Heiße Nächte, funkelnde Diamanten - Susan Stephens - E-Book

Heiße Nächte, funkelnde Diamanten E-Book

Susan Stephens

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Beschreibung

Wie in einem Märchen aus 1001 Nacht fühlt sich Tyr Skavanga, als er Jasmina wieder sieht Doch die schöne Prinzessin ist für ihn tabu … bis sie ihn mit ihren Küssen vom Gegenteil überzeugt. Als er befürchten muss, dass sie ihn nur benutzt, um ihre Freiheit zu erringen, wird sein Herz zu Eis …

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Seitenzahl: 176

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IMPRESSUM

Heiße Nächte, funkelnde Diamanten erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Susan Stephens Originaltitel: „His Forbidden Diamond“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 395 - 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Dorothea Ghasemi

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733767266

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Tyr Skavanga ist wieder zu Hause!

Die Schlagzeile fiel ihm sofort ins Auge. Seine Schwester Britt hatte die Zeitung auf ihren Schreibtisch gelegt, offenbar um ihm auf ihre ganz eigene, nüchterne Art zu zeigen, wie sehr man ihn vermisst hatte und wie glücklich sie und seine beiden anderen Schwestern über seine Rückkehr waren. Das Foto darunter zeigte Britt, Eva und Leila, die einander strahlend umarmten.

Seinetwegen.

Tyr wandte sich ab und blickte starr aus dem Fenster von Britts Büro in den dunklen Himmel, von dem Schneeflocken fielen. Draußen war alles weiß und unberührt, doch im Fenster sah er das Gesicht eines Mörders, sein Gesicht, und davor konnte er sich nicht verstecken.

Aber das will ich auch gar nicht, dachte Tyr grimmig. Er war wieder in Skavanga, der kleinen Bergarbeiterstadt, die den Namen seiner Familie trug, um im Kreis der Menschen, die er liebte, noch einmal von vorn anzufangen. Nach seiner Zeit in der Armee war er zu lange weggeblieben, um seine Schwestern und Freunde vor sich zu schützen, denn er hatte sich grundlegend verändert. Britt, seine älteste Schwester, hatte immer versucht, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, egal, ob er auf ihre Nachrichten reagiert hatte oder nicht. Sie hatte zu den wenigen gehört, die ihn durch ihren Mann, Scheich Sharif, erreichen konnten. Dieser war einer seiner engsten Freunde und hatte die ganze Zeit zu ihm gestanden. Nicht einmal ihr hatte er seinen Aufenthaltsort verraten oder erzählt, was er machte.

Letztendlich war es ein Kind gewesen, das ihn hierher zurückgeführt hatte. Er hatte die Siebenjährige aus dem Kriegsgebiet zu ihrer Familie in ein Flüchtlingslager gebracht, und nachdem die Wiedersehensfreude etwas abgeklungen war, hatte sie ihn ganz ernst gefragt: „Hast du denn keine Familie, Tyr?“

Ihre Frage hatte ihn zutiefst beschämt und erschüttert. Sie hatte ihn gezwungen, an die Menschen zu denken, die er zurückgelassen hatte. „Doch, ich habe eine Familie, die ich sehr liebe“, hatte er erwidert, und dabei hatten seine Augen sich mit Tränen gefüllt. Als er in die Wüste zurückkehrte, um mit dem Wiederaufbau zu beginnen, hatte er bis zur Erschöpfung gearbeitet und dabei die ganze Zeit an die Worte des kleinen Mädchens gedacht. Dabei war ihm klar geworden, wie glücklich er sich schätzen konnte, dass er Menschen hatte, die ihn liebten. In dem Moment hatte er gewusst, dass er nach Hause zurückkehren musste, obwohl ihm das Wiedersehen mit seinen Schwestern bevorgestanden hatte, weil diese ihn sofort durchschauen würden.

Er wäre für die Sondertruppe von unschätzbarem Wert gewesen, hatte ihm der Offizier bei der Verleihung des Ordens gesagt, doch man sollte ihn irgendwann einmal für das in Erinnerung behalten, was er aufgebaut hatte, nicht für das, was er zerstört hatte.

„Tyr!“

„Britt.“ Kaum hatte er sich umgedreht, warf seine schöne Schwester sich ihm in die Arme.

