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Ein schwüler Tag in Toronto bei Crackern und reichlich Gin Tonic. Drei reizende alte Damen wissen, dass ihnen nicht viel Zeit bleibt, eine Freundin zu rächen. Deren erfolgreiche Romane wurden von einer neidischen Männer-Clique einst derart verrissen, dass sie unter einer Schreibblockade litt. Die Übeltäter sollen nun alle sterben – aber wie ermordet man den ersten so, dass die anderen ahnen, bald der Nächste zu sein? Dass sie es mit der Angst bekommen, während einer nach dem anderen stirbt? Die Polizei aber ahnungslos bleibt, wer hinter dieser Mordserie steckt? – Margaret Atwood in Hochform!
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Veröffentlichungsjahr: 2025
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Übersetzung aus dem Englischen von Monika Baark
© 2024 O. W. Toad Ltd.
Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel Cut And Thirst bei Amazon Stories, Seattle
© der deutschsprachigen Ausgabe 2025:
© Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, Berlin/München 2025
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Cover & Impressum
Über die Autorin
Kapitel 1
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Treue Atwood-Leserinnen kennen sie bereits aus Hier kommen wir nicht lebend raus: Myrna, Leonie und Chrissy sind seit Ewigkeiten eine verschworene Gemeinschaft. Alle drei haben die besten Jahre vielleicht hinter sich, aber ihr Verstand ist so jung und scharf wie eh und je. Als ihnen klar wird, dass ihre Freundin Fern nicht mehr lange leben wird, beschließen die alten Damen, für sie eine offene Rechnung zu begleichen. Ferns erfolgreiche Romane wurden von einer neidischen Männerclique einst derart verrissen, dass sie sich kaum mehr aus dem Haus traute. Die Übeltäter sollen nun alle sterben – aber schon bald wird klar, dass es nicht so leicht ist, ein Mordkomplott anzurühren wie die drei Hexen aus Macbeth …
Margaret Atwood gehört zu den bedeutendsten Autorinnen unserer Zeit. Ihr Report der Magd ist seit Generationen ein Kultbuch. Sie wurde u. a. mit dem Man Booker Prize und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Atwood lebt in Toronto.
Monika Baark, 1968 in Tel Aviv geboren, studierte Anglistik und Kunstgeschichte. Sie lebt in Berlin und übersetzt u. a. Margaret Atwood, Vendela Vida, Jeanette Winterson, Amity Gaige und Miriam Toews.
»Wir könnten sie einfach aus Fenstern stoßen«, sagt Leonie.
»Oh, lieber nicht«, sagt Chrissy. »Alle würden sagen, das waren die Russen.«
»Umso besser«, sagt Myrna. »Es würde den Verdacht von uns ablenken.«
»Nachdem wir mehr als drei ermordet haben, könnte jemand zwei und zwei zusammenzählen«, sagt Chrissy.
»Wer weiß überhaupt noch von dieser Verbindung, außer uns?«, sagt Leonie. »Es ist lange her. Gott, fühl ich mich alt.«
»Sag nicht alt, es heißt älter«, sagt Chrissy. »Fern weiß davon. Sie hat diese Verbindung auswendig gelernt. Sie hat diese Verbindung inhaliert!«
»Ich glaub eher, die Verbindung hat sie inhaliert«, sagt Leonie. »Es wohnt in ihrem Kopf.«
»Wir erzählen es Fern auf gar keinen Fall«, sagt Myrna. »Sie wäre dagegen. Sie würde uns aufhalten.«
»Sie hat sich ja sogar geweigert, Kung-Fu-Filme mit uns anzuschauen«, sagte Chrissy. »Wisst ihr noch, Der einarmige Schwertkämpfer?«
»Aus der Erinnerung gelöscht«, sagt Leonie. »Wann haben wir die denn gesehen?«
»Im College«, seufzt Chrissy. »Was hatten wir für einen Spaß!«
»Dein Feind ist die Nostalgie«, erklärt Chrissy. »Ich brauch Nachschub. Myrna, schieb mal die Flasche rüber.«
Sie sitzen in Leonies Garten und trinken Gin Tonics. Oder sagen wir, Leonie trinkt Gin Tonics. Chrissy hat eine Weißweinschorle, Myrna eine Cola Light, weil sie sich während dieser Treffen keinen Gehirnnebel leisten kann, sie würde sich bequatschen lassen, zum Beispiel dazu, acht Männer zu ermorden, oder waren’s neun? Wobei sie sich trotz des fehlenden Alkohols bereits dazu verpflichtet zu haben scheint, zumindest prinzipiell.
»Werden wir sie einzeln ermorden, oder gemeinsam wie in der Kesselszene aus Macbeth?«
»Sag ›das schottische Stück‹«, sagt Chrissy, die irgendwann in ihrem Leben auch mal Amateurschauspielerin war. »Das bringt sonst Unglück.«
»Welche Kesselszene?«, fragt Leonie.
»›Molchesaug’ und Unkenzehe‹, ›Rüstig, rüstig!‹ Und so weiter«, sagt Myrna, auf die in Sachen Zitate meist Verlass ist. »›Hand des neugebornen Knaben, den die Metz’ erwürgt im Graben‹ – wie garstig ist das denn!«
»Alles klar. Ich hab so schon genug Pech«, sagt Leonie. »Reichst du mal die Käseplatte? Bin gerade zu faul zum Aufstehen.« Zu müde, kommentiert Myrna im Stillen; kommt von der Chemo.
