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Kaum ist Bea mit ihrem mobilen Detektivbüro zurück in Hummelstich, erreicht sie auch schon der erste Hilferuf: Die pensionierte Dorflehrerin Wally schwört Stein und Bein, ein ausgewachsenes Krokodil in ihrem Gartenteich gesehen zu haben. Hat die ältere Dame mal wieder beim Pfefferminzlikör trinken zu tief ins Glas geschaut? Als sie wenig später tot auf ihrer Hollywoodschaukel aufgefunden wird, macht sich Panik in Hummelstich breit. Bea hat alle Hände voll zu tun, um weiteres Unheil zu verhindern und den Fall aufzuklären ...
"Das Krokodil im Gartenteich" ist der vierte Roman der neuen Regio-Krimi-Reihe "Hummelstich" von Katharina Schendel.
Zur Serie: In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt - denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf ... Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.
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Seitenzahl: 167
Cover
HUMMELSTICH – Die Serie
Über diese Folge
Die Charaktere
Über die Autorin
Titel
Impressum
1. Oh, wie schön ist Hummelstich
2. So fühlt sich Heimat an
3. Aufregung am Gartenteich
4. Ziemlich beste Freunde
5. Rendezvous mit dem Tod
6. Leichenschau am Fundort
7. Die Echse, die aus dem Fenster kroch und verschwand
8. Hilfe, ein Krokodil!
9. Eine falsche Schlange
10. Wer bin ich und wenn ja, wie viele?
11. Ein Hauch von Lavendel
12. Nur ein totes Krokodil ist ein gutes Krokodil
13. Ein unerwartetes Wiedersehen
14. Ein Missgeschick kommt selten allein
15. Wilde Träume
16. Im Sumpf des Verbrechens
17. In der Ruhe liegt die Kraft
18. Eine verlockende Falle
19. Der starke Arm des Gesetzes
20. Alle Mörder sind schon da
21. Alte Bekannte und neue Freunde
Rezept: Kalte Hummeln
In der nächsten Folge
Leseprobe
In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt – denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf … Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.
Kaum ist Bea mit ihrem mobilen Detektivbüro zurück in Hummelstich, erreicht sie auch schon der erste Hilferuf: Die pensionierte Dorflehrerin Wally schwört Stein und Bein, ein ausgewachsenes Krokodil in ihrem Gartenteich gesehen zu haben. Hat die ältere Dame mal wieder beim Pfefferminzlikör trinken zu tief ins Glas geschaut? Als sie wenig später tot auf ihrer Hollywoodschaukel aufgefunden wird, macht sich Panik in Hummelstich breit. Bea hat alle Hände voll zu tun, um weiteres Unheil zu verhindern und den Fall aufzuklären …
Bea von Maarstein, 66 Jahre, kosmopolitische Hobbydetektivin, verwitwet, schrill, exzentrisch, lebensfroh, erbt in Hummelstich das Haus ihrer besten Freundin Henrietta von Eichhorn, fährt einen alten Bücherbus, den sie zu einem mobilen Detektivbüro umbaut.
Dr. Jekyll, Beas persönlichkeitsgestörter Papagei, ein hellroter Ara, smart und kratzbürstig, äußerst sprachbegabt.
Sven Grüneis, 33 Jahre, Dorfpolizist und Landwirt, verheiratet, lebt mit seiner Familie in einem großen Bauernhaus, naiv, pflichtbewusst und stets korrekt, hat das Herz am rechten Fleck.
Borwin Wandelohe, 59 Jahre, Halbspanier, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Friseurskunst, quirlig, fröhlich, verbreitet stets gute Laune, exzellenter Hobbykoch, begeisterter Theater- und Zirkusfan, liebt es sich zu verkleiden.
Kurt Pfeiffer, 58 Jahre, geschieden, ehemaliger Kommissar der Bad Frankenberger Mordkommission, vorzeitig pensioniert, lebt auf Rügen, wo er Ölgemälde malt.
Katharina Schendel wurde an der Küste geboren, hat fränkische Vorfahren und mag alles, was schief ist. Nach ihrer Schulzeit verbrachte sie mehrere Jahre in Metropolen wie Tokio und London. Heute lebt sie mit ihrer Familie in einer thüringischen Kleinstadt und geht mit Leidenschaft dem Schreiben von Kriminalromanen nach.
