Hypnosystemische Kommunikation mit inneren Beratern - Stefan Steinert - E-Book

Hypnosystemische Kommunikation mit inneren Beratern E-Book

Stefan Steinert

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Beschreibung

Viele Heilkulturen gehen von dem Jahrtausende alten Grundprinzip aus, dass seelische und körperliche Störungen überwunden werden, wenn sich die Selbstheilungskräfte des Menschen in einem harmonischen Fluss befinden. Zu dieser Harmonie trägt neben Medizin und Psychotherapie auch die Qualität der sozialen Beziehungen bei. Eine konstruktive Kommunikation zwischen Ärzt:in und Patient:in bzw. Therapeut:in und Klient:in kann deshalb viel zur Heilung beitragen. Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) stellt mentale Techniken bereit, um eine solche heilsame Haltung aufzubauen. Danach gliedert sich das unbewusste Nervensystem – analog zu den fünf Elementen und Wirkprinzipien der TCM – in fünf vegetative Systeme. Man kann sie als verschiedene Persönlichkeitsanteile oder Ego-States verstehen. Je nach Vorgeschichte und aktueller Verfassung üben sie eine schwächende oder eine stärkende Wirkung auf die Steuerung von Gefühlen, Denk- oder Handlungsimpulsen aus. Mit besonders ausgewählten Trance-Induktionen lassen sich diese Anteile erkennen, stärken und als "innere Berater" nutzen. Stefan Steinert gibt anhand von Fallbeispielen zunächst eine leicht verständliche Einführung in die Wandlungsphasen der Traditionellen Chinesischen Medizin und erklärt deren Bedeutung für hypnotherapeutische Interventionen. In detaillierten Schritten stellt er körperlich-mental wirksame Techniken zur Vorbereitung einer Trance vor. Schließlich wird gezeigt, wie aus den vorgestellten Grundlagen ableitbare Assoziationen in Texte für die Trance-Induktion einfließen. Diese können direkt abgelesen, als Audiodatei zur mehrfachen Verwendung selbst aufgenommen oder individuell modifiziert werden.

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Meinem Sohn Matthias Steinert

Stefan Steinert

Hypnosystemische Kommunikation mit inneren Berater·innen

Mentale Techniken aus der Traditionellen Chinesischen Medizin

2022

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Hypnose und Hypnotherapie«

hrsg. von Bernhard Trenkle

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: Heinrich Eiermann

Umschlagfoto: © istock.com/MichaelFindlay

Redaktion: Dr. Eva Dempewolf

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2022

ISBN 978-3-8497-0416-2 (Printversion)

ISBN 978-3-8497-8380-8 (ePUB)

© 2022 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

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Inhalt

Einleitung

1 Aspekte von Kommunikation aus ganzheitlicher Sicht

1.1 Was erwarten wir von einem konstruktiven, d. h. erfolgreichen Zwiegespräch?

1.2 Kommunikation mit mir selbst

1.3 Begegnung mit anderen

1.4 Verbal oder nonverbal?

1.5 Kommunikationsstile

1.6 Somatisch-seelisches Erleben

1.7 Vom Bedürfnis und Gefühl zu den richtigen Worten – ein Heilprozess: Das ASOMA-Kommunikationsmodell

2 Vegetative Systeme – Kommunikationsberater im Unbewussten

2.1 Die Aufgaben der »Staatsminister·innen«

2.2 Die inneren Berater·innen und ihre Emotionen

2.3 Wahrnehmung von Gefühlen mit gezielter Achtsamkeit

3 Persönlichkeitsanteile aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin

3.1 Die Aufgaben der Elemente

3.2 Qi und Selbstheilungskräfte

3.3 Die fünf Wirkprinzipien: Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser

3.4 In Schlangenlinien auf das Ziel zu

3.5 Das harmonische Zusammenwirken der inneren Berater·innen in der Sinuskurve

4 Die inneren Berater·innen im Einzelnen

4.1 Das Wirkprinzip Holz – das Leber-System mit Initiative zur klaren Entscheidung, die innere Stressmanager·in, Impulsgeber·in, Fürst·in oder das Ministerium für Planung und Initiative

4.2 Das Wirkprinzip Feuer – das Herz-System, Meister·in der Emotionen, Ministerium für Kreativität und Lebenskunst

4.3 Das Wirkprinzip Erde – das System der Mitte, Harmonie durch Ausgleich, die inneren Berater·innen für Moderation, Ministerium für Inneres und Soziales

