High Society 3 - Sammelband - Ute von Arendt - E-Book

High Society 3 - Sammelband E-Book

Ute von Arendt

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

High Society - Liebe in Adelskreisen Sammelband

Leseglück für viele Stunden zum Sparpreis!

Es wird geliebt, gehasst, gewonnen und verloren. Werfen Sie einen Blick in die aufregende Welt der Reichen und Schönen und erleben Sie spannende Verwicklungen! Denn eins wird es in den feinen Kreisen garantiert nie: langweilig!

Was Frauen lieben und wovon sie heimlich träumen, davon erzählen die Romane in High Society - Liebe in Adelskreisen auf mitreißende Weise. Die perfekte Mischung aus Humor, Romantik, Drama und großen Gefühlen lässt den Alltag schon auf Seite 1 in weite Ferne rücken.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Silvia-Gold 3: Nur in guten Tagen
In Adelskreisen 30: Ein Prinz mit Schwächen
Fürsten-Roman 2430: Du sollst heiraten, Prinzessin Merle

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
Jetzt herunterladen und sofort sparen und lesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 385

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © iStockphoto: freemixer ISBN 978-3-7325-8242-6

Ute Von Arendt, Ursula Freifrau Von Esch, Marion Alexi

High Society 3 - Sammelband

Inhalt

Ute von ArendtSilvia-Gold - Folge 003Abertausende glitzernder Sterne schmücken den Nachthimmel über Malta, als Stefan die schöne Frau zärtlich an sich zieht. Annes Herz vollführt einen Trommelwirbel, und ihre Beine drohen unter ihr nachzugeben. Selbst nach all den Jahren ist Stefan ihr noch so vertraut, als wären sie nie getrennt gewesen, und als sie sich nun in seinem Blick verliert, liest sie die stumme Bitte in seinen Augen: Gib uns eine zweite Chance, mein Herz! Ja, auch Anne wünscht sich nichts sehnlicher, als noch einmal mit Stefan glücklich zu werden! Doch zuvor muss sie ihm etwas gestehen ...Jetzt lesen
Ursula Freifrau von EschIn Adelskreisen - Folge 30Lilo Martens fühlt sich ausgesprochen unwohl, als sie das hochelegante Juweliergeschäft betritt, denn die Preise der Schmuckstücke, die hier ausliegen, verschlagen ihr förmlich den Atem. Doch sie ist ja nicht gekommen, um etwas zu kaufen, sondern um ihre Perlenkette neu knüpfen zu lassen. Noch jemandem verschlägt es an diesem Morgen in dem exklusiven Juweliergeschäft den Atem: Achim Prinz von Steinbrücken. Eine solche Schönheit wie diese junge Frau ist ihm noch nie begegnet - mit so wundervollem blondem Haar und diesen strahlend blauen Augen, fast wie eine Märchenfee in der rauen Wirklichkeit. Aber genauso feengleich entschwindet die Unbekannte auch wieder, und Prinz Achim beginnt mit der aufregenden und überraschungsreichen Suche...Jetzt lesen
Marion AlexiFürsten-Roman - Folge 2430Als Friederike, Sophie und Carl einen Mann für ihre Tante suchten. Merle von Hohensinner ist in Adelskreisen nicht gern gesehen. Denn die bildhübsche Prinzessin ist ein international gefragtes Top-Model - und so ein Job ist schließlich völlig unpassend für jemanden von ihrem Stand! Einzig ihre Halbschwester, Baronin Regine, steht fest zu Merle, und auch deren drei Kinder lieben die attraktive Prinzessin über alles. Und weil die drei am liebsten immer mit Merle zusammen sein wollen, sind sie der Meinung, ihre Tante brauche endlich einen Mann. Denn dann würde sie das Herumreisen bestimmt aufgeben. Einen passenden Kandidaten haben die Kinder auch schon gefunden: Bendix Fürst von Zierow. Also setzen die drei Schlingel alles daran, Merle und Bendix zusammenzubringen...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Nur in guten Tagen

Vorschau

Nur in guten Tagen

Roman um Herzen im zweiten Frühling

Von Ute von Arendt

Abertausende glitzernder Sterne schmücken den Nachthimmel über Malta, als Stefan die schöne Frau zärtlich an sich zieht. Annes Herz vollführt einen Trommelwirbel, und ihre Beine drohen unter ihr nachzugeben. Selbst nach all den Jahren ist Stefan ihr noch so vertraut, als wären sie nie getrennt gewesen, und als sie sich nun in seinem Blick verliert, liest sie die stumme Bitte in seinen Augen: Gib uns eine zweite Chance, mein Herz!

Ja, auch Anne wünscht sich nichts sehnlicher, als noch einmal mit Stefan glücklich zu werden! Doch zuvor muss sie ihm etwas gestehen …

»Oma, guck mal, was ich für dich gemacht hab!« Das kleine Mädchen mit den blonden Rattenschwänzchen hielt der Großmutter ein bunt bemaltes Blatt unter die Nase.

Anne Heitmann kehrte von ihrem Gedankenausflug zurück, nahm das Blatt und betrachtete es aufmerksam.

»Das ist aber wirklich schön, Lisa-Maus! Was ist das denn?«

»Ein Haus, eine Sonne und ein Hund«, kam es fast entrüstet, als wollte die Dreijährige sagen: Das kann man doch wohl erkennen.

»Ach ja, jetzt sehe ich es auch«, stimmte Anne lächelnd zu. Wenn Lisa sie so mit vor Eifer roten Wangen anschaute, fühlte sie sich gleich besser und vergaß für kurze Zeit ihre Probleme. »Das hast du wirklich schön gemacht, Mäuschen.« Sie nickte bekräftigend und hauchte einen Kuss auf die kleine Stirn. »Das zeigen wir nachher der Mama. Aber jetzt sollten wir noch ein bisschen nach draußen gehen, die Sonne scheint genauso schön wie auf deinem Bild.«

Wenig später machten sich Großmutter und Enkelkind Hand in Hand auf den Weg zum nahen Spielplatz. Lisa steuerte gleich den Sandkasten an und packte die mitgebrachten Förmchen aus. Wenig später war sie ganz in ihr Spiel vertieft.

Anne, die sich auf eine freie Bank gesetzt hatte, sah ihrem Enkelkind gedankenverloren zu. Da ihre Tochter Marie seit einem Jahr eine Weiterbildung zu Personalsachbearbeiterin machte, um wieder in den Beruf einzusteigen, hatte sie die Aufgabe übernommen, halbtags auf Lisa aufzupassen. Das machte ihr nicht nur Freude, sondern lenkte sie, wenigstens zeitweise, von ihren Grübeleien ab.

Seit die Kindermodenfirma, deren Filiale in dieser Stadt sie geleitet hatte, vor drei Jahren in Konkurs gegangen war, hatte sich ihr Leben sehr verändert. Hatte Anne anfangs noch gehofft, bald wieder eine entsprechende Anstellung zu finden, so gab sie sich jetzt keinen Illusionen mehr hin. Wahrscheinlich war sie mit ihren dreiundvierzig Jahren schon zu alt – oder vielleicht auch zu teuer?

Natürlich hätte sie versuchen können, in einer größeren Stadt eine Stelle zu finden, aber sie wollte nicht weg von ihrer Familie, die nach dem frühen Tod ihres Mannes aus Tochter Marie, Schwiegersohn Bernd Steiger und Enkelkind Lisa bestand. Außerdem gab ihr die Einliegerwohnung im Haus ihrer Tochter ein Gefühl der Zugehörigkeit und Geborgenheit.

