Hôkyôki. - Dôgen Zenji - E-Book

Hôkyôki. E-Book

Dôgen Zenji

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Beschreibung

Dôgen Zenjis (1200-1253) erstes Werk war das Hôkyôki, in dem er Gespräche mit seinem chinesischen Lehrer Tiantong Rujing (1162-1228, jap. Tendô Nyojô) aus den Jahren 1225-1227 aufzeichnete. Ihm schreibt er auch den bekannten Ausdruck des "Abfallens von Körper und Geist" (jap. shinjin datsuraku) zu. Beim Shôbôgenzô Zuimonki handelt es sich um die auszugsweise Übersetzung von Hidesama Iwamoto (Tokio 1943), die wir hier bis auf einen kleinen Teil reprinten und in der Rechtschreibung angepasst haben. Dieses Werk enthält informelle Reden Dôgens aus den Jahren 1236-1239, die von seinem Schüler Koun Ejô niedergeschrieben und später wohl noch von anderen bearbeitet wurden. Es gilt als leicht verständlich, weil Dôgen konkrete Beispiele gibt und weniger Wortspiele und Metaphern wie in seinen anderen Werken verwendet. Verhandelte Themen sind u. a. Unbeständigkeit, klösterliche Praxis, zielloses Zazen und gewollte Armut. Dôgen Zenjis chinesische Gedichte finden sich zu einem großen Teil in einem seiner Hauptwerke, dem Eihei Kôroku (auf Deutsch im Angkor Verlag erschienen). Wir konzentrieren uns hier auf die japanischen Verse aus dem Sanshôdôei ("Verse auf dem Weg vom Sanshô-Gipfel", was die ursprüngliche Ortsbezeichnung für den Tempel Eiheiji war). Sie bestehen aus 31 Silben und entsprechen damit der klassischen Form des an Wortspielen reichen waka. Der ältere Name des Werkes lautet dann auch Dôgen waka-shû ("Dôgens waka-Sammlung").

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Inhalt

Hôkyôki

Sanshôdôei

Shôbôgenzô Zuimonki

Dôgen Zenjis (1200-1253) erstes Werk war das Hôkyôki, in dem er Gespräche mit seinem chinesischen Lehrer Tiantong Rujing (1162-1228, jap. Tendô Nyojô) aus den Jahren 1225-1227 aufzeichnete. Ihm schreibt er auch den bekannten Ausdruck des „Abfallens von Körper und Geist“ (jap. shinjin datsuraku) zu. Das Hôkyôki wurde postum entdeckt und erst im 18. Jh. publiziert. Einige Buddhologen haben seine Verlässlichkeit in Frage gestellt.

Beim Shôbôgenzô Zuimonki handelt es sich um die auszugsweise Übersetzung von Hidesama Iwamoto (Tokio 1943), die wir hier bis auf einen kleinen Teil reprinten und in der Rechtschreibung angepasst haben.1 Dieses Werk enthält informelle Reden Dôgens aus den Jahren 1236-1239, die von seinem Schüler Koun Ejô niedergeschrieben und später wohl noch von anderen bearbeitet wurden. Es gilt als leicht verständlich, weil Dôgen darin konkrete Beispiele gibt und weniger Wortspiele und Metaphern wie in seinen anderen Werken verwendet. Verhandelte Themen sind u. a. Unbeständigkeit, klösterliche Praxis, zielloses Zazen und gewollte Armut. Vom Shôbôgenzô Zuimonki existieren unterschiedliche Versionen, die 1770 von Menzan Zuiho veröffentlichte gilt als die populärste (jap. rufu-bon). 1942 entdeckte Dôshû Ôkubo die so genannte Chôenji-bon-Ausgabe in der Präfektur Aichi, die 1963 in modernem Japanisch publiziert wurde.

Zum Sanshôdôei, der kleinen Gedichtsammlung Dôgens, gibt es eine separate Einleitung. Es wurde bereits als Kindle-Ebook veröffentlicht.

Literatur

Takashi James Kodera: Dogen’s Formative Years in China. London 1980.

Kazuaki Tanahashi (Hg.): Enlightenment Unfolds. The Essential Teachings of Zen Master Dôgen. San Francisco 1999.

Norman Waddell: “Dôgen’s Hôkyô-ki”, in: The Eastern Buddhist, 1977, 10/2, S. 102139; 1978, 11/1, S. 66-84.

