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Nachdem für mich nach knapp 50 Jahren und einigen gescheiterten Therapieversuchen unterschiedlichster Art endlich eine geeignete Therapieform gefunden wurde, steht meine Welt regelrecht Kopf. Das Chaos beginnt sich zu entwickeln und nimmt einen immer größer werdenden Platz in meinem Leben ein...
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Seitenzahl: 176
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Danksagung
Verzeihung
Begriffserklärungen/Abkürzungen
Vorwort
Einleitung
Teil 1
Angst und Gehorsam
Geheimnis
Teil 2
Mein Leben/ meine Geschichte
Vorzeigekinder
Lebenslänglich
So wurden „wir“ geboren
Teil 3
Gespaltenes Leben
Ein Körper wird zum Haus
Warum es uns gibt und wer wir sind
Kein Entrinnen
Innenpersonen
Anteile und ihre „Zuständigkeiten“ – Überblick
Schmerzen tun erst später weh
Jacky
Puppen
Kamera
Jule
Spieluhr
Lillith
Amnesie
Gehorsam
Fantasien
Kassy und Quento
Sterben
Inka
Alkohol
Vicky
Selbstzerstörerischer Auftrag
Emine
Trauma
Stumme Schreie
Nahrung
Dalina
Paranoide Schizophrenie
Mareijke
„Stuhlkreis“
Sau
Es sind mehr, als du denkst
Michel
Marie
Stimmen
Hamte
Rollentausch
Chris
Struktur
Limo
Abwesenheit
Friday
Fleur
Joel
Elmo
Alpträume
Kommunikation und Realität
Vain
Layla
Verzweiflung
Geli
Chaos im Kopf
April
Persönlichkeitsanteile ohne Informationen
Stille
Inanna
Vrees
Levke
Elias
Tear und Liam
Splitter
Violence
Amaro
Lily
Fessi
Erik
Lotte
Merle
Teil 4
Der Start in ein „neues Leben“
Hinabgestiegen in das Reich des Todes – auferstanden in der Seele
Therapie
Klinik
Imagination
Ort der Sicherheit
Frieda
Neue Wege
Lüge
Einkäufe
Weitere Wege
Hygiene
Skilltraining
Der Weg geht weiter
Langzeittherapie
Therapeutensuche
Verbrannte Erde
Blutgeld
Vergiftetes leben
Liebe – seltsame Liebe
Kurios
Sternschnuppen
Über den Tod hinaus
Flucht
Theorie und Umsetzung
Nachworte
Nochmals SORRY!
Lillith Inanna
Hinabgestiegen in das Reich des Todes- auferstanden in der Seele
1
Bereits erschienen: (BoD)
„Wohin der Wind mich weht“
„Wenn du mich berührst, werde ich verschwinden“ - -zweite überarbeitete Auflage-
„Bittersüße Schokolade“
„Wenn ein Körperhaus erwacht“
1 Foto: Nordby, Dänemark 10/2020
Bereits zu Beginn meines Schreibens möchte ich nicht versäumen, denen zu danken, durch die nicht nur Aufzeichnungen dieser Art, sondern auch deutliche Fortschritte, Erkenntnisse, Fähigkeiten und vieles mehr möglich wurden. Aus datenschutztechnischen Gründen werde ich keine Namen nennen dürfen – zum einen sehr bedauerlich, da ich denke, dass gerade die Therapeuten, die einen großen Schritt im Bereich der Trauma- Therapie und hier besonders der Therapie mit dissoziativen Identitätsstörungen vorausgehen, tatsächlich einmal namentlich genannt werden sollten, zum anderen, da diese Anonymität vielen Betroffenen das Suchen nach geeigneten und vor allem fachlich kompetenten Therapeuten erschwert.
So danke ich insbesondere meiner Bezugstherapeutin der Klinik für Traumatherapie Frau A.W. für ihr uneingeschränktes Vertrauen, für ihre unendliche Geduld mit mir, für viele gute Gespräche, für ihren liebevollen Umgang mit „den Kleinen“, für ihre Ehrlichkeit und vor allem für ihre großartige fachliche Kompetenz, die mir den Weg zurück in mein Leben ermöglichte! Ich vermisse sie sehr – wir vermissen sie sehr!