Das Krokodil im Gartenteich
beTHRILLED
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Dorothee Cabras
Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer
Covergestaltung: Guter Punkt GmbH Co. KG unter Verwendung von Motiven von © artJazz/gettyimages; anankkml/gettyimages; alvarez/istockphoto; Lebazele/istockphoto; GlobalP/istockphoto; tiler84/istockphoto; onepony/gettyimages; kirpad/gettyimages
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7517-0752-7
Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erscheinenden Werkes »Tote brauchen kein Shampoo« von Eva Link.
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Ein honigsüßer Duft lag in der Luft. Die Julisonne thronte hoch am Himmel, und dank der kräftigen Niederschläge der vergangenen Tage schlug die Natur Purzelbäume. Alles grünte und blühte. Jedes Molekül, jede Faser strahlte die Lebendigkeit des Sommers aus. Leuchtend gelbe Sonnenblumen streckten ihre Köpfe den Dächern der niedlichen kleinen Häuser entgegen. In den Beeten gediehen üppige Hortensien und Dahlien, Löwenmäulchen und Gladiolen und auf den Wiesen warteten Klatschmohn, Butterblumen und Wegwarte mit dem gesamten Farbspektrum eines Regenbogens auf. Myriaden von Insekten umschwirrten emsig die bunte Blumenpracht. Hummelstich, die kleine Gemeinde am Fuße des Kyffhäusergebirges, zeigte sich auch an diesem Montagnachmittag wieder von seiner schönsten Seite.
Wachstum und Gedeihen waren dabei nicht allein auf die Vegetation begrenzt. Auch die Bewohner des charmanten Ortes pflanzten sich seit einiger Zeit wieder vermehrt fort. Wo noch vor wenigen Jahren die hoffnungslos überalterte Bevölkerung ein echtes Problem dargestellt hatte und das Wort »Greisendorf« bereits in aller Munde gewesen war, erlebte Hummelstich nun einen regelrechten Babyboom. Munteres Säuglingsgebrabbel erfüllte den Ort, und auf dem kleinen Spielplatz hinter dem Gemeindehaus, der vor Kurzem erst renoviert und erweitert worden war, tummelten sich immer mehr fröhliche Kinder.
Die Hummelstichler – zumindest die meisten – hatten also allen Grund, das Leben zu feiern, und genau das taten sie auch. Sie liebten ihr Dorf, und sie hegten und pflegten es mit solcher Inbrunst, dass es eine Freude war. Mit ihrem handwerklichen wie gärtnerischen Geschick und ihrer Liebe zum Detail hätten sie jeden Wettbewerb um das schönste Dorf Deutschlands mühelos gewinnen können. Vor allem aber – da waren sich die Hummelstichler einig – lebte es sich hier ganz ausgezeichnet.
Inmitten der Idylle ihres wunderschönen Gartens saß an diesem Nachmittag Wally Rosenstock auf ihrer Hollywoodschaukel, ließ die Beine baumeln und nippte an einem Glas Pfefferminzlikör. Seit ihrer Pensionierung vor knapp drei Jahren genehmigte sie sich immer mal wieder das ein oder andere Schlückchen. Insbesondere der süße wie auch erfrischende Minzlikör, den sie aus ihren selbst gezogenen Kräutern herstellte, hatte es ihr angetan.
Während sie dem herrlichen Geschmack nachspürte, der sich auf ihrer Zunge entfaltete, wanderte ihr Blick über die mit Margeriten und Hahnenfuß bewachsene Wiese bis hin zu dem kleinen Gartenteich, auf dem ein Dutzend Seerosen schwammen. Eine bläulich schimmernde Libelle schwebte über dem Wasser, und ein Orchester sangesfreudiger Zikaden, die sich im Gras und in den Hecken verteilt hatten, stimmte ein Lied an.
Zufrieden angelte sich Wally eine Kalte Hummel von ihrem Teller und biss genüsslich hinein. Die leckere Süßspeise war eine Abwandlung des bekannten Lukullus oder auch Kalten Hundes. Wally hatte sie vor einigen Jahren selbst kreiert und bereits mehrere regionale Backwettbewerbe damit gewonnen. Im Hummelstichler Landfrauenverein hatte sie es sogar schon mal zur »Landfrau des Jahres« geschafft – eine Ehrung, auf die sie ganz besonders stolz war.
Das Geräusch einer Fahrradklingel riss sie aus ihren Gedanken. »Hallo, Frau Rosenstock!«
Sie wandte den Kopf in Richtung des Gartentores, vor dem ein junger, schlaksiger Postbote mit einem schwarz-gelben Fahrrad stand.