Carl Bielefeldt: “Recarving the Dragon: History and Dogma in the Study of Dôgen.” In: W. LaFleur (Hg.): Dôgen Studies, S. 21-53. Honolulu 1985.

1 Beim Einscannen sind Probleme mit dem Layout entstanden, deren Ursache nicht zu klären war, weshalb nicht alle Seiten auf gleicher Höhe mit dem Text beginnen.

HÔKYÔKI

1

Dôgen entwickelte den Erleuchtungsgeist (jap. bodaishin) während seiner Kindheit. In seiner Heimatstadt folgte er unter verschiedenen Lehrern dem Weg (chin. dao)2 und erlangte Verständnis von Ursache und Wirkung. Doch hatte er noch nicht das wahre Ziel von Buddha, Dharma und Sangha erkannt. Er stagnierte ziellos im Reich von Namen und Form. Später ging er ins Kloster von Meister Yôsai und hörte die Lehre der Rinzai-Schule. In Begleitung von Meister Myôzen fuhr er dann nach China. Er segelte viele Meilen und vertraute seine flüchtige Existenz den tobenden Wellen an, ehe er schließlich das China der Sung-Zeit erreichte. Im Kloster von Rujing3 wurde er aufgenommen. Dies war ein Segen, den er sich in einer vorherigen Inkarnation verdient hatte. Rujing war voller Mitempfinden und Sympathie. Obwohl Dôgen zur Unzeit kam und formell unkorrekt gekleidet war, wollte dieser niedere Mann aus einem fernen fremden Land nichts lieber, als das Quartier des Abts so häufig wie möglich aufzusuchen und ihm Fragen zu stellen, wie verwegen diese auch sein mochten.

Rujing sagte: „Die unbeständige Welt vergeht schnell. Geburt und Tod sind wichtige Angelegenheiten. Die Zeit wartet auf niemanden. Wenn du dich vom Heiligen entfernst, wirst du das sicher bereuen.“ Der authentische Lehrer, Abt, herausragende Mönch und Großmeister Rujing hegte großes Mitempfinden und Sympathie. Er bemitleidete Dôgen und hörte ihm zu, als er den Weg und den Dharma suchte. Als sich Dôgen verbeugte und demütig um Unterweisung bat, strahlte ihm Rujings Mitempfinden entgegen. Da warf sich der Schüler Dôgen einhundert Mal nieder.

„Dôgen, du musst von nun an Unterweisung suchen, ob bei Tag oder Nacht, ob ins formale Mönchsgewand gekleidet oder nicht.

Komm ohne Vorbehalte ins Zimmer des Abtes, um den Weg zu untersuchen. Ich werde dir stets deinen Mangel an Form vergeben, so wie es ein Vater täte.“

Aufgezeichnet von einer gewissen Person [Dôgen] im T’ai-pai4- Gebirge.

2

Am zweiten Tag des siebten Monats im ersten Jahr von Pao-ch’ing suchte Dôgen das Abtsquartier auf. Dôgen fragte: „Es heißt in allen Ecken der Welt, die Übertragung geschehe außerhalb der Schriften; dies sei die große Bedeutung des Kommens von Bodhidharma aus Indien. Was bedeutet das?“

Rujing antwortete: „Warum sollte sich der große Weg der Buddhas und Patriarchen mit innerhalb oder außerhalb abgeben? Es heißt, Übertragung geschehe außerhalb der Schriften, weil neben dem, was Kâshyapa und andere übertrugen, der Erste Patriarch aus Indien nach China kam und freundlicherweise den Weg übermittelte und die Übung (der Meditation) vermachte. Darum sagt man, die Übertragung sei außerhalb der Schriften. Die Welt kann keine zwei Buddha-Dharma haben. Bevor der Erste Patriarch in China ankam, waren die Chinesen mit weltlichen Alltagsdingen beschäftigt, und es gab noch keinen Meister. Das Volk der Chinesen empfing den ersten Patriarchen, als wäre er ihr König. Ja, vom Augenblick seiner Ankunft an unterstanden ihm die Schätze und Menschen dieses Landes.“

