Herz und Seele - Michael Ermann - E-Book

Herz und Seele E-Book

Michael Ermann

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Beschreibung

Das Herz war immer schon ein Organ, das nicht nur von seiner Körperfunktion her betrachtet wurde: Es steht in der Kulturgeschichte im Zentrum von Symbolik und Metaphorik und ist im individuellen Erleben eng mit Gefühlen und Phantasien über Liebe und Leben, Verlust und Sterben verbunden. Als eine hervorgehobene Schnittstelle zwischen Leib und Seele findet es in der psychosomatischen Medizin eine besondere Aufmerksamkeit. Am Beispiel von Herzneurose, Herzschmerz, Herzinfarkt und organischer Herzkrankheit erklärt der Autor die vier basalen Konzepte des psychosomatischen Krankheitsverständnisses: die Somatisierungsstörung, die Konversionsstörung, die Psychosomatose und die somatopsychische Erkrankung. Ursachen und Verarbeitungsprozesse werden deutlich und Ansätze zur psychotherapeutischen Einflussnahme aufgezeigt.

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Das Herz war immer schon ein Organ, das nicht nur von seiner Körperfunktion her betrachtet wurde: Es steht in der Kulturgeschichte im Zentrum von Symbolik und Metaphorik und ist im individuellen Erleben eng mit Gefühlen und Phantasien über Liebe und Leben, Verlust und Sterben verbunden. Als eine hervorgehobene Schnittstelle zwischen Leib und Seele findet es in der psychosomatischen Medizin eine besondere Aufmerksamkeit. Am Beispiel von Herzneurose, Herzschmerz, Herzinfarkt und organischer Herzkrankheit erklärt der Autor die vier basalen Konzepte des psychosomatischen Krankheitsverständnisses: die Somatisierungsstörung, die Konversionsstörung, die Psychosomatose und die somatopsychische Erkrankung. Ursachen und Verarbeitungsprozesse werden deutlich und Ansätze zur psychotherapeutischen Einflussnahme aufgezeigt.

Professor Dr. Michael Ermann, Psychoanalytiker und Psychotherapeut, lehrt Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Lindauer Beiträge zur Psychotherapie und Psychosomatik

M. Ermann: Herz und Seele M. Ermann: Identität und Identitäten M. Ermann: Träume und Träumen

Michael Ermann

Herz und Seele

Psychosomatik am Beispiel des Herzens

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Dieses Buch stellt eine grundlegend überarbeitete und erweiterte Fassung der Vorlesungen dar, die der Autor zum gleichen Thema im Rahmen der Lindauer Psychotherapie Wochen 2004 gehalten hat. Unter www.auditoriumnetzwerk. de ist eine Übersicht aller Aufnahmen der Lindauer Psychotherapie Wochen einzusehen, die unter [email protected] angefordert werden kann.

1. Auflage 2005 Alle Rechte vorbehalten © 2005 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Data Images GmbH Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

Print: 3-17-018652-1

E-Book-Formate

pdf:

978-3-17-022794-1

epub:

978-3-17-028006-9

mobi:

978-3-17-028007-6

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. VorlesungDas Herz, das Soma und die Psyche

Psyche und Soma als System

Das limbische System als „psychosomatische Zentrale’’

Zur Metaphorik des Herzens

Somatische und organfunktionelle Grundlagen

Psychodynamische Grundlagen

Entwicklungsdiagnostische Aspekte

Ätiologische Grundformen psychogener Erkrankungen

Pathogenetische Mechanismen

2. Vorlesung Herzschmerz

Herzschmerz als somatoforme Projektion von Sorge

Kasuistik

Projektive narzisstisch-hypochondrische Schmerzentstehung

Der Herzschmerz als Konversion von Affekten

Allgemeines zur Konversion

Kasuistik

Konversion und Identifikation

Zwei Arten von Konversion

Herzschmerz als Folge von „Sprachverlust’’

