Hilfe, ich habe ein Schiff - Walter Heim - E-Book

Hilfe, ich habe ein Schiff E-Book

Walter Heim

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Beschreibung

Hilfe, ich habe ein Schiff! Ein Buchtitel und ein Notuf, der irritieren kann. Was soll daran problematisch sein, wenn man sich ein schönes Schiff zulegt? Ich versichere Ihnen, was auf der einen Seite ein Traum ist, kann auf der anderen Seite schnell zum Albtraum werden. Nachdem ich mich entschlossen hatte, mir ein Schiff zu kaufen und auch zu verchartern, lernte ich die Natur des Menschen und das Chartergeschäft von einer ganz neuen Seite kennen. Und davon handelt dieses Buch.

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Hilfe, ich habe ein Schiff!

Ein Buchtitel und Notruf, der irritieren kann. Was soll daran problematisch sein, wenn man sich ein schönes Schiff zulegt? Ich versichere Ihnen, was auf der einen Seite ein Traum ist, kann auf der anderen Seite schnell zum Albtraum werden. Nachdem ich mich entschlossen hatte, mir ein Schiff zu kaufen und auch zu verchartern, lernte ich die Natur des Menschen und das Chartergeschäft von einer ganz neuen Seite kennen.

Und davon handelt dieses Buch.

Inhalt

Vorwort

Mein Traumschiff

Die Kompassmörder

Tücken der Bordelektronik

Motorsegler mit Außenborder

Die Beerenburger Liebhaber

Wie man ein Großsegel killt

Die Familiencrew

Der erste Unfall

Ab durch die Bodden

Getriebeschaden

Der Meisterangler

Klappmast oder nicht

Wie betankt man ein Schiff?

Der Herr des Ufers

Erste Hilfe an Bord

Wenn Holzschuhe vom Himmel fallen

Gefahren am Steg

Der Hafentörn

Ein Berufskapitän

Ein mysteriöser Mieter

Die versenkte Ankerkette

Immer Ärger für Harry

Der Delfzijler Fabrikbrand

Gefangen im Nebel

Die Hochzeitsreise

In Seenot

Ein trügerischer Baumstamm

Das verflixte Echolot

Die Putzfanatiker

Alles Nervensache

Ein Ausbildungstörn

Sinterclaas

Ein Eisbärentörn

Klabautermann an Bord

Der Mast muss ab!

Von Binnen zu Bodden

Ein Berlintörn

Einmal Schwerin und zurück

Ein Schleusentörn

Was, Sie chartern immer noch?

Glossar

Über den Autor

Lageplan östl. Ijsselmeer

Fragen an den Autor

VORWORT

Auf dem Markt der maritimen Literatur finden interessierte Leser bereits zahlreiche Bücher von Autoren und Autorinnen, die ihre Erlebnisse zu Wasser ausführlich und in den schönsten Farben schildern. Es gibt auch etliche Bücher, in denen aus eigener Ansicht beschrieben wird, welche Erfahrungen sie als verantwortlicher Skipper mit Charterbooten und Chartercrews gemacht haben. Das Angebot an Lesestoff geht hier von Abenteuer über Humor und Karikatur bis zur Anweisung, wie man alles besser macht.

Was kann man einer solchen Erfahrungsfülle noch hinzufügen?

Nach vielen Jahren mit eigenem, kleinem Kajütboot und gemieteten Yachten, zahlreichen Mitfahrgelegenheiten und einigen mutigen, eigenverantwortlichen Törns habe ich den Schritt zum eigenen „richtigen“ Schiff gewagt. Das bedeutete für mich den Schritt von einem kleinen sechs Meter „großen“ Kajütsegelboot zu einer komfortablen, zwölf Meter langen Yacht, ausgestattet mit Kombüse, Salon, Bad, zusätzlicher Toilette und zwei Schlafkabinen für insgesamt sieben Personen ohne den Salon als Schlafplatz zu beanspruchen.

Aus Kostengründen habe ich mehr oder weniger freiwillig beschlossen, mein Schiff auch anderen Menschen gegen eine angemessene Gebühr für eine gewisse Zeit zu überlassen. Und so vollzog ich die Wandlung vom Charterer zum Vercharterer.

Dies bot mir die Gelegenheit, die Natur des Menschen und das Chartergeschäft von einer ganz neuen Seite kennenzulernen. Vieles, worüber ich mich früher geärgert hatte, gewann auf einmal eine völlig andere Bedeutung und ich eine neue Perspektive. Ich erwarb die Erfahrungen eines leidgeprüften Bootsverleihers und neue Einblicke in die Psyche einiger Menschen. Stoff genug, um über diese neuen Erfahrungen ein Buch zu schreiben.

Alle hier erzählten Geschichten beruhen auf wahren Begebenheiten. Lediglich die Personennamen und etliche Örtlichkeiten wurden abgeändert, um Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und möglicherweise vergleichbaren Ereignissen zu vermeiden.

Soweit ich hier keine eigenen Erlebnisse berichte, haben mir die Chartergäste die Ereignisse entweder direkt oder meinem Freund Hans von meiner Partneragentur erzählt.

Vorsorglich möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Buch dennoch ein Roman ist. Wer glaubt, er könnte sich in diesem Buch wiedererkennen, ist selber schuld.

MEIN TRAUMSCHIFF

Eigentlich bin ich es nur leid gewesen - das jahrelange Herumfahren mit Schiffen, die nicht mir gehörten und mit Schiffsbesatzungen, die ich oft genug nicht kannte und manchmal auch lieber nicht kennen gelernt hätte.

Jetzt endlich, wo ich mich den „Roaring Fifties“ näherte, wollte ich mein eigenes Schiff haben.

Mit all den Eigenschaften, die ich schon immer bei meinen gecharterten Schiffen vermisst und mit all der Ausstattung, die ich mir oft genug auch auf einem Charterboot gewünscht hatte.

