Hummelstich - Mord unterm Tannenbaum - Katharina Schendel - E-Book
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Hummelstich - Mord unterm Tannenbaum E-Book

Katharina Schendel

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Beschreibung

Drei Tage vor Heiligabend wird unter dem Weihnachtsbaum auf dem Dorfanger ein toter Mann gefunden - hübsch in Geschenkpapier gewickelt und mit einer goldenen Schleife verziert. Auch im Gemeindesaal, in dem eine neue Version des Krippenspiels aufgeführt werden soll, liegt ein ähnlich grausiges Präsent. Hobbydetektivin Bea von Maarstein begibt sich gemeinsam mit dem Dorfpolizisten Sven Grüneis und ihrem Papagei auf eine nervenaufreibende Mörderjagd.

"Mord unterm Tannenbaum" ist der dritte Roman der neuen Regio-Krimi-Reihe "Hummelstich" von Katharina Schendel.

Zur Serie: In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt - denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf ... Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!




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Inhalt

Cover

HUMMELSTICH – Die Serie

Über diese Folge

Die Charaktere

Über die Autorin

Titel

Impressum

Zitat

1. Leise rieselt der Schnee

2. Grausige Bescherung

3. Alle Jahre wieder

4. Spuren im Schnee

5. Tannenglück

6. Ihr Hirten, erwachet!

7. Es ist für uns eine Zeit angekommen

8. Wer hat Angst vorm Weihnachtsmann?

9. Kling, Glöckchen, klingelingeling

10. Schöner morden im Advent

11. Morgen, Kinder, wird’s was geben

12. Guten Abend, schön Abend, es weihnachtet schon

13. Morgen kommt der Weihnachtsmann

14. Brich an, du schönes Morgenlicht

15. Oh, es riecht gut, oh, es riecht fein

16. Der falsche Weihnachtsmann

17. Vom Himmel hoch, da komm ich her

18. So viel Heimlichkeit in der Weihnachtszeit

19. Dezemberträume

20. Schneeflöckchen, Weißröckchen

21. Süßer die Glocken nie klingen

22. Der Geist der Weihnacht

23. Ich steh an deiner Krippe hier

24. O du fröhliche

Epilog

Rezept: Honigkipferl

In der nächsten Folge

HUMMELSTICH – Die Serie

In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt – denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf … Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.

Über diese Folge

Drei Tage vor Heiligabend wird unter dem Weihnachtsbaum auf dem Dorfanger ein toter Mann gefunden – hübsch in Geschenkpapier gewickelt und mit einer goldenen Schleife verziert. Auch im Gemeindesaal, in dem eine neue Version des Krippenspiels aufgeführt werden soll, liegt ein ähnlich grausiges Präsent. Hobbydetektivin Bea von Maarstein begibt sich gemeinsam mit dem Dorfpolizisten Sven Grüneis und ihrem Papagei auf eine nervenaufreibende Mörderjagd.

Die Charaktere

Bea von Maarstein, 63 Jahre, kosmopolitische Hobbydetektivin, verwitwet, schrill, exzentrisch, lebensfroh, erbt in Hummelstich das Haus ihrer besten Freundin Henrietta von Eichhorn, fährt einen Bücherbus.

Dr. Jekyll, Beas persönlichkeitsgestörter Papagei, ein hellroter Ara, smart und kratzbürstig, hält sich aufgrund einer Fehlprägung als Jungvogel für einen Menschen.

Sven Grüneis, 30 Jahre, Dorfpolizist und Landwirt, naiv und unerfahren, pflichtbewusst und stets korrekt, hat das Herz am rechten Fleck.

Borwin Wandelohe, 56 Jahre, Halbspanier, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Friseurkunst, quirlig, fröhlich, verbreitet stets gute Laune, exzellenter Hobbykoch, begeisterter Theater- und Zirkusfan, liebt es sich zu verkleiden.

Kurt Pfeiffer, 55 Jahre, Kommissar der Bad Frankenberger Mordkommission, leitet die Ermittlungen, leidet unter zahlreichen Phobien, möchte am liebsten nichts mit dem Fall zu tun haben.