3

Dôgen fragte: „Nun behaupten Äbte der Vergangenheit und Gegenwart überall auf der Welt: ‚Was gehört und doch nicht gehört, gesehen und doch nicht gesehen wird, was unmittelbar und ohne jede Erwägung ist, das ist der Weg der Buddhas und Patriarchen.‘ Auf dieser Grundlage erheben die Meister ihre Fäuste oder den Fliegenwedel, schreien laut oder erteilen Stockschläge. Es kümmert sie nicht, ihren Schülern die Bedeutung von all diesem zu erklären. Sie erlauben ihnen auch nicht, zu hinterfragen, wie die Buddhas Menschen vollständig umwandeln, oder wie man günstige Vergeltung in einer folgenden Inkarnation vorwegnehmen kann. Folgen diese Meister dem Weg der Buddhas und Patriarchen?“

Rujing erwiderte: „Falls sie behaupteten, es gäbe keine nächste Inkarnation, würden sie tatsächlich eine nihilistische Irrlehre verbreiten. Die Buddhas und Patriarchen begründeten zum Wohle der Menschen eine Lehre ohne solche Irrtümer. Gäbe es keine nächste Fleischwerdung, dann auch keine gegenwärtige. Doch die gegenwärtige Inkarnation besteht bereits, wie könnte es also keine folgende geben? Ich bin schon lange ein Sohn Buddhas. Wie könnte man mich mit einem Ketzer gleichsetzen? Die Buddhas und Patriarchen lehrten Schüler, dass es überhaupt keinen zweiten Gedanken geben solle, als geschicktes Hilfsmittel. Es ist ja nicht so, dass ein Schüler nichts erlangen könne. Wenn es nichts zu erlangen gäbe, könnte der Schüler keine Unterweisung von einem guten Lehrer suchen und es würden keine Buddhas in der Welt auftauchen. Wichtig ist nur, unmittelbar zu begreifen, dann wird alles verstanden. Ohne Glauben, Praxis und Erleuchtung gibt es weder Verständnis noch Erwachen.

Ist das nicht auch der Grund, warum man sich auf dem Nördlichen Kontinent5 nicht zu Buddha bekehrt?“

4

Dôgen sagte: „Gute Lehrer sagen heute wie schon früher: ‚Wie ein Fisch, der Wasser trinkt, weiß, ob es kalt oder warm ist, so erlangt ein Mensch mit Selbsterkenntnis das Erwachen. Diese Selbsterkenntnis ist die Verwirklichung des Erleuchtungsgeistes.‘“ Dôgen kritisierte diese Auffassung mit folgender Frage: „Wenn diese Selbsterkenntnis authentisches Erwachen bedeutet, haben dann alle fühlenden Wesen Selbsterkenntnis und können somit als authentisch erwachte Tathâgata6 angesehen werden? Einige behaupten: ‚Ja, alle fühlenden Wesen sind vom anfanglosen Anfang an Tathâgata.‘ Andere sagen: ‚Nicht alle fühlenden Wesen sind notwendigerweise Tathâgata.‘ Warum ist das so? Wenn nur die, die wissen, dass sie von Natur aus erwacht sind, Tathâgata sind, dann würden diejenigen, die nicht wissen, dass sie von Natur aus erwacht sind, keine Tathâgata sein. Stimmt eine solche Vorstellung mit dem Buddha-Dharma überein?“

Rujing erwiderte: „Zu behaupten, dass fühlende Wesen ursprünglich Buddhas seien, ist das Gleiche wie an die Irrlehre spontanen Entstehens7 zu glauben. Wir können das nicht hinnehmen, wenn jemand ‚ich‘ und ‚mein‘ mit den Buddhas vergleicht, Unerwachte für erwacht und Unerfahrene für erfahren hält.“

5

Dôgen fragte: „Wenn ein Schüler den Weg praktiziert,8 soll er dafür eine bestimmte geistige und körperliche Haltung erlernen?“