Und gleichermaßen gilt mein Dank meinem derzeitigen Therapeuten, Herrn T.M. In enger Zusammenarbeit mit meiner Bezugstherapeutin konnte eine Langzeittherapie ermöglicht werden. Auch ihm danke ich für das Vertrauen, das nicht so selbstverständlich zwischen mir und meinen weiblichen Anteilen einem männlichen Gegenüber gegeben ist. Ich danke für den respektvollen und sehr vorsichtigen Umgang mit den verletzten Anteilen, die fruchtbaren Gespräche, seiner Offenheit und Ehrlichkeit und auch hier vor allem für seine großartige fachliche Kompetenz, die mir sicher auch künftig von großer Hilfe sein wird.
Auch gilt mein Dank denen, die mich tagtäglich ertragen und aushalten müssen: Meinem Mann F. und meinem Sohn M. Von beiden erfahre ich die volle Unterstützung und das Verständnis für meine langen Abwesenheiten während der stationären Therapien. Besonders meinem Sohn habe ich nicht zuletzt mein Leben zu verdanken. Er gibt mir täglich die Antwort auf den „Sinn meines Lebens“.
Ein unendlich großer Dank gilt auch einem weiteren Teil meiner Familie. Das „Wieder-Zusammenfinden“ und das gemeinsame Aufarbeiten vieler verlorener Jahre gibt mir ebenfalls neuen Lebensmut. Dank an meine Schwester A.S. durch die ich erkenne, dass meine scheinbaren Fantasien doch der Realität entsprechen müssen… Ich danke ihr für sehr vertrauensvolle Gespräche, ihre Nähe ihre Zeit und ihre Liebe. Ebenso meiner Nichte J.S., die mich trotz der verlorenen Zeit nicht vergessen hat.
2
2 Foto: Bork, Vikinhavn Dänemark 10/2020
Auch dieses Buch werde ich mit der Bitte um Verzeihung eröffnen. Und diese Bitte bezieht sich vor allem auf Form- und Rechtschreibfehler. Ich schreibe auch dieses Mal „nicht allein“ und direkt am PC – also wird kein vorläufiges Skript existieren. Darüber hinaus ist es nicht auszuschließen, dass es inhaltliche Wiederholungen geben wird. Diese beziehen sich auf die bereits erschienenen Werke und auf die hier entstehenden Kapitel. Das, was ich aufzeichne, sind nicht allein meine Gedanken. Anteile verschiedenen Alters werden sich zu Wort melden – dieses ist von mir sogar ausdrücklich erwünscht – und ich werde dieses, sofern es mir glückt, unverändert mit aufnehmen. Ich bitte um Verständnis! Danke!
PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung
Einer Posttraumatischen Belastungsstörung gehen ein oder mehrere belastende Ereignisse von außergewöhnlichem Umfang oder katastrophalem Ausmaß voran. Dabei muss die Bedrohung nicht unbedingt direkt die eigene Person betreffen, sondern kann auch bei anderen beobachtet und erlebt worden sein (z. B. als Zeuge eines schweren Unfalls oder einer Gewalttat).
DIS: Dissoziative Identitätsstörung
DIS ist eine schwere Form der dissoziativen Störung. Es treten zwei oder mehr verschiedene, voneinander abgetrennte Zustände der Persönlichkeit auf, die jeweils eigene Gefühle, Charaktereigenschaften, Vorlieben und Erinnerungen haben.
Die unterschiedlichen Persönlichkeitszustände treten im Wechsel auf. Während einige Anteile untereinander scheinbar bekannt sind, wissen andere oftmals nichts voneinander. Sind die von dieser Diagnose Betroffenen in einem anderen Persönlichkeitszustand, können sie sich meistens nicht erinnern, was dieser Persönlichkeitsanteil während der Dissoziation getan oder gesagt hat.
