Hoffnungslicht in kalter Nacht - Anne Schneider - E-Book

Hoffnungslicht in kalter Nacht E-Book

Anne Schneider

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Beschreibung

Das Weihnachtsfest ist das Hoffnungsfest der Christen. "Fürchtet euch nicht", sagt der Engel im Lukasevangelium. Aber ist das mehr als ein frommer Spruch? Wie kann man in einer Welt, in der sich die Lebensfinsternisse in jedem Menschenleben, in jeder Gesellschaft immer wieder offenbaren, der Hoffnung von Weihnachten vertrauen? Nikolaus und Anne Schneider suchen gemeinsam nach den richtigen Worten, im Gespräch tasten sie sich an die Weihnachtsbotschaft heran. Sich nicht fürchten in den kalten Nächten unseres Lebens - wie geht das? In neun Kapiteln beleuchten die beiden aus ihren unterschiedlichen Perspektiven das Hoffnungsversprechen, das von der Krippe ausgeht. Ein spannendes Weihnachtsbuch für Wahrheitssucher.

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Seitenzahl: 140

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Nikolaus Schneider • Anne Schneider

Hoffnungslicht in kalter Nacht

Gedanken zur Weihnacht

Impressum

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011

Alle Rechte vorbehalten

www.kreuz-verlag.de

Umschlaggestaltung: Christian Langohr

Umschlagmotiv: © Stefan Körber– Fotolia.com

Autorenfotos: © privat

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,

KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

ISBN (Buch) 978-3-451-61094-3

ISBN (E-Book) 978-3-451-33785-7

Inhaltsübersicht

Vorwort

1. Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn die Botschaft von Weihnachten euch nur noch vorkommt wie ein uraltes Märchen aus längst vergangenen Zeiten!

Vom Schmücken – »Alles sieht so festlich aus«

2. Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn euer Vertrauen enttäuscht wird und eure Beziehungen zerbrechen!

6. Dezember – »Der Nikolaus kommt!«

3. Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn ihr euch leer und ausgebrannt in ein Schneckenhaus verkriechen möchtet!

Gemeinsam singen – »Hört der Engel helle Lieder!«

4. Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn Krankheit und Tod euch die Zerbrechlichkeit alles irdischen Beziehungsglücks vor Augen führen!

Der Adventskalender – »Lasst uns nun gehen und sehen«

5. Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn Krankheit und Tod nach euch greifen und alle Lebenspläne zunichte machen!

Vom Schenken – »Gold, Weihrauch und Myrrhe«

6. Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn wirtschaftliche Not und Existenzängste euch quälen und lähmen!

Das Festessen – »Kommt, denn es ist alles bereit!«

7. Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn das Leiden unschuldiger Menschen euch nach Gottes Liebe und Gerechtigkeit fragen lässt!

Der Weihnachtsbaum – »… der schönste Baum, den wir auf Erden kennen!«

8. Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn Unrecht und Gewalt euch zweifeln lassen an Gottes Macht und Gegenwart in dieser Welt!

Der Weihnachtsgottesdienst – »Keiner kann allein Segen sich bewahren«

9. Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn euer Denken und Verstehen im Streit liegen mit eurem überlieferten Glauben!

Im Alltag ankommen – »Doch nur kurz sind solche Freuden«

Nachwort

Anmerkungen

|9|Vorwort

»Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.« (Lukas 2,10f.). So haben es einst Gottes Engel inmitten der Nacht den Hirten in Bethlehem verkündet. Und so verkünden es Christenmenschen seit mehr als zweitausend Jahren inmitten der kalten Nächte unserer Welt.

Denn Weihnachten – diese eine Nacht und dieser eine Mensch – hat unsere Welt nicht in einen allezeit sonnendurchfluteten Paradiesgarten verwandelt. Jesus Christus hat uns Menschen nicht das Ende aller Dunkelheiten versprochen, sondern mit seinem Leben, Sterben und Auferstehen bezeugt: Gott lässt uns nicht allein in den kalten Nächten unseres Lebens und in den kalten Nächten dieser Welt! So gilt uns auch heute: In der Nachfolge Jesu Christi können wir wohl manches Lied singen von den Nächten angefüllt mit Menschenleid und -schuld, in unserem eigenen Tun und Erleiden und in unserer Mit-Leidenschaft mit den unheilen Zuständen dieser Welt. Aber auch in unseren Nachtgesängen klingt sie mit, zaghaft vielleicht und manchmal wohl unter Tränen, diese unzerstörbare weihnachtliche Hoffnungsmelodie, die uns und anderen zusingt: »Fürchtet euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren!«