Stahl, Kunststoff oder Holz, diese Frage hatte ich im Verlauf der Jahre für mich schon abschließend geklärt. Aus Stahl sollte mein Schiff sein, gebaut von einer soliden holländischen Werft. Sicherlich hat jeder Yachtbau und jede Werft ihre Vorzüge, aber die grundsolide Verarbeitung im niederländischen Yachtbau entsprach mehr meinen Vorstellungen von einem Schiff. Gemütlich und gediegen sollte die Fahrweise vor allem sein, nicht unbedingt schnell.

Und so begann die erste Phase meiner Suchaktion.

Natürlich hatte ich nach zahlreichen schlaflosen Nächten eine Vorstellung, wie viel ich für solch einen Traum ausgeben wollte. So schien mir von vornherein klar, dass nur ein Gebrauchtboot infrage kommen konnte.

Und nun begann eine nervenaufreibende Odyssee durch halb Europa auf der Suche nach einer mir geeigneten Yacht in einer Preislage, die meinen mehr oder weniger geregelten Einkünften entsprach. Bei meinen Reisen gewann ich den Eindruck, die Welt ist schlecht und die meisten in meiner angedachten Preisklasse liegenden Schiffe noch mehr.

So wurde mir einmal ein „vollständig neu überholtes“ Stahlschiff von gut neun Metern angeboten. Das Schiff war im Garten des Besitzers sorgfältig aufgebockt. Von außen war nicht der geringste Makel zu erkennen. Neugierig kletterte ich auf das Schiff, um den Innenraum zu besichtigen. Kaum steckte ich die Nase in den Niedergang, verschlug der Anblick mir den Atem. Die gesamte Inneneinrichtung roch zwar frisch lackiert, bestand aber ausschließlich aus grob selbst zusammen gebastelten Kisten und Verschlägen. Die Pantry war ein Campingkocher mit angeschlossener Gaskartusche, die Toilette ein Chemieklo gleich daneben. Nicht nur diese Einrichtung, auch der geforderte Preis von 80.000, --€ erschien mir reichlich anrüchig.

Ein anderes Boot, das ich mir mit meiner Familie angesehen hatte, benötigte nach Auskunft des Eigners zwar noch ein paar Pinselstriche Farbe sollte bei zehn Meter Länge aber dafür nur 75.000, --€ kosten.

Zu Glück lag dieses Boot im Wasser (was bei einem Schiff, das noch gestrichen werden soll, immer verdächtig ist). Obwohl ich ehrlich gesagt damals noch etliche Kilo leichter war als heute und meine Frau auch nicht gerade kräftig gebaut war, neigte sich das Wasserfahrzeug beim Betreten bereits bedenklich auf die Seite. Dieser Zustand verstärkte sich noch, als unsere Tochter sich gedankenverloren neben uns stellte. Den Ausschlag für den Nichtkauf gab unser damals vierjähriger Sohn. Kaum betrat er das Schiff, als er auch schon laut schreiend wieder an Land sprang. Sogar unter seinem Kindergewicht schaukelte sich der Kahn bedenklich zur Seite. Auch die Versicherung des Eigners, dass das Boot bei Lage am Wind dafür umso stabiler sei, konnte mich nicht mehr bewegen, das Schiffsinnere zu besichtigen.

Nach langem Suchen kam ich zu der Erkenntnis, ein Gebrauchtboot in der angestrebten Preisklasse entsprach kaum meinen Vorstellungen.

Nach zahlreichen Besichtigungen ging ich daher zur Phase zwei meiner Suche über. Weitaus bessere Schiffe kosteten auch gleich weitaus besseres Geld. Im geheimen machte ich mich daher in Gedanken mit dem Kauf eines neuen Gefährts vertraut. Noch wusste ich nicht, dass die Preise für neue in Serie gebauten Schiffe sich nur auf die sogenannte „segelfertige Ausführung“ beschränkten. Erfreulich, die Segel waren fast überall im Preis eingeschlossen, ansonsten erinnerten mich die Ausstattungen in fataler Weise an die minimalen unbefriedigenden Charterschiffversionen, die ich schon gefahren hatte. Das sogenannte Sonderzubehör meiner Wünsche ließ die Preise auch für ein sparsam ausgestattetes Serienschiff explosionsartig nach oben schnellen. Und so lernte ich meine nächste Lektion: Wer ein gutes, seetüchtiges Schiff kaufen will, für den darf das Thema Geld eigentlich gar keines sein. Dummerweise war Geld für mich doch eines.

Einmal hatte ich mich mit meinen Charterwünschen zu spät für ein bestimmtes Revier entschieden. Alle Segelyachten in der gewünschten Größe waren bereits vergeben. Auf ein anderes Revier oder auf ein Motorboot ausweichen, war hier die Frage. Man verzeihe mir, ich nahm das Motorboot.

Die Entscheidung, einmal mit einer der bisher so geschmähten „Keksdosen“ zu fahren, blieb nicht ohne Folgen. Wie großzügig war der Salon! Auch bei schlechtem Wetter saß die Mannschaft gemütlich und hoch im Schiff und genoss die Sicht auf das Meer oder die in greifbarer Nähe vorbeifahrende Küste. Kein Sitzen in gedungenen niedrigen Kellerräumen mehr. Ich gestehe, ich war beeindruckt.

Und sogar einen Innensteuerstand hatte diese Yacht. Auch der Rudergänger durfte bei kalter oder nasser Unbill bequem von innen steuern, ohne bei Wind und Wetter sein Brot als gebeugter Salzbuckel zu verdienen, wie es altgediente Seeleute früher auf Fahrtenschiffen noch erleiden mussten..

Ich weiß, alle erfahrenen Fahrtenskipper, denen Wind und Wellen nicht hart genug kommen können, werden jetzt spöttisch auf mich herabsehen. Aber wie gesagt, ich näherte mich bereits stark den Fünfzigern, und bevorzugte für mich persönlich eine etwas bequemere Fahrensweise.