Gelegentlich machte sie Urlaubs- oder Krankheitsvertretung als Verkäuferin in einer Damenmodenboutique, aber das war natürlich keine Perspektive für die Zukunft. Und wenn Marie erst einen Hortplatz für Lisa gefunden hatte, fiel diese Aufgabe auch weg.

»Einen Penny für deine Gedanken!« Zwei Hände legten sich auf Annes Schultern.

Als sie sich umsah, blickte sie geradewegs in das lächelnde Gesicht ihrer langjährigen Freundin Beate Schumann, einer rundlichen, stets vergnügten Frau, die mit ihrem Leben als Zahnarztgattin und Mutter dreier fast erwachsener Kinder vollauf zufrieden war.

»Darf man Platz nehmen?«

»Natürlich! Setz dich! Woher wusstest du, dass ich hier bin?«

»Reine Intuition!« Beate lachte. »Aber du siehst nicht gerade strahlend aus.«

»Ich hab auch keinen Grund dazu!« Anne sah die Freundin bekümmert an. »Heute Morgen war wieder eine Absage im Briefkasten. Ich habe fast keine Lust mehr, mich noch irgendwo zu bewerben.« Sie seufzte mutlos.

»Ach was! Du hast so erfolgreich die Filiale von Pepino-Moden geleitet, da wird sich doch bald etwas Ähnliches finden lassen. Du musst nur fest dran glauben und nicht aufgeben.« Sie legte der Freundin den Arm um die Schulter, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Und jetzt habe ich einen Vorschlag für dich, damit du mal auf andere Gedanken kommst. Sag nicht gleich, das geht nicht! Flieg mit mir nach Malta!«

Anne sah die Freundin verblüfft an. »Ich denke, da wolltest du mit deinem Mann hin.«

»Ja, aber Karls Urlaubsvertretung ist krank geworden, und so schnell findet er niemanden, sagt er. Er hat selbst vorgeschlagen, dass du mit mir fliegst.« Beates freundliches Gesicht strahlte vor Eifer. »Überleg mal, wir zwei auf historischem Boden! Was es auf Malta alles zu sehen gibt!« Überredend fuhr sie fort: »Wenn du nicht mitfährst, muss ich die Reise absagen. Und ich habe mich so darauf gefreut!«

»Aber ihr fliegt doch schon nächste Woche. Was mache ich denn da mit Lisa? Maries Lehrgang dauert noch drei Wochen.«

»Das Problem habe ich auch schon gelöst!«, triumphierte Beate. »Katie ist mit ihren Abiturprüfungen fertig. Sie würde sich gerne um dein Enkelkind kümmern …«

»So schnell kann ich mich nicht entscheiden. Ich muss das erst mit Marie besprechen. Sie muss schließlich einverstanden sein, dass Katie Lisa betreut. Weißt du, was? Ich rufe dich heute Abend an und sag dir Bescheid. Und jetzt müssen wir leider zurück!« Sie erhob sich und winkte Lisa zu kommen. »Ich muss noch etwas fürs Mittagessen vorbereiten.«

Während Anne, Lisa an der Hand, in die entgegengesetzte Richtung strebte, sah Beate der Freundin nachdenklich nach. Dass eine so gutaussehende, gescheite Frau keine neue Stelle fand, war wirklich ein Jammer. Mit ihrer schlanken Figur, den modisch kurz geschnittenen Haaren und dem stets dezent geschminkten Gesicht sah Anne keinen Tag älter als fünfunddreißig aus. Der frühe Unfalltod ihres Mannes hatte dazu geführt, dass sie Marie allein hatte großziehen müssen. Dass die Freundin in all den Jahren aber keinen neuen Lebenspartner gesucht hatte, hatte einen Grund, den nur Beate kannte. Und bei ihr war dieses Geheimnis gut verwahrt …

***

Während Lisa ihren Mittagsschlaf machte, saßen Anne und ihre Tochter wie gewöhnlich noch bei einer Tasse Kaffee zusammen.

»Heute habe ich auf dem Spielplatz Beate getroffen«, begann Anne etwas zögernd, während sie nach einem Keks griff. »Sie hat mir vorgeschlagen, nächste Woche mit ihr nach Malta zu fliegen, ihr Mann findet keine Urlaubsvertretung. Ihre Tochter Katie würde auf Lisa aufpassen«, fügte sie schnell hinzu. »Ich habe aber noch nicht zugesagt.«

»Aber du möchtest gerne, das sehe ich dir an!« Marie lächelte, beugte sich vor und ergriff die Hand ihrer Mutter. »Weißt du was? Ich finde, das ist eine tolle Idee! Dann kommst du endlich mal wieder raus und wirst abgelenkt. Das hast du dringend nötig. Und ich denke, ihr zwei alten Hühner werdet bestimmt viel Spaß haben. Ruf Beate gleich an und sag ihr zu.«

Und das tat Anne auch.

Aber das Schicksal hatte andere Pläne. Drei Tage vor Abflug rief Beates Mann Karl ganz niedergeschlagen an: Er habe seine Frau mit Verdacht auf Blinddarmentzündung ins Krankenhaus bringen müssen.

»So ein Pech auch! Es tut mir wirklich leid, Anne, aber du musst leider allein fahren!«

Anne war sehr enttäuscht. Tatsächlich hatte sie sich auf diese Reise zu freuen begonnen, sogar ein paar neue Kleidungsstücke erstanden. Aber allein verreisen würde sie auf keinen Fall!

Am besten sie fuhr gleich ins Reisebüro und brachte die Absage hinter sich.

Da Bernd bei Lisa bleiben konnte, erbot sich Marie, mit ihrer Mutter dorthin zu fahren. Als sie vor dem Reisebüro aus dem Auto stiegen, deutete Marie auf das Schaufenster.

»Da, sieh mal, Mama, da wärst du in drei Tagen. Bekommst du nicht doch Lust?«

Tatsächlich hing im Schaufenster ein großes Plakat mit der nächtlich angeleuchteten Kathedrale von Malta. Weitere Fotos zeigten historische Bauten, die Hafenanlage mit den bunten Booten, deren Besonderheit die aufgemalten schwarzen Augen waren, Fischer, die ihre Netze flickten, und über allem strahlte die Sonne von einem blauen Himmel.

Anne spürte ein Kribbeln im Bauch. Davon hatte sie bis vor ein paar Tagen geträumt. Und das wollte sie jetzt absagen?

Eine Viertelstunde später hatte die Mitarbeiterin im Reisebüro sie ebenfalls davon überzeugt, dass Alleinreisen überhaupt kein Problem sei.

»Ich bin Single, daher muss ich auch alleine verreisen. Aber bisher habe ich immer nette Leute kennengelernt.«

Vielleicht gab das den Ausschlag. Als Anne sich schließlich erhob, hatte sie das Doppelzimmer in ein Einzelzimmer umgebucht und hielt ihre Reiseunterlagen in den Händen. Und sie spürte mit einem Mal tatsächlich so etwas wie Reisefieber und Vorfreude.

Im Hinausgehen verstaute sie ihre Unterlagen in ihrer Handtasche, während Marie schon zur Tür ging. Im gleichen Augenblick wurde diese von außen aufgerissen, und ein Mann in Tweedblazer und Jeans stürmte herein. Anne, die gerade ihre Handtasche schließen wollte, konnte nicht mehr ausweichen und prallte mit ihm zusammen. Dabei rutschte der Inhalt ihrer Tasche heraus und fiel zu Boden.