|10|Dieser weihnachtlichen Hoffnungsmelodie wollen wir in diesem Buch nachspüren und sie besonders für die kalten Nächte des Lebens zum Klingen bringen. Als Ehepaar feiern wir inzwischen mehr als vierzig Jahre miteinander Weihnachten und haben dabei viele Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens miteinander geteilt. Mit fast überschäumender Freude haben wir die Geburt des Gottessohnes gefeiert in der freudigen Erwartung unseres ersten Kindes. Mit stillerer Freude und ganz viel Dankbarkeit haben wir viele Jahre lang Weihnachten in einer »Großfamilie«, also mit unseren drei Töchtern, mit Omas und Opas, Patentanten, Freundinnen und Freunden feiern dürfen. Mit Hoffen und Bangen und mit dem inständigen Gebet um Heilung haben wir während der Leukämie-Erkrankung unserer jüngsten Tochter Meike zweimal die Festtage in einem engeren Familienkreis gestaltet. Und mit verwundetem Herzen, aber in der unverbrüchlichen Gewissheit von Gottes Gegenwart an allen Tagen unseres Lebens hören und feiern wir die Weihnachtsbotschaft jetzt, in den Jahren seit Meikes Tod.

Den Glauben an Gottes Menschennähe und Menschenliebe können Menschen nicht »haben« oder besitzen wie einen toten Gegenstand.

Unser Glaube an Gott, unser Glaube an Jesus Christus, unser Glaube an die Weihnachtsbotschaft der Engel erfüllt sich nicht in dem »Für-wahr-Halten« eines Dogmas und auch nicht im »Fest-Halten« an einer festgeschriebenen biblischen Geschichte.

Gottesglaube – und auch die Weihnachtsfreude – erfüllt sich in vertrauensvollen und lebendigen Beziehungen. Nur wenn wir in Beziehungen leben – in Beziehung |11|zu dem lebendigen Wort Gottes und in Beziehungen zu unseren Mitmenschen–, nur dann kommen wir dem weihnachtlichen Hoffnungslicht für unser konkretes Alltagsleben auf die Spur. Das ist unsere Überzeugung und unsere Erfahrung, erwachsen aus mehr als sechzig Lebens- und mehr als vierzig Ehejahren.

Christlicher Glaube ohne eine »Du-Anrede« Gottes hat für uns keinen Sinn. Und ebenso wenig Sinn hat für uns der christliche Glaube ohne zwischenmenschliche Gemeinschaft, also ohne ein gegenseitiges »Du-Anreden« der Glaubenden.

Deshalb haben wir für unser Nachdenken und Schreiben über das »Hoffnungslicht in kalter Nacht« die Form des Dialoges miteinander gewählt. Unser Dialog soll zum Mit-Denken und Nach-Denken einladen und eine Ermutigung sein, mit anderen Menschen das Gespräch auch über den persönlichen Glauben zu wagen.

Zwischen den Kapiteln erzählen wir von unseren Erfahrungen mit Weihnachtsbräuchen in unserer Familie und von unseren Versuchen, unserer Weihnachtsfreude eine konkrete Gestalt zu geben. Auch hier möchten wir unsere Leserinnen und Leser ermutigen, in Wertschätzung der Tradition immer wieder neu nach eigenen Akzenten und Ausdrucksformen zu suchen. Damit die Weihnachtsbotschaft auch ihnen zu einem Hoffnungslicht wird für alle Nächte ihres Lebens.

Anne und Nikolaus Schneider, Mai 2011

|13|Kapitel 1

Fürchtet euch nicht in den kalten Nächten, wenn die Botschaft von Weihnachten euch nur noch vorkommt wie ein uraltes Märchen aus längst vergangenen Zeiten!

|14|Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes

Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell…

Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben,

und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt

Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;

auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein

Ende.

Jesaja 9,1.5.6a

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem

Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre

Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die

Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.