Konversionsschmerz – Projektionsschmerz

Charakteristik und Systematik von somatoformen Schmerzen

Zentralnervöser Schmerz

Peripherer Funktionsschmerz

Sekundäre Schmerzen

3. und 4. Vorlesung Somatisierungsstörungen am Herzen

Herzneurosen

Kasuistik

Charakteristik der Herzneurosen

Schmerzsymptomatik bei Herzneurosen

Herz- und Angstneurosen

Psychodynamik

Diagnostik

Weiterverarbeitung

Exkurs: Allgemeines zur Somatisierung

Zwei Gruppen von Somatisierungsstörungen

Entwicklungsdiagnostik

Somatoforme Herzrhythmusstörungen

Kasuistik

Behandlung

Zur Indikationsstellung

Behandlungsinhalte

Ergebnisse

Schlusswort

5. Vorlesung Herzinfarkt

Herzinfarkt als potenzielle Psychosomatose

Kasuistik

Ätiopathogenese

Risikofaktoren für einen Herzinfarkt

Zur Behandlung

Exkurs: Die Psychosomatose als körperliche Erinnerung

Krankheitsverarbeitung beim Herzinfarkt

Abschließende Gedanken

Literatur

Sachwortverzeichnis

Personenregister

Vorwort

Dieses Buch beruht auf einer Vorlesungsreihe, die ich bei den Lindauer Psychotherapiewochen im Mai 2004 zum Thema „Psychosomatik am Beispiel des Herzens“ gehalten habe. Es thematisiert das Herz als ein Paradigma der psychosomatischen Medizin und nimmt damit ein Thema auf, das die Psychosomatik in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg besonders beschäftigt hat.

Bräutigam, Hahn, von Uexküll, Zauner und andere haben mit ihren Beiträgen zur Psychosomatik des Herzens die Forschung in diesem Gebiet wieder belebt. Mit der Konzeptualisierung des Krankheitsbildes der Herzneurose durch Richter und Beckmann1 entstand das erste Werk der deutschen Psychosomatik, in dem ein einzelnes Krankheitsbild aus psychodynamischer Sicht umfassend beschrieben wurde: von der Phänomenologie über die Psychodynamik bis hin zur Behandlungspraxis. Das Neue war damals, dass der psychoanalytische Blick für den verdrängten unbewussten Hintergrund, der in der Herzneurose Ausdruck findet, sich zwanglos mit einer objektivierenden differenziellen Typologie verband. Diese beruhte auf dem Gießen-Test, mit dem psychoanalytische Konstrukte auf eine zwar vereinfachende, aber doch überzeugende Weise einer empirischstatistischen Betrachtung zugänglich wurden.

Heute verfügen wir über jahrzehntelange Behandlungserfahrungen, die uns ein fundiertes klinisches Wissen über psychosomatische Aspekte bei Herzerkrankungen bereitstellen. Neben den psychogenen Herzstörungen, die nach wie vor im Zentrum stehen, spielen dabei organische Herzerkrankungen – ihre Mitbehandlung, Prävention und Rehabilitation – eine zunehmende Rolle. Aber auch im Kernbereich der heute sog. somatoformen Störungen gibt es neben einer modernisierten Begrifflichkeit – der Ersatz von „psychovegetative“ oder „funktionelle“ Störungen durch „Somatisierungsstörungen“ – neue Verständnishintergründe. Sie stammen vor allem aus den Neurowissenschaften, die uns heute gestatten, die empirische Basis psychosomatischer Zusammenhänge vertieft zu verstehen.

Die Lindauer Vorlesungen waren als Fortbildungsveranstaltung für Psychotherapeuten in Praxis und Ausbildung konzipiert. Sie sollten bewährtes Wissen und Erfahrungen zusammentragen und Verständnis für klinische Fragen und Zusammenhänge erwecken. Für die Praxis gedacht, begrenzten sie sich auf die bedeutendsten Krankheitsbilder, die den praktizierenden Psychotherapeuten beschäftigen. Das sind die Herzneurose, der Herzschmerz und – in begrenztem Maße – der Herzinfarkt. Sie werden aus klinischer Sicht dargestellt, während neueste empirische Ergebnisse nur gelegentlich berücksichtigt werden.