»Oh, Verzeihung! Ich war so in Gedanken.« Der Mann blieb stehen und starrte verlegen auf das, was er angerichtet hatte. »Also, das ist mir wirklich sehr peinlich! Warten Sie, ich helfe Ihnen, alles einzusammeln.« Er machte Anstalten, sich zu bücken.

»Nein, nein, das kann ich allein«, wehrte Anne hastig ab, bückte sich ebenfalls, und so blieb es unausweichlich, dass sie mit ihren Köpfen zusammenstießen.

»Au! Sie haben aber einen harten Schädel!«, entfuhr es dem Fremden, während er sich aufrichtete und sich die Stirn rieb.

»Sie auch«, konterte Anne gereizt, um im nächsten Moment, nachdem sie den Mann genauer angeschaut hatte, einen Schritt zurückzuweichen. »Stefan, du!«, stammelte sie mit aufgerissenen Augen und schüttelte ungläubig den Kopf.

Auch über das Gesicht des Mannes breitete sich staunendes Erkennen aus.

»Anne! Anne Hellweg! Also das ist nun wirklich eine Überraschung!« Seine Verlegenheit wich einem Lächeln, das sein kantiges Gesicht erhellte. Spontan kam er auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. »Wie schön, dich mal wiederzusehen! Obwohl ich mir gewünscht hätte, dass das nicht so wehtut!«, fügte er grinsend hinzu und deutete auf seinen Kopf. »Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Das muss doch eine Ewigkeit her sein!«

Anne hatte sich scheinbar wieder gefasst und nickte.

»Ja, das ist wirklich eine Ewigkeit her, Stefan. Mehr als zwanzig Jahre, glaube ich! Ich hätte nie vermutet, dich hier zu treffen. Lebst du nicht im Ausland, in den USA?«

»Nicht mehr ständig, aber doch hin und wieder. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb ich hier so reingestürmt kam«, klärte er sie auf, »die machen hier gleich zu, und ich muss noch schnell einen Flug buchen. Das dauert aber nicht lange!«, fügte er hastig hinzu und etwas drängender: »Warte doch einen Moment, Anne! Wir könnten nachher noch zusammen irgendwo einen Kaffee trinken und über alte Zeiten reden!«

»Das geht leider nicht. Wir werden schon dringend erwartet!« Anne schüttelte entschieden den Kopf und ignorierte den verwunderten Blick ihrer Tochter. Inzwischen hatte sie ihre Unterlagen, die Marie bereits aufgesammelt hatte, in ihre Tasche gesteckt. Während sie nach der Türklinke griff, drehte sie sich noch einmal kurz um. »War schön, dich mal wiedergesehen zu haben, Stefan! Alles Gute weiterhin!«

»Dann gib mir wenigstens deine Telefonnummer, damit wir in Kontakt bleiben können!«, rief der Mann ihr nach. Doch da hatte Anne bereits die Tür hinter sich geschlossen.

Einen Augenblick lang schien er zu überlegen, ob er ihr nacheilen sollte, aber dann besann er sich anders und ging hinüber zum Schalter, um seinen Flug zu buchen.

Seit er erfahren hatte, dass die Leiterkonferenz in dieser Stadt stattfinden würde, hatte er überlegt, ob er nicht versuchen sollte, Anne wiederzusehen. Es gab da ein paar Fragen, die er ihr gerne gestellt hätte. Aber da er wusste, dass sie verheiratet war, schien ihm das doch keine gute Idee zu sein.

Und da lief sie ihm unverhofft über den Weg und verschwand so schnell wieder wie ein Wassertropfen an der Sonne. Fast hatte es so ausgesehen, als liefe sie vor ihm davon! Aber das war sicher nur Einbildung, denn dafür gab es keinen Grund.

Er seufzte. Es hatte eben nicht sollen sein!

***

»Was sollte das denn jetzt?« Marie sah ihre Mutter kopfschüttelnd an. »Ich kann mich nicht erinnern, dass wir so dringend zu Hause erwartet werden. Der Mann schien sich sehr zu freuen, dich wiederzusehen. Du hättest dir ruhig ein paar Minuten Zeit für ihn nehmen können. Wer ist er denn, und wieso hast du ihn so abblitzen lassen?«

»Ich habe ihn doch nicht abblitzen lassen«, verteidigte sich Anne kopfschüttelnd, während sie sich anschnallte. »Es ist nur so, es gibt nichts zu reden über alte Zeiten. Du hast doch gehört, wie lange alles zurückliegt. Stefan Bender war mal ein Kommilitone von mir. Er bekam damals ein Stipendium für eine amerikanische Universität. Dadurch haben wir uns aus den Augen verloren. Ich dachte eigentlich, er wäre immer noch in Amerika.«

»Soso, ein alter Studienkollege«, neckte Marie sie, während sie den Wagen sicher durch den abendlichen Verkehr steuerte. »So, wie du dich eben benommen hast, scheint mir da etwas mehr gewesen zu sein. Gib es ruhig zu, Mama!«

»Jetzt werd nicht albern, Marie!« Annes Stimme klang vielleicht ein bisschen zu schroff. Sie vermied es, ihre Tochter anzusehen, während sie hinzufügte: »Selbst wenn es so wäre, ginge es dich nichts an! Töchter brauchen nicht alles zu wissen.«

***

Tags darauf fuhr Anne ins Krankenhaus, um Beate zu besuchen und sich von ihr zu verabschieden.

Vor der Tür des Krankenzimmers blieb sie zögernd stehen. Wie jedes Mal, wenn sie in einem Krankenhaus war, überkam sie ein Gefühl der Beklemmung. Dieser besondere Geruch nach Desinfektionsmitteln, das Hin- und Hereilen der Ärzte und Krankenschwestern, die ängstlich besorgten Blicke der wartenden Angehörigen, all das erinnerte sie an die Zeit, als ihr Mann nach seinem schweren Unfall hier gelegen hatte und sie hilflos und ohnmächtig hatte zusehen müssen, wie er trotz aller Bemühungen der Ärzte starb.

Anne holte tief Luft, griff nach der Türklinge und betrat nach kurzem Anklopfen das Zimmer.

»Oh, Anne! Du besuchst mich! Das finde ich aber lieb von dir.« Beate richtete sich in ihrem Bett am Fenster auf und lächelte erfreut und überrascht.

