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"Am Ende all unserer Entwicklungen steht die Erfahrung, dass es besser ist, mit der Natur zu arbeiten als gegen sie." Erwin Thoma Wussten Sie, dass die Inhaltsstoffe des Holzes von jedem persönlich als Schutz gegen Zivilisationskrankheiten eingesetzt werden können und ausgerechnet die Baukunst der Ameisen das Modell für Passivhäuser ohne Dämmstoff und Haustechnik liefert? Oder warum der Specht im Wald den Weg für die Energie der Zukunft zeigt? Die Natur steckt voller Überraschungen und ist der beste Lehrmeister zugleich. In diesem Buch wird das gewachsene Wissen mit neuesten Forschungsergebnissen und Anwendungsbeispielen kombiniert. Lassen wir die Bäume wieder Teil unseres Lebens sein, um von ihren Kräften zu profitieren. Jeder Mensch, der Bäume liebt, findet hier einen verlässlichen Wegweiser und praktischen Ideengeber für sein ganzes Leben.
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Seitenzahl: 224
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ERWIN
THOMA
HOLZ
WUNDER
Gewidmet allen Kindern,
die noch auf die Welt kommen.
© 2016 Servus bei Benevento Publishing, Eine Marke der
Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:
Red Bull Media House GmbH
Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15
5071 Wals bei Salzburg, Österreich
Druck: Buch.Bücher Theiss, www.theiss.at
Layout und Satz: graficde‘sign pürstinger, Alex Stieg
Umschlaggestaltung: graficde‘sign pürstinger, Alex Stieg
Umschlagabbildung: Jan Ludwig/Thoma Holz GmbH
E-Book-Konvertierung: Satzweiss.com Print Web Software GmbH
ISBN 978-3-7104-5017-4
DAS GESICHT DES HOLZES
Je mehr du dem Holz sein Gesicht lässt, dich über seine Unebenheit, über seine Landkarte aus Maserung und Ästen freust, desto mehr wird deinem Blick Halt, Orientierung und Geborgenheit gegeben.
Holz ohne Äste ist für mich immer weniger wert, immer ein Stück ärmer als diese Hölzer, die mich durch ihre Äste ansehen. Gerade die kleinen, harztränenden Öffnungen, die sogenannten Harzgallen sind es, die von der Einzigartigkeit des Materials Zeugnis ablegen. Es sind die Unregelmäßigkeiten, die Risse und Fugen, die aus Hölzern Welten machen. Sie bilden Lebensräume mit Orten des Schutzes und kühnen Aussichtsplätzen.
Je mehr wir den Mut haben, hier auch noch die Arbeit des Zimmermanns zu zeigen, die Holzverbindungen, die Dübel, die alles zusammenhalten, die Spuren einer Säge, des gestaltenden Werkzeuges, desto näher sind wir an den Formen, Farben und Strukturen, die das Geheimnis des Lebens berühren.
Dem Holz sein Gesicht zu lassen, erfordert Mut: Mut zur unbehandelten Oberfläche. Mut zu den Spuren des Alterns, die sich einstellen werden. Mut zu dieser Melodie, die unser vordergründiges Ego erschüttert.
Das Ego, das sich in uns als Ich ausgibt, in Wahrheit aber einzig an fremden Bildern und Vorstellungen hängt: Erst dahinter sind wir selbst. Erst dahinter sind wir ewig. Erst dahinter hören und fühlen wir, was wirklich ist. An diese tiefe Heimat in uns selbst erinnert das gewachsene Material der Wälder.
Das Gesicht des Holzes wird durch das Leben in den Bäumen gemalt. Es ist frei von jeder Manipulation, vom Drängen und Wollen. Es ist ein Bericht ihres Lebens. Ein Bild von Glück und Gedeihen, aber auch von Kampf, Leid und Krankheit. Es ist das Bild vom Geheimnis, all das zu überstehen, daran zu wachsen und seine eigene Gestalt daraus zu formen. Auf diese Weise stimmt es die einzigartige Melodie an, die uns zu uns selbst führt. Ein größeres Geschenk kann ein Material uns Menschen gar nicht machen. Es schwingt so tief in uns hinein, das Holz der Bäume.
Holz streichen, verkleiden, astfrei sortieren, natürliche Risse und Schwindfugen verstecken, dübelfreie Oberflächen erzeugen, all das entspringt der Angst, den Bildern aus der Werbung nicht gerecht zu werden. Scheinbar perfekt lackierte Oberflächen, weißer als weiß, eintönig statt vielfältig, diese Wege haben mit dem Geheimnis des Lebens wenig zu tun.