Rujing antwortete: „Als der Erste Patriarch aus Indien kam, gelangte der Buddha-Dharma nach China. Wie kann es für den Buddha-Dharma keinen Körper und Geist geben? Wenn du den Entschluss fasst, Erleuchtung durch Sitzmeditation zu suchen, dann gelten folgende Regeln: Du darfst nicht an einer fortwährenden Krankheit leiden; du darfst keine weiten Reisen machen; du darfst dich nicht in übermäßigen Rezitationen ergehen; du darfst dich nicht von Argumenten fortreißen lassen; du darfst dich nicht überanstrengen; du darfst keines der fünf bitteren Gewürze9 essen; du darfst kein Fleisch essen; du darfst Milch, Honig und Honigwein nicht übermäßig verzehren; du darfst keinen Wein trinken; du darfst keine unreine Nahrung zu dir nehmen; du darfst keinen Tanz- und Musikaufführungen beiwohnen; du darfst keine Tanzmädchen ansehen; du darfst keine entstellten Körper ansehen; du darfst entwürdigten Tätigkeiten wie sinnlichen Vergnügen zwischen Mann und Frau keine Aufmerksamkeit schenken; du musst dich freundlich mit Herrschern und Beamten stellen; du darfst keine rohen, unreifen Dinge verschlingen; du darfst keine verschmutzte Kleidung tragen; du darfst kein Schlachthaus aufsuchen; du darfst keinen verdorbenen Wildtee oder kalte Medizin zu dir nehmen, wie sie es im T’ien-t’ai-Gebirge machen; du darfst keine Maulbeerfrucht10 essen; du darfst Angelegenheiten von Gier keine Beachtung schenken; du darfst nicht mit Eunuchen, Hermaphroditen usw. vertraut werden; du darfst keine getrockneten Früchte essen; du darfst keine Longan, Litschi oder Oliven essen; du darfst nicht zu viel Zucker essen; du darfst keine dicke, wattierte Baumwollkleidung tragen, sondern nur einfache; du darfst nicht mit der Armee essen; du darfst keinem übermäßigen Krach beiwohnen und keine Schweine- und Schafsherden aufsuchen; du darfst keine großen Fische, den Ozean, schlechte Bilder, Bucklige usw. sehen wollen; betrachte stets grüne Berge und Wasser in einer tiefen Schlucht.

Erleuchte den Geist mittels der alten Lehren und lies die Sutren, die die vollständige Bedeutung enthalten.

Ihr Mönche in Lumpenroben, die ihr in Meditation sitzt, um dem Weg zu folgen, solltet stet gewaschene Füße haben. Sind euer Körper und Geist irritiert, dann rezitiert unerschütterlich das Vorwort zu den Bodhisattva-Geboten11.“

Dôgen fragte: „Was sind die Bodhisattva-Gebote?“

Rujing antwortete: „Sie stehen im Vorwort zu den Geboten, die Lung-ch’an rezitiert. Tue dich nicht mit gemeinen, verabscheuenswerten Menschen zusammen.“

Dôgen fragte: „Wen haltet Ihr für gemein?“

Rujing antwortete: „Ich halte diejenigen für gemein, die übermäßig gierig sind. Halte dir keine jungen Tiger oder Elefanten, keine Schweine, Hunde, Katzen, Füchse und dergleichen. In vielen Tempeln haben Äbte und andere nun Haustiere, doch davon kann ich nur abraten. Wer außer Unerleuchteten tut so etwas? Die so genannten sechzehn üblen Gewohnheiten12 sind Gebräuche, derer sich die Buddhas und Patriarchen enthielten. Halte dich zurück und verfalle keinen lasterhaften Gewohnheiten!“

6

Dôgen sagte: „Das Shou-leng-yen ching (Shûrangama Sutra) und Yüanchüeh ching13 wurden von Laien-Männern und -Frauen gelesen und als die Lehre der Patriarchen betrachtet, die aus Indien übertragen wurde. Wenn ich diese Sutren studiere und ihren Ursprung hinterfrage, halte ich sie für verschieden von anderen Mahâyâna-Sutren. Ich habe den Grund noch nicht verstanden. Gibt es denn neben den Textstellen in den beiden Sutren, die anderen Sutren unterlegen sind, auch solche, die ihnen überlegen sind? Manche Ansichten in ihnen sind in der Tat identisch mit denen der sechs Irrlehrer. Wie kann man also ihren Ursprung bestimmen?“

Rujing antwortete: „Viele haben von Anfang an den indischen Ursprung des Shou-leng-yen ching angezweifelt. Sie halten das Sutra für einen Text, der erst nach Bodhidharma entstand. Der Erste Patriarch hat dieses Sutra nie gesehen. Heutzutage lesen und verehren es die Unwissenden. Dasselbe gilt fürs Yüan-chüeh ching. Vergleicht man die Besonderheiten dieser Texte, ähneln sie sich sehr.“

7

Dôgen fragte: „Es gibt Befleckungen14, Karma, Vergeltung (d. h. ungünstige Inkarnationen) und andere Hindernisse – haben das die Buddhas gesagt?“

Rujing antwortete: „Theorien anderer Lehrer wie Nâgârjuna müssen erhalten und geschätzt werden, sie können nicht als Irrlehren gelten.