Folglich sollte mein Boot auch so einen Salonkomfort haben. Verständlich, dass ein großzügiger Salon nicht mein einziger Wunsch blieb. Außerdem sollte das Vorschiff nicht nur volle Stehhöhe, sondern auch viel Stauraum vor, hinter und unter den Kojen haben. Und erst das Achterschiff, d.h. der hintere Teil eines Schiffes. Das Stiefkind bei den meisten Charterbooten, die ich kannte. Platz für vier Personen wollte ich hier einrichten, ausreichend Stehhöhe (zumindest für durchschnittlich gewachsene Menschen) und noch mehr Stauraum, Stauraum, Stauraum.

Bei all diesen Überlegungen nahm mein Traumschiff schon bald die Größe eines mittleren Ausflugdampfers an. Natürlich sollte mein Schiff auch noch Segel haben. Traditionsgemäß hatte ich mich inzwischen für ein typisch holländisches Gaffelrigg entschieden. Und ein schönes, langes Bugspriet für ein oder zwei zusätzliche Klüversegel vor der Genua wollte ich auch haben. Mit diesen Segeln konnte ich höher am Wind fahren.

Eingehende Studien zahlreicher Schiffsprospekte, Besuch nahezu ebenso vieler Messen und Verkaufsausstellungen und zahlreiche Anfragen bei den unterschiedlichsten Herstellern führten zu dem Ergebnis: Ein solches Schiff gibt es nicht; folglich suche ich vergeblich. Daher blieb als Alternative nur ein Neubau nach meinen eigenen Vorstellungen.

Mit diesen Überlegungen begann die Phase drei meiner Unternehmung.

Da ich ein eigenes Boot genau so wenig selbst bauen kann wie ein eigenes Auto, verblieb mir nur die Suche nach einer geeigneten Werft.

Nach langem und sorgfältigem Selektieren fand ich schließlich eine Werft, die bereit war, meinen Träumen Gestalt zu verleihen. Sie lag zwar nicht in Holland, sondern in Friesland, aber letzten Endes doch zumindest in den Niederlanden. „Friesland Boating“ war eine der renommiertesten Werften und bekannt für die gute Qualität ihrer Stahlschiffe und deren handwerklich soliden und schönen Ausbau. Der freundliche Werftbesitzer hörte sich geduldig meine Vorstellungen an und sagte mir listig lächelnd zu, einen Entwurf zu zeichnen und mir auch einen Kostenvoranschlag zu machen.

Der Entwurf riss mich fast von den Füßen. Das war wirklich, was ich seit langem suchte und wollte:

Mein Traumschiff!

Der Kostenvoranschlag riss mich ebenfalls von den Füßen. Auch er erwies sich als ein Traum. Leider als der Traum des Werftbesitzers vom schnellen Reichtum.

Damit mein Traumschiff nicht zum Albtraum für mein Bankkonto wurde, ging ich erst einmal neun Monate mit den verschiedensten möglichst preiswerteren Lösungsmodellen schwanger. Die Zwischenzeit war daher ausgefüllt mit umfangreichen Studien von Schiffs- und Ausrüstungskatalogen und ebenso zahlreichen Telefongesprächen mit der Werft.

Der mir vernünftigste Kompromiss zwischen viel Raum unter Deck und Segelfläche über dem Deck schien mir ein Motorsegler mit einer Rumpflänge von gut 11 Metern zu sein.

Da ich aber trotz Motorbootkomfort wirklich segeln wollte, sollte mein Schiff selbstverständlich gute Segeleigenschaften haben und auch ausreichend mit Tuch bestückt sein. Ein Wunsch, der sich mit einem Gaffelrigg tatsächlich leichter verwirklichen ließ als mit einem topgetakelten Boot. Dies liegt an dem oberen Gaffelbaum, der das Gaffelsegel im oberen Bereich deutlich breiter führt als bei einem Spitzsegel.

Ein Gaffelrigg hat jedoch auch seine Nachteile. Wer sich die gaffelgetakelten Boote der Holländer einmal genauer angesehen hat oder gar schon einmal auf einem alten Lastkahn mitgefahren war, wird sich erinnern: Diese Schiffe haben alle große Seitenschwerter zum Stabilisieren der ansonsten sehr flach gebauten Segler. Während topgetakelte Segelschiffe ein mehr oder weniger tief reichendes Kielschwert haben, hat mein Schiff dagegen: Nichts dergleichen. Weder Seitenschwerter noch ein Kielschwert. Erstere wollte ich nicht, da sie mir zu unhandlich sind, und letzteres hätte den Aktionsradius meines Schiffes zu sehr eingeschränkt und viele Reviere nicht befahrbar werden lassen.

Ein in den Niederlanden bekannter Schiffskonstrukteur aus Enkhuizen löste das Problem mit dem richtigen Kiel auf einfache Art. Er verpasste meinem Schiff in der Konstruktion einen durchgehenden Langkiel, der umfangreich mit Bleibarren ausgekleidet wurde. So viel wie erforderlich waren, das Schiff unter Volltuch auch bei stärkerem Wind stabil zu halten.

Bei dem Stichwort „Bleibarren“ erinnere ich mich wieder an die Überführung des in einer Schlosserei in Heeg nach diesen Vorgaben gefertigten Schiffkaskos. Ein Kasko ist ein Schiffsrumpf im baulichen Rohzustand, bei dem wie in unserem Fall noch nicht einmal Fußböden eingebaut waren. Wir durften folglich während der ganzen Fahrt auf Stahlgestänge rumturnen. Wir, das waren zwei Mitarbeiter der Schlosserei, die den Kasko gebaut hatte, mein Freund Thomas und ich. Wegen dem lauten Hämmern des noch ungedämmten Dieselmotors war dies nur mit Ohrstöpsel zu ertragen. Ich konnte nur hoffen, dass die vorgesehene Geräuschdämmung erfolgreich sein würde. Nach der Fahrt über das Heeger Meer, Fluessen Meer und Swarte Walde führte der Weg nach dem etwas im Landesinneren gelegenem Koudum durch einen kleinen Kanal. Hier mussten wir eine niedrige feststehende Brücke passieren.