Über die Autorin

Katharina Schendel wurde an der Küste geboren, hat fränkische Vorfahren und mag alles, was schief ist. Nach ihrer Schulzeit verbrachte sie mehrere Jahre in Metropolen wie Tokio und London. Heute lebt sie mit ihrer Familie in einer thüringischen Kleinstadt und geht mit Leidenschaft dem Schreiben von Kriminalromanen nach.

Mord unterm Tannenbaum

beTHRILLED

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dorothee Cabras

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Guter Punkt, München

Unter Verwendung von Motiven von © artJazz/gettyimages; LeManna/gettyimages; Michael Utech/istockphoto; Volokhatiuk/istockphoto

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-0152-5

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Leise rieselt der Schnee.Still und starr ruht René.Weihnachtlich glänzet der Wald.

1. Leise rieselt der Schnee

21. Dezember, drei Tage vor Heiligabend

Es hatte wieder zu schneien begonnen. Hummelstich, die kleine Gemeinde am Fuße des Kyffhäusergebirges, erstrahlte in weihnachtlichem Glanz. Die Menschen hatten ihre Häuser mit bunten Lichtern, Sternen und Zweigen geschmückt und zahlreiche Schneefiguren – kleine, große, dicke und dünne – in ihren Vorgärten errichtet. Aus der Ferne sah der Ort beinahe wie ein winterliches Spielzeugdorf aus, das im Inneren einer Schneekugel steckte.

Auch auf dem Dorfanger war – wie nicht anders zu erwarten – alles ruhig und friedlich. Es gab niemanden, der zankte. Niemanden, der auf Krawall aus war. Hier herrschte nichts als Harmonie, und diese war so allgegenwärtig, dass sie die gesamte Ortschaft in einen goldenen Schimmer hüllte.

Erst gegen Nachmittag fegte ein frostiger Wind heran und wirbelte den frisch gefallenen Schnee auf. Der Ruf einer Eule drang vom nahen Wald herüber, und zwei Wildkaninchen hoppelten in blinder Panik querfeldein. Kurz darauf stapfte eine große, gebeugte Gestalt vorbei und hinterließ tiefe Spuren im Schnee. Den Kragen des purpurroten Mantels hochgeschlagen und die dicke Zipfelmütze leicht schief auf dem Kopf, zog die Gestalt einen Schlitten hinter sich her, auf dem ein prall gefüllter Sack thronte.

In den folgenden Minuten schneite es so stark, dass sich die Flocken wie ein Vorhang um das Geschehen legten. Darum sah auch niemand, dass der grobe Leinensack an einer Stelle leicht beschädigt war. Es war bloß ein kleines Loch, nicht größer als eine Zwei-Euro-Münze, das selbst bei guter Sicht kaum aufgefallen wäre. Und da es niemand sah, bemerkte auch niemand, dass etwas daraus hervorragte. Man hätte sich schon direkt darüberbeugen müssen, um erkennen zu können, dass es sich dabei um den Teil eines menschlichen Körpers handelte. Ein großer Zeh, um genau zu sein.

Während draußen die Schneeflocken tanzten, war das Haus von Sven und Sara Grüneis von wohliger Behaglichkeit erfüllt. Unzählige Lichter sorgten für ein stimmungsvolles Ambiente. Überall gab es flauschige Kissen und Decken, in die man sich einkuscheln konnte. Es duftete nach Kiefernholz, Braten und Zimt. Das Lachen eines Kindes drang durch die Räume. Irgendwo bimmelte ein Schellenglöckchen.

Bea von Maarstein blickte zu dem prasselnden Kaminfeuer hinüber und fröstelte. Sie zog sich den kribbelbunten Wollschal enger um die Schultern und griff nach einer der Decken, um sich darin einzuwickeln. Es war nicht jene Art von Frösteln, die mit einer Erkältung einherkam, sondern eine, die von einer üblen Vorahnung ausgelöst wurde. Dieses seltsame Gespür für Unheil war für Bea nicht neu, im Gegenteil, in den vergangenen sechsundsechzig Jahren ihres bisherigen Lebens hatte sie nur allzu oft ihre Erfahrungen damit gemacht. Und wie jedes Mal war dieses ungute Gefühl auch heute völlig unerwartet aufgetaucht.