Was die Hindernisse des Karma angeht, so werden diese Fesseln sich verwandeln, wenn du dich sorgfältiger Übung hingibst.“

8

Dôgen fragte: „Müssen wir stets achtsam auf den Zusammenhang von Ursache und Wirkung sein?“

Rujing erwiderte: „Leugne das Gesetz von Ursache und Wirkung nicht. Was gäbe es dafür einen Grund? Yung-chia sagte: ‚Der Nihilismus verneint das Gesetz der Kausalität und lädt so endloses Unheil ein.‘ Wer die Verneinung der Kausalität aufrecht erhält, zerstört die Wurzeln des Guten im Buddha-Dharma. Wie könnte so einer ein Nachfolger der Buddhas und Patriarchen sein?“

9

Dôgen fragte: „Warum tragen die Äbte heutzutage langes Haar und lange Nägel? Sie sehen zu weltlich aus, um Bettelmönche genannt zu werden, aber auch zu kahlköpfig, um als weltliche Menschen durchzugehen. In der Periode des authentischen und des ähnlichen Dharma15 waren Buddhas, Patriarchen und ihre Schüler nie so. Wie kommt das also?“

Rujing antwortete: „Sie sind in der Tat wie wilde Tiere. Sie sind tote Körper inmitten des reinen Ozeans des Buddha-Dharma.“

10

Einmal merkte Rujing an: „Auch wenn du ein junger Mann bist, hast du die Manieren der Alten. Du musst dir sogleich eine Bleibe im schroffen Gebirge und in dunklen Tälern schaffen und dort lange Zeit den heiligen Embryo der Buddhas und Patriarchen nähren. So wirst du gewiss die Erfahrung der altehrwürdigen Tugendhaften machen.“

Da erhob sich Dôgen und warf sich vor Rujing nieder. Dieser rezitierte: „Die Natur des Anbetenden und des Angebeteten sind gleichermaßen leer16, dazwischen ist die spirituelle Übereinstimmung und Umsetzung des Weges, die sich intellektuellem Verständnis entzieht.“

Danach legte Rujing ausgiebig die Alltagshandlungen der Buddhas und Patriarchen aus Indien und China dar. Dôgen war tief bewegt, und Tränen benetzten seine Ärmel.

11

Rujing lehrte in der Ta-kuang-ming-tsang-Halle: „Während ihr euch in einem Kloster aufhaltet und mit anderen Mönchen praktiziert, soll der Gürtel eurer Unterrobe und eure Unterwäsche fest am Körper sitzen. Dann wird es euch möglich sein, ausgedehnte Übungen durchzuhalten.“

12

Wenn Mönche sich in der Meditationshalle versammeln, ist am wichtigsten, dass sie langsam gehen. Es gibt zu viele Äbte auf dieser Welt, die nicht davon wissen. Der langsame Gang (chin. huan-pu/chin-hsing, jap. kinhin) besteht aus einem Atemzug pro Schritt. Mach einen Schritt, ohne auf deine Füße zu schauen, ohne dich vorzubeugen oder aufzusehen. Von der Seite betrachtet hätte es den Anschein, als stündest du auf einer Stelle, da du weder deine Schultern noch deinen Brustkorb bewegen darfst.

Rujing ging in der Ta-kuang-ming-tsang-Halle mehrmals von Ost nach West, um Dôgen dies zu demonstrieren. Dann sagte er: „Heutzutage bin ich der einzige, der um die Bedeutung dieser langsamen Gehmeditation weiß. Wenn du andere Äbte irgendwo auf der Welt befragst, wirst du feststellen, dass sie ihnen noch nicht bekannt ist.“

13

Dôgen fragte: „Was ist die Natur des Buddha-Dharma – ist sie gut, böse oder neutral?“

Rujing erwiderte: „Der Buddha-Dharma überschreitet all diese Zuschreibungen.“

14

Dôgen fragte: „Wenn der große Weg aller Buddhas und Patriarchen nicht auf eine kleine Ecke beschränkt werden kann, warum bestehen wir dann darauf, von der Ch’an-Schule zu sprechen?“

Rujing antwortete: „Wir dürfen den großen Weg der Buddhas und Patriarchen nicht willkürlich die Ch’an-Schule nennen. Das ist eine falsche und bedauerliche Bezeichnung. Es ist der Name, den kahlköpfige kleine Biester benutzt haben. Alle altehrwürdigen Tugendhaften wissen dies. Hast du je das Shih-men lin-chien lu17 gelesen?“

Dôgen verneinte dies.