Der relativ hohe Wasserstand machte eine Durchfahrt jedoch unmöglich. Findig ließen die Schlossereimitarbeiter einen Lkw voll Bleibarren anrollen und beluden den Schiffkasko so lange mit Blei, bis wir glaubten, unter der Brücke durchfahren zu können. Durch den Ballast sank der Schiffrumpf so tief in das Wasser, dass wir beinahe den Schlick im Kanalboden berührten. Zentimeterweise wurde das Boot unter der Brücke durchgeschleust. Nach der Brücke machten wir wieder halt und entluden die Bleibarren. Problemlos konnten wir danach auf dem Kanal weiter fahren bis zur Werft in Koudum, wo der Innenausbau erfolgen sollte.

Auf meine ängstliche Frage, wie ich mit meinem fertigen Schiff hier jemals wieder rauskommen sollte antwortete man mir treuherzig, dies sei kein Problem. Die Brücke würde nächsten Monat ohnehin abgerissen werden.

Die nächste Überraschung kam an unserem Zielort. Die Werft, die den weiteren Ausbau übernommen hatte, zog üblicherweise ihre Boote über einen Slip auf einem motorisch angetriebenen Rollwagen aus dem Wasser bis in die Werfthalle, wo das Schiff mit einem Kran angehoben und aufgebockt wurde. Der dortige Kran war jedoch nicht in der Lage, mein Schiff hoch genug zu heben. Folglich musste erst die Hebeeinrichtung umgebaut werden, um genügend Freiraum unter dem Kasko zu bekommen.

Voller Ungeduld durfte ich sechs Monate warten, bis der Innenausbau fertig erstellt war. Sechs Monate, in denen ich immer wieder nach Koudum gefahren bin, um den Ausbau zu verfolgen. Wie wichtig das war merkte ich, als ich die neu eingebauten Klappbetten im Achterschiff begutachtete. Waren die Betten ausgeklappt, konnte man die Schränke nicht mehr öffnen. Folglich mussten die Schranktüren verkleinert werden.

Immer mehr machte ich vor und während dem Ausbau mit meinen Wünschen die gleiche Erfahrung wie schon viele Möchtegern-Schiffseigner vor mir: Träume bleiben Schäume, wenn sie nicht bezahlbar sind. So blieb mir wieder nichts anderes übrig, als einen Kompromiss zu suchen zwischen dem, was ich gerne gehabt hätte und dem, was ich mir eigentlich doch nicht leisten konnte.

Die Lösung schien ebenso einfach wie genial: Warum sollte nicht auch ich mich einreihen in die Gilde der Yachtbesitzer, die ihr Schiff gegen teures Geld an interessierte Seefahrer verchartern und neben dem eigenen Nutzen so ganz nebenbei sich auch noch ihr Boot finanzieren ließen?

Wie fast alles im Leben beruhte diese Ansicht auf einem Missverständnis, aber das merkte ich erst viel später.

Nachdem mein Traum Gestalt angenommen hatte, widmete ich mich der Phase vier meiner Unternehmung als Besitzer eines komfortablen Motorseglers: Die Suche nach einem geeigneten Charterunternehmen, das geneigt war, meine eigenwillige Konstruktion zu vermitteln und meine Yacht vor Ort zu betreuen. Dieser Punkt war bereits in der Planungsphase für mich recht logisch begründet.

Über welchen Vercharterer hatte ich mich als Charterkunde am meisten geärgert, weil er immer so genau bei der Schiffsabnahme war? Dies war meine Agentur, denn als stolzer Eigner einer Yacht zum Preis einer komfortablen Eigentumswohnung in bester Lage war ich natürlich an einem Vertragspartner interessiert, der mein Eigentum am sorgfältigsten verwaltete.

Nach einigen Verhandlungen mit der einen und anderen Agentur fand ich schließlich eine geeignete Charterfirma in Stavoren am Ijsselmeer und gleichzeitig einen Liegeplatz für mein zukünftiges Schiff. Zwar beanspruchte die Agentur 40% der Chartereinnahmen für ihre Dienste, aber dafür hatte ich auch keine Liegeplatzkosten zu tragen und musste nicht bei jeder Vermietung zur Schiffsübergabe, Einweisung und Rücknahme persönlich vor Ort anwesend sein.

Und damit begann meine Verwandlung vom Yachtbesitzer in einen Yachtvercharterer. Ich dachte bei Ausstattungsfragen nicht mehr an mich als Schiffseigner, sondern nur noch im Interesse meiner erhofften Charterkunden an die vielen Detailausstattungen, die das Leben an Bord angenehmer machen.

An der Ausrüstung sollte nichts fehlen. Alles, was ich in der Vergangenheit als mangelhaft auf gemieteten Schiffen empfunden hatte, wollte ich besser machen. Nach Absprache mit meinem Charterbüro sollte mein Schiff in seiner letzten Planungsphase als Charterboot an Sonderausstattungen alles bekommen, was ich als Kunde vermisst oder mir zumindest in besserer Ausführung gewünscht habe. Dazu zählten hochwertigere Töpfe und Besteck, vielseitige Gläser, mindestens zwei sehr gute Thermoskannen u.v.a. Meine Kunden sollten von Bord gehen mit dem Bewusstsein, eine optimal ausgerüstete und gepflegte Yacht gemietet zu haben. Und natürlich sollten sie auch wiederkommen wollen.

Noch wusste ich nicht, welche Aufgaben ich mir damit gestellt hatte. Ich hatte mich in meinen Überlegungen zwar bereits mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass mein Schiff in den ersten Jahren meiner Bank gehören würde, aber dafür konnte ich das eine oder andere Schmankerl zusätzlich anschaffen.

