefühl hatte ihn morgens bei Amelias Zusammenfassung ihrer Präsentation beschlichen. Die Wahl der von ihr empfohlenen Firma war einstimmig ausgefallen.

Er sah auf seine Armbanduhr. Wenn er jetzt Feierabend machte, schaffte er es noch ins Fitnesscenter, bevor er sich etwas zum Abendessen besorgte und ein weiteres Mal die Aurora-Unterlagen durchging, um herauszufinden, was ihn störte. Er hatte gelernt, auf sein Bauchgefühl zu hören, seit Gianni und er vor zehn Jahren die Firma von Thomas Seymore übernommen und ein Imperium daraus gemacht hatten. Und heute sagte ihm sein Bauchgefühl, dass etwas im Argen lag.

Alessandro war versucht, seinen Cousin anzurufen, aber dessen Urlaub war unantastbar. Abgesehen von den beiden Wochen, die Gianni pro Jahr in der Karibik verbrachte, schuftete er wie der Teufel. Er verdiente diese Auszeit. Deshalb schaltete Alessandro das Licht in seinem Büro aus und ging zum Aufzug, der durch die Mitte von The Ruby fuhr.

Das Atrium, das sich über den gesamten Bau erstreckte, galt als architektonisches Wunderwerk. Alessandro und Gianni hatten die unteren Stockwerke an andere Unternehmen, eine Zeitungsredaktion und ein Fernsehstudio vermietet. Die oberen Stockwerke waren Rossi Industries vorbehalten und mit Rücksicht auf das Wohlbefinden der Beschäftigten gestaltet.

Dank des weitgehenden Verzichts auf Zwischenwände konnte Tageslicht durch die schwach getönten Fensterscheiben in das Gebäude strömen. Im Zusammenspiel mit den weißen Akzenten schuf es eine helle, freundliche Stimmung. Gemeinschaftsbereiche wechselten sich mit Arbeitsbereichen ab. Es gab Einrichtungen zur Gesundheitsfürsorge, ein Mitarbeiterrestaurant, ein Fitnesscenter und ein Café auf dem Balkon, der sich rund um The Ruby zog. In den Dachgarten gelangte man nur von Alessandros und Giannis Penthouse-Büros.