»Hallo, Kevin.« Sie winkte dem Mann zu, der daraufhin das Rad an den Zaun lehnte, das Tor öffnete und in den Garten trat. »Hast du was für mich?«
Der Mann wedelte eifrig mit einem Umschlag in der Luft herum. »Ja, einen Brief von Ihrer Tochter.« Er bahnte sich einen Weg durch den sprießenden Garten und überreichte ihr den Brief.
»Das ist aber eine Überraschung«, rief Wally beschwingt, obwohl das gar nicht stimmte, da sie sich regelmäßig mit ihrer Tochter schrieb. »Ach, und nenn mich nicht immer ›Frau Rosenstock‹. Jetzt, wo ich schon so lange nicht mehr deine Lehrerin bin, kannst du mich auch ›Wally‹ nennen.«
Sie hatte Kevin vor mehr als zehn Jahren in der Realschule in Bad Frankenberg unterrichtet. Er war zwar nie die hellste Kerze gewesen, doch hatte er sich dafür mit einem gutmütigen und hilfsbereiten Charakter hervorgetan. Er war ein lieber Junge, und sie freute sich immer, ihn zu sehen. Seitdem er vor etwas mehr als vier Wochen seinen Dienst als Postbote angetreten hatte, schaute er fast täglich bei ihr vorbei.
»In Ordnung, Frau Rosen… – äh, ich meine … Wally.« Kevin lächelte schief.
»Trinkst du ein Gläschen Likör mit mir?«, fragte Wally und fächerte sich mit dem Brief etwas Luft zu, bevor sie ihn neben sich auf die Hollywoodschaukel legte.
»Aber nein«, antwortete Kevin wie aus der Pistole geschossen. »Ich bin doch im Dienst.«
»Zu schade«, sagte Wally. Sie nahm ihr Glas, das noch etwa zur Hälfte gefüllt war, und ließ sich das dunkelgrüne Gesöff andächtig durch die Kehle rieseln.
Kevin leckte sich über die Lippen und trat von einem Bein aufs andere. »Allerdings habe ich schon den ganzen Tag so ein merkwürdiges Kratzen im Hals, und ich weiß wirklich nicht, was ich dagegen machen soll. Echt nervig.«
Ein zufriedenes Lächeln erschien auf Wallys Gesicht. »Na, da ist mein Minzlikör doch genau das Richtige. Genau genommen ist es ja sowieso die reinste Medizin.« Sie öffnete einen kleinen, in den Tisch integrierten Schrank und zauberte ein weiteres Likörglas daraus hervor.
»Aber nur einen winzigen Schluck«, rief Kevin eilig und ließ sich auf einen zierlichen Gartenstuhl fallen, der gleich neben dem Tisch stand.
»Keine Sorge.« Wally zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Ich werde es niemandem verraten.« Sie füllte das Glas und drückte es dem jungen Mann in die Hand. Dann schenkte sie sich ebenfalls ein. »Prost.«
»Ex und hopp«, rief Kevin, setzte das Glas an die Lippen und leerte es in einem Zug.
Wally hingegen trank so genüsslich langsam, dass sich alle Aromen in ihrem Mund voll entfalten konnten. Sie warf dem jungen Postboten einen neugierigen Blick zu. »Irgendwelche Neuigkeiten im Dorf?« Es war nicht das erste Mal, dass sie ihm diese Frage stellte.
Kevin nickte beflissen und rutschte aufgeregt auf dem Stuhl hin und her. »Stellen Sie sich vor: Graf Dracula hat einen parfümierten Brief bekommen. Ohne Absender!«
Mit »Graf Dracula« war der Bestatter Ferdinand Ruhe gemeint. Seine blasshäutige und aristokratische Erscheinung sowie der Umstand, dass er aufgrund einer Allergie die Sonne meiden musste und sich beinahe ausschließlich in abgedunkelten Räumen aufhielt, hatten ihm diesen Spitznamen eingebracht.