Sie essen Oliven und dünne Kräcker aus Pekannüssen, dazu eine neue Sorte Käse – hellorange und richtig lecker –, den Leonie bei Nancy’s Cheese Shop entdeckt hat. Nancy ist immer zuverlässig, finden sie. Wenn man sagt: »Nicht zu mild, aber auch nicht zu stinkig«, dann weiß sie, was man meint. Könnte man doch nur nach diesem Motto seine Bekanntschaften vorsortieren, denkt Myrna.
Von oben macht es plumps. »Diese verfluchten Eichhörnchen«, sagt Leonie. Ein uralter Apfelbaum vom Nachbargrundstück überschattet ihren Garten. Hin und wieder fällt ein kleiner, grüner, harter, pockennarbiger Apfel herunter – vorsätzlich abgeworfen von heimtückischen Eichhörnchen, behauptet Leonie – und prallt vom roten Sonnenschirm ab, den Leonie trotz mangelnder Sonne aufgespannt hat. Der Schirm sei reine Apfelabwehr, sagt sie. Myrna hat gefragt, warum sie nicht einfach die Äste absäge, die in ihren Luftraum eindringen, so wie es ihr gutes Recht sei, aber Leonie meinte, so einfach sei das nicht, und ja, rechtlich gesehen ginge das zwar, aber der Baum sei so alt, dass er voll und ganz krepieren könnte, wenn man diese Äste killte. Und das würde die Nachbarn aufbringen, etwas, das unbedingt vermieden werden müsse, da sie laut und selbstgerecht seien und einen großen, bellfreudigen Hund besäßen.
»Oder der ganze modrige Baum könnte umkippen und auf dich drauffallen, und du könntest voll und ganz krepieren«, sagt Myrna.
»Dafür ist ohnehin gesorgt.« Schon seit einigen Jahren baut Leonie körperlich ab. Manchmal fragt sich Myrna, ein wenig lieblos, warum Leonie nicht langsam zur Sache kommt: Man kann doch nicht ewig vor sich hin sterben, es gibt ein Verfallsdatum: Früher oder später muss man wirklich auch mal gehen. Nicht, dass Myrna Leonie den Tod wünscht – hundertmal das Gegenteil, schließlich wären sie alle aufgeschmissen ohne sie –, doch ihre ständigen Anspielungen auf ihre drohende Sterblichkeit machen Myrna fix und fertig. Nach einer Weile – streng genommen sehr schnell – ist es mit ihrem Mitleid vorbei, und sie wechselt das Thema, und das wirkt kaltherzig.
»Was die Mordmethoden angeht«, sagt sie jetzt. »Wenn nicht Fenster, was dann? Narzissenzwiebeln im Eintopf? Klein geschnitten sehen sie ja wirklich aus wie normale Zwiebeln. Ein aufrichtiger Fehler wäre vorstellbar, wenn jemand nicht so auf Kochen steht.« So wie wir alle nicht mehr, fügt sie im Stillen hinzu. Kochen, das war junge Liebe, gefolgt von Kindern, je nachdem, und dann die mittleren Jahre, wenn das Kochen trotz sporadischen Aufflammens für die eine oder andere Dinnerparty langsam versandet. Essen mitnehmen oder nach Hause bestellen kriegt den Fuß in die Tür: Nudelmaschine und Fonduetopf schwinden und werden zu fernen Erinnerungen. »Das Wichtige ist, plausibel zu sein.«
»Es muss nach einem Unfall aussehen«, sagt Leonie. »Ich trink noch einen Gin Tonic.«
»Von außen muss es nach einem Unfall aussehen, aber denen muss es klar sein!«, sagt Myrna. Leonie sollte eigentlich keinen Alkohol trinken, zumindest nicht so viel. Beeinträchtigt das nicht die Wirkung ihrer Medikamente? Aber der Hinweis darauf ist sinnlos: Leonie würde sagen: »Ach, was soll’s« oder »Der Zug ist abgefahren« oder »Wenn schon Abgang, dann mit Pauken und Trompeten«.
»Wie meinst du das?«, fragt Chrissy. »Sollen wir ihnen anonyme Briefe schreiben oder was?« Sie hat diesen erschrockenen Häschenblick, wie immer, wenn sie verwirrt ist: die großen Augen, der halb geöffnete Rosenblütenmund, der in letzter Zeit mit Lipliner aufgemalt wird, da der ursprüngliche ein wenig eingeschrumpft ist. Myrna weiß, dass Chrissy nicht blöd ist – sie hat mal an der Uni gelehrt, sie alle haben das getan, nicht, dass das ein idiotensicherer Lackmustest für Nichtblödheit wäre –, aber das lebenslange Blondchenspielen hat Opfer gefordert: Goldigsein stellt eine solche Versuchung dar. Nur kurz mit den Häschenwimpern klimpern und einfältig lächeln, und schon lösen sich Straßensperren (Strafzettel für zu schnelles Fahren etwa) auf wie eine Fata Morgana. Eine Versuchung, die uns dunkleren Typen nicht zur Verfügung steht, überlegt Myrna nicht ohne einen Anflug von Groll. Goldigsein erleichtert einem den Weg durch das Gestrüpp des Lebens, wobei es natürlich auch eine Kehrseite gibt: Die Männer halten einen für leichte Beute. Chrissy hat allerhand Annäherungsversuche abwehren müssen, in letzter Zeit allerdings nicht mehr, trotz der mädchenhaften Pastellfarben und klirrenden Armreifen, die sie trägt wie eh und je. Heute ist sie ganz in Lavendel und Aquamarin.