„Du siehst toll aus, Tyr.“

Tyr verzog den Mund. „Lügnerin.“

Sie trat einen Schritt zurück, um ihn besser betrachten zu können. „Na gut, deine Klamotten sehen toll aus.“

Sie lachten beide. „Ich habe einen Zwischenstopp in Mailand eingelegt, weil ich meine glamourösen Schwestern ja nicht blamieren darf, wenn sie eine Party geben“, meinte Tyr.

Nun wirkte Britt besorgt. „Du musst nichts tun, was du nicht möchtest, Tyr.“

„Aber ich wollte nach Hause kommen und euch sehen.“

„Und? Bist du bereit?“ Sie deutete durch das Fenster auf das schickste Hotel in der Stadt, in dem die Willkommensparty für ihn stattfinden sollte und vor dem nun die ersten Wagen vorfuhren.

„Wenn du es bist, bin ich es auch. Danke, dass du dir meinetwegen solche Umstände machst.“

Wieder lachte sie. „Wenn ich den Helden der Stadt nicht willkommen heißen kann …“

„Heiß einfach nur deinen Bruder willkommen. Mehr möchte ich nicht.“

„Ich würde für dich bis ans Ende der Welt gehen, Tyr – und das wäre auch fast nötig gewesen“, erinnerte sie ihn trocken. „Du hast all meine E-Mails ignoriert.“

„Aber letztendlich habe ich dir die Reise erspart.“

„Du wirst dich nie ändern, Tyr.“ Der Ausdruck in ihren Augen strafte ihr Lächeln Lügen. Sie wussten beide, dass er sich sehr verändert hatte.

„Die Ruhe hier in meinem Büro hat dir gutgetan, stimmt’s, Tyr?“

„Sehr gut sogar. Danke, Britt.“

Er hatte einige Besorgungen gemacht, aber sonst war er seit seiner Rückkehr nicht unter Leuten gewesen. Nach der Stille in der Wüste empfand er sogar den Verkehrslärm als ohrenbetäubend.

„Ich möchte noch kurz mit dir reden“, verkündete Britt nun forsch.

Tyr runzelte die Stirn. „Das klingt ernst.“

„Es gibt eine Menge zu erzählen, denn du warst lange weg. Leila hat Zwillinge bekommen …“

„Das hattest du mir geschrieben.“

„Stimmt. Aber jetzt sind sie schon fast im Schulalter, und du hast sie immer noch nicht kennengelernt. Und Leila ist wieder schwanger …“

„Was?“ Das war ihm neu. „Raffa verschwendet wirklich keine Zeit.“

„Leila zufolge wollen sie eine ganze Fußballmannschaft. Außerdem geht das Leben weiter, auch wenn du von der Bildfläche verschwindest.“ Nach einer kurzen Pause fügte Britt hinzu: „Du willst mir nicht zufällig erzählen, wo du gesteckt hast, oder, Tyr?“

„Du musst nur das Nötigste wissen.“ Betont lässig zuckte er die Schultern. Seine Arbeit war ihm wichtig, und er wollte mit niemandem darüber reden, nicht einmal mit Britt. Er wollte kein Lob dafür, dass er seine Fehler wiedergutmachte. „Und, was sollte ich noch wissen?“, scherzte er in Erinnerung an alte, unbeschwerte Zeiten.

„Jazz ist hier.“

Ein Prickeln überlief ihn. „Ich habe sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen.“ Allein bei dem Namen musste er an aufregende Schulferien denken, in denen er sich völlig verausgabt und an nichts anderes gedacht hatte als an das nächste harmlose Abenteuer mit seinen beiden Freunden aus Kareshi. Doch er hatte noch etwas aus Britts sachlichem Tonfall herausgehört. „Und, was ist mit Jazz?“ Sharif hätte es ihm erzählt, wenn Jazz – alias Prinzessin Jasmina von Kareshi – etwas zugestoßen wäre. „Es geht ihr doch gut, oder?“

„Natürlich.“

„Aber?“ Tyr ließ sich nicht anmerken, dass sein Herz bei der Vorstellung, dass Jazz etwas passieren könnte, einen Schlag aussetzte. Sie kannten einander, seit Sharif ihn das erste Mal in den Ferien nach Kareshi eingeladen hatte. Jazz hatte ihn immer damit aufgezogen, dass er keine Geschichten aus der Wüste erzählen konnte. Er hatte sich gleichgültig gegeben, jedoch überrascht festgestellt, dass er sich immer freute, sie zu sehen. Bald hatte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen entwickelt.