4.4 Das Wirkprinzip Metall – das Lunge-Haut-System, die Wächter·in auf der Schutzmauer, Ministerium für Außenbeziehungen und Kommunikation

Die Rolle der Natur in der Kommunikation

4.5 Das Wirkprinzip Wasser – das Nieren-System, die innere Baumeister·in, das Kraftwerk des Körpers, Ministerium für Energie und Wiederaufbau

4.6 Die Konferenz – Die Zusammenarbeit der Wirkprinzipien

4.7 Kennzeichen der inneren Berater·innen: die somatischen Marker

5 Archetypen – unsere Ressourcen im Unbewussten

5.1 Archetypische Metaphern in den Heilritualen früherer Hochkulturen

5.2 Achtsamkeitstraining früher und heute

5.3 Mentale Techniken aus Sicht traditioneller Heilweisen

6 Hypnotherapie heute mit den Ressourcen der Schaman·innen unserer Vorfahr·innen

6.1 Grundvoraussetzung für kommunikative Klärungsprozesse

6.2 Wahrnehmung und Gefühle bedingen sich gegenseitig

7 Vom Körperwissen traditioneller Heilverfahren zur Körpersprache

7.1 Zeichen des harmonischen Fließens der Körperenergien

7.2 Das ASOMA-Kommunikationsmodell (Archetyposomatische Marker in Achtsamkeitsbasierter Kommunikation)

8 Die Eintrittspforten durchschreiten

8.1 Türöffner-Trance

8.2 Spüren von Körper und Gefühlen

Entspannungsexperiment: Das Ausatmen

8.3 Körperspannung und Schwere

Basistrance 1: Die Schwere und der Atem

8.4 Die Bedeutung der Urkraft Erde

Heilkraft durch Vertrauen

Dankbarkeit stärkt die Seele

Basistrance 2: Sich der Urkraft Erde anvertrauen

Umgang mit Störfaktoren

9 Die besonderen Zugangswege zu den fünf Räumen der inneren Kommunikationsberater·innen

9.1 Das Leber-System: die innere Beratergruppe für Initiativbildung, Weitsicht, Gelassenheit und Stressmanagement

Die Tranceinduktionen für das Leber-System

Kommunikationsrelevante Aspekte

9.2 Das Herz-System: die inneren Meister·innen der Emotionen, Kreativität und geistigen Konzentration

Die Tranceinduktion zum Herz-System

Kommunikationsrelevante Aspekte

9.3 Das Mitten-System: die inneren Moderator·innen zur Wahrung von Vertrauen und Balance

Die Tranceinduktion zum Mitten-System

Kommunikationsrelevante Aspekte

9.4 Das Lunge-Haut-System: die inneren Beziehungsberater·innen, Verhältnis von Nähe und Distanz

Die Tranceinduktion zum Lunge-Haut-System

Kommunikationsrelevante Aspekte

9.5 Das Nieren-System: die inneren Ressourcenverwalter·innen, Sicherheitsmanager·innen, Meister·innen der Rekonvaleszenz, Kraftwerk der Lebensenergie

Die Tranceinduktion zum Nieren-System

Kommunikationsrelevante Aspekte

Schlussbemerkungen

Danksagung

Anhang

Die inneren Kommunikationsberater·innen nach den fünf Wirkprinzipien der Traditionellen Chinesischen Medizin

Literatur

Über den Autor

Einleitung

»Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum.In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion.In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.«

Viktor Frankl

»Miteinander zu reden ist menschliche Realität;damit Lebensfreude und Heilung zu erreichen, eine Kunst.«

Frei nach Frédéric Lenoir

Welche Zusammenhänge gibt es zwischen psychologischen Aspekten von Kommunikation und traditionellen Naturheilverfahren?

Wir wissen, dass Kommunikationsstörungen krank machen und unbewusste Veränderungen im Körper bewirken können – aber gilt das auch umgekehrt?

Menschen sind seit frühester Kindheit schnell in der Lage, miteinander zu sprechen. Erst mit der Zeit lernen wir zu unterscheiden, ob unsere Worte verletzen oder versöhnen. Motorisch lernen wir laufen, ohne zu stolpern, Fahrrad fahren, schwimmen oder ein Musikinstrument zu spielen. Erziehung und Vorbilder helfen uns dabei im Kontakt nach außen. Im Inneren stellen wir fest, dass die äußere Welt im Widerspruch zu unserem Inneren, zu unseren Bedürfnissen und Wünschen steht, und wir stellen uns Fragen: Wie gehen wir um mit unerfüllten Wünschen, mit der Enttäuschung und dem Leid? Wie gelingt uns wohltuende Nähe zu anderen Menschen? Wie gelangen wir zu umfassender Heil- und Lebenskraft, die mehr von sozialer Wärme und innerem Frieden geprägt ist als vom Streben nach Reichtum und Macht?