Die letzte Arbeit vor der Endabnahme war das Takeln. Dazu war mein Schiff ohne mich zu einer Spezialfirma nach Enkhuizen überführt worden. So fieberten wir dem Tag der Übergabe und der Schiffstaufe entgegen. Diese sollte an der Steganlage eines großen Hotels in Galamadammen am Morrasee stattfinden. Nach schier endlos erscheinendem Warten sahen wir sie kommen: Meine „Fryslan“, wie wir die Yacht auf Friesisch taufen wollten. Wie schön sie aussah unter ihrem vollen Segelkleid. Erst kurz vor der Ankunft wurden die Segel geborgen, d.h. runtergenommen. Wie groß war meine Überraschung als ich gesehen habe, wer an Bord war. Lediglich der Takelmeister hatte als Einziger das Schiff überführt, die Segel gesetzt und geborgen. Jetzt tuckerte er ganz entspannt an die Steganlage und ging mit dem Boot längsseits.

Es schien mir unglaublich, aber mein Schiff konnte tatsächlich von nur einem Besatzungsmitglied unter Motor und unter Segel gefahren werden.

Auch bei der folgenden Schiffstaufe bewies meine neue Yacht ihre Qualität. Die von der Schiffspatin Nicky gegen den Bug geworfene Flasche zerbrach, der Bug blieb unbeschädigt. Zur anschließenden Jungfernfahrt durften mit an Bord: Der Takelmeister Herr Groot, Schiffspatin Nicky und ihr Mann Thomas, unsere Freunde Udo und Susan, sowie Wolfgang und Anne. Neben mir meine geliebte Frau Melitta, die alle Unwägbarkeiten auf dem Weg zum eigenen Schiff geduldig mitertragen hatte.

Gedacht war diese Fahrt auch gleichzeitig zur Erprobung und Einweisung auf dem Weg nach Stavoren am Ijsselmeer, wo meine Fryslan ihren Liegeplatz haben sollte. Neun Personen an Bord waren auch gleichzeitig ein guter Belastungstest, wieviel Menschen sich hier aufhalten und mitfahren könnten.

Eine meiner Meinung nach hilfreiche Einrichtung auf einer Yacht war zum Beispiel auch die Installation eines optischen Ruderstandsanzeigers. Wie viele Yachten hatte ich schon gefahren, wo besonders bei Hafenmanövern die Quizfrage gestellt wurde, wie steht das Ruder? Hatte man das durch zahlreiche Versuche endlich herausgefunden, machte man sich mit einem Bändsel oder Tape eine Markung am Steuerrad. Fortan wussten die Steuerleute, wie sie beim Hafenmanöver das Steuerrad zu drehen hatten. Meistens wenigstens. Am Ende des Törns wurde die Markierung brav entfernt und die nächsten Mannschaften durften wieder mit dem beliebten Quiz fortfahren.

Nein, meine Chartergäste sollten eine bequemere Lösung haben und ich natürlich auch. Also wurde solch ein Ruderstandsanzeiger eingebaut. Vorsorglich am Innensteuerstand und auch am Außensteuerstand. Bei der anfänglichen Probefahrt unter Motor war ich begeistert. Die kleinste Abweichung zeigte mir der kleine Helfer sofort treu an. Wenig später kam die Jungfernfahrt unter Segeln. Jetzt sollte sich erweisen, ob die Segeleigenschaften meines Traumschiffes so waren, wie ich sie mir wünschte. Sorgfältig wurde die Spannung der Wanten überprüft, der glatte Lauf der Umlenkrollen, die gesicherten Fallen und dann kam der erhebende Augenblick, wo ich erstmals auf meinem neuen Schiff das Großsegel und die Genua hissen, d.h. hochziehen konnte.

Leider hatte ich für diesen Tag keinen Vertrag mit Windgott Rasmus abgeschlossen und im Eifer der Vorfreude auch das Opfer für ihn vergessen. Prompt nahm er übel und verweigerte mir seine Unterstützung. Bei mehr als mäßigem Wind (das Wort Wind ist schon geschmeichelt) hatte ich Mühe, das Schiff auf einem bestimmten Kurs zu halten. Wie stand eigentlich das Ruder?

Ein Blick auf den Ruderstandsanzeiger ließ mich erstarren. Das Steuer stand offenbar überhaupt nirgendwo. Das neue Instrument hatte seinen Dienst scheinbar schon auf der Jungfernfahrt quittiert. Bei meiner Reklamation in der Werft erklärte man mir treuherzig, dass natürlich erst die Zündung eingeschaltet werden müsse. Zündung? Das hieße also den Motor starten, wenn man sich nicht dem nervenaufreibenden Piepsen der Zündungsanzeige auf Dauer aussetzen wollte.

Ich wollte aber den Motor nicht starten, ich wollte auch auf meiner ersten Fahrt nur segeln können. Zwangsläufig hatten wir an Bord das nervende Piepsen der Zündungsanzeige auf dieser Fahrt unter Segel in Kauf zu nehmen. Ebenso zwangsläufig musste anschließend erst einmal der elektrische Anschluss des Anzeigers umgebaut werden. Ein Mangel, der noch leicht zu beheben war.

Viel schwieriger gestaltete sich die Installation des Kompasses. Ein absolutes Muss auf jedem seegängigen Schiff. Wer schon einmal probiert hat, mit dem Handpeilkompass auf einem Stahlschiff eine Peilung vorzunehmen weiß, wie schwierig es ist, einen Platz zu finden, wo keine Ablenkung durch die Stahlmasse erfolgt. Nicht umsonst findet man auf alten Stahlschiffen hierfür noch die historische Peilscheibe. Aber welcher Skipper von heute kann in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Schiffsführer einer Yacht mit so einem Ding noch umgehen? Folglich strich ich den Einbau einer solchen Peilscheibe aus meiner Planung.