„Aber nichts“, beharrte Britt, doch er wusste, dass das nicht die ganze Wahrheit war. „Sie kommt heute Abend.“

„Schön.“ Er freute sich darauf, Jazz zu sehen.

„Sie hat sich verändert“, fügte Britt leise hinzu. „Sie ist erwachsen geworden, wie wir alle.“

Was wollte sie ihm damit sagen? Wie sehr konnte ein Mensch sich verändern?

„Was ist los, Tyr?“

Tyr setzte ein Lächeln auf. „Gar nichts.“

„Wir haben uns alle verändert“, sagte Britt, die ihn immer durchschaute. „Aber wenigstens lächelst du jetzt. Denkst du gerade an Jazz?“

Natürlich dachte er an Jazz, die ihn damals immer als den Typen aus dem eisigen Norden mit dem komischen Namen bezeichnet hatte. Sharif, Jazz und er waren ein seltsames Trio gewesen. Jazz war nicht erwünscht gewesen, aber umso entschlossener, und sie konnte viel besser reiten als Sharif und er. Außerdem kannte sie die Wüste wie kein anderer.

„Mach nicht so ein besorgtes Gesicht, Britt. Ich komme mit Jazz klar“, verkündete Tyr zuversichtlich.

„Zieh sie bitte nur nicht auf, Tyr.“

„Wieso das nicht?“

„Sie kommt heute Abend nur, weil es so eine wichtige Familienfeier ist. Und ich spiele den Anstandswauwau für sie“, fügte Britt mit einem vielsagenden Blick hinzu. „Sharif natürlich auch.“

Er runzelte die Stirn. „Das klingt alles so schrecklich förmlich und passt gar nicht zu ihr.“

„Die unverheiratete Schwester des regierenden Scheichs von Kareshi hat nun mal nicht dieselben Freiheiten wie wir. Sie hat die ganze Zeit an Sharifs Seite gestanden, als er das Land ins einundzwanzigste Jahrhundert geführt hat, und möchte jetzt natürlich keinen Skandal heraufbeschwören.“

„Dann opfert sie sich also, indem sie sich selbst einsperrt?“, hakte er entrüstet nach.

„Nicht direkt, sie ist jetzt nur etwas konservativ. Also halte dich ihr gegenüber bitte etwas zurück, ja?“

„Wir sind schon eine Ewigkeit befreundet, Britt. Ich werde wohl kaum über sie herfallen.“

„Gib dich kühl und halt dich von ihr fern, nachdem du sie begrüßt hast. Okay?“

Entnervt fuhr er sich durchs Haar. „Das ist nicht dein Ernst. Darf sich denn überhaupt jemand der Hoheit nähern?“

„Mach dich nicht über sie lustig, Tyr. Natürlich.“ Britt warf ihm einen warnenden Blick zu. „Jazz führt ein ganz normales Leben in Kareshi. Sharif hat mit allen Traditionen gebrochen, indem er ihr eine Führungsposition als Leiterin seiner Rennställe übertragen hat, und damit die Emanzipation im Land vorangetrieben.“

„Aber?“, fragte er, als sie unmerklich zögerte.

„Aber umso größeren Wert legt sie darauf, die Traditionen in anderen Bereichen aufrechtzuerhalten, damit niemand Anstoß an Sharifs Entscheidung nimmt.“

„Und was ist damit genau gemeint?“

„Jazz glaubt, dass das Land immer nur einen kleinen Schritt zurzeit machen kann. Sie hält sich also bewusst im Hintergrund, um zu unterstreichen, dass jede Frau das Recht hat, zu arbeiten. Wir sollten sie dafür bewundern, dass sie dieses Opfer bringt.“

„Opfer?“

„Dass unverheiratete Frauen sich in der Öffentlichkeit unter Männer mischen dürfen, ist der nächste Schritt. Irgendwann wird es auch so weit sein, aber Jazz liebt ihr Volk, und wir können wohl darauf vertrauen, dass sie weiß, was das Beste ist.“

„Das Beste für sie oder für das Land?“

„Nun ereifer dich doch nicht so, Tyr. Für beide natürlich. Und sieh mich bitte nicht so böse an.“

„Entschuldige. Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass das temperamentvolle Mädchen von damals zur Einsiedlerin geworden ist.“