Bislang war der Tag jedenfalls sehr fröhlich und unbeschwert verlaufen. Sie hatte gemeinsam mit Sven und Sara das Haus mit Lichtern, Kugeln und grünen Zweigen dekoriert. War mit Krümel, dem Hund der Grüneis’, durch den verschneiten Winterwald gelaufen. Hatte mit der knapp zweijährigen Lotta eine Schneeballschlacht angezettelt und später Borwin beim Kochen geholfen. Nun saßen sie alle an dem großen Esstisch in der Wohnküche von Familie Grüneis und genossen das exzellente Mahl, das Borwin für sie zubereitet hatte.

»Ich freue mich so, dass wir die Feiertage diesmal gemeinsam verbringen werden«, sagte Sara. Ihre Augen leuchteten noch heller als die Flammen der vier Kerzen, die in der Mitte des Tisches standen.

Alle nickten zustimmend, doch niemand brachte einen Ton über die Lippen. Dies war der Vorspeise, einer aromatischen Wildpastete, geschuldet, die so vorzüglich schmeckte, dass sich alle den Mund damit vollstopften. Sogar Krümel und Lotta mümmelten leise vor sich hin.

»Von mir aus könnte es immer so sein«, durchbrach Sven schließlich die gefräßige Stille.

Bea nahm einen kräftigen Schluck Rotwein. »Hauptsache, es kommt uns nicht wieder ein Mordfall dazwischen.«

»Ach was, bestimmt nicht.« Sara machte eine wegwerfende Handbewegung. »Weihnachten ist doch das Fest der Liebe.«

Bea zupfte nervös an ihrem Ohrring. »Dein Wort in Gottes Gehörgang.«

»Entspann dich, Bea«, sagte Sven und schüttelte lächelnd den Kopf. Zwar war er als Dorfpolizist mit menschlichen Abgründen vertraut, doch er hielt nicht viel davon, den Teufel an die Wand zu malen. Schon gar nicht drei Tage vor Heiligabend. »Ernsthaft, hör bitte auf, dir immer so viele Sorgen zu machen. Die Leute sitzen doch jetzt alle zu Hause, zusammen mit ihren Liebsten. Sie singen Lieder, trinken Glühwein und backen Plätzchen.«

Es soll ja Weihnachtslieder geben, die einen in den Wahnsinn treiben können, dachte Bea und versuchte, die Erinnerung an Last Christmas und ähnliche Schnulzen,bei denen sich ihr jedes Mal die Nackenhaare aufstellten, abzuschütteln. Der Gedanke an den erwähnten Alkohol beruhigte sie genauso wenig, war er doch bekannt dafür, Hemmungen zu eliminieren und negative Emotionen eher zu verstärken als zu dämpfen. Und beim Plätzchenbacken kamen einem sowieso die mörderischsten Einfälle. Zumindest war dies ihre persönliche Erfahrung.

»Und sie essen Gänsebraten«, fügte Borwin zu Svens Argumentation hinzu. »Das dürfen wir nicht außer Acht lassen.« Er sprintete zum Ofen und spähte durch die Glasscheibe, wobei er sich mehrmals die Lippen leckte.

»Richtig«, pflichteten Sven und Sara ihm einstimmig bei.

Bea aber ließ auch dieser Einwand vollkommen kalt. In ihren Augen gab es kaum etwas Barbarischeres, als einem fröhlich schnatternden Federvieh den Kopf abzuhacken. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte, das war ein brutaler, grausamer Akt, auch wenn der Braten schlussendlich noch so gut schmeckte.

Borwin tänzelte um den Tisch herum, dicht gefolgt von Lotta und Krümel, die sich wie die Schneekönige über den plötzlichen Ausbruch körperlicher Ertüchtigung freuten. »Sehen wir es doch mal so«, sagte Borwin, während er mit einer Hand das Kind tätschelte und mit der anderen den Hund kraulte. »Wenn der Bauch voll ist, ist man zufrieden. Und wer zufrieden ist, der mordet nicht.«

»Bravo.« Sven applaudierte und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd. »Genau auf den Punkt gebracht. Besser hätte ich es auch nicht sagen können.«