Wallys Augen leuchteten vor Begeisterung, wie immer wenn es um den Klatsch und Tratsch über ihre Mitmenschen ging. »Poststempel?«
»Von Bad Frankenberg«, verkündete Kevin leichtfertig, als hätte sie ihn nach dem Ergebnis einer Mathematikaufgabe gefragt. »Abgestempelt vor drei Tagen.«
»Hm. Ein Liebesbrief aus Bad Frankenberg«, überlegte Wally. »Was Frieda wohl davon hält?«
Der junge Postbote kratzte sich am Kinn. »Frieda Feigenbaum? Die Frau des Apothekers?«
Wally nickte. »Auch wenn sie es vehement leugnet, jeder hier im Dorf weiß, dass sie in Ferdinand Ruhe verliebt ist.« Sie griff nach der Flasche und schenkte ihnen beiden Likör nach. Kevin ließ es widerspruchslos geschehen. »Sie hatten vor einiger Zeit ein Techtelmechtel, aber dann ist sie wieder zu ihrem Mann zurückgegangen«, erklärte Wally.
Sie stießen miteinander auf ihr Wohl an und tranken.
»Dem Apotheker habe ich heute übrigens ein Einschreiben von einer Lotterie zugestellt«, berichtete Kevin weiter.
Wally atmete tief den Duft der Pfefferminze ein. »Interessant. Dann spielt er also noch immer.«
»Und er scheint gewonnen zu haben«, sagte Kevin und lehnte sich entspannt im Stuhl zurück.
Ein Ausdruck der Abneigung huschte über Wallys Gesicht. »Tja, aber da er spielsüchtig ist, wird er seinen Gewinn vermutlich gleich wieder für neue Spiele ausgeben.«
Ein zitronengelber Schmetterling kam angeflattert und ließ sich auf der Tischdecke nieder. »Da wird seine Frau sicher nicht besonders glücklich darüber sein«, sagte Kevin, und Wally stimmte ihm zu.
»Mit den beiden wird es sowieso kein gutes Ende nehmen«, sagte sie und schüttelte sich, als könnte sie die Gedanken an das ungleiche Paar dadurch schnell wieder loswerden. »Was gibt es sonst noch?«
Kevin dachte kurz nach. »Dem Dorfpolizisten habe ich ein großes Paket von der Firma Storchennest geliefert.«
Nun strahlte Wally wieder. »Das sind aber mal wirklich gute Neuigkeiten! Dann erwarten Sven und Sara wieder Nachwuchs, und die kleine Lotta bekommt ein Geschwisterchen. Ach, wie schön!« Sie klatschte vergnügt in die Hände. »Unsere Gemeinde wird wirklich immer größer.«
Kevin reckte den Zeigefinger in die Höhe. »Oh, und für Friseurmeister Wandelohe gab es letzte Woche eine Postkarte aus Rügen.«
»Rügen?« Wally runzelte die Stirn. »Steckt da nicht Bea zurzeit?« Sie dachte an die exzentrische Hobbydetektivin Bea von Maarstein, die in Hummelstich ordentlich Staub aufgewirbelt hatte. Ganz dunkel glaubte sie sich zu erinnern, dass Bea bei ihrem Abschied vor drei Monaten Rügen als ein mögliches Reiseziel erwähnt hatte. Aufgeregt nestelte Wally am Kordelband ihrer Tunikabluse herum. »Sag mal, du hast nicht zufällig einen kurzen Blick auf die Nachricht geworfen?«
»Rein zufällig schon«, gab Kevin unumwunden zu. »Ja, die Karte war tatsächlich von dieser Bea, und sie hat geschrieben, dass sie Heimweh nach ihren Freunden hat und bald wieder zurück nach Hummelstich kommen wird.«
»Tja … so was aber auch.« Wally seufzte leise. »Wenn ich ganz ehrlich bin, dann weiß ich nicht, ob ich mich darüber freuen oder ich mich davor fürchten soll.« Sie hob abwehrend die Hände. »Bitte versteh mich nicht falsch, ich mag Bea. Sie ist eine tolle Frau und ein Gewinn für das Dorf, aber … wann immer sie hier auftaucht, passiert nach kurzer Zeit irgendein furchtbares Verbrechen. Vorzugsweise irgendein Mord.«
Kevin lächelte verschmitzt. »Das kann doch aber nur ein Zufall sein.« Er legte den Kopf leicht schief. »Und fürchten brauchen Sie sich schon gar nicht. Wer sollte Sie denn ermorden wollen? Sie sind doch bei allen beliebt.«
»Du bist ein guter Junge«, sagte Wally und lächelte dankbar. »Leider sind nicht alle so wie du.« Erneut griff sie nach der Flasche, um die kleinen Likörgläser ein weiteres Mal aufzufüllen. Doch dieses Mal winkte Kevin entschieden ab. »Danke, für mich nichts mehr. Meinem Hals geht es auch schon viel besser. Und ich muss langsam wirklich wieder los.«
Er stand auf, schüttelte Wally die Hand und winkte ihr zum Abschied. »Dass die Menschen sich in Zeiten von WhatsApp überhaupt noch so viele Briefe schreiben, finde ich echt kurios«, rief er ihr noch zu, bevor er auf sein Fahrrad stieg und davonradelte.