Dissoziieren:
Der Betroffene erstarrt (ähnlich dem Totstellreflex bei Tieren) und dissoziiert. Dissoziation ist die Fähigkeit, etwas aus dem Alltagsbewusstsein abzuspalten.
DBT: Dialektisch-Behaviorale-Therapie
Die DBT ist eine Therapieform zur Behandlung von Patienten, die zur Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung neigen, und kommt oft im Rahmen der Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung zum Einsatz. DBT basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie, umfasst aber auch Elemente anderer Therapierichtungen sowie fernöstliche Meditationstechniken. Das Fertigkeitstraining findet regelmäßig, mindestens einmal wöchentlich, statt und besteht aus den fünf Modulen:
Trigger:
Unter einem Trigger versteht man den Auslöser für einen Vorgang, der eine Empfindung, einen Affekt, ein Symptom (z. B. Schmerz) oder eine Erkrankung auslösen kann.
Skills/Skilltraining:
Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Spannungsregulation, die kurzfristig innerhalb einer schwierigen Situation wirksam helfen und dabei langfristig keinen Schaden für den Anwender beinhalten, werden als Skills bezeichnet.
Switchen
Switchen bedeutet im eigentlichen Sinne nichts anderes als wechseln oder umschalten. Wenn im Zusammenhand mit der DIS von switchen die Rede ist, wird damit der Wechsel in eine andere Persönlichkeit gemeint.
Flashback
Ein Flashback ist ein psychologisches Phänomen, welches durch einen Schlüsselreiz hervorgerufen wird. Die betroffene Person hat dann ein plötzliches, für gewöhnlich kraftvolles Wiedererleben eines vergangenen Erlebnisses oder früherer Emotionen. Diese Erinnerungen können von jeder vorstellbaren Gefühlsart sein.
Der Begriff wird vor allem dann benutzt, wenn die Erinnerung unwillkürlich auftaucht und/oder wenn sie so stark ist, dass die Person die Erfahrung wieder durchlebt, unfähig, sie völlig als Erinnerung zu erkennen. Die für die aktuelle Situation unpassende Stärke eines Gefühlszustandes kann so aber auch helfen, diesen als Flashback zu erkennen.
„Donau quell dein Aderlass
Wo Trost und Leid zerfließen
Nichts Gutes liegt verborgen nass
In deinen feuchten Wiesen
Keiner weiß was hier geschah
Die Fluten rostig rot
Die Fische waren atemlos
Und alle Schwämme tot
An den Ufern in den Wiesen
Die Tiere wurden krank
Aus den Augen in den Fluss
Trieb abscheulicher Gestank
Wo sind die Kinder
Niemand weiß, was hier geschehen
Keiner hat etwas gesehen
Wo sind die Kinder
Niemand hat etwas gesehen
Mütter standen bald am Strom
Und weinen eine Flut
Auf die Felder durch die Deiche
Stieg das Leid in alle Teiche
Schwarze Fahnen auf der Stadt
Alle Ratten fett und satt
Die Brummen giftig allerorts
Und die Menschen zogen fort…“
- Rammstein
Vergiftetes Wasser, vergiftete Heimat unschuldigen Lebens. Beim Hören des Liedes von Rammstein sehe ich die atemlosen Lebewesen der Donau und vieler anderer Gewässer. Sie schwimmen bäuchlings nach oben …vergiftet durch „unsichtbare Hände“ des Verderbens. Und bei weiterem Hören sehe ich die vergifteten kleinen menschlichen Körper mit ihren sterbenden Seelen. Tote Kinderseelen gespalten in zerbrechliche, aber auch gefährliche Scherben des Lebens. Und aus sie wurden vergiftet durch die „unsichtbaren Hände zahlloser Täter“…
Dieses Buch wird ein Teil meines Lebens. Ein Leben, gespalten und schon in frühster Kindheit durch unfassbare Störungen zerstört. Es wird ein offen gelegter Teil meiner Entschlossenheit, traumatische Erinnerungen und Erlebnisse zu „besiegen“, um die Kontrolle über meine eigene, reale Identität oder auch „Kernpersönlichkeit“ nicht mehr den absolut autonomen Existenzen meiner Persönlichkeitsanteile machtlos überlassen zu müssen und nicht zuletzt, um mich von meiner Qual zu befreien!