»Freu dich nicht zu früh!« Anne machte ein strenges Gesicht, während sie sich einen Stuhl ans Bett zog. »Ich bin nur gekommen, um mit dir zu schimpfen. Erst überredest du mich zu dieser Reise, und dann kneifst du!«

»Tut mir aufrichtig leid, das kannst du dir denken. Aber du bist doch nicht nur gekommen, um mit mir zu schimpfen.« Beate sah die Freundin forschend an. »Irgendetwas liegt dir auf der Seele.«

»Wie gut du mich kennst!« Anne zögerte einen Moment, dann platzte sie heraus: »Ich habe jemanden aus meiner Vergangenheit wiedergesehen: Stefan Bender. Und zwar im Reisebüro!«

»Der Stefan Bender!« Beate riss ungläubig die Augen auf. »Ich dachte, der lebt in Amerika oder sonst wo.«

»Das dachte ich auch. Und er war wohl auch schon wieder auf dem Sprung, einen Flug in einen anderen Winkel der Erde zu buchen.« Anne erzählte haarklein, was im Reisebüro passiert war. »Ich sage dir, Beate, ich war im wahrsten Sinn des Wortes wie vor den Kopf geschlagen!«

»Das kann ich mir lebhaft vorstellen.« Die Freundin griff mitfühlend nach ihrer Hand. »Der Mann hat dir schließlich mal sehr viel bedeutet. Dann so plötzlich vor ihm zu stehen, muss dir einen richtigen Schock versetzt haben.«

»Im ersten Moment natürlich!«, gab Anne zögernd zu und nickte. »Aber ich habe mich schnell fassen können und war dann, glaube ich jedenfalls, ziemlich gelassen. Er bat mich, mit ihm irgendwo einen Kaffee zu trinken, um von alten Zeiten zu reden, und als ich das ablehnte, wollte er meine Telefonnummer. Die hat er auch nicht bekommen.«

»Ganz schön konsequent!«, warf die Freundin staunend ein. »Hast du dir das auch gut überlegt? Vielleicht hättest du ihm eine Chance geben sollen.«

»Warum?« Anne schüttelte ernst den Kopf. »Seit dieser Begegnung weiß ich, dass ich nichts mehr für Stefan empfinde, Beate. All die heimlichen Illusionen, die da irgendwo in meinem Kopf herumschwirrten, haben sich in Luft aufgelöst. Es schmerzt nicht mehr, ihn zu sehen, und es kribbelt auch nicht mehr. Er ist nur noch ein Mann, den ich mal gekannt habe, und mehr nicht. Und darüber bin ich sehr erleichtert, glaub mir! Irgendwie fühle ich mich mit einem Mal frei, verstehst du?«

Beate lächelte. »Ich bin so froh, dass du ihn getroffen hast, Anne. Jetzt kannst du mit diesem Teil deiner Vergangenheit abschließen und nach vorne schauen.«

***

Am Freitag brachten Marie und Lisa Anne zum Flughafen. Bernd wäre auch gern mitgekommen, aber er hatte einen wichtigen Termin.

Anne hatte für die Reise eine hellgraue Hose und eine apricotfarbene Bluse angezogen und trug darüber einen schmal geschnittenen dunkelblauen Kurzblazer. Eine helle Ledertasche gab ihr ein sportlich-schickes Aussehen. Der Kurzhaarschnitt mit den Lichtsträhnchen und das dezente Make-up ließen sie auch heute viel jünger aussehen. Maries liebevoller Blick ruhte kurz auf ihrer Mutter. Es war wirklich eine Schande, dass sie sich so gar nicht für Männer interessierte! Aber vielleicht würde diese Reise die Wende bringen. Ein anderes Land, andere Menschen, andere Männer! Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.

»Dein Flug wird schon angezeigt!« Marie deutete auf die riesige Anzeigentafel im Eingangsbereich des Flughafens, während sie den Trolley mit Koffer und Reisetasche ihrer Mutter vor sich herschob. »Wir müssen zum Schalter der Air Malta.«

Dort reihten sie sich in die Warteschlange ein, die schon ziemlich lang war, da der Schalter noch nicht geöffnet hatte.

»Fiechst du auch mit so einem großen Fuchzeuch, Oma?« Lisa, die das L noch nicht richtig sprechen konnte, wies mit dem Finger auf ein riesiges Foto eines Jumbojets an einer Hallenwand. Dabei hüpfte sie aufgeregt von einem Bein aufs andere.

»Das weiß ich nicht genau«, gab Anne Auskunft, »aber wenn du größer bist, fliegen wir beide mal zusammen in so einem Flugzeug.«

Inzwischen warteten sie schon zehn Minuten.

Lisa, die natürlich nicht hatte stillstehen können, war entlang der Warteschlange auf und ab gehüpft und über irgendetwas gestolpert. Jetzt lag sie auf dem Boden und weinte.

Anne wollte spontan hinlaufen, aber Marie hielt sie am Ärmel zurück. »Lass mich machen, Mama!«, bat sie und eilte nun selbst zu ihrer Tochter hin. Inzwischen hatte sich schon ein Mann aus der Menschenmenge gelöst, zu dem weinenden Kind hinunter gebeugt und versuchte, es aufzuheben.

»Fassen Sie mein Kind nicht an!«, fauchte Marie ihn an, während sie sich selbst bückte, das weinende Mädchen aufhob und an ihre Schulter drückte. »Ist ja gut Lisa-Maus, ist ja gut! Mami ist ja da!«

»Sie sind die Mutter der Kleinen?«

Die überraschte Stimme des freundlichen Helfers ließ sie aufblicken, und zu ihrer Verblüffung erkannte Marie in ihm den Mann aus dem Reisebüro! Na, das war vielleicht ein Zufall!

»Ach, Sie sind das! Ja, das ist Lisa, meine Tochter! Danke, dass Sie ihr helfen wollten«, fügte sie, etwas verlegen wegen ihrer Heftigkeit, hinzu. »Was machen Sie denn hier?«, rutschte es ihr im nächsten Moment heraus.

Der Mann schmunzelte. »Dasselbe wie Sie, ich fliege nach Malta!«

»Oh, das ist ein Irrtum! Ich fliege nicht, sondern meine Mutter. Sie steht dahinten.«

»Ihre Mutter? Ich dachte, Sie seien Schwestern.« Ein verschmitztes Lächeln blitzte kurz in den Augen des Mannes auf, und Marie überrieselte für einen Moment ein seltsames warmes Gefühl, das sie aber schnell wieder abschüttelte. Lisas Weinen war inzwischen in ein leises Wimmern übergegangen.

Während Marie sich umwandte, musste Stefan Bender ein befriedigtes Lächeln unterdrücken. Wer hätte das gedacht! Anne flog auch nach Malta. Wenn das nicht ein Wink des Schicksals war! Er würde ihn auf keinen Fall übersehen.

***

Tatsächlich hatte Anne die kleine Szene verfolgt und zu ihrer Bestürzung Stefan Bender erkannt. Zwangsläufig begegneten sich ihre Blicke. Er hob grüßend die Hand und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Sein Mund formte die Worte: »Nichts passiert!«

Anne spürte ein seltsames Kribbeln in sich aufsteigen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, dass Stefan auch nach Malta flog! Doch im nächsten Augenblick sagte sie sich, dass Malta groß war und es mehr als unwahrscheinlich war, dass sie sich dort über den Weg laufen würden. Sie jedenfalls würde alles tun, damit das nicht passierte.

***

Nachdem sie sich von Tochter und Enkelin verabschiedet und die Gepäck- und Personenkontrolle ohne Beanstandungen passiert hatte, kaufte Anne eine Zeitschrift und setzte sich, da der Flug noch nicht aufgerufen worden war, in einen der Sessel. Unwillkürlich schweifte ihr Blick über die Menge der Wartenden, bis sie Stefan Bender entdeckte, der sich mit jemandem unterhielt. Ob er Urlaub auf Malta machte, oder ob er beruflich dorthin flog? Eigentlich konnte ihr das ja egal sein!

Während Anne noch darüber nachdachte, ließ sich eine ältere Frau mit einem lauten Ächzen neben ihr in den Sitz fallen.