Bea biss sich auf die Unterlippe. Zugegeben, da war was dran. Wenn ein Magen mit Verdauen beschäftigt ist, kann das Gehirn nur mit halber Kraft laufen. Andererseits musste man als Mörder ja nicht zwangsweise die hellste Leuchte sein. Sie seufzte leise. Wie gern hätte sie sich zurückgelehnt und die gemütliche Atmosphäre im Kreise ihrer Freunde genossen! Doch sie kannte die Signale ihres Körpers nur zu gut. Das Frösteln. Das Kribbeln in den Fingerspitzen. Der beschleunigte Herzschlag. Das dumpfe Summen in den Ohren. Da lag was in der Luft. Eindeutig. Etwas, das offenbar kein anderer wahrzunehmen vermochte. Nein, halt, das war nicht ganz richtig. Es gab noch jemanden, der es fühlen konnte. Jemanden, der die Gabe oder den Fluch, je nachdem aus welchem Blickwinkel man es betrachtete, ebenfalls besaß.

Bea drehte den Kopf und schaute zur Fensterbank, von wo aus einem Stapel aus Kissen und Decken ein leises Schnarchen zu vernehmen war. Ihr Papagei Dr. Jekyll, der am Abend zuvor in einen großen Tonkrug mit lauwarmem Punsch gefallen war, schlief dort noch immer seinen Rausch aus. Mit seiner außergewöhnlichen Pfiffigkeit und seinem kriminalistischen Geschick hatte der hellrote Ara schon in so mancher ihrer gemeinsamen Mordermittlungen den entscheidenden Hinweis geliefert. In seinem jetzigen Zustand war er jedoch keine große Hilfe.

»Wie laufen eigentlich die Proben fürs Krippenspiel?«, wechselte Sven rasch das Thema. Er hoffte inständig, dass Bea die leidige Angelegenheit potenzieller Kapitalverbrechen auf sich beruhen lassen würde. Er hatte keine Lust, sich die weihnachtliche Stimmung verderben zu lassen.

Borwin angelte sich eine Scheibe vom selbst gebackenen Walnussbaguette und strich etwas Gänseschmalz darauf. »Im Prinzip ganz gut. Wenn nur Familie Engel nicht immer so lautstark dagegen protestieren würde. Das geht teilweise so weit, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen kann.«

»Ja, diese Familie ist wirklich schrecklich«, sagte Bea und verdrehte die Augen. Bei den Engels, die einen ausgesprochenen Weihnachtstick hatten, war der Name Programm. Ihre fürchterlich festliche Haus- und Hofdekoration, zu der unter anderem ein gigantischer Vorhang aus bunten LED-Lämpchen, eine aufblasbare Gruppe aus lebensgroßen Schneemännern sowie eine rund um die Uhr vor sich hin säuselnde Außenbeschallung gehörten, konnte alljährlich von Anfang Oktober bis kurz vor Ostern bestaunt werden. Am liebsten hätten die Engels das ganze Jahr Weihnachten gefeiert.

Bea erschauerte allein bei dem Gedanken daran. »Ein Jammer, dass du sie nicht in Beugehaft nehmen kannst.«

Sven kicherte. »Sonst noch irgendwelche Wünsche?«

»Ich glaube, dass sie sich schon wieder beruhigen werden«, sagte Sara. »Außerdem sorgen sie mit ihrem Protest für Publicity. Und davon haben ja schließlich alle etwas.« Sie schloss ihre Tochter Lotta, die auf ihren Schoß geklettert war, fest in die Arme.

Bea schüttelte genervt den Kopf. »Ich begreife nicht, wie jemand einen derartigen Aufstand machen kann. Dieses ganze Tohuwabohu, nur weil am Krippenspiel ein paar winzige Änderungen vorgenommen worden sind.«

Familie Engel hätte, wenn sie anwesend gewesen wäre, natürlich sofort vehement widersprochen. Und sie waren auch nicht die Einzigen, die mit dieser Art von Neuinszenierung nichts anfangen konnten. Denn tatsächlich waren die Änderungen gar nicht so winzig, wie Bea fand. Sie waren vielmehr fundamental und einschneidend, was bei einem konservativ denkenden Menschen unweigerlich zu großem Unmut führen musste.

