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HORROR FACTORY: Neue Horror-Geschichten. Deutsche Autoren. Digitale Originalausgaben. Das ganze Spektrum des Phantastischen. Von Gothic bis Dark Fantasy. Vampire, Zombies, Serienmörder und das Grauen, das in der menschlichen Seele wohnt. Erscheint monatlich. Jeder Band in sich abgeschlossen. Zerschunden und unter Schmerzen erwacht Edgar Allan Poe in einem Kellerverlies. Dort trifft er auf einen geheimnisvollen Mann, der wie eine zwanzig Jahre ältere Ausgabe seiner selbst aussieht. Binnen einer Woche wird Poe als Zuschauer seiner eigenen Beerdigung beiwohnen müssen, und das ist nicht der geringste Schrecken, den die Zeit für ihn bereithält. Die Todesuhr tickt... Nächste Folge: "Rachegeist" von Christian Endres.
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Seitenzahl: 99
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HORROR FACTORY ist eine Reihe von Horror-Kurzromanen – von der klassischen Geistergeschichte über den modernen Psychothriller bis hin zur Dark Fantasy. Alle Romane sind deutsche Erstveröffentlichungen. Unter den Autoren sind sowohl bekannte Namen als auch Newcomer. Die Geschichten sind jeweils in sich abgeschlossen, auch wenn sie in einzelnen Fällen mehrere Folgen umfassen.
HORROR FACTORY wird herausgegeben von Uwe Voehl.
HORROR FACTORY erscheint vierzehntäglich.
HORROR FACTORY gibt es als E-Book und als Audio-Download (ungekürztes Hörbuch).
Wolfgang Hohlbein: Pakt mit dem Tod
Christian Endres: Crazy Wolf – Die Bestie in dir
Christian Montillon: Der Blutflüsterer
Timothy Stahl: Teufelsbrut
Uwe Voehl: Necroversum: Der Riss
Manfred Weinland: Das Grab – Bedenke, dass du sterben musst!
Michael Marcus Thurner: Die Herrin der Schmerzen
Malte S. Sembten: Der Behüter
Robert C. Marley, geboren 1971, ist Autor, Kriminalhistoriker, Goldschmiedemeister, Hersteller von Zauberrequisiten und Mitglied des Magischen Zirkels. Seit seiner Jugend liebt er Edgar Allan Poe und Sherlock Holmes und besitzt ein eigenes Kriminalmuseum. Wenn er nicht gerade schreibt, neue Zaubertricks erfindet oder in Großbritannien unterwegs ist, unterrichtet er Kinder und Jugendliche in Selbstverteidigung. Er lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in einer sehr alten Stadt in Ostwestfalen.
Die Todesuhr
ROBERT C. MARLEY
Baltimore, 8. Oktober 1849
Der Mann, der einmal Edgar Allan Poe gewesen war, stand an dem Abend, der auf seine Beisetzung folgte, auf seinen Spazierstock gestützt am Kai und sah über das schwarze Wasser zu den Schiffen hinüber, die unter dem wolkenverhangenen Himmel im Hafen von Baltimore vor Anker lagen.
Hätte ihm jemand eine Woche zuvor gesagt, er würde binnen sieben Tagen gegen eine Horde schwarzer, wurmartiger Dämonen kämpfen müssen und seiner eigenen schmucklosen Beerdigung beiwohnen, er hätte sich vermutlich halb totgelacht. Doch jetzt war ihm ganz und gar nicht nach Lachen zumute. All das war genau so geschehen. Der Kampf mit den Dämonen ebenso wie das lieblose und hastig ausgeführte Begräbnis. Er fühlte sich leer und niedergeschlagen und kam sich vor, wie eine Figur in einer seiner eigenen Erzählungen. Mit dem gesunden Menschenverstand war es nicht zu erklären. Die Würmer waren eine Sache, aber das Begräbnis hatte ihn bis ins Mark erschüttert.