Meinen Mitarbeiterinnen Rita Ell, Gertrud Haug und Antje Huber verdanke ich die Transkription der Vorlesungsmitschnitte. Karin Adlmannseder sorgte für die Bearbeitung des Rohmanuskripts, Birgit Munz für die Korrekturen. Mein Lektor Ruprecht Poensgen vom Kohlhammer Verlag unterstützte mich mit Rat und Ermutigung. Ihnen allen danke ich für ihre Unterstützung.

München, im Februar 2005

Michael Ermann

1 Richter HE, Beckmann D (1969) Herzneurose. Thieme, Stuttgart

1. Vorlesung Das Herz, das Soma und die Psyche

Psyche und Soma als System

Im Rückblick auf die letzten 25 bis 30 Jahre kann man feststellen, dass unser psychosomatisches Wissen, insbesondere durch neuere Erkenntnisse der Psychophysiologie und der Neurobiologie, enorm zugenommen hat. Es hat sich zudem differenziert und neue Anwendungsfelder erschlossen. Wir fragen heute nicht nur wie früher nach einer möglichen seelischen Verursachung körperlicher Erkrankungen und Störungen, d. h. nicht nur nach der psychogenen Ätiopathogenese, sondern auch nach seelischen Folgen psychosomatischer und organischer Krankheiten, nach ihrer Bewältigung und dem Krankheitsverhalten. Dabei erscheint das Zusammenspiel von körperlichen und seelischen Krankheitsfaktoren heute zwar komplexer, aber viel weniger geheimnisvoll als in früheren Zeiten.

Klären wir zunächst, was der Begriff „Psychosomatik“ bedeutet: Die Psyche, zu deutsch die Seele, meint den Ort des Erlebens – also der mentalen Prozesse. Der Psyche ordnen wir die Affekte und Vorstellungen, das Fühlen und Denken, die Wahrnehmung, das Wissen und die Erinnerung zu. Sie ist nicht direkt greifbar, sondern an ihren Äußerungen erfassbar. Ganz anders ihr Gegenstück – der Körper, griechisch Soma. Er ist der sichtbare Ort der organischen Strukturen und ihrer Funktionen. Der Begriff Psychosomatik beschreibt das Zusammenwirken von Leib und Seele und die Wechselwirkungen zwischen beiden Bereichen.

Heute stellen wir die Psychosomatik in einen größeren Zusammenhang. Wir beziehen das soziale Umfeld des Menschen in die Betrachtung mit ein. Thure von Uexküll2, der bekannteste Psychosomatiker der letzten Jahrzehnte, hat für diese erweiterte Sicht ein bio-psycho-soziales Modell (Abb. 1) entworfen. Er beschreibt die Beziehung zwischen Seele, Körper und Umwelt als einen stufenweisen Problemlösungsprozess, der durch die Wahrnehmung von Lösungsaufgaben, Bewertungen, phantasierten Handlungsentwürfen, Probehandlungen und endgültige Problemlösungen dargestellt wird. Störungen in diesem zirkulären Prozess sind gleichbedeutend mit Krankheit; diese bewirkt Störungen und wird durch Störungen hervorgerufen.

Abb. 1: Der Situationskreis nach v. Uexküll (aus Ermann 2004)

Doch wieso sind Leib und Seele in unserem neuzeitlichen Verständnis eigentlich getrennte Bereiche, so dass wir Modelle brauchen, um das psychosomatische System, welches sie bilden, erfassen zu können? Die Polarisierung zwischen Leib und Seele ist das Ergebnis des kartesianischen Denkens des 17. Jahrhunderts. Es beruht auf Descartes, dem französischen Philosophen und Naturwissenschaftler, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Trennung von Geist (res cogitans) und Materie (res extensa) zur Grundlage seines Weltbildes gemacht und damit das abendländische Denken der Neuzeit tief geprägt hat. Dieses Denken hat das monistische abendländische Menschenbild abgelöst, das die Vorstellung bis dahin beherrschte und dessen Wurzeln bis in die griechische Antike zurückreichten. Es ist übrigens auch verschiedenen Naturmedizinen eigen.