Diese Fragen beschäftigen die Menschheit von Beginn an in ihrer kulturellen Entwicklung, sei es im Rahmen von Naturreligionen, spirituellen Haltungen, Philosophie oder dem Streben nach einer universellen Weisheit, frei von normativer Verkrustung. Zunehmende Bedeutung auf diesem Weg kommt der Begegnung zwischen den Menschen zu und der Art, wie sie sich inhaltlich austauschen.

Bei diesem »Wie« denken wir meist zuerst an die verschiedenen Formen der Begegnung, an Wortwahl und Empathie, Themen, zu denen es bereits viele gute Ratgeber gibt. Wirksam werden deren Ratschläge vor allem aber mit einer besonderen inneren Haltung, die uns überhaupt erst dazu befähigt, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse sowie die des Gegenübers wahrzunehmen. Wie lässt sich diese Haltung erreichen, welche Methoden oder mentale Techniken sind dabei hilfreich?

Die Suche nach Antworten darauf hat mich im Verlauf meiner beruflichen Entwicklung als Arzt und Psychotherapeut und mit dem Wissen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) fasziniert. Erfahrungen mit der Weiterentwicklung gedanklicher Hintergründe traditioneller Naturheilverfahren in Therapie und Coaching, deren Verknüpfung untereinander sowie die Diskussion verschiedener Modelle mit ärztlichen und psychologischen Therapeut·innen in Workshops und Seminaren führten schließlich zu der Entwicklung des Trancemodells der TCM, wie es in diesem Buch dargestellt wird. Es beschreibt eine Arbeitshypothese, ähnlich dem Aufbau der fünf Elemente der TCM. Danach werden die Steuerzentralen des unbewussten Nervensystems in fünf Hauptgruppen unterteilt und mit inneren Berater·innen oder Ego-States verglichen, deren Funktionen, Stärken und Störungen über bestimmte körperliche und seelische Zeichen beurteilt werden können. Aus den Schulen der traditionellen Heilverfahren können geeignete praktische Anleitungen von Tranceinduktionen und Trancebildern abgeleitet werden, mit denen sich diese Systeme erkennen und stärken lassen. Damit soll kein weiterer Kommunikationsratgeber entstehen, sondern eine Methode vorgestellt werden, diese sogenannten inneren Kommunikationsberater sowohl in therapeutischen als auch in beruflichen und partnerschaftlichen Beziehungen besser kennenzulernen.

Bei genauerer Betrachtung der verschiedenen Inneren-Berater-Systeme stellen wir fest, dass konstruktive Kommunikation und heilsame therapeutische Interaktion zwischen Menschen ähnliche Grundvoraussetzungen aufweisen. Beispielsweise wirken sich emotionale Verfassung und körperliche Empfindungen auf die Vorbereitungen und Durchführung von Kommunikation aus und beeinflussen sich gegenseitig und die aktuelle Gefühlslage. An welchen ganz besonderen körperlichen und seelischen Zeichen kann dies beim Gegenüber erkannt werden?

Daran schließt sich die nächste Frage an, die in der vorliegenden Abhandlung beantwortet werden soll: Wie können wir lernen, diese Zeichen des Körpers wahrzunehmen und als wesentlichen Teil der Kommunikation zu utilisieren? Dies wird in den meisten Psychotherapieschulen, vor allem in der Hypnotherapie, gelehrt. Milton Erickson beschreibt Hypnotherapie als einen Lernprozess, vergleichbar der Aneignung des Gefühls für eine neue Sprache. Wo sind die Übergänge zwischen Heilung und Stärkung mentaler Funktionen, einschließlich kommunikativer Fähigkeiten?