»Jetzt heißt es also warten«, wandte sie sich an Anne. »Darf ich mich vorstellen: Else Maiwald.«

»Anne Heitmann!«

»Wo wohnen Sie denn auf Malta, Frau Heitmann, wenn ich fragen darf?«

»In Sliema im Hotel Eliza!«

»Aber da wohne ich auch!« Else Maiwald rundes Gesicht begann zu strahlen. »Wenn das kein Zufall ist! Sie sind offenbar allein, und ich bin allein. Da können wir uns doch zusammentun. Ich war schon mal auf Malta, aber in einem anderen Hotel. Ich kenne mich gut aus! Glauben Sie mir, ich werde Ihnen alles Sehenswerte zeigen.«

War das die Urlaubsbekanntschaft, die sie erhofft hatte? Anne spürte leise Zweifel.

***

»Das war vielleicht ein Flug!« Else Maiwald erwartete Anne am Fuß der Treppe, über die sie den Flieger verlassen mussten. »Das Pärchen neben mir glaubte wohl, es sei allein zu Haus. Diese Knutscherei! Kein Benehmen haben die jungen Leute heutzutage!«

»Ich kann nicht klagen«, erwiderte Anne lächelnd, während sie sich vom Strom der Fluggäste zum wartenden Bus treiben ließ, der sie ins Flughafengebäude fahren sollte. »Ich habe mich sehr gut unterhalten. Neben mir saß ein Lehrerehepaar mit Enkelkind. Ich habe der Kleinen meinen Fensterplatz überlassen.«

»Also, das hätte ich nicht gemacht!«, entrüstete sich ihre Begleiterin kopfschüttelnd. »Der Platz steht Ihnen doch zu. Sie haben dafür bezahlt!«

Anne verkniff sich eine Erwiderung. Ihr war schon jetzt klar, dass Else Maiwalds Prinzipien nicht unbedingt mit den ihren übereinstimmten.

Sie gehörten zu den Letzten, die durch die Passkontrolle gingen. Als Anne sich umsah, entdeckte sie Stefan Bender nicht weit entfernt an einer der Säulen. Seinen Koffer hatte er schon neben sich stehen. Wartete er etwa auf sie? Sein Blick schien sie fast magisch anzuziehen. Ihr Atem beschleunigte sich. Anne machte unwillkürlich einen Schritt in seine Richtung, doch genau in diesem Moment zog Else Maiwald sie energisch am Ärmel.

»Kommen Sie, wir müssen zu dem anderen Gepäckband und unsere Koffer abholen! Wir sind fast die Letzten!«

Anne Blick kreuzte sich kurz mit dem Stefans. Er schien verärgert, runzelte die Stirn und zuckte schließlich die Schultern, als wollte er sagen: »Na, dann nicht!« Nach kurzem Zögern griff er nach seinem Koffer und ging zum Ausgang.

Ich sollte Else dankbar sein, sagte sich Anne, zugleich erleichtert und enttäuscht. Sie hat mich davon abgehalten, das zu tun, was ich eigentlich nicht tun wollte, Kontakt mit Stefan aufzunehmen. Aber jetzt würde sie leider nie erfahren, was er in diesem Winkel Europas zu suchen gehabt hatte. Neugierig war sie ja doch schon, das gestand sie sich ehrlich ein!

Wenig später verließen Anne und Else Maiwald, ihre Koffer hinter sich herziehend, das Flughafengebäude. Von Stefan war nichts mehr zu sehen, wie Anne nach einem verstohlenen Blick in die Runde erkannte. Die meisten Busse waren auch schon abgefahren. Auf sie wartete ein Kleinbus mit der Aufschrift Hotel Eliza.

Während der Fahrer, ein schnauzbärtiger, dunkelhäutiger Mann, ihre Koffer in den Kofferraum verfrachtete, setzten sich die beiden Frauen im Bus hinter ein älteres Ehepaar.

»Das sind aber nicht viele, die dieses Hotel gebucht haben«, raunte Anne ihrer Nachbarin überrascht zu, während der Fahrer mit quietschenden Reifen den Parkplatz verließ.

»Das Eliza in Sliema ist ja auch ein Stadthotel«, belehrte sie Else Maiwald, »die meisten Touristen wollen lieber in St. Julian’s, Mellieha Bay oder St. Thomas Urlaub machen, weil es da Badestrände gibt. Ich persönlich ziehe die Stadt vor. Strandleben ist nicht unbedingt mein Ding.«

Kaum hatten sie den Flughafen verlassen, fiel Anne sofort der Linksverkehr auf, der auf der Insel üblich war. Sie beschloss, auf keinen Fall einen Mietwagen zu nehmen, das Fahren auf der anderen Straßenseite schien ihr doch zu gewöhnungsbedürftig.

Eine halbe Stunde später hatten sie Sliema erreicht. Anne bemerkte mit leichtem Unbehagen, wie dicht besiedelt diese Stadt war; ein Hochhaus reihte sich an das andere. Im Reiseführer hatte sie schon nachgelesen, dass Malta fünf Mal so dicht besiedelt war wie Deutschland und die Region um die Hauptstadt Valletta zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der ganzen Welt gehörte.

Jetzt begann sie zu verstehen, dass das nicht übertrieben war.

Der Bus hielt schließlich vor einem Hotel, das rechts und links von Wohn- und Geschäftshäusern flankiert wurde. Die dunkle Fassade mit dem Schriftzug Hotel Eliza sah nicht gerade einladend aus.

Doch als Anne wenig später die Hotelhalle betrat, war sie angenehm überrascht. Hier war alles hell und freundlich, und die Wände waren in mediterranen Farben gestrichen. Es gab weiße Ledersitzgruppen und viele Grünpflanzen. Auf niedrigen Messingtischen lagen Zeitschriften und Broschüren. Überall standen dekorative Blumenarrangements. Ein weit geöffneter Durchgang gab den Blick auf einen üppig grünen Garten und eine Poollandschaft frei.

Man sollte nie nach dem ersten Eindruck urteilen, dachte Anne etwas beschämt und dankte Beate im Stillen für die Wahl des Hotels. Sie hatte sich gut beraten lassen.

***

»Tut mir sehr leid, Frau Heitmann, aber wir haben keine Zimmerreservierung für Sie vorliegen.«

»Das kann nicht sein!« Anne schüttelte vehement den Kopf. »Meine Freundin, Beate Schumann, und ich hatten zunächst ein Doppelzimmer gebucht. Als sie dann ins Krankenhaus musste, habe ich im Reisebüro das Doppelzimmer in ein Einzelzimmer umgebucht. Man sagte mir dort, das ginge in Ordnung!«

»Eine Stornierung Schumann habe ich vorliegen«, bestätigte der Manager nach einem schnellen Blick auf seine Reservierungsliste, »aber keine Umbuchung auf ein Einzelzimmer. Tut mir wirklich leid, Frau Heitmann. Ich habe auch kein Zimmer frei. Aber ich versuche gerne, in einem anderen Hotel eines für Sie zu finden«, fügte er mit verbindlichem Lächeln hinzu.