Gedankenversunken beobachtete Wally den zitronengelben Schmetterling, der noch immer auf dem weißen Tischtuch saß und von Zeit zu Zeit kurz mit den Flügeln zuckte. Klar konnte man auch über WhatsApp oder Gott weiß was miteinander kommunizieren, aber gab es etwas Schöneres als einen handgeschriebenen Brief? Sie selbst pflegte nur zu gern dieses Ritual und schrieb sich mit Freunden und Familienmitgliedern. Viele hier in Hummelstich taten das. Vielleicht, dachte Wally und schmunzelte, ist ja auch das häufige Briefeschreiben eine Eigenart der Bewohner von Hummelstich.
Sie nahm den Umschlag, den sie neben sich auf der Hollywoodschaukel abgelegt hatte, und öffnete ihn. Voller Vorfreude zog sie ein gefaltetes Büttenpapier und mehrere aktuelle Fotos ihrer Enkelkinder heraus. Sie las die Nachricht von ihrer Tochter und betrachtete die Bilder. Die Kinder sahen glücklich aus, und es ging ihnen gut – das war alles, was zählte. Auch wenn die Entfernung zwischen ihnen groß war und sie die ganze Rasselbande schmerzlich vermisste, so fühlte sie sich doch mit ihnen verbunden.
Mehr als einmal hatte ihre Tochter ihr angeboten, dass sie zu ihnen in die Großstadt ziehen könnte, doch für Wally kam das nicht infrage. Einen alten Baum verpflanzt man nicht.
Sie nippte an ihrem Minzlikör und besah sich die herrliche Blütenpracht. Nirgendwo war es so schön wie hier. Nirgendwo gediehen die Blumen so prächtig. Nirgendwo fühlte sie sich so sehr zu Hause. So sehr wohl.
Wenn jemand wusste, was Sesshaftigkeit bedeutete, dann war das Wally. Sie hatte ihr ganzes Leben in diesem Dorf verbracht. Hier war sie geboren worden, und hier würde sie eines Tages auch ihren letzten Atemzug tun. Freiwillig würde sie jedenfalls nicht mehr den Fuß über die Grenze des Dorfes setzen.
Ihr Blick glitt durch den Garten bis zu der Libelle, die noch immer über dem Teich schwebte. Aber was war das? Da, genau in der Mitte des Teiches ragte doch etwas zwischen den Seerosen hervor! Etwas, das vorher definitiv nicht dort gewesen war.
Wally richtete sich kerzengerade auf und streckte den Hals, um dieses Etwas besser erkennen zu können. Was war das nur? Großer Gott, war das ein Tier? Bewegte es sich etwa? Das … nein, das … das konnte doch nicht sein! Panik durchflutete ihren Körper. Was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Ihr stockte der Atem, und ihr Herzschlag setzte kurz aus. Sie wollte schreien, doch sie brachte keinen Ton heraus.
Bea von Maarstein steuerte zielstrebig auf das kleine Dorf zu. Schon konnte sie in der Ferne die ersten malerischen Häuser und Bauernhöfe erkennen. Noch etwas weiter entfernt ragte der spitze Turm der Kirche empor. Lächelnd registrierte sie das typisch holprige Pflaster, die mächtigen Laubbäume und die wunderschönen blumenbewachsenen Wiesen. Links der schmalen Straße erkannte sie den großen Rübenacker, aus dem die saftigen Blätter der Rübenpflanzen ragten. Rechts die weitläufigen Koppeln, auf denen glücklich muhende Kühe weideten. Mit jeder Sekunde kam sie ihrem heiß geliebten Hummelstich näher. Sie trat aufs Gaspedal, während ihr Herzschlag sich beschleunigte.
»Tummel dich! Nach Hummelstich!«, krächzte Dr. Jekyll, der wie ein Wackeldackel auf dem Armaturenbrett saß und quietschvergnügt aus der Windschutzscheibe schaute. Der sprachbegabte hellrote Ara war alles, nur kein gewöhnlicher Vogel, und seit Neuestem gefiel es ihm, hin und wieder vor sich hin zu reimen. Ein ausgesprochen liebenswerter Spleen, fand Bea. Auf jeden Fall hundert Mal besser als die nervigen Persönlichkeitsspaltungen, mit denen er sich in der Vergangenheit immer herumgeschlagen hatte.