In Wahrheit sind solche Verarbeitungen von Holz Schritte, die uns ein Stück vom Zauber des Baumes nehmen. Die Lebenskraft des Holzes, die uns geschenkt wird, schwindet in dem Maß, in dem wir es eintöniger und lebloser gestalten.
Mut zum Gesicht des Holzes ist immer Mut zum Leben. Mut zum Leben trägt uns, gibt uns Vertrauen und Freiheit.
Ja, es sind Landkarten des Lebens, die durch die Schichtenlinien der Jahresringe auf den Hölzern dieser Welt abgebildet sind. Es sind Bilder, die so stark an unserer Seele rühren können, weil sie so viel mit dem zu tun haben, was wir von Kind an nicht nur an Bäumen beobachten konnten. Körperliche Vergänglichkeit, das Altern, das hat uns schon von klein auf fasziniert: die herausquellenden Adern auf der Hand des Großvaters, die Bilder der furchig-ledrigen Haut, Farbspiele und Muster, die mit den Farben bewitterter Hölzer ineinanderfließen können.
Ja, es ist ein besonderes Bild vom rohen, wahrhaftigen Holz. Es lässt uns spüren, wie gut es ist, einfach zu sein, was wir sind. Es lässt die Hast unserer Gedanken still werden. Aus sinnlosem Immer-mehr-, Immer-etwas-anderes-Wollen wird ein freudiges Sich-selbst-Spüren. Es hilft uns, die Qual aller Zwänge und Vorstellungen abzuschütteln. Es befreit uns! So wichtig ist es, so nährend für uns Menschen, von solchen Bildern umgeben zu sein.
Das natürliche Gesicht des Holzes singt das Lied vom Urvertrauen ins Leben, vom Kommen, vom Gehen und von der Wiederkehr.
Was für ein Glück, von Bäumen, ihren Hölzern und ihrem Gesicht begleitet zu werden.
VORWORT
Wer käme auf die Idee, für nahezu unlösbar erscheinende Aufgaben die Antworten ausgerechnet dort zu suchen, wo niemand hingeht? Wir kennen das aus den Märchen. Der spätere Held wirkt anfangs naiv und wird als dumm verspottet, weil er den Vögeln lauscht, sich Zeit für Schwache nimmt und Freundschaften mit unbedeutenden Menschen, Tieren oder gar Pflanzen sucht. Am Ende sind es freilich ganz unerwartet diese Helfer und Quellen, die gemeinsam große Lösungen ermöglichen. Diejenigen aber, die es mit Kraft, Gewalt und Macht versuchen, werden bitter enttäuscht und können trotz allem Aufwand nichts erreichen.
Auf genau so eine Märchenreise möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, jetzt mitnehmen. Tatsächlich lohnt es sich immer, einmal aus der Tretmühle unseres Alltages zu steigen und ganz andere Gedanken zuzulassen. Diese Reise führt uns in den Wald, der ja selbst traditioneller Schauplatz vieler Märchen ist.
Tatsächlich können wir von den Bäumen im Wald, von ihren Bewohnern, von den Insekten, den Ameisen, in so einer Stunde der Betrachtung mehr lernen als in mancher Vorlesung an der Universität. Das soll kein abwertender Angriff auf unsere Hochschulen sein. Die natur- und geisteswissenschaftliche Arbeit dort ist sehr wertvoll. Aber sie allein ist zu wenig. Es braucht immer wieder im Leben die ruhigen Stunden in der Natur, das Innehalten und stille Schauen.
Wissen und Lernen werden immer dann besonders wertvoll, wenn sie an den Geheimnissen des Lebens rühren. Genau diese Erfahrung gelingt draußen im Wald unter freiem Himmel besonders gut.
Wir brauchen die Erdung dort draußen. Die Methode, altes Wissen in immer weiter spezialisierte Sparten aufzuteilen, führt bekannterweise dazu, dass am Ende ein Experte auf seinem Gebiet den Überblick über ganzheitliche Zusammenhänge verliert.
Lernen in der Natur, in der Stille jene Kräfte zu erahnen, die hinter allem stehen, das beschützt uns und hilft im Leben weiter.
Viktor Kaplan, der große Erfinder der Wasserkraftwerksturbinen, beschrieb so treffend die Inspirationsquelle der Natur:
Sinnend oft saß ich an Baches Rand
Und horchte der murmelnden Laute.