Und der Engel sprach zu ihnen:

Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch eine

große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn

euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist

Christus, der Herr in der Stadt Davids.

Und das habt zum Zeichen:

Ihr werdet finden das Kind in

Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.

Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der

himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und

sprachen:

Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei

den Menschen seines Wohlgefallens.

Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren,

sprachen die Hirten untereinander:

Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die

Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr

kundgetan hat.

Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und

Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.

Lukas 2,8–16

|15|ANNE SCHNEIDER

Der Zauber und die Strahlkraft eines Märchens aus längst vergangenen Zeiten – ich frage mich manchmal, ob es wohl eine notwendige Folge unseres Erwachsenwerdens ist, dass Märchen ihre Strahlkraft für unser alltägliches Leben verlieren? Ich werde schon ein bisschen wehmütig, wenn ich daran denke, wie mich das Hineinversetzen in so ganz verschiedene Märchengestalten und das »Weiterspinnen« von Märchengeschichten beflügeln konnten, als ich ein Kind war.

Die Zeit, in der meine Rolle als Rotkäppchen oder als das Jüngste der sieben Geißlein mir Flügel verliehen, ging relativ schnell vorüber. Aber dass ich als kleine Meerjungfrau um die Liebe des Prinzen kämpfte und – anders als in dem »echten« Märchen von Hans Christian Andersen – diese Liebe dann auch errang, oder dass ich als Dornröschen von einem tapferen und schönen Prinzen wachgeküsst wurde und mit ihm verliebt und glücklich im Märchenschloss lebte, das inspirierte meine Tagträume und beglänzte meinen Alltag bis weit ins »pubertierende« Alter.

Und auch noch in den Jahren danach, als ich als fortgeschrittene und fortschrittliche Jugendliche durchaus eine kritisch-realistische Weltsicht »an den Tag« legte, gehörten Märchen-Träume von dem irgendwo und irgendwann auf mich wartenden einen und einzigen Märchenprinzen zu meinen geliebten und unverzichtbaren Einschlafritualen.

Ich habe nie empfunden – auch nicht jetzt im Rückblick–, dass Märchen meinen Verstand benebelt oder ihn verbildet hätten, im Gegenteil! Und auch meine intensiven |16|Märchenprinz-Träume waren durchaus nicht nachteilig für meine reale Liebes- und Beziehungsfähigkeit, auch nicht für unser späteres reales Ehe- und Beziehungsglück, finde ich jedenfalls – und du hoffentlich auch!

Ich mag Märchen immer noch, auch wenn sie schon lange nicht mehr zu meinem alltäglichen Leben und schon lange nicht mehr zu meinen Einschlafritualen gehören. Inzwischen habe ich die Märchenphasen unserer Töchter sehr genossen und freue mich schon auf die Märchenphasen unserer Enkel. Und zu den Weihnachtsfeiertagsgewohnheiten unserer Großfamilie gehört auch das gemeinsame Anschauen des wunderschönen tschechischen Märchenfilms »Drei Nüsse für Aschenbrödel« – noch und immer wieder.

Also Märchen sind für mich durchaus wunderbare und im Wortsinn »Wunder-volle« Geschichten.

Und doch rege ich mich jedes Mal auf, wenn jemand die Bibel als »Märchenbuch« und biblische Geschichten als »Märchengeschichten« bezeichnet. Im Zusammenhang mit der Bibel empfinde ich diese Kategorie als abwertend, obwohl und weil ich doch weiß, dass nicht alle biblischen Geschichten »historisch wahr« sind. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich Märchenglauben mit Kinderglauben gleichsetze und dass ich an mir und anderen Menschen wahrnehme: Märchen verlieren ihre Strahlkraft für die meisten Erwachsenen.

Biblische Geschichten aber – auch das ist meine Wahrnehmung und Erfahrung – behalten für jedes Alter ihre Strahlkraft, oder besser: Sie entwickeln für jedes Alter eine ganz besondere Strahlkraft. Und darum ärgert es mich, wenn sie als Märchen bezeichnet werden.

|17|NIKOLAUS SCHNEIDER

Ich mag es auch nicht, wenn biblische Geschichten mit dem Etikett »Märchen« versehen werden. Für mich klingt dabei immer mit: Diese Geschichten haben nichts mit der menschlichen Realität zu tun. Sie sind von Menschen erfunden und ausgedacht, sie sollen unterhalten und auch pädagogischen Zwecken dienen.