Die Lehrbücher der traditionellen Naturheilverfahren informieren uns über das Wirken, die Aufgaben und Funktion des Unbewussten. Sie erklären ihre Thesen mit dem Modell des Fließens der Selbstheilungskräfte oder Lebensenergien im menschlichen Körper. Mit dem Begriff Selbstheilungskräfte werden damit nicht nur medizinisch heilende, sondern auch geistig klärende Wirkungen mit diversen Aufgaben verbunden. Deren Steuerung wird dem unbewussten vegetativen Nervensystem zugerechnet. Hinsichtlich des Aufbaus einer Kommunikation wirken sie mit bei der Entstehung von Gefühlen, Bedürfnissen und Werteskalen sowie bei der Frage: Was will ich in einer Beziehung vom anderen, und was will der andere von mir? Damit meine Bedürfnisse erfüllt werden können, sollte ich eine Bitte so formulieren und intonieren können, dass mein Gegenüber sie in meinem Sinne versteht und akzeptieren kann. Dies setzt eine innere Haltung voraus, die das Fundament unserer Lebenseinstellung und die Fähigkeit für Kommunikation und Beziehungsaufbau bildet.

Ein Anliegen dieses Buches ist, die Frage beantworten zu können, wie diese innere Haltung, von der unsere Kommunikationsfähigkeit im Wesentlichen abhängt, gelingen kann. Sie trägt im Erfolgsfall dazu bei, dass unsere Beziehungen und unsere Kommunikation konstruktiv, heilsam frei und freudvoll verlaufen. Wie erschließt sich uns ein Weg zu umfassender Heil- und Lebenskraft, die wir mit Leib, Seele und Geist wahrnehmen, ein Weg, der weniger von materiellem Reichtum oder sozialem Erfolg abhängt als von einer klaren Beziehung zu uns und unseren unbewussten Persönlichkeitsanteilen?

Aus dieser Sichtweise entsteht Haltung aus dem Zusammenwirken dieser inneren Beratersysteme, die im Unbewussten wirken. Besondere Formen von Achtsamkeitstechniken und hypnotherapeutisch wirksame Bilder oder Trancezustände helfen uns, uns diesen unbewussten Anteilen zu nähern und sie zu stärken.

Aus Sicht der traditionellen Naturheilverfahren stehen sie in enger Beziehung zu den vegetativen Systemen, die maßgeblich an der Funktion eines Organismus und damit an Emotionen wie Glück, Zufriedenheit, Dankbarkeit, Demut usw. beteiligt sind. Wir werden auf sie in diesem Zusammenhang eingehen, da den Emotionen in den Heilritualen früherer Kulturen eine große Wirkung auf den harmonischen Fluss der Lebenskräfte zugeschrieben wird. Heilung ist nach diesem Verständnis nur möglich, wenn etwaige Blockaden, die das Fließen dieser Energien oder Selbstheilungskräfte behindern, aufgelöst werden.

Neben der Verabreichung von Heilmitteln oder manueller Behandlung von außen war schon vor über tausend Jahren vor allem eine spezielle mentale Stärke oder Haltung notwendig, die nach Viktor Frankl als ein besonderer innerer freier Raum bezeichnet werden kann, der der Garant für unser langfristiges und nachhaltiges Überleben ist. Er schützt uns vor den Impulsen unserer meist unbewussten Gedanken, die uns manchmal wie Autopiloten durchs Leben steuern, indem er einen zeitlichen und gedanklichen Puffer und damit die Gelegenheit zur einer besser überlegten Reaktion schafft. Dies wiederum verhilft uns zu einer Klärung unseres Bewusstseins und der Worte, mit denen wir uns an unser Gegenüber wenden und Beziehung gestalten. Viele Rituale der alten Heilkulturen erinnern aus heutiger Sicht an mentale, tranceartige Techniken, mit denen dieser Raum des Innehaltens entstehen kann. Sie führen uns zu Tranceübungen, durch die in einer bestimmten Form der Selbsthypnose eine erhöhte Aufmerksamkeit erreicht werden kann, die ihrerseits eine konstruktive Kommunikation mit dem Gegenüber ermöglicht.

Viele hypnotherapeutisch-wissenschaftliche Daten belegen, wie besondere Formen zwischenmenschlicher Kommunikation dokumentierbare Veränderungen im Organismus bewirken.