Und als ich die Sprache des Bächleins verstand –
Die Weisheit der Schöpfung mit Ehrfurcht empfand –
Da ging ich – und schrieb, was ich schaute.
Kaplan hat vom Bächlein gelernt und der Menschheit mit seiner Erfindung der Kaplan-Turbine die effiziente Nutzung der Wasserkraft geschenkt. Wir alle können diesen Weg gehen und jeder kann für sich im Wald Schätze für sein Leben heben.
Freilich hilft es mir wenig, wenn jemand sagt: „Geh in die Natur und hebe dort endlich deinen Schatz!“ Für eine Schatzsuche will man vorbereitet sein. Es bedarf der Ausrüstung, des Werkzeuges und am besten einer ganz genauen Karte, wo denn der Schatz zu finden sei.
Dieses Buch will Ihr Begleiter bei der Schatzsuche im Wald und bei unseren Bäumen sein. Dabei wollen wir aber nicht bei märchenhaften Vergleichen bleiben. Vielmehr benötigen Sie wissenschaftlich abgesicherte Zahlen, Fakten und technische Tabellen. Vor allem aber sind am Beginn einer Expedition zu unbekannten Schätzen Erfahrungsberichte von Menschen, die jenen Weg bereits gegangen sind, äußerst wertvoll. Diesen Berichten ist daher noch mehr Platz gegeben als allen technischen Zahlenwerten.
Damit Sie gleich sehen, welch unglaubliche Vorteile der Weg mit der Natur bietet, beginne ich mit wohl einer der verrücktesten Geschichten. Eine der größten Entwicklungen, von der nicht nur unser Unternehmen, sondern genauso alle Bauherren am stärksten profitieren, sind energieautarke Häuser, die ohne Dämmstoff und ohne komplizierte Haustechnik funktionieren. Würden wir das nicht laufend bauen und umsetzen, könnte man meinen, so etwas bliebe ein nicht möglicher Traum. Häuser mit Energieverbrauchswerten wie ein Passivhaus ohne Wärmedämmung: Wie soll denn das gehen?
Wirklich verrückt wird es aber erst, wenn ich verrate, wer mir und unseren Technikern diese Entwicklung ermöglicht hat. Bitte lachen Sie nicht – es waren die Ameisen. Genau gesagt, die Roten Waldameisen und natürlich die Bäume, die den emsigen Insekten das nötige Material liefern. Um es noch genauer zu sagen: Es war die Geburtenstation der Ameisen, wir Menschen würden sagen, die Entbindungsstation im Ameisenhaufen. Aber lesen Sie selbst, wie es dazu gekommen ist. Und danach, was wir Menschen unendlich Wichtiges von den in unseren Augen so nebensächlichen Insekten im Wald alles lernen können.
DIE WEISHEIT DER AMEISEN
Verrückte Geschichten beginnen meistens mit verrückten Fragen oder Aufgaben.
Der Mann, der mir eine solche Aufgabe stellen sollte, hat mit mir einen Termin in unserem Sägewerk vereinbart. Nun sitzt er da. Freundlich stellt er sich vor. Als Direktor des österreichischen Filmarchivs ist Ernst Kieninger für die Aufbewahrung und Konservierung aller historisch wertvollen Nitrofilmrollen der Alpenrepublik verantwortlich. Und er sucht eine neue Bleibe für seine kostbaren Schätze. Das alles erfahre ich, während die Maschinen des Sägewerkes bis in das Büro, bis zum Tisch, an dem wir sitzen, vibrieren und rattern.
Wie der Name schon sagt, sind Nitrofilme eine heikle Angelegenheit. Abgesehen von den Platzproblemen im bisherigen betonierten Archiv in Wien haben die aggressiven Ausgasungen der Filme auch noch den Bewährungsstahl im Beton des Gebäudes angegriffen. Nach langem, persönlichem Einsatz hat der Direktor jetzt endlich die Geldmittel für den Neubau eines Archivs per Parlamentsbeschluss zugesagt bekommen.
Erstaunt stelle ich die Frage, warum er nun ausgerechnet zu uns ins Sägewerk, sozusagen mitten ins Holz kommt. Herr Kieninger lächelt und beginnt von seinen Filmen zu erzählen. Seine Augen und der Ton seiner Stimme verraten dabei eine Begeisterung, die an einen Vater erinnert, der von seinen Kindern spricht.
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