Dass man die Hirten durch Handwerker ersetzt hatte, wäre für die meisten ja noch zu ertragen gewesen. Auch das Elektrofahrrad und die Schwalbe anstelle von Ochs und Esel hätte man akzeptieren können. Doch bereits die drei Weisen, für deren Rollen die Ortsvorsteherin Gisela Maibach, die Pastorin Fredrike Neuhaus und die extrovertierte Bea auserkoren worden waren, hatten das Weltbild so manch eines traditionsbewussten Bürgers ins Wanken gebracht. Die absolute Krönung war jedoch, dass Borwin und sein neuer Freund Gabriel – ein gut aussehender, athletischer Hüne – als schwules Paar Maria und Josef verkörpern sollten. Dieser Frevel hatte das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Familie Engel und ihre Anhänger bebten vor Zorn, und es war klar, dass sie alles daransetzen würden, um die Aufführung des Stückes, das sie als »Verunglimpfung« und »Machwerk des Teufels« bezeichneten, zu verhindern.

»Solange sie nur demonstrieren, soll es mir recht sein«, brummte Borwin. »Ich hoffe bloß, dass sie nicht noch weitere Schritte unternehmen und wir die ganze Chose in letzter Sekunde absagen müssen.«

Bea verschränkte die Arme vor der Brust. »Pah. Nur über meine Leiche.«

Sven versuchte Beas Worte, die bei ihm sofort ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend hinterließen, zu ignorieren. »Ich habe gehört, dass die Ausgaben für Kostüme und Bühnenbild doch höher waren als gedacht.«

Seine Frau nickte. »Das stimmt. Aber glücklicherweise haben die Staffelbecks gleich noch mal ein paar Scheinchen hinterhergeschoben.«

Gunther und Silvana Staffelbeck, die im Dorf ein Steuerbüro betrieben, gehörten zu den Hauptsponsoren dieses Projekts und hatten sich bereits bei mehreren Gelegenheiten als noble und großzügige Gönner erwiesen.

»Ach, wenn es nur mehr von solchen Menschen geben würde!«, seufzte Borwin. »Dann wäre unsere Kulturlandschaft nicht in einem so erbärmlichen Zustand.«

Sven erhob sein Glas. »Trinken wir auf die Staffelbecks!«

Die anderen taten es ihm gleich. »Auf die Staffelbecks!«, riefen alle und prosteten einander zu.

»Was macht eigentlich das schiefe Gerippe?«, fragte Bea. »Hat heute schon jemand danach gesehen?« Damit war die Weihnachtstanne auf dem Dorfanger gemeint, ein bemitleidenswerter Baum – klein, krumm und ziemlich kahl, den René Kruschke in diesem Jahr der Gemeinde gestiftet hatte. Mit einem Neigungswinkel von fünf Komma zwei Grad war die Tanne schiefer als der Turm von Pisa und sogar noch schiefer als der Kirchturm von Bad Frankenberg.

»Steht, wackelt und hat Luft«, sagte Sara. Alle an diesem Tisch waren über die Maßen erstaunt, dass der Baum noch nicht umgekippt oder in sich zusammengekracht war.

Bea schnaubte. »Ich weiß nicht, wieso sich alle Welt über diesen Weihnachtsbaum echauffiert. Ich finde ihn prima.« Das lag freilich daran, dass Bea prinzipiell eine Schwäche für alles hatte, was irgendwie schräg oder schief war, und so hatte sie auch diesen Baum sofort in ihr Herz geschlossen.

Familie Engel hingegen legte weit weniger Euphorie an den Tag. In ihren Augen war der Baum eine einzige Katastrophe, eine Schmach, die zur Verschandelung des gesamten Dorfes geführt hatte. Genau wie bei ihrem Protest gegen das Krippenspiel hatten sie auch hier die Gleichgesinnten um sich geschart, die behördlichen Instanzen mit Beschwerdebriefen bombardiert und in zahlreichen Zeitungsinterviews ihre Verärgerung kundgetan.