Und eben das ist ein folgenschwerer Grundirrtum, wenn Menschen meinen, die Texte der Heiligen Schrift hätten nichts mit der Realität und dem Alltag ihres Lebens zu tun.

Ich kann und mag mir für mein Leben überhaupt nicht vorstellen, wie ich der Realität standhalten und die kalten Nächte meines Lebens durchstehen sollte ohne die Geschichten, Gedanken und Texte der biblischen Bücher. Der Realität ins Auge zu sehen, also menschliches Leiden und menschliches Versagen nicht zu verdrängen oder zu beschönigen, das heißt doch zu akzeptieren, dass Gefährdung, Zerbrechlichkeit und Begrenztheit zu unserem irdischen Dasein dazugehören. In unseren kleinen privaten Bereichen und in den großen politischen Zusammenhängen gibt es kein Leben ohne die Erfahrung und das Durchleiden von dunklen und kalten Nächten. In ihnen Lebenszuversicht und Lebenskraft zu behalten, in ihnen die Zukunft nicht preiszugeben und sich nicht auf diese tränenblinde Gegenwart zurückzuziehen, das verlangt nach einem Hoffnungslicht. Nach einem Hoffnungslicht, dessen Brennstoff nicht ausgeht. Nach einem Hoffnungslicht, das nicht nur wie eine Wunderkerze glänzend hell, aber kurz erstrahlt, sondern das nachhaltig brennt und den Stürmen und dem Regen standhält.

|18|Und ein solches Hoffnungslicht entdecke und erfahre ich immer wieder neu im Lesen, Hören und Bedenken von biblischen Geschichten.

Im Grunde genommen ist doch die gesamte Heilige Schrift ein einziges Hoffnungsbuch. Sie ist voller Verheißungen zunächst für das Volk Israel, mit dem sich Gott in einem Bund verbunden hat, dann aber – durch den Juden Jesus Christus – für alles Volk und alle Welt, also auch für uns »Heutige« und für die Realität unseres Lebens.

»Euch ist heute der Heiland geboren!« – Wenn diese Weihnachtsbotschaft der Engel nur ein uraltes Märchen aus längst vergangenen Zeiten wäre, das nichts mit meiner Realität zu tun hätte, ich wüsste nicht, woher mir dann Kraft und Hoffnung kommen sollten. Vor allem müsste ich dann wohl auch meinen Beruf aufgeben.

ANNE SCHNEIDER

Biblische Geschichten als nachhaltige Hoffnungslichter für die dunklen Nächte unseres Lebens – das gefällt mir!

Mir geht es auch so, dass ich gerade in den schweren Stunden und mit den leidvollen Erfahrungen meiner Gegenwart in den alten Glaubensgeschichten der Bibel Zuflucht suche – und finde.

Die Bibel, dieses alte Buch, erzählt von so vielen zeitlosen menschlichen Grund-Erfahrungen, dass ich oft gedacht habe: Dieser Text, den ich jetzt gerade lese, der meint mich! Der ist ja genau für meine Seelenlage geschrieben!

Ich denke dabei nicht an die zum Teil unsäglich engherzigen Tugendkataloge der Paulusbriefe oder an die endlose Zahl von Kultvorschriften in Teilen des Alten Testamentes. |19|Ich denke an die vielen Geschichten, die uns durch die Jahrhunderte hindurch ein lebendiges Zeugnis geben von des Lebens ganzer Fülle unter dem Segen Gottes. Von Geschichten, die keine Berührungsängste haben gegenüber intensiven Gefühlen. An Texte, die uns erzählen von Todesangst und überschäumender Lebensfreude, von Vertrauen und Enttäuschung, von Triumphen und von abgrundtiefer Verzweiflung, von erfahrener Gottesnähe und von gefühlter Gottesferne.