Jetzt mischte sich Else Maiwald energisch ein: »Das kommt überhaupt nicht infrage! Frau Heitmann ist eine gute Bekannte von mir. Wir wollen hier zusammen Urlaub machen. Sie werden doch wohl noch irgendwo ein Zimmer freihaben. Denken Sie mal nach.«

Der Hotelmanager zögerte. »Ich hätte da noch ein Einzelzimmer, aber das liegt unterm Dach. Ich fürchte, es wird Ihren Ansprüchen nicht genügen, Frau Heitmann. Es ist klein, und Sie müssten sich das Bad teilen.«

»Sehen Sie, es geht doch!«, trumpfte Else Maiwald auf. »Natürlich nimmt sie das Zimmer!« Um einem eventuellen Widerspruch von Anne zuvorzukommen, fuhr sie fort: »Vielleicht wird ja bald ein Zimmer frei. Dann könnte sie umziehen, nicht wahr, Herr Direktor?«

»Das kann ich nicht versprechen.« Der Angesprochene zuckte die Schultern. »Aber wenn Ihnen das Zimmer wirklich nicht zusagt, Frau Heitmann, gilt mein Angebot, Ihnen anderswo eines zu besorgen.«

Wenig später hielt auch Anne ihren Zimmerschlüssel in der Hand. Nachdem Else Maiwald sich selbstzufriedener Miene und einem: »Bis nachher! Ich rufe Sie an!«, verabschiedet hatte, folgte sie einem jungen Hotelmitarbeiter, der ihren Koffer trug.

Sie fuhren mit dem Aufzug in den zweiten Stock. Dann ging es einen Flur entlang und über eine Wendeltreppe noch eine Etage höher. Hier befanden sich zwei Türen mit der Aufschrift 78a und 79a und gegenüber eine Tür mit dem Schild Bad.

Anne drückte dem jungen Mann ein Geldstück in die Hand und schloss die Tür von 78a auf. Das Zimmer war wirklich sehr klein, wie sie sofort feststellte, aber sauber und zweckmäßig eingerichtet mit Schrank, Bett und einer winzigen Sitzecke. Als sie jedoch aus dem Fenster schaute, begriff sie, warum der Hotelmanager gezögert hatte, ihr das Zimmer zu geben. Der Ausblick war deprimierend. Geradeaus ging der Blick auf eine Wand und hinunter auf einen winzigen Innenhof, der als Abstellplatz für diverse Geräte diente.

»Na, prima!«, seufzte sie laut, »Und das soll ich mir jetzt zwei Wochen anschauen!«

Einen Augenblick erwog Anne, das Angebot des Hotelmanagers anzunehmen und in ein anderes Hotel zu ziehen. Doch irgendwie gefiel ihr das »Eliza« trotz ihres Zimmers. Außerdem würde sie wohl nicht allzu oft hier oben sein, sie hatte ja vor, viel zu besichtigen und bei schönem Wetter im Garten zu sitzen oder den Pool zu nutzen.

Nachdem sie den Koffer ausgepackt hatte, schaute Anne sich das Bad an. Es war ebenfalls klein, aber auch sehr sauber. Rot-weiß gestreifte Handtücher bildeten einen Farbkontrast zu dem grauen Steinboden und den weißen Fliesen. Die Armaturen waren modern und funktionell. Hier gab es nichts auszusetzen.

Eine Viertelstunde später rief Else Maiwald an, und sie verabredeten sich in der Hotelhalle, um ihre weiteren Pläne zu besprechen.

»Wir trinken erst mal einen Kaffee«, verkündete ihre Reisebekanntschaft, als Anne sich, mit ihrem Reiseführer in der Hand, zu ihr gesellte. »Den brauche ich jetzt unbedingt, sonst krieg ich Kopfschmerzen.« Damit steuerte sie eine der Sitzecken im begrünten Innenhof an. Nachdem der Kellner ihre Bestellung aufgenommen hatte, beugte Else Maiwald sich vor und sah Anne besorgt an. »Und, wie gefällt Ihnen Ihr Zimmer. Sind Sie zufrieden? Ich schau es mir später mal an!«

»Nicht nötig, Frau Maiwald«, wehrte Anne rasch ab. »Da müssten Sie ein paar Treppen zu viel steigen, das Zimmer ist tatsächlich klein«, gab sie nach kurzem Zögern zu. »Aber davon abgesehen ist es wirklich nett und sauber. Ich habe mich schon eingerichtet.« Sie wollte auf keinen Fall, dass ihre kritische Bekanntschaft ihr Zimmer sah und womöglich auf die Idee kam, sich beim Manager wegen der Aussicht zu beschweren.

»Sehen Sie, man muss nur den Mund aufmachen, dann klappt das schon«, stellte ihr Gegenüber mit selbstzufriedener Miene fest. »Das musste ich auch erst lernen, glauben Sie mir …« Else redete und redete.

Anne fühlte sich vom Wortschwall ihrer Reisebekanntschaft wie von einer Dampfwalze überrollt. Ihre Wünsche schienen überhaupt nicht zu zählen. Langsam begann sie zu begreifen, dass sie, wie Else Maiwald es gesagt hatte, lernen musste, ihren Mund aufzumachen und sich zu wehren; in diesem ganz speziellen Fall gegen ihre überaus bestimmende Reisebekanntschaft.

Den Rest des Nachmittags verbrachte Anne mit einem Buch in einem Liegestuhl im üppig grünen Garten. Dass sich so etwas Schönes in diesem Häusermeer versteckte, begeisterte sie, und sie begann zu ahnen, dass sie auf Malta noch manches Überraschende entdecken würde. Else hatte sich entschuldigt; sie müsse ihre Füße hochlegen, der Tag sei doch sehr anstrengend gewesen.

Nach dem Abendessen ging Anne hinüber ins Foyer, setzte sich in eine ruhige Ecke und blätterte in der Informationsmappe des Reisveranstalters, um ein paar interessante Ausflüge zu finden, an denen sie vielleicht teilnehmen konnte. Als sie irgendwann ganz in Gedanken aufschaute, stutzte sie. Ein Mann verschwand gerade in einem der Aufzüge, und einen atemlosen Moment lang glaubte sie, es sei Stefan.

Im nächsten Augenblick schüttelte sie über sich selbst den Kopf; sie litt wohl schon an Halluzinationen! Dass Stefan hier wohnte, war der Gipfel der Unwahrscheinlichkeit. Wenn er in diesem Haus Gast wäre, hätte er am Flughafen in den Bus vom »Eliza« einsteigen müssen, und das hatte er nicht getan! Sie musste aufhören, ständig an ihn zu denken!

In dieser ersten Nacht in ihrem kleinen Hotelzimmer schlief Anne tief und fest. Als sie erwachte, fühlte sie sich frisch und tatendurstig. Noch im Bett beschloss sie, sich heute auf keinen Fall von Else zu etwas zwingen zu lassen, was sie nicht wollte. Sie würde mit ihr nach Valletta fahren, ja, aber sie würde ihre Besichtigungen machen, auch auf die Gefahr hin, dass ihre Reisebegleiterin verärgerte sein würde.

***

Anne zog ihren Bademantel über, nahm ihre Kulturtasche, ging hinüber ins Bad und klopfte kurz an die Tür, bevor sie eintrat. Daran, dass zwei der vier Handtücher verschwunden waren, hatte sie am Vorabend schon bemerkt, dass da noch jemand war, der das Bad benutzen würde, wie man ihr ja auch angekündigt hatte. Aber nichts ließ auf die Person des Mitbenutzers schließen. Sie war gerade fertig, als es an die Tür klopfte. Rasch zog Anne den Gürtel ihres Bademantels fester und öffnete.

Im gleichen Augenblick machte sie einen Schritt rückwärts und schnappte überrascht nach Luft. Entgeistert starrte sie den Mann an, der, nur mit Boxershorts bekleidet, vor ihr stand, ein Handtuch lässig über die Schulter geworfen und eine schwarze Kulturtasche unter den Arm geklemmt. Stefan Bender! Und auch ihm war die Überraschung deutlich anzusehen.