Auch ein mechanischer Magnetkompass schied wegen der Gefahr der Ablenkung aus und ein elektronischer Kompass sollte her. Aber wo installiert man auf einem Stahlschiff den hierzu erforderlichen Fluxgate als Sensor für den Kompass? Fernab von jeder Stahlmasse sollte er einen Platz finden, wo er frei und unbeschwert seine Arbeit verrichten konnte.

Logischerweise bot sich hierfür der Holzmast an. Aber bei einem Gaffelriff ist das nicht so einfach.

Der bequemste Platz schien der Masttop zu sein, direkt unter der Schiffsflagge. Aber jedes Hinund Herschwingen des Schiffes brachte Missweisungen an den Tag. Und Schwanken gehört zu den Grundeigenschaften eines jeden Schiffes auf See. Nach Ansicht der Werft war der geeignetste Platz schließlich am Mast in der Höhe unterhalb des Baumes. Dort tat der Fluxgate als Sensor und infolgedessen auch mein elektronischer Kompass dann sicher und zuverlässig seinen Dienst. Zumindest bis die „Kompassmörder“ an Bord kamen.

DIE KOMPASSMÖRDER

Dies änderte sich im wahrsten Sinne des Wortes schlagartig, als nach den ersten Charterwochen Herr Dr. Siebert mit seiner Mannschaft meine Yacht übernahm. Voller Stolz hatte er verkündet, dass er zusammen mit seiner Mannschaft bereits über 100 Jahre Segelfahrung auf dem Buckel hatte.

Einem solchen Mann kann man getrost sein Schiff anvertrauen, dachte ich. Bis zu jenem Abend, an dem die Mannschaft in den Hafen von Medemblik in Nordholland einlaufen wollte.

Kommt hier ein Schiff aus nordöstlicher Route über das Ijsselmeer, kann die Besatzung die breite Hafeneinfahrt gut einsehen. Sieberts kamen aber aus Richtung Südosten unter Segel angerauscht und hatten so erst einmal die lange Mole zu umrunden. Während sie vermutlich noch von dem Anblick der alten Zwingburg „Kastell Radboud“ direkt an der Hafeneinfahrt angetan waren, kam ihnen gerade hier ein Trawler entgegen, der auf seiner Vorfahrt als Berufsschiff zu pochen schien.

Jetzt kam Panik bei den „Hundertjährigen“ auf. Zum Ausweichen nach Backbord wurde das Fahrwasser zu eng, da sie auf der linken Seite in das Fahrwasser des Containerschiffes geraten wären. Vor dem Trawler durchgehen war nicht mehr möglich. Beide Schiffe näherten sich sehr schnell, ein Zusammenstoß schien unvermeidlich. Hastig riss Sieberts Mannschaft daher in der Einfahrt die Plünnen herunter, um die Geschwindigkeit drastisch zu verringern.

Wer einmal mit einem Schiff gefahren ist, das ein Gaffelrigg hat, der weiß, dass der Gaffelbaum mit zwei Fallen geführt wird. Ein Fall ist an der Gabel am Mast und das zweite an der hinteren Nock. Das sind Zugseile, mit denen ein Segel gesetzt oder auch gerefft werden kann. Dabei wird der gesamte Gaffelbaum hochgezogen oder abgesenkt.

Während Dr. Siebert persönlich am Steuer stand und die Manöver kommandierte, hatte er seinen Schwager Fred und seinen Kollegen Bert an den Mast beordert. Fred, der das Fall zur Gaffelgabel bediente, war offenbar sehr schnell. Ganz anders als Bert an dem rückwärtigen Nockfall. Was dazu führte, dass der Gaffelbaum kopfüber nach unten rauschte und mit den sich überschlagenden Rakreihen den Fluxgate abriss. Diese Rakreihen aus Holzrollen dienen normalerweise dazu, den Gaffelbaum mit dem Großsegel zum Segelsetzen bzw. Reffen leicht am Mast gleiten zu lassen. Neben diesem Kollateralschaden konnte Dr. Siebert zumindest feststellen, dass die Segel dank der Rakreihen in Rekordzeit geborgen waren und das Schiff deutlich langsamer wurde. Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis entschied ich mich, für den Fluxgate einen neuen Platz zu suchen.

Nach zahlreichen Versuchen wegen etwaiger Magnetablenkung bauten wir zwischen die Wanten an der Backbordseite einen kleinen Extramast für den Fluxgate. Hier schien er mir vor Angriffen sicher zu sein.

Dies war er, zumindest bis die Familien Hauk und Melcher das Schiff übernahmen.

Der Nachwuchs der Familien war schon wiederholt auf größeren Segelyachten mitgefahren und durfte daher auch bereits einige Aufgaben an Bord übernehmen. Verena, Ina und Björn hatten sogar ihre eigenen Jollen, mit denen sie mit beachtlichem Erfolg an Jugendregatten teilgenommen hatten. Angefangen hatten Sie mit einem einfachen Optimisten, ein kleines Boot speziell für Kinder mit nur einem gespreizten Segel. Erst vor kurzem waren Sie auf Grund ihrer Erfahrung umgestiegen auf die etwas größere 420er, die bereits mit einem spitzen Großsegel und einer Fock gefahren wurde. Weitaus höherer Geschwindigkeit inklusive.

In Vertrauen auf die Erfahrung seiner Kinder hatte Vater Hauk seine Familiencrew klar eingeteilt. Beim Auslaufen stand er selbst am Steuer, seine Ehegattin achtete auf das Echolot und die anderen Instrumente, Peter Melcher mit seiner Frau Brigitte standen an den beiden Großfallen, während die Kinder an die Fockschoten und Leinen eingeteilt waren. Da alle Verantwortlichkeiten delegiert schienen, hatte Hauk Senior nicht darauf geachtet, dass die Genuaschoten, nachdem sie durch die Umlenkblöcke geschoren waren, mit einem Achtknoten gesichert wurden. Zumindest auf der Backbordseite war dies aus welchen Gründen auch immer vergessen worden.

