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Gibt es Hoffnung in einer Welt, in der Schuld und Verfehlung scheinbar unausweichlich und omnipräsent sind? Margot Käßman gibt Antwort auf diese existenzielle Frage. Und sie ist angesichts ihres eigenen Gottesverhältnisses überzeugt, dass es zu hoffen lohnt und die Bezeichnung "Weltverbesserer" als Ehrentitel anzusehen ist. Eine christliche Lebensphilosophie.
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Seitenzahl: 67
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MARGOT KÄSSMANN
Hoffnung unterm Regenbogen oder: In der Not ein Halleluja singen
Cover
Titel
Vorwort
So sei es. So lasst uns hoffen
Hoffnung – Annäherung an ein großes Wort
Kirche als Zeichen
Nicht Gegenwelt – Kontrastgesellschaft
So sei es. So lasst uns hoffen
Vertrauen: Wagnis des Glaubens. Leben in einer fragmentarischen Welt
Gottes Bund
Die zweitbeste aller Welten
Der Bogen
Und der Mensch?
Leben in der zweitbesten aller Welten
Anmerkungen
Bereits erschienen!
Impressum
Der zweite Ökumenische Kirchentag in München im Mai 2010 war für mich ganz persönlich eine sehr besondere Erfahrung. Die Zusage für Veranstaltungen war ich noch als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland eingegangen. Inzwischen war ich aber längst von allen Ämtern zurückgetreten.
Das hatte eine doppelte Folge: Zum einen hatte ich Zeit, meine Beiträge intensiv vorzubereiten, ohne Zuarbeit durch andere die anstehenden Themen reflektieren zu können, Zeit, noch einmal Bloch und Moltmann und von Rad zu lesen. So sind die Bibelarbeit und der Hauptvortrag, die hier dokumentiert werden, in aller Ruhe entstanden.
Zum anderen war die Frage: Als wer rede ich, ohne Amt, ohne Mandat, einfach so, Margot Käßmann? Aber auch das ist typisch für Kirchentage. Sie fragen nicht nach Status. Menschen, die hierher kommen, wollen sich ein eigenes Urteil bilden und hören dazu viele Stimmen, ob Amt oder nicht Amt.
Am Ende fand ich beides befreiend. Ich konnte mich intensiv mit dem Bibeltext der Sintflut befassen und noch einmal reflektieren, was denn die Theologie der Hoffnung, die meine ersten Studienjahre prägte, heute bedeuten kann. Auch war es möglich, zu verdichten, was ich etwa in der Frage des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr als Ratsvorsitzende gesagt hatte und was heftig kritisiert wurde.
Besonders bewegt hat mich, wie viele Menschen auf einem Papphocker eine rund einstündige Rede verfolgen. Diese Konzentration, dieses Mitdenken, diese Frage nach der Verantwortung des Protestantismus, die sich aus Bibelstudium speist, sie fasziniert mich immer wieder am Kirchentag. Es waren gute Tage in München. Sie haben wieder gezeigt, wie groß die Hoffnung vieler Christinnen und Christen im Land auf mehr Ökumene ist.
Wie jeder Kirchentag, so war auch München eine Momentaufnahme, ja eine „Zeitansage“. Auf jeden Fall hat das zentrale Thema „Hoffnung“ zukunftsweisende Perspektiven eröffnet. Die Stimme der Christinnen und Christen wird gebraucht, sie ist notwendig, um Kriterien zu finden, urteilen zu können, Wege in die Zukunft zu eröffnen. Unser Glaube macht Mut, sich einzumischen. Wer biblische Geschichten liest, wer an Gott glaubt und das eigene Leben vor Gott verantwortet, wird immer wieder sehen, wo die Welt Hoffnung braucht – und zwar durch ganz konkretes Handeln.
August 2010
Margot Käßmann
Hoffnung, was heißt das eigentlich? Der deutsche Begriff leitet sich vom mittelniederdeutschen „hopen“ ab, dem Hüpfen oder Springen vor Erwartung. Hoffnung meint demnach eine Erwartungshaltung. „Guter Hoffnung sein“ ist eine Umschreibung von Schwangerschaft bis heute. Und das Hüpfen in dieser guten Hoffnung kennen wir aus der biblischen Geschichte von Johannes dem Täufer, der angeblich im Mutterleib hüpfte, als Elisabeth der schwangeren Maria begegnete. Gute Hoffnung, das meint Erwartung auf eine gute Zukunft, das Gegenstück zur Hoffnungslosigkeit. Nicht Resignation: Ich kann ja doch nichts tun. Sondern: Es kann gut werden und ich kann etwas dazu beitragen.