»Anne, du – hier? Das hätte ich nie vermutet!« Er schüttelte ungläubig den Kopf und machte seinerseits einen Schritt zurück. »Was machst du denn hier?«

»Das könnte ich dich auch fragen!«, platzte sie heraus, um im nächsten Moment zusammenhanglos hinzuzufügen: »Also hatte ich doch richtig gesehen!«

»Wie? Was meinst du damit?« Stefans Stimme klang wieder fast normal, während er sie neugierig musterte. Sie sah zum Anbeißen aus in dem weißen Bademantel, und sie roch so verführerisch. Blue night, schoss es ihm durch den Kopf, das Parfüm hatte sie damals schon benutzt! In diesem Punkt war sie sich also treu geblieben! Welche Überraschungen hielt sie noch für ihn bereit?

»Ich habe gestern Abend einen Mann in den Aufzug steigen sehen und dachte, das wärst du«, sagte Anne in seine Gedankengänge hinein. »Aber dann dachte ich, das kann nicht sein, denn wir Gäste wurden ja vom Hotelbus abgeholt, und du warst eindeutig nicht dabei.« Während sie auf seine Antwort wartete, musterte sie ihn ihrerseits verstohlen.

Ein paar graue Haare durchzogen das dunkle Brusthaar, aber sonst sah er eigentlich noch ganz passabel aus für seine, wenn sie richtig rechnete, achtundvierzig Jahre. Passabel! Das war untertrieben! Er war eindeutig ein gut aussehender Mann in den besten Jahren, und er trug keinen Ehering, was sie aus dem Augenwinkel zu sehen glaubte; aber das mochte nichts heißen.

»Ich bin ja auch kein Gast im eigentlichen Sinne«, klärte Stefan Bender sie auf. »Ich wohne hier längerfristig. Die kleinen Zimmer auf dieser Etage werden an Geschäftsreisende und an Leute wie mich, ich bin Lehrer an einer Sprachenschule, vermietet. Übrigens bin ich mit meinem Wagen vom Flughafen hierhergefahren. Und jetzt sag mir endlich, wie kommst du hier rauf? Du machst doch hier Urlaub, wenn ich das richtig verstanden habe.«

Anne nickte bestätigend und erklärte die Umstände, die zu ihrer Einquartierung geführt hatten.

»Ich kann nicht sagen, dass ich von meinem Zimmer begeistert bin, aber es wird schon gehen.«

»Na, das kann ja noch lustig werden!« Ihr Gegenüber schien das Absurde der Situation langsam zu begreifen und fing an, zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd. »Erst läufst du mir davon, und ich fürchte schon, ich sehe dich nie wieder. Dann haben wir beide dasselbe Reiseziel, und nun wohnen wir auch noch sozusagen Tür an Tür. Das sind ein paar Zufälle zu viel. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt!«

Und ich erst!, dachte Anne; wenn du wüsstest!

Plötzlich warf Stefan einen Blick auf seine Armbanduhr und zuckte zusammen.

»Oh, ich muss mich fertigmachen! Ich habe um zehn Uhr eine Konferenz in der Schule. Wir können ja beim Frühstück noch weiterreden.«

»Da bin ich schon mit Else verabredet.« Anne schüttelte bedauernd den Kopf.

»Ist Else die Frau, mit der ich dich am Flughafen gesehen habe? Seid ihr Freundinnen?«

»Nein, ich habe sie unterwegs kennengelernt«, klärte Anne ihn auf. »Da wir beide allein reisen, hat sie beschlossen, dass wir uns zusammentun sollen.«

»Lass dich bloß nicht ganz vereinnahmen!« Stefan hob amüsiert den Zeigefinger. »Manche Leute sind wie Kletten! Weißt du, ich würde ja gerne heute Fremdenführer spielen, aber ich habe den ganzen Tag Konferenzen, weil ein neues Semester beginnt. Doch ich habe da eine Idee! Es gibt hier eine kleine Dachterrasse, die nur wenigen bekannt ist. Ich hole dich heute Abend um halb neun hier am Zimmer ab. Dann trinken wir, ohne Else, ein Glas Wein auf unser Wiedersehen und reden von alten Zeiten. Einverstanden?«

»Einverstanden! Ich freue mich!«, hörte Anne sich sagen. »Und jetzt beeil dich, sonst hinterlässt du gleich am ersten Tag einen schlechten Eindruck!«

In ihrem Zimmer ließ sie sich erst mal mit einem abgrundtiefen Seufzer auf ihr Bett plumpsen und atmete einige Male tief durch.

Was für eine seltsame, verrückte Situation!, dachte sie, während sie sich mit beiden Händen durch das Haar fuhr.

Was hatte das Schicksal mit ihnen vor, nachdem es sie, nach all den Jahren, wieder zueinander geführt hatte? Und stimmte es wirklich, was sie zu Beate gesagt hatte, dass sie keine tieferen Gefühle mehr für Stefan empfand? Ja, dachte sie, das war wohl so …

Was sie jetzt fühlte, waren keine Schmetterlinge im Bauch, aber Neugier und gespannte Erwartung, was sich aus dieser Situation noch ergeben würde. Und bei diesem Gedanken verspürte sie ein starkes Unbehagen, denn es gab etwas, was sie Stefan eigentlich sagen müsste. Ob das überhaupt Sinn machte und ob sie es wirklich tun würde, das hing sehr davon ab, wie sich alles weiterentwickeln würde.

***

Else Maiwald erwartete sie schon am Frühstückstisch. Sie hatte Regenjacke und Schirm neben sich auf den Stuhl gelegt. Als Anne lachend auf das schöne Wetter hinwies, bekam sie kategorisch zur Antwort: »Das kann sich schnell ändern! Ich gehe immer auf Nummer sicher! Du solltest auch einen Schirm mitnehmen!«

Doch das lehnte Anne entschieden ab, was ihr ein verkniffenes Lächeln von Else eintrug, so, als wollte sie sagen: Du wirst schon sehen, was du davon hast, wenn du nicht auf mich hörst.

Nach dem ausgezeichneten Frühstücksbuffet verließen sie das Hotel, um zum Hafen von Sliema zu gehen, von wo aus sie mit der Fähre nach Valletta übersetzen wollten. Else kannte den Weg und wusste auch, wann die Boote abfuhren. Gegenüber der lang gestreckten Mole gab es jede Menge große und kleine Geschäfte, Bistros und Banken.

Anne entdeckte neben einem Schuhgeschäft eine Damenboutique mit dem kühnen Schriftzug Evas Lady Fashion. Im geschmackvoll dekorierten Schaufenster waren sportlich-feminine Blusen, Röcke, Jeanshosen und dazu passendes Zubehör wie Tücher und Gürtel ausgestellt.

»Schicke Sachen!«, sagte Anne bewundernd, während sie stehen blieb, um die Preise zu studieren. »Die blaue Streifenbluse könnte mir gefallen. Die würde gut zu meiner weißen Hose passen! Die würde ich gerne mal anprobieren. Komm, wir gehen rein!«

»So ein Unsinn!«, ließ sich Else neben ihr missbilligend vernehmen. »Die Sachen sind doch viel zu jugendlich! Und überhaupt, halte dein Geld zusammen, der Urlaub hat doch gerade erst angefangen! Warum willst du jetzt schon Geld ausgeben? Ach, da kommt ja unsere Fähre!«

Bevor Anne noch reagieren konnte, hatte Else sie resolut am Arm gepackt und zog sie mit zum Anleger. Nachdem sie auf dem Sonnendeck der Fähre Platz genommen hatte, konzentrierte sich Anne ganz bewusst auf den einzigartigen Blick, den man von hier aus auf die historischen Festungsmauern von Valletta hatte, die immer näher kamen und jetzt, im Sonnenschein, ein imposantes Bild boten.