Sven dachte insgeheim, es sei nur eine Frage der Zeit, wann sie das schiefe Gerippe zu Kleinholz verarbeiten und durch eine ihrer perfekten künstlichen Tannen ersetzen würden. Spätestens wenn das Bäumchen die Nadeln schmiss, und das konnte jede Minute so weit sein, würde man mit einem so drastischen Schritt rechnen müssen.

2. Grausige Bescherung

Mit einem lauten Schrillen verkündete der Küchenwecker, dass die Gans ihren perfekten Bräunungsgrad erreicht hatte. Borwin flitzte zum Ofen, schaltete den Alarm aus und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Braten, den er vorsichtig aus dem Rohr zog, auf einer Servierplatte anrichtete und am Tisch stolz präsentierte.

»Habt ihr schon jemals ein solch prächtiges Exemplar von Gans gesehen?« Die Augen des Halbspaniers leuchteten, so wie immer, wenn er über Essen sprach. Da es mehr eine rhetorische Frage war, erwartete er auch gar keine Antwort, sondern plapperte direkt munter weiter. »Das ist übrigens die Brigitte von Bauer Butterblum. Er lässt seine Gänse auf einer Kräuterwiese herumtollen, und durch die viele Bewegung setzen sie nicht so viel Fett an. In die Füllung habe ich diesmal Maronen, Korinthen und allerfeinsten Speck getan.« Er zwinkerte schelmisch in die Runde. »Und natürlich einen ordentlichen Schuss Calvados noch dazu.«

Sowohl die Zutaten als auch die knusprige Brigitte ernteten viel Anerkennung. Borwin zerteilte die Gans so geschickt, als gehörte es zu seiner täglichen Routine, und legte für jeden ein Stück auf einen Teller. Dazu servierte er Klöße, Rotkraut und eine Soße, deren köstliches Aroma einem bereits das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Bevor man jedoch in den ersehnten Zustand ausgiebiger Schlemmerei zurückkehren konnte, klingelte es erneut. Diesmal kam das Geräusch jedoch nicht vom Küchenwecker, sondern von der Haustür her. Es war ein sehr ungeduldiges, drängendes Läuten.

Sara ging in den Flur hinaus. Kurz darauf schoss ein gehetzt aussehender, älterer Mann mit dunkelblauer Pudelmütze und Dreitagebart herein. In seinen Augen stand nacktes Entsetzen geschrieben.

»Hallo, Conny«, begrüßte Sven den unerwarteten Gast. »Ist etwas passiert?«

Im gleichen Moment wurde Bea von einer gewaltigen Hitzewallung erfasst. Es war, als kochte und glühte ihr ganzer Körper. Ihr innerer Unheildetektor hatte Alarm geschlagen. Sie wusste genau, was der panische Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes zu bedeuten hatte.

Der Mann, der auf den Namen Conny hörte, blickte gequält von einem zum anderen. Seine Beine und Hände zitterten wie Espenlaub. »Ihr müsst sofort mitkommen«, stammelte er. »Unter dem schiefen Gerippe liegt jemand.«

Dr. Jekyll hob träge den Kopf. Wo waren denn plötzlich alle hin? Vor ein paar Minuten, als er schon einmal kurz die Augen geöffnet hatte, waren sie doch noch da gewesen.

Er blinzelte und versuchte, das unangenehme Schwindelgefühl abzuschütteln, das vom gestrigen Punschbad übrig geblieben war. Anders als Bea annahm, war er nicht versehentlich in das lauwarme Gesöff geplumpst, sondern hatte sich vielmehr mit voller Absicht hineinfallen lassen. Er hatte dem herrlichen Duft nach Äpfeln und Zimt einfach nicht widerstehen können. Auch das berauschende Hochgefühl, das der Genuss von Alkohol mit sich brachte, fand er äußerst verlockend. Dafür nahm er die negativen Nachwirkungen gern in Kauf.

Ganz langsam rappelte Dr. Jekyll sich auf und spähte durch den Raum. Merkwürdig. Das Essen lag beinahe unberührt auf den Tellern. Schüsseln, Sauciere und Gläser waren gut gefüllt. Die Servietten zum Teil noch gefaltet. Da musste etwas passiert sein. Etwas von äußerster Dringlichkeit. Für eine Lappalie hätte niemand dieses Festmahl stehen lassen.