Rujing sagte: „Wenn du es ein Mal durchliest, wird das genügen. Der Inhalt dieses Buches ist richtig. Seine Hauptaussage lautet, dass der Weltgeehrte allein an Mahâkâshyapa den Großen Dharma übertrug und dieser dann über achtundzwanzig indische Generationen weitergegeben wurde. Nach den fünf chinesischen Patriarchen gelangte er zu Ts’ao-ch’i. Heute ist Rujing die vollständige Schatzkammer des Buddha-Dharma, und keiner in den unbegrenzten Chiliokosmen (d. h. Galaxien) kommt ihm gleich. Wer die verschiedenen Traditionen aufgrund einer gewissen Anzahl von Schriften aufrecht erhält, gehört zu der gleichen Familie von Buddhas und Patriarchen, doch gibt es zwischen den Mitgliedern Unterschiede: Einige sind authentisch, andere ketzerisch, einige sind nah und andere fern.“

15

Dôgen fragte: „Wenn die Mönche bereits zur Familie der Buddhas und Patriarchen gehören, können sie den Erleuchtungsgeist entwickeln und einen wahrhaftigen und guten Lehrer aufsuchen. Warum geben sie zahlreiche Lehrjahre auf, um sich ganz den Klöstern der Buddhas und Patriarchen anzuvertrauen und bei Tag und Nacht dem Weg zu folgen?“

Rujing antwortete: „Sowohl in Indien wie in China lassen sie die Studien, die sie in vielen Jahren angesammelt haben, hinter sich und schreiten von dort voran. Ihre Situation gleicht der eines Mannes, der am Tag seiner Beförderung zum Premierminister aufhört, mit dem Kaiser zu streiten oder diesen zu ermahnen; doch wenn er seine Kinder oder Enkel belehrt, dann weist er diese noch immer zurecht und entscheidet über deren Aufstieg oder Fall. Das Studium des Weges von Buddhas und Patriarchen ist genau so. Obwohl einer auf der Grundlage des Verdienstes seiner Mahnungen und Ratschläge zum Premierminister ernannt wurde, wird er am Tag seiner Ernennung aufhören, zu ermahnen und zu argumentieren; solange er aber noch mit dem Kaiser streitet, diskutiert er nicht über die Pflichten eines Premierministers. In jeder Stellung ist sein einziges Anliegen, seine Pflicht loyal zu erfüllen, indem er das Land regiert und dem Volk Frieden bringt. Loyal zu sein heißt, einen Geist zu haben und nicht in zwei zu trennen.“

Dôgen erwiderte demütig: „Es ist offensichtlich, dass die Äbte überall auf der Welt den Weg der Buddhas und Patriarchen noch nicht kennen. Nun weiß ich genau, dass die Buddhas und Patriarchen tatsächlich die Erben des Weltgeehrten und die Dharma-Könige von heute sind. Sowohl die drei zu rettenden Chiliokosmen18 als auch die fühlenden Wesen im Dharma-Reich unterstehen den Buddhas und Patriarchen, und es kann keine anderen Könige geben.“

Rujing meinte: „Was du sagst, ist richtig. Du darfst nicht vergessen, dass der Schatz des Dharma in Indien niemals an zwei Menschen gleichzeitig vermacht wurde. Darum sieht der Weg Buddhas in den großen drei Chiliokosmen die Buddhas und Patriarchen als seinen Ursprung an.“

16

Rujing sagte: „Meditation unter einem Meister zu studieren (jap. sanzen) bedeutet, Körper und Geist fallen zu lassen. Es ist konzentriertes, intensives Sitzen (chin. chih-kuan ta-tso, jap. shikan taza), ohne Weihrauch zu verbrennen, zu rezitieren, anzubeten, Buße zu tun oder Sutren zu lesen.“

17

Dôgen fragte: „Was bedeutet: Körper und Geist fallen lassen?“

Rujing antwortete: „Körper und Geist fallen lassen bedeutet, in Meditation zu sitzen. Wenn man konzentriertes, intensives Sitzen übt, verschwinden die fünf Begierden19, und die fünf Befleckungen20 werden entfernt.“

18

Dôgen fragte: „Wenn wir uns von den fünf Begierden lossagen und die fünf Befleckungen entfernen, entspräche diese Lehre derjenigen der Schriftgläubigen. Praktizieren wir dann nicht sowohl Mahâyâna als auch Hînayâna?“