Im biblischen Zeugnis ist Hoffnung immer auf Gott verwiesen. Gottes Treue ist es, die Menschen Hoffnung schenkt. „Auf Gott hoffen“ ist gerade in den Psalmen eine Bezeichnung für den frommen Menschen (Psalm 31,25; 37,9). Das heißt, ich vertraue mein Leben, meine Zukunft, meine Möglichkeiten Gott an, wenn ich hoffe und nicht hoffnungslos bin. So sagt etwa Psalm 62,6: „Aber sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoffnung.“ Hoffnung ist somit eine Lebenshaltung gläubiger Menschen gegen die Resignation und Hoffnungslosigkeit der Welt. Solch eine Haltung können wir auch heute erleben, wenn Menschen mitten im Elendsviertel ein Halleluja anstimmen, wenn wir selbst mitten in Verzweiflung tief in uns Gottvertrauen erleben dürfen, wenn bei einer Trauerfeier gesungen wird: „Geh aus mein Herz und suche Freud.“ Das Lob Gottes ist die Grundmelodie der Hoffnung im Alten Testament.
Im Neuen Testament setzt sich diese Melodie fort. Es ist die Hoffnung auf das Kommen des Gottesreiches, die diese Zeit und Welt in ein neues Licht taucht. Diese Hoffnung, die im Buch der Offenbarung Kapitel 21 ihr wohl schönstes Bild findet in den Tränen, die abgewischt sein werden und dem Ende von Leid, Not, Tod und Geschrei – sie wurde oft als Vertröstung auf ein Jenseits angesehen. Die Hoffnung, Gott von Angesicht zu sehen, bei Gott zu wohnen, wird immer wieder beschrieben (Mt 5,8; 1.Kor 13,12). Gerade das aber führt nicht zu einer Vertröstung auf ein Jenseits oder gar zu einer Art von „Weltabstinenz“, wie es etwa die Rede von der Religion als „Opium des Volkes“ andeutet. Dieser Gottesglaube gibt Lebensmut gerade auch in schweren Zeiten. Er findet sich nicht ab mit den „Verhältnissen“, sondern kennt die Hoffnungskraft auf Veränderung.
Paulus sieht Abraham als das Musterbeispiel für einen Menschen, der hofft, wo es menschlich nichts mehr zu hoffen gibt. Sein Glaube, sein Vertrauen in Gott bestimmten sein Handeln: „Er hat geglaubt auf Hoffnung, wo nichts zu hoffen war“ (Röm 4,18). Offensichtlich hat Hoffen etwas mit Beharrlichkeit zu tun. „Hoffen gegen den Trend“ sozusagen. Sehr schön drückt das der Taizé-Gesang aus: „Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht: Christus meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.“
Für Christinnen und Christen hat sich die Hoffnung personalisiert: „Christus ist unsere Hoffnung“ (1.Kor 15,19; Kol 1,27; 3,1–4). Weil Jesus Christus den Tod überwunden hat, müssen diejenigen, die ihm nachfolgen, nicht in Hoffnungslosigkeit versinken. „Es bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei“, sagt Paulus (1.Kor 13,7). Bei der Hoffnung geht es demnach nicht so sehr um einen Zustand, den wir erreichen, sondern um unsere Beziehung zu Gott. Hoffnung ist für den Glauben ein Beziehungsbegriff.
Es geht also um ein Verhältnis – das Verhältnis zu Gott, das mein Leben bestimmt. Letzten Endes ist Hoffnung eine Gebetshaltung im Leben, der Grundausdruck der Gottesbeziehung. Martin Luther bezeichnete die christliche Hoffnung als die „reinste Hoffnung auf den reinsten Gott“ (WA 5,166,18). Diese Hoffnung auf Gottes Zukunft ist eine Lebenshaltung. Sie muss nicht Menschen oder Projekte oder Ideologien verklären als Inhalt der Hoffnung. Sie ermöglicht gerade die Freiheit der Welt gegenüber, Visionen von Gerechtigkeit und Frieden wach zu halten, eine Freiheit, die auch bei Enttäuschungen und Verzweiflung, in Resignation die Welt gestalten, ja verbessern will. Das hat Christinnen und Christen immer wieder den verächtlich gemeinten Titel „Weltverbesserer“ eingetragen. Ich denke, wir sollten diese Bezeichnung als Ehrentitel ansehen! Weltverschlechterer und Miesmacher gibt es schon genug. All diejenigen, die in den Untergangsgesang allzu gern einstimmen: „Ich kann ja doch nichts tun!“ Dann doch lieber der christliche cantus firmus: „Gerechtigkeit und Friede werden sich einst küssen, darauf hoffen wir.“ Gerade deshalb aber wollen und können wir schon im Hier und Jetzt Spuren des Reiches Gottes legen.
Hoffnung hat somit immer eine personale Dimension mit Blick auf das persönliche Leben, sie ist eine Glaubenshaltung, ein Gottesverhältnis und nicht zuletzt die Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten. Sie hat eine theologische Dimension, weil sie die Welt im Licht des Ostergeschehens sieht. Christliche Hoffnung ist eine Hoffnung gegen den Trend, weil sie das Scheitern, das Sterben am Kreuz nicht als Gegenbeweis sieht, sondern als Teil der Existenz, der Hoffnung gerade nicht zunichte macht. Und sie hat eine politische Dimension, weil die Hoffnung auf Gottes Zukunft, auf das neue Jerusalem Menschen immer wieder inspiriert hat, die Welt zu verändern.1