Es war ein trüber, nasskalter Tag gewesen, und verborgen in der großen Menge Schaulustiger hatte er zugesehen, wie sie den schlichten Eichensarg in die Erde hinabgelassen hatten. Es waren nicht viele da gewesen, um ihn zu betrauern. Sein Cousin Neilson Poe hatte als Einziger aus seiner Familie den Weg zum presbyterianischen Westminster Friedhof gefunden. Henry Herring war dort, in Begleitung seiner Tochter Elizabeth. Collins Lee, ein ehemaliger Kommilitone von der Universität von Virginia, und Thomas Adams, der Präsident der New Yorker Versicherungsgesellschaft; wahrscheinlich nur, um sicherzugehen, dass Edgar Poe tatsächlich tot und die Auszahlung der Versicherungssumme unumgänglich war. Einige Ärzte und eine Handvoll Studenten des Washington Hospitals waren ebenfalls anwesend.
Allein sein alter Freund Doktor Snodgrass schien ihm derjenige zu sein, den Edgar Poes verfrühtes Hinscheiden wirklich traurig machte. Er hatte Tränen in den Augen.
Ein Reverend Clemm hielt die kurze Grabrede gefühllos und mechanisch. Er hatte kaum geendet, als sich die kleine Gruppe auch schon rasch zerstreute, und die Totengräber begannen, das Grab hastig zuzuschaufeln. Die ganze Zeremonie hatte nicht länger als ein paar Minuten gedauert und etwas seltsam Unwirkliches gehabt.
Das Gesicht hinter der Maskerade eines roten Vollbarts verborgen und den Zylinder tief in die hohe Stirn gezogen, wandte Poe sich ab, die Hände tief in den Taschen. Da sah er plötzlich am Rande des Grabes einen schwarzen Schatten, und das Herz schlug ihm augenblicklich bis zum Hals.
Im ersten Moment dachte er noch, es sei vielleicht doch nur der Schatten eines vorüberfliegenden Vogels gewesen, dann sah er genauer hin. Und erschrak. Ein tiefschwarzes Ding, lang und glänzend wie ein riesiger Wurm, dessen Kopf aus den Schatten des Grabes auftauchte und sich zum Licht hochreckte.
Was um Himmels willen seid ihr? Warum verfolgt ihr mich?
Nein, ein Wurm ganz sicher nicht. Poe konnte erkennen, wie das Etwas, das dünn und schwarz war wie ein Aal oder eine Schlange, direkt aus dem Grab emporkroch, sich zwischen den Beinen des Geistlichen hindurchschlängelte und mit zuckendem Schwanz hinter einem der Grabsteine verschwand.
Nein, es kroch nicht. Vielmehr schien es zu fließen! Wie ein dünnes Rinnsal Tinte, die man versehentlich ausgegossen hatte, sah es aus – nur, dass es nicht bergab, sondern bergan die dunklen erdigen Wände des Grabes hinaufzufließen schien. In seiner seltsamen Beschaffenheit erinnerte es ihn an die schwarzen, quecksilberartigen Wesen, die ihn seit einigen Tagen zu verfolgen schienen und bereits mehrfach angegriffen hatten. Es sah genauso aus, wie das Wesen, das er aus dem Maul der toten Katze in der Barnham Street hatte kriechen sehen.
Doch was ihn am meisten in Erstaunen versetzte, ja beinahe mit Entsetzen erfüllte, war die Tatsache, dass offenbar keiner der Anwesenden das Tier überhaupt zu bemerken schien.
Das Ding war so schnell aufgetaucht und wieder verschwunden, dass er sich schon Augenblicke später nicht mehr sicher war, ob ihm seine überreizten Sinne nicht doch bloß einen Streich gespielt hatten. Aber ein ungutes Gefühl blieb.
Jetzt war allerdings nicht die Zeit, sich Gedanken darüber zu machen. Es waren Aufgaben zu erledigen. Er tastete nach den Papieren in seiner Manteltasche, um sicherzugehen, dass er sich die nicht auch nur eingebildet hatte. Dann wandte er sich zum Gehen.
Er musste nach Europa reisen. Und es galt, einige Rätsel zu lösen. Etwas, worin er bislang immer sehr gut gewesen war.
Baltimore, 44 East Lombard Street, fünf Tage zuvor
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