„Du hast dich also nicht von den Menschen zurückgezogen, die dich lieben?“

Es war typisch für Britt, dass sie ihn darauf hinweisen musste. Tyr rang sich ein Lächeln ab. „Eins zu null für dich.“

„Freu dich für sie, Tyr. Jazz ist eine wundervolle junge Frau mit einem ausgeprägten Pflichtgefühl ihrem Land gegenüber, was du bestimmt gut nachvollziehen kannst. Dass sie kein Aufsehen erregen will, ist verständlich.“

„Für dich vielleicht, aber Jazz ist meine Freundin, und ich werde die Freunde, die ich heute Abend treffe, alle gleich behandeln.“

„Dann muss ich mir keine Sorgen machen, oder?“ Britt stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf beide Wangen. „So, da draußen warten ein paar Leute, die dich willkommen heißen wollen, ohne dass alle es mitbekommen.“

Ein Hochgefühl überkam ihn. „Eva und Leila sind da?“

„Mit ihren Männern. Es macht dir hoffentlich nichts aus, denn schließlich sind Roman und Raffa deine engsten Freunde.“

„Es macht mir überhaupt nichts aus.“ Er freute sich darauf, und wenn er jeglichen Tiefgang vermied, würden sie nichts außer der Wiedersehensfreude in seinen Augen sehen.

Seine mittlere Schwester Eva kam als Erste in den Raum. Mit ihrem flammend roten Haar war sie temperamentvoll und scharfsinnig wie eh und je. „Du siehst immer noch genauso Furcht einflößend aus, wie ich dich in Erinnerung hatte, mein Krieger.“

„Ich könnte dich mit einem Finger zerquetschen, du Zwerg.“

Im Scherz ballten sie beide die Fäuste, und dann brach Eva in Tränen aus und warf sich ihm in die Arme. „Tu mir das nie wieder an“, brachte sie schluchzend hervor. Nachdem sie sich von ihm gelöst hatte, funkelte sie ihn wütend an. „Verschwinde nie wieder aus meinem Leben, ohne mir vorher die Schlüssel von deinem Sportwagen zu hinterlassen.“

Lachend umarmte er sie. „Versprochen“, erwiderte er leise, bevor er sie aufs Haar küsste.

Wieder löste sie sich ein wenig von ihm. „Du ahnst gar nicht, wie sehr du uns gefehlt hast, Tyr.“

„Ihr habt mir auch gefehlt.“ Wie sehr, ahnten sie nicht einmal. „Mir ist schleierhaft, wie ich ohne euer Genörgel klargekommen bin.“

Während Eva die Gekränkte spielte, ging Britt zur Tür und öffnete sie weit. „Leila!“

Tyr wollte sie ebenfalls herumwirbeln, besann sich allerdings noch rechtzeitig. „Wow. Du bist wirklich schwanger. Und genauso schön wie eh und je.“

Nachdem sie sich lachend und weinend umarmt hatten, trat Leila einen Schritt zurück. „Wenn man auf Nilpferde steht …“ Forschend betrachtete sie ihn für einen Moment. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass du wieder hier bist.“ Ein liebevoller und besorgter Ausdruck trat in ihre Augen. „Du scheinst einiges durchgemacht zu haben.“

„Das reicht.“ Tyr strich sich über den Smoking. „Lasst uns jetzt feiern.“

„Ja, wir dürfen unsere Gäste nicht warten lassen.“ Britt wechselte einen Blick mit ihm, als sie die Tür aufhielt.

Dann hakte er seine beiden Schwestern unter und führte sie aus dem Raum.

Zum ersten Mal, seit Jazz sich entsinnen konnte, war Sharif nicht ungeduldig gewesen, als sie noch nicht fertig war, um Britt und ihn auf die Party zu begleiten. „Ruf mich an, wenn du fertig bist, dann hole ich dich ab“, hatte er lächelnd gesagt.

Die Frage, was sie anziehen sollte, hatte ihr Kopfzerbrechen bereitet. Was mochte die gehobene Gesellschaft in einer aufstrebenden Bergarbeiterstadt wie Skavanga von einer konservativen Prinzessin aus Kareshi erwarten? Und was wäre, wenn man sie fotografieren würde?