Hippokrates, der berühmte Arzt der antiken Welt, betrachtete Seele und Körper in seiner Philosophie um 400 v. Chr. als Einheit. Allerdings definierte er die Seele als Funktion des Körpers und ordnete sie dem Körperlichen unter. Diese Denktradition taucht in der biologischen Psychiatrie der Neuzeit wieder auf. Sie bestimmte aber bereits das Mittelalter und die Aufklärung mit der Vorstellung, dass die Seele, zumindest aber das Fühlen und Denken, im Gehirn lokalisiert ist. So hat Descartes um 1650 die Zirbeldrüse zum Sitz der Seele und der Emotionen erklärt. Er lehrte, dass sie auch anatomisch das Zentrum des Gehirns bilde und körperliche Funktionen in Gang setzen und beeinflussen könne.

Das limbische System als „psychosomatische Zentrale’’

Die moderne Entwicklung der psychosomatischen Medizin fand ihre Anfänge mit Brucker, einem Chirurgen und Anthropologen, der um 1875 die Hirnregionen rund um den Hirnstamm anatomisch-chirurgisch untersuchte und zu der Vorstellung gelangte, dass in diesem Bereich die wesentlichen Schaltstellen zwischen seelischen und körperlichen Prozessen liegen. Diese Vorstellung wurde nach 1950 weiterentwickelt, als man die Strukturen und Funktionen des limbischen Systems und seiner Verknüpfungen einerseits zum Großhirn, insbesondere zum Frontalhirn, andererseits zu den peripheren Organen ausführlicher untersuchte. So wurden auch die anatomischen und physiologischen Grundlagen dieser Verknüpfungen beschrieben.3 Auf dieser Basis verfügen wir heute über ein relativ präzises Wissen über die Bedeutung des limbischen Systems als dem zentralen Ort der Informationsverarbeitung und Schaltstelle zwischen Körper und Seele, zwischen Psyche und Soma.

Das limbische System (Abb. 2) hat sich als Zentrale der psychosomatischen Verknüpfungen und Verschaltungen erwiesen. Anatomisch betrachtet, besteht es aus Neuronengruppen, die ringförmig um den Hirnstamm im Zentrum des Gehirns gruppiert sind. In der Nachbarschaft liegt die zentrale Hirnhöhle, der sog. dritte Ventrikel. Die bedeutendsten limbischen Strukturen sind der Hippocampus (Ammonshorn) und der Mandelkern (Nucleus amygdalae). Verschiedene Fasersysteme, die den dritten Ventrikel umspannen, bilden die anatomische Grundlage für die Funktionskreise, die als zentrale Schaltstellen über die Verknüpfung von Wahrnehmungen, Gedächtnis, Emotion und vegetativen Funktionen walten.

Das limbische System ist über doppelläufige Bahnen mit den Hirnarealen verbunden, in denen Denken und Erinnerung lokalisiert sind und die Verarbeitung von Sinneseindrücken stattfindet. Die vorverarbeitete Information wird in den limbischen Strukturen ausgewertet und gefiltert: Emotional Unbedeutendes wird gelöscht, während Bedeutsames zu Affekt- und Triebaktivierungen weiterverarbeitet wird. Diese nehmen Einfluss auf die Zentren im Hirnstamm, von denen vegetative Funktionen gesteuert werden. Außerdem erhält das limbische System über periphere Nerven und das Rückenmark Informationen aus den peripheren Organen, an die es umgekehrt seinerseits auch wieder Informationen zurücksendet.

Abb. 2: Hippocampus und Mandelkern bilden das Zentrum des limbischen Systems. Sie wirken bei der Bildung und Regulierung von Gefühlen mit dem Hypothalamus und der präfrontalen Rinde zusammen (nach Kalin 1994 aus Deneke 1999)

So bildet es die organische Matrix für Verarbeitungsprozesse, bei denen Fühlen, Denken, Erinnern und körperliche Funktionen sich gegenseitig beeinflussen. Mit diesen Kenntnissen bereitet es heute keine Schwierigkeiten mehr, die früher so geheimnisvoll wirkenden Verknüpfungen zwischen psychischen und somatischen Funktionen auf eine empirisch belegte Grundlage zu stellen.