Über viele Jahre habe ich rückblickend ein doch recht gefährliches Leben ertragen müssen. Durch sich stets wiederholende Geschehnisse wurden immer wieder Situationen ausgelöst, durch die ich als „krank im Kopf“, „psychotisch veranlagt“, „Schizophren“ oder „Lügnerin mit zu extremer Fantasie“ eingestuft wurde. – Dass dieses aber durch die nicht mehr zu ertragenden Handlungen verursacht wurde, wusste selbst ich bis vor einigen Jahren nicht.
Zeitlebens suchten Anteile meiner eigenen Persönlichkeit nach genau diesen Situationen, die mir doch meine Kindheit nahmen. Ich konnte mir nie erklären, warum gerade ich immer wieder solch abscheulichen Gegebenheiten ausgesetzt war – und heute weiß ich, dass Anteile mit sadistischen/masochistischen oder gar suizidalen Eigenschaften immer und immer wieder aktiv wurden – und sogar heute noch ihre Aktivität nur schwer begrenzen lassen.
Nach vielen verschiedenen Therapieversuchen, die grundsätzlich in psychosomatischen Kliniken stattfanden, eröffnete sich im Jahr 2014 für mich erstmalig die Möglichkeit, eine gezielte Therapie zu beginnen. So wurde die Diagnose PTBS – später zusätzlich die DIS – besser bekannt als multiple Persönlichkeit – erstellt. Für mich brach eine Welt zusammen – Multiple-Persönlichkeit? – Das war für mich die schlimmste Diagnose, die man je hätte stellen können!
Das Vertrauen in die Menschheit hatte ich schon lange verloren – und nun werde ich mir selbst nicht mehr trauen können? Ein paar dieser „Persönlichkeitsanteile“ scheinen mir tatsächlich bekannt zu sein, aber sind es wirklich alle, oder gibt es noch einige mehr? – Tatsächlich, heute zähle ich über 60 Anteile… Die Sorge um meine eigne Sicherheit erwacht zu neuem Leben.
Die Menschen zucken mit den Schultern, drehen sich weg und halten ihre Augen zu.
Menschen mit pädophilen Neigungen oder „kriminellen Handlungswünschen“ gehen grundsätzlich keine Gefahr ein und bleiben im Geheimen. Sie zu finden, sie zu erkennen scheint fast unmöglich. Noch heute fehlen mir die Antworten auf die Frage „Warum“. Immer wieder versuche ich zu verstehen, wie sie denken, wenn sie ihre Opfer wählen, wenn sie ihre Opfer regelrecht quälen … Die einzige Antwort, die ich habe, ist das Wissen darum, was es heißt, Missbrauch erdulden zu müssen…
Der Berg der Bilder und schriftlichen Aufzeichnungen aus meiner Kindheit, Jugend und den folgenden Jahren sind Zeitzeugen meines Lebens.
3
Alpträume begleiten mich seit frühester Kindheit. Über viele Jahre schienen sie verschwunden. Im Jahr 2014 erwachten diese allerdings zu neuem Leben. Mittlerweile fällt es mir sehr schwer, zwischen Traum, Fantasie und Realität zu unterscheiden.