„Du musst es nicht übertreiben“, hatte Britt ihr in ihrer nüchternen Art versichert. „Wie sollte dein Volk nicht stolz auf dich sein, wenn es dich an der Seite deines Bruders und umgeben von einer Familie, die euch beide so liebt, sieht?“

Man konnte Britt selten widersprechen, doch Jazz hatte mit ihren inneren Dämonen kämpfen müssen, bevor sie sich damit einverstanden erklärt hatte, ihr Gesicht in der Öffentlichkeit zu zeigen. Ihre Eltern hatten ihre privilegierte Stellung ausgenutzt und sich nicht für die Bedürfnisse ihres Volkes interessiert. Und ihre Mutter hatte Sharif und sie immer der Obhut von Kindermädchen überlassen, um ihrem ausschweifenden Lebensstil frönen zu können. Als er die Thronfolge antrat, hatte Sharif das Steuer so schnell wie möglich herumgerissen, um dem Land einen wirtschaftlichen Aufschwung zu bescheren. Er war ein starker, gütiger und weiser Herrscher, aber aufgrund ihrer Kindheitserfahrungen in einem Land, in dem Korruption herrschte, war sie fest entschlossen, keinen Skandal heraufzubeschwören und sich zumindest mit ihrem Äußeren zurückzuhalten.

So fiel es ihr viel leichter, sich hinter einem Schleier zu verstecken, als einen Abend wie diesen zu verbringen. Während sie sich im Spiegel betrachtete, wünschte Jazz, ihr Herz würde nicht so rasen. Ihr Bruder war bereits mit Britt gegangen, um zusammen mit den anderen in den Firmenräumen Tyr zu begrüßen, der nach langer Abwesenheit nach Skavanga zurückgekehrt war.

Tyr.

Ihr Mund wurde plötzlich ganz trocken. Bei den Begegnungen mit dem großen Wikinger war sie immer sehr aufgeregt gewesen.

Aber jetzt ist alles anders, sagte sie sich entschlossen. Sie war eine erwachsene Frau mit vielen Verpflichtungen und kein Kind mehr, das den besten Freund seines Bruders nervte. Sie musste vorsichtig sein, was ihre Gefühle betraf.

Tyr war jedoch ein Mensch, auf den sie sich immer verlassen konnte.

Zumindest war es der Fall gewesen, bis er verschwunden war.

Sie hatte sich solche Sorgen um ihn gemacht und gebetet, dass ihm nichts passieren möge.

Was mochte er von ihr halten? Sie hatte sich so verändert.

Nachdem Jazz einige Male tief durchgeatmet hatte, schloss sie die Augen und versuchte krampfhaft, nicht an Tyr Skavanga zu denken. Nach einer Weile gab sie auf.

Tyr blieb am Eingang zum Ballsaal des Hotels stehen und lächelte. „Sehr schön, Britt.“

„Keine Transparente“, beschwerte sich Eva, während sie sich umblickte.

„Nein. Es ist typisch Britt“, bemerkte Leila anerkennend und sprach aus, was er dachte. „Ein sehr edles Ambiente.“

„Für die Rückkehr eines Helden“, sagte Eva stolz und legte ihm die Hand auf den Arm.

„Für eine Rückkehr nach Hause“, ergänzte er leise.

Britt hatte keine Mühen gescheut. Die Staffelei neben der großen Flügeltür war von zwei hohen Vasen mit weißen Blumen flankiert und zeigte ein Foto von ihm, auf dem er lächelte und entspannt wirkte. Es war entstanden, bevor er in den Krieg gezogen war.

„Du siehst jetzt zwanzig Jahre älter aus“, bemerkte Eva, was ihre Schwestern sofort mit einem Stöhnen quittierten.

„Pass bloß auf, Zwerg“, warnte Tyr sie scherzhaft und hatte plötzlich das Gefühl, dass er den Abend vielleicht sogar genießen würde. „Roman ist außer Hörweite. Du könntest dir also ein Bad in dem Schokoladenbrunnen einhandeln.“

Eva seufzte theatralisch. „Tod durch Schokolade wäre mir recht.“

„So, ihr zwei, jetzt hört auf zu streiten und kommt“, sagte Britt.

Vor seinen Schwestern betrat Tyr den Ballsaal mit den funkelnden Kronleuchtern, und das Erste, was er sah, war Jazz.

2. KAPITEL

Tyrs Herz begann zu rasen, als Jazz sich zu ihm umwandte. Sofort knisterte es zwischen ihnen. Was hatte er vorhin Britt gesagt? Ich werde die Freunde, die ich heute Abend treffe, alle gleich behandeln.