Wenden wir uns vor diesem Hintergrund der Psychosomatik des Herzens zu. Wir betrachten also das Herzorgan und die Psyche als integriertes System. Dabei setzen wir zwei Schwerpunkte: die Wechselwirkung zwischen Erleben und Herzfunktion, und die Einbettung des Herzens in das Erleben. Beginnen wir mit den Bedeutungen des Herzens und den Zuschreibungen an das Herz.

Zur Metaphorik des Herzens

In der Kunst steht das Herz vor allem für die vielfältigen Facetten der Liebe. Sein Herz zu verlieren oder zu verschenken, ist Ausdruck der größten liebevollen Hingebung. Auf diese Weise wird das Herz zum Unterpfand der Liebe. So dichtet schon das Mittelalter:4

„Dû bist beslozzen in mînem herzenVerlorn ist daz slüzzelînDu muost immer drinne sîn.“

Die Qualen der erfüllten und unerfüllten Liebe zeigt die Darstellung der Leidenschaften der Frau Minne aus dem 13. Jahrhundert (Abb. 3).

Abb. 3: Die Leidenschaften der Frau Minne; aus dem 13. Jahrhundert

Und auch Goethe sinnt in seinem ost-westlichen Diwan der Tiefe der Liebe nach:

„Warum gabst du uns die tiefen Blicke unsere Zukunftahnungsvoll zu schaun, unsere Liebe,unserem Erdenglücke wähnend seelig nimmer hinzutraun?Warum gabst uns Schicksal die Gefühle,uns einander in das Herz zu sehn,um durch all die seltenen Gewühleunser wahr Verhältnis auszuspäh’n?“

In religiösen Darstellungen steht das Herz für die göttliche Liebe. Dabei erscheint das Herz Christi von Dornen umrankt, oft auch als Kraft neuen Lebens, die durch einen Pflanzenspross dargestellt wird, der in einem Herzen wurzelt. In der Darstellung von Tieren erscheint die Liebe Gottes als Herz, das aus dem Leibe gerissen wird. In umgekehrter Bedeutung taucht dieses Motiv auch im Herzopfer der Azteken des alten Mexikos auf, wo die Gunst der Götter durch das Geschenk des Wertvollsten, des Herzens, gesichert werden soll.

Das Herz wird auch als Symbol der menschlichen Liebe zur Natur verwendet. So thematisiert Goethe in Ganymed:

„Wie im Morgenglanzedu rings mich anglühst, Frühling geliebter!Mit tausendfacher Liebeswonnesich an mein Herze drängt deiner ewigen Wärme heilig Gefühl ...“

Auch für Veränderung und Abschied wird das Symbol des Herzens benutzt, so bei Horaz im 1. Jahrhundert v. Chr.:

„Wohin ziehst du mich, Fülle meines Herzens,Gott des Rausches? Welche Wälder,welche Klüfte durchstreif ich mit fremdem Mut? ...“

Oder in dem wunderschönen Gedicht von Hermann Hesse, wo das Herz für den Abschied von einer Lebensphase steht:

„Es muss das Herz bei jedem Lebensrufebereit zum Abschied sein und Neubeginn ...“

Und um noch einmal Goethe zu zitieren: In Mahomets Gesang endet der Bogen des Lebens in einer Vision des erfüllten Sterbens, für das er die Metapher des Herzens benutzt:

„Und so trägt er seine Brüder,seine Schätze, seine Kinderdem erwartenden Erzeugerfreudebrausend an das Herz.“

Die traditionelle chinesische Medizin lehrt, dass man Organe nicht beschreiben kann, ohne gleichzeitig ihre Mentalität zu betrachten. So finden sich in Darstellungen der Organe immer auch Symbole für ihre geistige Bedeutung. Der Geist des Herzens wird üblicherweise durch einen roten Vogel symbolisiert, der in der chinesischen Tradition ein Symbol für das Leben ist. Die Botschaft der Jahrtausende alten chinesischen Medizin lautet also: „Du kannst das Herz nicht denken, ohne das Leben zu denken.“

In unserem Kulturkreis gilt das Herz als Centrum naturale