Es tröstet mich wirklich, also es verändert ganz real die Wahrnehmung meiner gegenwärtigen Wirklichkeit, wenn ich diese alten Geschichten aus längst vergangenen Zeiten lese. Ich entdecke Hoffnungslichter für meine gegenwärtigen dunklen Stunden, wenn ich die alten Klagepsalmen der Bibel lese und mitbeten kann. Wenn ich die alte biblische Erzählung von Hiob und seiner Frage nach Gottes Gerechtigkeit lese und meine Fragen darin aufgehoben fühle. Wenn ich lese, wie Jesus im Garten Gethsemane angesichts des ihm bevorstehenden Leidens Blut und Wasser schwitzte und den Trost des Engels brauchte und wenn ich mich darin ermutigt fühle, meine Ängste Gott zu klagen und um den Trost von Engeln zu bitten.

Du sagst, die Bibel sei letztendlich ein einziges Hoffnungsbuch. Das stimmt auch für mich. Und deshalb verlieren die biblischen Geschichten – anders als die Märchen meiner Kinder- und Jugendzeit – mit meinem zunehmenden Alter nicht an Strahlkraft. Im Gegenteil: Mehr als früher finde und entdecke ich heute in der Bibel immer neue Geschichten, die der absoluten Macht des Todes widersprechen und damit für mich immer wieder neue Hoffnungslichter entzünden, auch in den mir zeitweise |20|undurchdringlich erscheinenden Dunkelheiten meines Lebens.

Du hast vorhin die Weihnachtsbotschaft der Engel als Beispiel für so eine reale Hoffnungsgeschichte zitiert. Ich denk ja manchmal, dass Weihnachten – gemessen an Karfreitag, Ostern und Pfingsten – nachrangig ist für das Glauben, Hoffen und Lieben in unserem Leben. Was macht sie für dich eigentlich so bedeutsam und so unverzichtbar, diese Botschaft von der Geburt des Gottessohnes?

NIKOLAUS SCHNEIDER

Die Bedeutsamkeit und damit sozusagen der unverzichtbare Hoffnungsextrakt der Weihnachtsgeschichte verdichtet sich für mich in dem von mir zitierten Satz der Engelsbotschaft: »Euch ist heute der Heiland geboren!«

Und auch wenn das Feiern des Weihnachtsfestes gemessen am Osterfest eine spätere Tradition unserer Kirche ist: Die inhaltliche Bedeutung der Weihnachtsbotschaft ist schon so etwas wie der Grundstein unseres christlichen Glaubens. Weihnachten heißt doch für uns Christenmenschen: Das Wort und der Wille Gottes wurden konkret offenbar, also erfahrbar, fassbar und greifbar, in dem einen Menschen, in dem Gottessohn Jesus von Nazareth. Gott hat sein Wort, seine Vollmacht und seine Wahrheit »vermenschlicht« und damit für alle Menschen erkennbar und zugänglich gemacht.

»Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort… Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller |21|Gnade und Wahrheit«, so beschreibt der Evangelist Johannes dieses Weihnachtsgeschehen und versucht mit menschlichen Worten dieses letztendlich unerklärbare göttliche Handeln zu verdeutlichen:

»Und das Licht scheint in die Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen… Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben,…« (vgl. Johannes 1,1–16)

Also unverzichtbar und für unseren christlichen Glauben sozusagen grundlegend sind für mich besonders drei Weihnachts-Gedanken:

Zum Ersten: Das biblische Denken geht von einem Verständnis des Wortes aus, das seine Realisierung bereits in sich trägt. In ihm ist eine Kraft enthalten, die unabhängig von Einsicht und Interpretation der Leserschaft oder der Hörenden wirkt. Gott schuf die Welt durch sein Wort – darin kommt diese Vorstellung besonders gut zur Geltung. Deshalb ist das Wort alles andere als »Schall und Rauch«.

Diese schöpferische Kraft verbindet sich mit Jesus Christus, dem »Wort Gottes«, das Weihnachten »Fleisch wurde«. Deshalb bezeugt die christliche Kirche bis heute Jesus als das lebendige »Gotteswort«.

Zum Zweiten: Gott wird Mensch für »alles Volk«, deshalb ermöglicht Weihnachten Juden und Heiden, von Gott als Vater« zu reden.

|22|Und zum dritten: Gott wird Mensch, deshalb ermöglicht Weihnachten uns Menschen, von Gott menschlich zu reden.

ANNE SCHNEIDER