Aufgrund einer Fehlprägung als Jungvogel hatte er sich jahrelang für einen Menschen gehalten und war darüber hinaus in seiner eigenen Vorstellung mal ein Sphinx, mal ein Weihnachtsengel gewesen. Seitdem Dr. Jekyll jedoch erkannt hatte, dass er in Wirklichkeit ein Papagei war, machten sich diese psychischen Störungen nur noch sehr selten bemerkbar.
Bea umfasste das Lenkrad mit beiden Händen und trat das Gaspedal voll durch. Ihr fahrbarer Untersatz, der nun kein Bücherbus mehr, sondern ein mobiles Detektivbüro war, hatte ihr in den letzten Monaten wieder jede Menge guter Dienste erwiesen. Es war schon erstaunlich, wo die Menschen überall eine Privatermittlerin brauchten. Ob in Holland, Dänemark oder auf der schönen Insel Rügen – ihre Hilfe war jedes Mal gefragt gewesen. Und zweifellos würde sie auch hier in Hummelstich wieder Verwendung für ihre fahrbare Detektei finden. Denn hier in der idyllischen Provinz – das wusste Bea aus Erfahrung – gönnte ihr das Verbrechen sowieso keine Pause.
Kurz bevor Bea das Ortseingangsschild passierte, kam ihr ein verbeulter, weißer Lieferwagen mit vollem Karacho entgegengedonnert. Um eine Kollision zu vermeiden, drosselte sie augenblicklich die Geschwindigkeit und lenkte den Bus so weit wie möglich an den rechten Straßenrand. Trotz des enormen Tempos, in dem der kastenförmige Wagen an ihr vorbeibretterte, konnte sie die auffällige Werbeaufschrift darauf gut erkennen. Recycle-Bübling – Wir entsorgen alles!, stand in großen dunkelblauen Buchstaben quer über die Karosserie geschrieben.
Das ist mal ’ne Ansage, dachte Bea, und ihr zweiter Gedanke war, ob man die Firma auch kontaktieren konnte, wenn man eine Leiche loswerden musste. Für sie als Detektivin schien das jedenfalls eine naheliegende Frage zu sein.
Als sie auf die Schotterpiste einbog, die zum Grundstück von Familie Grüneis führte, verblassten diese Überlegungen schnell wieder. Stattdessen malte sie sich das bevorstehende Wiedersehen mit ihren Freunden in den schönsten Farben aus. Wie es Sven, Sara und auch Borwin in der Zwischenzeit wohl ergangen war? Ob die zweijährige Lotta sie nach all der Zeit überhaupt wiedererkennen würde? Und ob der treue Familienhund Krümel noch immer so ein knuffiges und fideles Kerlchen war?
Mit vor Ungeduld klopfendem Herzen hielt sie vor dem großen Bauernhaus an. Sara und Borwin standen bereits Spalier und winkten ihr fröhlich zu. Sven jedoch befand sich etwas abseits in der Nähe der Ställe. Er presste sich sein Smartphone ans Ohr und kickte einen kleinen Stein beiseite. Dazu machte er ein fürchterlich ernstes Gesicht.
Ob es bei dem Gespräch um etwas ging, das seine Arbeit als Dorfpolizist betraf? Oder war es eine Angelegenheit für ihn als Landwirt? Da er beide Tätigkeiten zu gleichen Teilen ausübte, wusste man das nie so genau.
Bea drückte einen Knopf, woraufhin sich die Tür des Busses mit einem lauten Zischen öffnete. Sie setzte sich ihren Papagei auf die Schulter, nahm ihren Seesack, der ihr als Reisetasche diente, und hüpfte leichtfüßig ins Freie hinaus. Ein süßer Duft nach Waldmeister und Jasmin kitzelte ihre Nase, und sie fühlte sich so fit wie schon lange nicht mehr. Heute war so ein Tag, da spürte sie ihr Alter nicht. Heute war sie keine sechsundsechzig Jahre alt. Heute war sie keinen Tag älter als zwanzig!
Sara breitete beschwingt die Arme aus. »Willkommen zu Hause, liebe Bea! Schön, dass du wieder da bist.« Die beiden Frauen umarmten sich herzlich.