Die Stimmen von Borwin und Sara drangen aus der oberen Etage zu ihm herunter. Anscheinend hatten nicht alle das Haus verlassen.

Was konnte bloß geschehen sein? Dr. Jekyll versuchte angestrengt, sich daran zu erinnern, was er in seinem Dämmerzustand zuletzt wahrgenommen hatte. Er schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können.

Bea und ihre Freunde waren um den Tisch versammelt gewesen. Sie hatten geschwatzt und geplaudert, so wie sie das immer taten, wenn sie zusammensaßen. Um was es dabei im Einzelnen gegangen war, konnte Dr. Jekyll nicht sagen. Es war für ihn mehr wie ein weicher Teppich aus Geräuschen gewesen, in den er sich im Halbschlaf wie in eine Decke eingekuschelt hatte. Aus der gesamten Unterredung hatte er nur zwei Worte ganz genau herausgehört. Das eine war »Glühwein«. Das andere »Mord«. Beides stimmte ihn außerordentlich fröhlich. Der Glühwein vor allem wegen seiner berauschenden Wirkung. Und Mord bedeutete Aufregung. Abenteuer. Das Ende der Langeweile.

Es war aber auch an der Zeit, dass mal wieder etwas passierte. Bei dem ganzen vorweihnachtlichen Gedudel wurde man ja weich in der Birne. Da kam so eine Mordermittlung, bei der man seine Gehirnzellen anstrengen musste, gerade recht. Außerdem würde eine Mörderjagd ihn bestimmt von der lästigen Suche nach seinem wahren Ich ablenken. Die Identitätskrise, in der Dr. Jekyll schon sein ganzes Leben lang steckte, nahm mittlerweile immer skurrilere Formen an. Manchmal war ihm das sogar selbst unheimlich.

Bis vor einiger Zeit hatte Dr. Jekyll sich noch für einen Menschen gehalten. Für einen ganz normalen Zweibeiner, der sich von den anderen nur darin unterschied, dass er etwas zu kurz geraten war. Irgendwann hatte er aber bemerkt, dass er gar keine Arme, sondern Flügel besaß, und er hatte gelernt, sie zu benutzen. Seitdem war er der Meinung gewesen, er sei eine Sphinx. Er hatte die geflügelte Löwengestalt mit Männerkopf in Beas Ägypten-Reiseführer entdeckt und sich sofort darin wiedererkannt. Doch seit Kurzem war er sich auch dessen nicht mehr so sicher. Vielleicht lag es am Alkohol, denn jedes Mal, wenn er betrunken war, zog es seine Persönlichkeit vor, sich in einen schlecht gelaunten Weihnachtsengel zu verwandeln. Natürlich konnte das auch mit den Geschichten zusammenhängen, die Bea ihm zurzeit vorlas.

Vielleicht kann man ja auch das sein, was man sein möchte, dachte Dr. Jekyll und ließ den Blick über den reich gedeckten Esstisch wandern. Er wäre zum Beispiel lieber ein Engel als eine Gans. Das stand definitiv fest.

Er betrachtete den dunkelroten Wein, der in der gläsernen Karaffe wie ein Edelstein glänzte, und widerstand der Versuchung, sich einen Schluck davon zu nehmen. Bea, die das Verbrechen anzog wie ein Magnet, würde schon bald wieder seine Hilfe brauchen.

Als Bea und ihre Freunde den Dorfanger erreichten, war es bereits stockdunkel geworden. Der tief verschneite, trapezförmige Platz war in ein schwaches, diffuses Licht getaucht und verströmte trotz des weihnachtlichen Schmuckes eine schauerliche Atmosphäre. In einiger Entfernung huschte ein kleines Tier über den Boden, und ein paar Nebelschwaden tanzten wie neugierige Geister umher. Sonst war nicht viel zu sehen.

Sven schaltete die Taschenlampe an, die er sich zu Hause noch schnell in die Jackentasche gesteckt hatte, und richtete den Lichtstrahl auf das schiefe Gerippe, das sich in der Mitte des Dorfangers wie eine Trauerweide im Miniaturformat erhob. Das Bäumchen sah bedauernswerter aus denn je. Es ließ die dürren Ästchen hängen, als würde es die Last aus Kugeln und Lametta nicht länger tragen können. Dabei zitterte es beständig, wodurch es den Eindruck erweckte, gleich zu erfrieren.