In den 80ger Jahren wollte man nichts von sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen oder Dissoziationen hören oder wissen. Sigmund Freud war es, der entdeckte, das psychotische Störungen bei Frauen auf sexuelle Erfahrungen in früher Kindheit oder Jugend zurückzuführen sind. Die Gesellschaft hingegen hielt an der Meinung fest, dass Erinnerungen an scheinbar derartige Erlebnisse falsch und lediglich auf unerfülltes Wunschdenken der weiblichen Patientinnen hinweisen. In der Konsequenz würde es bedeuten, dass Frauen den Wunsch hegen, bereits im Kindesalter sexuell missbraucht zu werden? Tatsächliche Übergriffe durch den Vater oder anderen nahestehenden Männern stünde in einem Verhältnis von eins zu einer Million. Sexualität im Allgemeinen war bis vor vielen Jahren noch ein Tabuthema – und Pädophilie die absoluten Ausnahmen. Worte und Fakten wurden keinesfalls ausgesprochen. Und das nicht nur durch das bestehende „Schweigegebot“ zwischen Täter und Opfer, sondern auch in der Gesellschaft allgemein. Dass die Zahlen, die in sogenannten Fachzeitschriften oder psychiatrischen Fachbüchern in keinem Verhältnis standen, ist uns heute bewusst. Die Gesellschaft ist bereit, die Augen nicht mehr zu verschließen und die Opfer erfahren fachkundige Hilfe, die das Schweigen zu brechen erlaubt.
Fazit: Um helfen zu können, oder Hilfe zu bekommen, müssen wir das Schweigen brechen. Und scheinbar ist unsere Gesellschaft dahin gehend auf dem richtigen Weg! DANKE!
Gestern, als ich dich liebte,
wusste ich nicht, wie das geht –
Liebe heißt Schmerz
zerreißt kleines Herz!
Liebe ist Qual
Kind hat keine Wahl!
Gestern, als ich dir vertraute,
wusste ich nichts von dem Leben –
Vertrauen verbrennt,
was die Wahrheit nicht kennt!
Vertrauen ist Feuer
Kind zahlt dafür teuer!
Gestern, als ich dich geachtet,
wusste ich nichts von der Achtsamkeit –
Ein Vorbild ist bitter,
sperrt dich hinter Gitter!
Sie sollen dich ehren
Kind darf sich nicht wehren!
Gestern, als ich um dich bangte,
kannte ich die Lüge nicht –
Lüge verspricht Liebe,
zu weh tun die Hiebe!
Lüge will binden
Und Kind lässt sich schinden!
Heute bist du nicht mehr hier,
dennoch lebst du noch in mir!
Die Seele gefangen
Wird ewiglich bangen!
Gespalten der Geist
Kind weiß, was das heißt.
Und Morgen?
Morgen werde ich leben
Wahre Liebe geben
Vertrauen neu erlernen
Und mich von dir entfernen
mich von dir befrein
und endlich SEIN!
Text: Lillith Inanna
3 Gefunden im Ordner Jugend und Irrsinn
Meine Einleitung wird nur einige Worte umfassen:
Die Kapitel, die in Folge nun zu lesen sein werden, sind das Ergebnis eines Missbrauchs, welches mich ver- und zerstört hat, welches mein Leben in allzu vielen Bereichen einschränkte oder negativ belastete, welches keine Aussicht auf positive Perspektiven gab. Aber auch das Ergebnis des Weges der Hoffnung und des schrittweisen Erfolges, wenn dieser auch NOCH mit vielen Schmerzen und Qualen behaftet, bleiben wird, welcher immer wieder Zweifel aufwirft und von Hass und vor allem aber auch dem Selbsthass belegt bleibt. Auf diesem Wege stand ich oft vor der Tür, welche mir die Straße in den Abgrund auftat, die mich zwingen sollte, aufzugeben– aber ich ließ sie verschlossen, denn aufgeben ist für mich bis dato KEINE Option!
Meine volle Aufmerksamkeit schenkte ich schon immer den Menschen, die der Hilfe bedürfen. Und so ist es auch nicht zu verdenken, dass ich dieses große Bedürfnis der Hilfestellung in meinem beruflichen Leben einband und bis zum Tage der Feststellung meiner vollen Erwerbsminderung im Jahr 2016 mit „leitender Funktion“ in einer Wohneinrichtung für geistig beeinträchtigte Menschen tätig war. So lernte ich das Vergessen und das Wiedergutmachen der Schuld, die ich mir selbst zuschrieb.