Bei den ersten Manövern ging alles gut, da kein allzu großer Winddruck auf dem Vorsegel lag. Im Verlauf des Tages nahm der Wind leicht zu. Das Team war schon gut eingespielt und bot für Skipper Hauk keinen Grund, die Besetzung an den Segeln auszutauschen oder gar jetzt nach einigen Stunden Fahrt nochmals zu überprüfen. Bei einer der nächsten Wenden passierte das Unglück jedoch. Die Genuaschot an der Backbordseite glitt erst Björn aus der Hand, dann aus den Blöcken und schlug wie eine Peitsche über die linke Seite des Decks. „In Deckung!“ rief Berthold Hauck noch, aber umsonst. Der Fluxgate wollte oder konnte nicht hören und wurde folglich zur Strafe wieder einmal geköpft.

So blieb mir nichts anderes übrig, als einen neuen und hoffentlich sicheren Platz zu finden.

Diesmal ließ ich zwischen den Wanten ein Holzbrett anbringen, wie die alten Rahsegler ihre Positionslichter montiert hatten. Auf diesem Brett wurde der Fluxgate befestigt und dort steht er noch heute.

TÜCKEN DER BORDELEKTRONIK

Meine Fryslan war gerade die erste Saison im Charter gefahren. Zum Glück für mich war sie nicht so sehr ausgelastet und meine Ehefrau und ich wollten die Gelegenheit für einen privaten Törn nutzen.

Begrüßt wurden wir von Hans aus dem Charterbüro mit der Hiobsbotschaft, dass an Bord keine der zahlreichen Wandleuchten mehr brennen würde. Aber sonst sei alles in Ordnung.

Der letzte Chartergast hatte dies bei der Abgabe des Bootes gemeldet, konnte aber keine Ursache nennen. Alle Bordsicherungen waren eingeschaltet, die neuen Glühlampen würden auch nicht brennen. Nun bin ich ein elektrotechnischer Laie, welcher der Ursache ebenso wenig nachgehen kann wie Hans. Hier musste ein Fachmann her.

Zufällig hatte ich für das folgende Wochenende eine Verabredung mit meinem Freund Thomas, der auch mal gerne einen Wochenendtörn mit mir zusammen machen wollte. Und Thomas -welch ein glücklicher Zufall- war Elektroingenieur. Sollte er doch sein Glück versuchen, bzw. sein Können unter Beweis stellen.

Wie vorgesehen fuhren wir beide eine Woche später Freitagnachmittag zu unserem geplanten Wochenendtörn nach Stavoren. Vorsorglich hatte ich Thomas gewarnt, dass da vermutlich eine kleinere Reparatur am Bordnetz noch zu erledigen sei. Und ebenso vorsorglich hatte er seinen „Notfallwerkzeugkoffer“ für die häufigsten Elektroarbeiten mitgenommen.

Kaum angekommen, kam es wie es kommen musste. Wir liefen nicht wie gewünscht aus, um die Wogen des Ijsselmeeres zu kreuzen, sondern Thomas machte sich über die defekten Wandleuchten her. Nachdem er einige auseinandergenommen hatte, stand für ihn fest, dass die von mir bestellten Leuchten nicht für die starken, eingesetzten Glühlampen des Bootes ausgelegt waren. Die Glühlampen hatten zu hohe Leistungen und entwickelten zu große Hitze. Deshalb waren alle Fassungen verbrannt. Um derartige Schäden zukünftig zu vermeiden, empfahl er mir, alle Wandleuchten mit hitzefesten Keramikfassungen auszustatten.

Gesagt – getan. Thomas ist ein Mann der Tat und beschloss, das Unternehmen Leuchten-Umrüstung bzw. Leuchten-Ertüchtigung sofort in Angriff zu nehmen. Zusammen mit Hans recherchierte er, wo wir für die vorhandenen Leuchten die passenden Keramiksockel bekommen konnten.

Unglücklicherweise war der nächstgelegene Händler, der das passende und benötigte Material auf Lager hatte, in Amsterdam.

Da es zwischenzeitlich spät geworden war verbrachen wir den Abend im Restaurant der Marina, übernachteten wie vorgesehen auf dem Schiff und fuhren am Samstagvormittag nach Amsterdam. Nicht mit dem Schiff, sondern mit dem Auto, damit es schneller ging. Immerhin ca. 150 km, für die wir mit dem Auto knapp zwei Stunden benötigten. Mit dem Schiff hätte es sicherlich mehr Spaß gemacht, aber wir wollten und konnten keine 10 bis 12 Stunden Seefahrt aufbringen.

Amsterdam ist eine wundervolle und sehenswerte Stadt. Aber für eine Besichtigung reichte unsere eingeplante Zeit nicht aus. Ich beschloss, den Besuch von Amsterdam bei Gelegenheit nachzuholen.

Nach unserem Einkauf also so schnell wie möglich zurück nach Stavoren.

Alle Wandleuchten wurden zerlegt und mit Keramikfassungen versehen. Um zukünftigen Überhitzungen vorzubeugen, beschloss Thomas die Leuchtengehäuse im hinteren/oberen Bereich mit größeren Lüftungslöschern zu versehen, um die Luftzirkulation zu verbessern. Nach mühsamem Umbau aller Leuchten kam der große Augenblick der Wahrheit: Unglaublich aber wahr – alle Leuchten brannten und die Erwärmung der Gehäuse war nicht zu hoch.