Der Schein der Lampe wanderte abwärts bis zum Boden, wo er auf etwas fiel, das wie ein großes, unförmiges Weihnachtsgeschenk anmutete. Das silbrig glitzernde Geschenkpapier und die große goldene Samtschleife ließen es im ersten Moment jedenfalls wie ein schön verpacktes Präsent erscheinen. Weniger hübsch waren jedoch die zwei nackten Stachelbeerbeine, die auf der linken Seite herausguckten.

Sven wandte sich an Conny. »Hast du schon reingeschaut?«

Conny wich einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände hoch. »Bin ich irre? Ich hab da gar nichts angefasst.«

»Okay«, sagte Sven und blickte zögerlich zu Bea, die sich bereits ihre wildledernen Handschuhe übergestreift hatte und nun, mit ihrem Smartphone bewaffnet, an die grausige Bescherung herantrat. Sie schoss ein paar Bilder, wobei sie den Fokus auch auf einige Spuren im Schnee richtete, ging dann in die Hocke, löste die Schleife und faltete das Papier, so weit es ging, auseinander.

Der Lichtkegel der Taschenlampe glitt über den Körper eines Mannes im mittleren Alter, der nur mit einer hellgrauen Feinrippunterhose bekleidet war. Er war nicht besonders muskulös, mehr ein Spargeltarzan als ein Bodybuilder. Auf der nackten, stark behaarten Brust hatten sich feine Eiskristalle gebildet. Augen und Mund waren geschlossen, das fahle Gesicht wirkte ausgemergelt und leer.

»Oh mein Gott«, stöhnte Conny. »Das ist Kruschke.«

Bea zog eine Augenbraue hoch. »Der den Baum gestiftet hat?« Das war auch schon alles, was sie über den Mann wusste. Seltsamerweise konnte sie sich nicht erinnern, ihm jemals persönlich begegnet zu sein.

Sven nickte verstört. »Ja, das ist René. Ich habe ihn gestern noch die Straße runterfahren sehen.«

Für einen Moment verharrten sie schweigend.

Plötzlich kam eine Gestalt herbeigeeilt. Es war der Apotheker Carl Feigenbaum, der als omnipotente Instanz im Dorf galt und sich, mangels eines Arztes, um die gesundheitlichen Belange der Bewohner kümmerte. Da er zudem über die Befähigung verfügte, Totenscheine auszustellen, war es gängige Praxis geworden, ihn auch bei Sterbefällen zurate zu ziehen.

Bea aber hatte noch nie viel von Feigenbaum gehalten. Sie fand, dass er ein oberflächlicher Langeweiler sei, der seine Arbeit eher schlecht als recht verrichtete. Auch wenn sie mit dieser Ansicht allein dastand, konnte sie sich einfach nicht für diesen Mann erwärmen. Niemals hätte sie ihm eines ihrer Zipperlein anvertraut. Eine Leiche noch viel weniger.

»Sara hat mich angerufen«, erklärte Carl Feigenbaum sein unvermitteltes Erscheinen. »Sie meinte, dass ihr womöglich meine Hilfe braucht.« Er hielt eine dunkelbraune Arzttasche in der Hand, in der er verschiedene Tinkturen und Mittelchen mit sich führte. Als er Kruschkes Gesicht entdeckte, auf das noch immer Svens Taschenlampe zielte, schnappte er hörbar nach Luft. »Das kann doch nicht wahr sein«, stammelte er. Es war fast so, als hätte er mit einer anderen Person gerechnet.

»Ich fürchte, hier kommt jede Hilfe zu spät«, sagte Bea, die sich neben den Leichnam gekniet hatte und auf Kruschkes linkem Arm herumdrückte. »Die Totenstarre hat bereits eingesetzt.«

Feigenbaum sammelte sich und zog einen Kugelschreiber aus seiner Tasche. Dazu ein Formular, das er sofort emsig bekritzelte.

Bea spähte ihm über die Schulter. »Verzeihung, aber ich denke, dass ein natürlicher Tod mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.«