Viele Jahre befasste ich mich mit dem Gedanken, ein Buch zu schreiben und begann dieses bereits im Alter von 17 Jahren. Nachdem ich mich nach meiner ersten stationären Therapie im Jahr 2015 von der „Vergangenheit“ trennen wollte, verbrannte ich einige Bilder und auch die Aufzeichnungen, die in einer Art „Roman“ mein Leben beschreiben sollten. Lange Zeit stellte sich mir auch die Frage, für wen ich mein Leben in Wort und Bild aufzeichnen sollte. Welche Erfolge würde ich mir davon versprechen und welche Ziele würde ich damit verfolgen? Nach ersten erfolgreichen Therapien konnte ich dann endlich den Entschluss fassen, Aufzeichnungen aus Kindheit und Jugend, die mir geblieben sind, zu sortieren, den Beginn der Innenkommunikation zu starten und Worte auf Papier zu bringen. Heute schreibe ich bereits an Buch Nummer fünf. Und obgleich ich immer wieder im Schreiben stecken bleibe und sehr häufig den Bezug zur „Außenwelt“ verliere, weiß ich wohl, dass die Zeit der Niederschriften längst überfällig ist.
Ich schreibe im Übrigen mit Zustimmung (wenigstens überwiegend) meiner Anteile!
Schon der Beginn meines Lebens sollte der Beginn der Ablehnung und Missachtung werden. Meine Mutter vollendete eine Woche vor ihrer ersten Niederkunft das 18. Lebensjahr. In den 60ger Jahren erreichten die Menschen erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres die sogenannte Volljährigkeit. Obgleich mein Vater bereits 26 Jahre alt war, wurde die Erziehung in den ersten Jahren durch das Jugendamt „überwacht“ – sofern man hier überhaupt von einer Überwachung sprechen kann.
Ich wurde geboren, um die von meinen Großeltern nicht geduldete Beziehung meiner Eltern zu besiegeln. Schwanger zu sein bedeutete damals in der Konsequenz eine Eheschließung. Somit wurde ich „Mittel zum Zweck“, der nicht nur die Jugend meiner Mutter nahm, sondern auch auf ewig das Weihnachtsfest verdarb, da ich mit meinem Erscheinen in dieser Welt nicht – wie von mir erwartet wurde – bis nach Weihnachten wartete, sondern den Eltern einen Heiligen Abend im Geburtshaus bescherte, um dann am 1. Weihnachtstag ungebeten als Mädchen und nicht als der gewünschte Sohn geboren zu werden.
„Wenn du uns nicht gehorchen wirst, werden wir dich bestrafen“. So höre ich die Worte noch heute in meinen Ohren klingen. Und da mein Ungehorsam wie gesagt mit meiner Geburt begann, wurden Bestrafungen schon in früher Kindheit zu einem festen Bestandteil meines Lebens und sollten auch meine zwei Jahre jüngere Schwester, die wohlbemerkt auch mit ihrer Geburt als Mädchen dem Ungehorsam fronte, in gleichem Maße zuteilwerden.
Bestrafungen, die mit körperlichen und auch seelischen Schmerz einhergingen, passierten in der Regel so schnell, dass ich mich auf nichts mehr konzentrieren konnte, dass ich niemals begriff, was eigentlich geschah. Und wenn ich mich den Strafen zu entziehen versuchte, folgten die nächsten für erneutes Ungehorsam. So lernten wir Schwestern, absoluten Gehorsam. Ein Gehorsam, der aus tiefer Angst wuchs und keine Grenzen kannte…
Seine Stimme wird klar und fordernd, seine Augen ausdruckslos und leer… Eine Ausdruckslosigkeit, die sich im Laufe meiner Kindheit und Jugend zu einer eisigen, bizarren und fast schon unmenschlichen Art und Weise entwickelte, dass sie mich bis zum heutigen Tage verwirrt. Vielleicht war alles nur ein böses Spiel, ein schlechter Traum. Vielleicht bin ich damals nur nicht richtig aufgewacht?