Doch hier im Raum konnte niemand Prinzessin Jasmina von Kareshi das Wasser reichen. Jazz war nicht nur erwachsen geworden, sondern wie eine exotische Blume zu der schönsten Frau aufgeblüht, die er je gesehen hatte. Und die Gelassenheit, die sie jetzt ausstrahlte, faszinierte ihn. Es schien, als hätte sie sich eine Rolle geschaffen, die sie auskosten wollte.

Nein, das war es nicht. Sie verdrängte die Wahrheit.

Also ähnlich wie er?

Auf keinen Fall.

Tyr strich sich das Haar aus dem Gesicht und dachte daran, wie ihre Augen gefunkelt hatten, als sie ihn sah. Jetzt konzentrierte sie sich allerdings wieder auf die Frauen, die sie umringten.

„Sie ist schön, nicht?“

Er wandte sich zu Britt um. „Ich glaube schon“, erwiderte er vorsichtig. Er hatte zu lange allein gelebt, um seine Gefühle zu zeigen,. Doch wie immer durchschaute Britt ihn.

„Spiel ihr gegenüber bitte nicht den wilden Wikinger“, bat sie ihn. „Dieser Abend unter so vielen fremden Männern ist wirklich hart für sie. Allerdings braucht Jazz das. Sie ist ein Freigeist, aber das weißt du ja.“ Dann runzelte sie die Stirn. „Sie hat mehr für ihr Land geopfert, als wir ahnen.“

„Ihre Freiheit?“

„Tyr, bitte. Mach es ihr nicht noch schwerer.“ Britt legte ihm die Hand auf den Arm. „Sag ihr höflich Guten Tag und zieh dich zurück, ja?“

„Danke, dass du mir sagst, was ich tun und lassen soll, Schwesterherz.“ Amüsiert zog Tyr eine Augenbraue hoch. „Ich müsste aus Stein sein, um nicht auf eine so schöne Frau zu reagieren.“

„Behalt deine Gefühle für dich, Tyr, und brich ihr nicht das Herz. Sie war schon immer in dich verknallt. Und du bist lange allein gewesen, vergiss das nicht.“

„Bleib locker, Britt, so verzweifelt bin ich nicht. Und ich habe nicht gerade wie ein Heiliger gelebt.“

„Ich glaube auch nicht, dass Jazz die Art von Liebe sucht, die du bieten kannst.“

Amüsiert sah er sie an. „Ich hoffe, sie ist überhaupt nicht auf der Suche nach Liebe.“

„Warum?“ Forschend betrachtete Britt ihn. „Wärst du dann eifersüchtig?“

„Auf ihre Verehrer?“ Nachdem er ihr seinen Arm angeboten hatte, führte er sie weiter in den Raum hinein.

„Hier sind zu viele Alphatiere“, bemerkte sie trocken, als Raffa und Roman auf ihn zukamen, um ihn zu umarmen.

„Keine Angst, ich pass auf dich auf“, konterte er, während die anderen beiden sich zu ihren Frauen gesellten.

Als sie sich Jazz näherten, warf Britt ihm einen warnenden Blick zu, und er drückte ihren Arm. „Keine Sorge, ich respektiere Jazz. Das habe ich immer getan und werde es auch immer tun.“

Ihre Antwort ging im allgemeinen Stimmengewirr unter, während er den Blick auf Jazz richtete. Im Schein des großen Kronleuchters unterhielt sie sich angeregt mit den umstehenden Frauen. Plötzlich hielt Britt ihn zurück.

Seine Mundwinkel zuckten. „Glaubst du etwa immer noch, ich könnte über sie herfallen?“

„Ich kenne diesen Ausdruck in deinen Augen. Bring sie nicht in Verlegenheit, Tyr. Sie hat ihr Land bisher nur selten verlassen. Nach Skavanga zu kommen ist ein großes Abenteuer für sie.“

„Und ich habe nicht die Absicht, ihr den Aufenthalt hier zu verderben. Wenn sie sich dafür entschieden hat, ihr Leben nach den Traditionen zu leben, respektiere ich es.“

„Gut. Ich habe dich zwar sehr lieb, aber wenn du Jazz wehtust …“

„Das brauchst du mir nicht zu sagen, Britt.“

„Ach nein?“ Sie folgte seinem Blick zu der schlanken jungen Frau, die ein langes Gewand trug.