Doch unterschwellig brodelte es in ihr und schließlich konnte sie ihren Ärger über Elses Verhalten nicht mehr zurückhalten. Wenn sie jetzt nicht ihren Standpunkt vertrat, würde es irgendwann zum Streit kommen.

»Ich finde es nicht gut, wie du mich bevormundest, Else«, begann sie, nach Worten suchend, die ihre Begleiterin nicht zu sehr verletzten. »Das kann ich nicht ertragen. Ich bin kein kleines Kind mehr, und ich lasse mir nicht gerne Vorschriften machen. Ich hätte mich wirklich gern mal in diesem Laden umgesehen und diese Bluse anprobiert!«

»Entschuldige, wenn ich dir irgendwie auf die Füße getreten bin!« Else sah sie verständnislos an; sie schien sich keiner Schuld bewusst. »Ich wollte dich doch nur von einer übereilten Geldausgabe abhalten.«

»Das mag gut von dir gemeint sein! Aber lass mich meine eigenen Entscheidungen treffen!«, erklärte Anne mit erhobener Stimme. Mit innerer Befriedigung bemerkte sie, wie ihre Begleiterin die Unterlippe vorschob und den Kopf abwandte; anscheinend war sie doch ein bisschen eingeschnappt. Vielleicht nahm sie sich die kleine Standpauke zu Herzen.

Leider war dem nicht so. Kaum hatten sie den Weg bergauf zur Innenstadt genommen, verkündete Else schnaufend: »Ich brauche jetzt erst mal einen Kaffee! Das Café Rheingold liegt ganz hier in der Nähe. Danach überlegen wir, was wir machen wollen.«

Du kannst ja überlegen! Ich weiß schon, was ich will, dachte Anne entschlossen. Nach einer Tasse Kaffee erhob sie sich und erklärte, dass sie jetzt auf Besichtigungstour gehen wolle.

»Also, weißt du, Anne, ich kenne das ja alles schon«, sagte Else. »Ich bleib noch ein Weilchen hier sitzen! Wir können uns ja in zwei Stunden an der Fähre treffen. Weißt du, meine Füße machen das viele Laufen nicht mehr so mit!«

Diese Behauptung sollte Anne in den nächsten Tagen noch einige Male hören, aber sie glaubte nicht so recht daran. Else war einfach ein bisschen bequem.

Die nächsten zwei Stunden verbrachte sie mit diversen Besichtigungen, wobei ihr der Reiseführer sehr hilfreich war. Unter anderem erfuhr sie, dass die vielen seltsamen Orts- und Straßennamen, die so eigenartig geschrieben wurden und kaum auszusprechen waren, auf »Malti« zurückzuführen waren, die einheimische Sprache semitisch-arabischen Ursprungs.

Aber mit Englisch, der zweiten Amtssprache, die sie aus Schultagen kannte, kam sie trotzdem überall sehr gut zurecht. Nach dem Besuch der St. John’s Cathedral, in der sie eine halbstündige Führung in englischer Sprache mitmachte, machte Anne sich wieder auf den Weg zur Fähre. Unterwegs kaufte sie an einem Kiosk eine Postkarte mit der Hafenansicht und eine Briefmarke dazu. Schließlich hatte sie Beate eine Ansichtskarte versprochen.

Der Text lautete: Liebe Beate. Herzliche Urlaubsgrüße. Malta ist eine geschichtsträchtige Insel, die es zu erkunden lohnt. Schade, dass wir das nicht zusammen tun können! Übrigens: Meine Bekanntschaft aus dem Reisebüro wohnt auch hier im Hotel. Glaubst du an Zufälle? Bis bald, Anne!

Als sie die Karte in den knallroten Briefkasten warf, musste Anne lächeln. Jetzt hatte sie der Freundin einiges zum Nachdenken gegeben!

***

Nach dem Abendessen schlug Else vor, eine Partie Canasta zu spielen. Doch diesmal war es Anne, die Müdigkeit vorschob. In ihrem Zimmer zog sie eine sandfarbene Marlenehose an und darüber eine ärmellose rote Rüschenbluse, die sie sich für den Urlaub gekauft hatte. Marie hatte amüsiert behauptet, darin sehe sie verführerisch aus. Nachdem sie noch ihr Make-up überprüft hatte, wartete sie darauf, dass es halb neun wurde.

Mit leiser Spannung und einem gewissen Kribbeln im Bauch fragte sich Anne, was dieser Abend ihr noch bringen würde.

Punkt halb neun klopfte Stefan an ihre Zimmertür. Er hatte eine Flasche Sekt dabei und zwei Gläser und bedeutete ihr mit verschmitztem Lächeln, ihm zu folgen.

Durch eine Tür am Ende des Flures, die bisher abgeschlossen gewesen war, gelangten sie auf einen kleinen Dachgarten.

Bequeme Gartenstühle mit bunten Auflagen umstanden einen niedrigen Tisch, auf dem eine dicke Kerze in einem Windlicht ihren flackernden Schein in die beginnende Dämmerung warf. Einige blühende Oleanderbüsche in Terrakottakübeln verbreiteten einen süßen Duft.

»Das ist ja zauberhaft, ein richtiges Paradies!« Anne sah sich überrascht um. Von hier oben hatte man einen fantastischen Blick über das erleuchtete Häusermeer Sliemas bis hinunter zum Hafen. »Und hierher kommt sonst niemand? Das nutzt du ganz allein?«, staunte sie.

Stefan nickte lächelnd. »Dieser kleine Dachgarten ist im Mietpreis enthalten, was mir das Wohnen hier natürlich sehr angenehm macht. Allerdings hat auch der potenzielle Mieter deines Zimmers einen Schlüssel. Komm setzen wir uns doch!« Er berührte sie leicht am Arm.

Während Anne sich in das weiche Polster des Gartenstuhls sinken ließ, öffnete Stefan die Flasche und goss die perlende Flüssigkeit in die bereitstehenden Gläser. Anne sah ihm dabei zu, und ein seltsames Gefühl stieg in ihr auf. Der Mann, der da vor ihr stand, war, was sein Leben in den vergangenen zwanzig Jahren betraf, ein Fremder für sie. Aber in seinem Reden, in seinen Gesten und seiner ganzen Art war er ihr doch auch wieder seltsam vertraut.

Sei bloß vorsichtig, ermahnte sie sich im nächsten Moment. Du könntest eine böse Überraschung erleben, du weißt ja gar nichts über ihn; vielleicht ist er verheiratet und hat Familie.

»Auf unser unerwartetes Wiedersehen!« Stefan reichte ihr lächelnd ein Glas, und sie stießen miteinander an. »Glaubst du an Schicksal?«, fragte er schließlich mit hochgezogenen Brauen, während er sich in den Stuhl ihr gegenüber fallen ließ. »Ich bisher, ehrlich gesagt, nicht. Aber langsam kommen mir Zweifel. Dass wir uns so oft über den Weg gelaufen sind, kann doch kein Zufall mehr sein!«