Jetzt hätten wir uns eigentlich den restlichen Nachmittag einen kleinen Schlag mit der Fryslan auf dem Ijsselmeer oder zumindest auf den großen Binnenflüssen gönnen können. Thomas war ein Perfektionist. Vorsorglich überprüft er auch noch die Stromversorgungsanlage an Bord. Er kletterte in den Keller, sprich in den Bauch des Schiffes, wo er sich an dem noch kalten Motor verbeischlängelte, um an die Lichtmaschine zu gelangen. Dort stellte er zu seiner Überraschung fest, dass der Hauptanschluss der Lichtmaschine nicht mehr fest war. Wieder aus den Tiefen des Kellers aufgetaucht, erbettelt er sich von dem Charterbüro einen Lötkolben und Lötzinn. So neu ausgestattet taucht er wieder ab, um den Anschluss zu befestigen. Eine weitere Überprüfung der elektrischen Anlage im Motorraum erbrachte erschreckenderweise noch einen weiteren Fehler, der sich verhängnisvoll hätte auswirken können.

Thomas stellte fest, dass der Keilriemen, welcher Dieselmotor und Lichtmaschine verband, auf eine falsche Treiberscheibe aufgelegt war.

Der Keilriemen lief schräg, ein Umstand, der zu seiner erhöhten Abnutzung oder sogar zu seiner Zerstörung führen kann. Ein Ausfall der Batterieladung wäre die Folge gewesen.

Zufällig hatte ich keine passende Treiberscheibe einstecken. Folglich fuhren wir mit dem Auto nach Koudum in die Werft, um die passende Scheibe zu suchen. Zum Glück hatte man dort die verschiedensten Ausführungen auf Lager und konnte uns weiterhelfen. Da die falsche Scheibe ein Einbaufehler der Werft gewesen war, bekam ich fairerweise das Ersatzteil kostenlos überlassen.

Wieder zurück in Stavoren konnte auch dieser Mangel zufriedenstellend behoben werden. Weitere Probleme ergaben sich erfreulicherweise nicht. Jetzt konnten wir getrost das 12V-Bordnetz durch die bordeigenen Batterien versorgen lassen. Und diese wurden wiederum bei Motorfahrt durch die jetzt sichere Lichtmaschine geladen. Im Hafen natürlich durch den jeweiligen Landstromanschluss.

Ausgefüllt mit Reparaturarbeiten an einem an sich neuen Schiff ging auch der Samstag zu Ende. Zur Belohnung für die umfangreiche Arbeit und als Entschädigung für den ausgefallenen Törn verbrachten wir den Abend wieder in dem Restaurant der Marina.

Sonntag hatten wir endlich die Gelegenheit für einen kleinen Ausflug mit meiner Fryslan auf das Ijsselmeer. Und, oh Wunder, alle elektrischen Einrichtungen an Bord funktionierten. Der nächste Chartergast konnte kommen.

MOTORSEGLER MIT AUßENBORDER

Segelschiffe sind zum Segeln da! In Erkenntnis dieser Tatsache werden die meisten derartigen Schiffe von den Herstellern nur mit schwachen, aber dafür preisgünstigen Motoren ausgerüstet. Diese Einstellung führte dazu, dass ich einmal mit einer GibbSea bei völliger Windstille in der Adria mit neun PS gegen eine anstehende See drei endlose Stunden brauchte, um aus den unangenehmen Duftschwaden der Zementfabrik von Umag in Kroatien herauszukommen.

Aus dieser und anderen Erfahrungen heraus ließ ich meine Yacht mit einem 65 PS starken Motor ausstatten. Dies sollte ausreichend sein, um auch bei gröberer See im Ijsselmeer und im Wattenmeer noch voranzukommen.

Es war erstaunlich, welche Geschwindigkeit unter Motor zu erreichen war. Im Gegensatz zu meiner Umag-Erfahrung lagen hier Welten dazwischen. So machte auch das Fahren mit Motor Spaß.

Genauso oder zumindest ähnlich dachte auch Charterskipper Winfried, als er das Ijsselmeer in acht Tagen abzuklappern versuchte. Motorkraft war also zur Unterstützung des mittelmäßigen Windes angesagt. Schließlich konnte er darauf vertrauen, einen gut motorisierten Motorsegler unter sich zu haben.

Aber bereits am dritten Tag zeigte ihm der Motor die rote Lampe: Überhitzt!

Zwar schaltete Winfried den Motor angeblich unverzüglich ab, wie sich aber zeigte, viel zu spät.

Schiit, dachte er vermutlich, geriet aber noch lange nicht in Panik. Schließlich hatte er auch Segel gesetzt. Gut betucht konnte er eine Zeit lang, seine Fahrt in der gewünschten Richtung fortzusetzen. Bis der Wind gerade dann einschlief, als die Temperatur auf dem Wasser in der Mittagszeit am heißesten war.

Nun ging erst recht nichts mehr. Geduldig warteten die Mitreisenden auf besseren Wind. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden lang. Nichts rührte sich, außer dass das Schiff durch leichte Wellen langsam aber sicher nach Nordosten in Richtung der Untiefen bei dem Lemster Hoek getrieben wurde.

Nun geriet Bewegung zumindest in die Mitglieder der Crew. Der Motor gab nur ständig Warnsignale ab. Winfried ließ den Kühlkreislauf und die Stromversorgung überprüfen, Batterie, Anlasser nebst Verkabelung stückweise nachsehen. Ohne Erfolg. Dafür kam der Küstenabschnitt nördlich von Lemmer immer näher. Zwangsläufig musste jetzt etwas geschehen.

Auf meiner Yacht habe ich für Seenotfälle einen Schiffsfunk mit ATIS installiert, der in Verbindung mit dem GPS beim einfachen Betätigen der SOS-Taste einen Notruf mit der Schiffskennung und dem aktuellen Standort ausstrahlt.

Aber was ein echter Seemann ist, der hilft sich selbst in allen Lagen! Für besonders anspruchsvolle Gäste habe ich auf der Fryslan auch ein stabiles Dingi und einen hierfür hinreichend dimensionierten Außenbordmotor zur Verfügung. Da beide aber zusätzlich Geld kosten,