Ich sehe die Angst in den Augen eines Kindes, – unschuldig, verletzlich - die mich bis heute tiefen Schmerz empfinden lässt. Und die Angst, die mich bis heute in vielen Situationen begleitet, bleibt ein Leben lang. Eine unsägliche Angst, die absoluten Gehorsam zur Folge hat. Noch immer gehorche ich automatisch, bin nicht in der Lage zu kämpfen oder zu denken. Ich muss gehorsam bleiben und bleibe die Sklavin meiner Angst. All meine Sinne scheinen sich auszuschalten. Und auch Emotionen und mein eigener Körper schalten auf „Stand-by-Modus“ und die Verwandlung meines Selbst in eine naive, stumpfe, gehorsame Figur ist der einzige Weg, all das, was folgt durchzustehen.
Die Angst bleibt der Ursprung meines Gehorsams… Und dieser Gehorsam geht über die „realen Grenzen“ hinaus: Es ist nicht mehr nur das „Exakt Funktionieren Müssen“, wenn „Forderungen“ an mich gestellt werden, es ist vielmehr der Gehorsam aus Angst vor den nicht wohlwollenden Anteilen. Und ihre Stimmen wurden im Laufe der letzten Jahre immer lauter und erdrückender. So gehorchen vor allem die jüngeren Anteile dem Ruf des „Bösen“… Und die Angst bekommt ein neues/altes Gesicht! Und weiterhin bleiben „Gut und Böse“ nicht voneinander abgrenzbar!
Wie viel Angst hält ein Mensch – ein Kind aus, ohne daran zu zerbrechen? Ich kenne die Antwort nicht! Ich weiß nur, dass ich zerbrochen bin – meine Seele zerbrach in viele, viele andere Seelen…in Jacky, Mareijke, Kassy und viele, viele mehr!
Mit der Vergangenheit holte mich also die Angst wieder ein. Es war gerade so, als habe jemand eine fest verschlossene Tür geöffnet und die Bilder des Grauens nach außen geschickt. Die Angst nahm und nimmt einen so großen Platz in meinem Leben ein, dass urplötzlich ein angemessener Umgang mit allen weiteren Emotionen fast unmöglich wurde oder ist. Tage und Nächte waren und sind nur noch schwer zu ertragen – besonders die Nächte. Neben der Angst scheint nichts weiteres mehr Platz zu haben. Und immer weiter wurde und werde ich in die Tiefe gezogen.
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Hat nicht ein jeder Mensch mindestens ein kleines Geheimnis? Und einem Kind ein Geheimnis anzuvertrauen oder es in eine geheime Aktion einzubeziehen ist für dieses doch ein spannendes Ereignis. Ja es ist spannend, ein Geheimnis zu bewahren - es bewahren zu müssen, um nicht kläglich unterzugehen, ist hingegen eine schmerzlich auferlegte Qual.
Der „Rest der Gesellschaft“ wird nicht erfahren, was tatsächlich geschieht. Und schon gar nicht die, die dem persönlichen Umfeld angehören. Um die Geheimhaltung zu gewährleisten, bedienen sich die Peiniger mit Mitteln wie Drohungen, Liebesentzug, Schuldzuweisungen, Zufügen von Schmerzen und sicher noch einigem mehr. Und selbstverständlich geschieht dieses alles ausschließlich in ihrem privaten Bereich/Umfeld, um zu verhindern, dass auch nur das Geringste nach Außen tritt. Und somit bleiben sogar die Erfahrungen mit dem, was ein Opfer durchmachen muss ein gut behütetes Geheimnis.
Knapp 50 Jahre gelang es mir, ein solches Geheimnis zu behüten. Gott bewahre – NIEMALS hätte ich mich in eine zusätzliche Gefahr bringen wollen! Manche Erinnerungen klarten in Laufe der Therapie auf, andere hingegen bleiben weiterhin verschwommen und ohne jeden Zusammenhang. Das macht es mir so schwer, an dessen Realität zu glauben. Und alle Erinnerungen, ob klare Bilder oder verschwommene Silhouetten erzählen eine Geschichte, die nur schwer zu glauben und schon gar nicht zu verstehen ist.