Angesichts solcher Ergebnisse hat die moderne Medizin nach einiger Zeit des Zögerns diese Erkenntnissen über die Macht des Wortes anerkannt. Ein entscheidendes Forschungsobjekt war das Arzt-Patienten-Gespräch, bei dem Erfolg und Misserfolg therapeutischer Maßnahmen von der verwendeten Wortwahl der Therapeut·innen abhängt. Diese Tatsache fand nicht nur in Lehrinhalten ärztlicher Ausbildungscurricula ihren Niederschlag, sondern hielt auch Einzug auch in die Psychosomatik und Psychoonkologie. Inzwischen finden die Techniken der sogenannten Sprechenden Medizin aus der Psychotherapie, Hypnotherapie, Paar- und Konfliktberatung immer häufiger Anwendung auch in Coachingseminaren zur Unternehmensberatung und Kommunikationsschulung.

In meiner eigenen Praxis durfte ich erfahren, dass es den therapeutischen Prozess erleichterte, wenn es gelang, Körpersignale sowohl bei mir, dem Therapeuten, als auch bei den Klient·innen als Ressourcen nutzen zu können. Bestimmte körperliche Anzeichen weisen auf die entsprechenden Teilbereiche des unbewussten, vegetativen Nervensystems hin, das die notwendige Fähigkeit zur Wahrnehmung, zum Aufbau und zur Abgrenzung in der Kommunikation erst ermöglicht. Sobald Menschen ihre unbewussten Steuerzentralen als Teile ihres Selbst, als innere Berater·innen kennen- und verstehen lernen und im Sinne einer ganzheitlichen Erfahrung spüren können, erleben sie sich weniger ohnmächtig. Empfindet man beispielsweise Wut, spürt man u. a. als körperliche Reaktion die Anspannung der Kaumuskeln. Wenn Klient·innen mit Hilfe bestimmter Techniken spüren lernen, wie Entspannung der Kaumuskulatur auch das Gefühl der Wut verringert und damit den Kopf freier für effektivere Lösungsversuche macht, wie sie also mit körperlichen Aktionen emotionale Empfindungen beeinflussen können, dann erfahren sie das wichtige Gefühl der Selbstwirksamkeit, eines der wichtigsten Erfolgsparameter psychotherapeutischer Arbeit. Dahinter steht die Idee, dass bestimmte Regulationsmodule des unbewussten Nervensystems, die sich dysfunktional verhalten, als Persönlichkeitsanteile erkannt und beeinflusst werden können.

Psychotherapeutische Methoden, die den Körper mit einbeziehen, erfassen tiefere Beziehungsebenen und sind nachhaltiger wirksam. Dies könnte erklären, warum ganzheitliche Behandlungsmethoden in einigen Bereichen der Medizin eine länger anhaltende Wirkung zeigen als engfokussierte Spezialmethoden, genauso wie z. B. notwendige chirurgische Eingriffe bei akuten Erkrankungen oder Verletzungen segensreich sind. Wenn hier von Ganzheitlichkeit die Rede ist, ist damit das Verständnis einer Struktur und Funktionsweise des menschlichen Organismus gemeint, in dem seelische und körperliche Empfindungen, Reaktionen, Denkweisen und Handlungen so eng miteinander verbunden sind, dass dies nicht als bewusster Prozess, sondern als unbewusster Vorgang, als Reaktion aus dem Bauch heraus oder als Bauchgefühl bezeichnet wird. In der Psychotherapie stehen zur Erklärung zahlreiche Behandlungsmodelle und Thesen zur Verfügung, die erfolgreich bei psychischen Störungen eingesetzt werden. Das Trancemodell der TCM arbeitet mit dem Regelwerk jahrtausendealter Diagnose- und Therapieschemata, um, vereinfacht ausgedrückt, seelisch und körperlich wirksame Selbstheilungskräfte zu entdecken und zu stärken.

Dahinter steht das bereits erwähnte Konzept, dass Störungen im menschlichen Körper dadurch entstehen, dass innere und äußere Faktoren den harmonischen Fluss der Selbstheilungskräfte blockieren. Therapeutisches Ziel war und ist es, diese Blockaden zu lösen – auch ohne die Hilfsmittel der modernen Medizin ein sinnvoller Ansatz, der in verschiedenen Kulturen im Laufe der Menschheitsgeschichte verfolgt wurde. Hierbei spielten schamanische rituelle Bräuche mit tranceähnlichen Zeremonien eine große Rolle. Sie nutzten Metaphern und Trancebilder, die körperlich und seelisch wahrgenommen werden konnten, um gestörte Körperfunktionen wieder in ein harmonisches Fließen zu bringen.

Das Trancemodell der TCM, das allgemeinmedizinische, psychotherapeutische und naturheilkundliche Behandlungsprinzipien berücksichtigt, findet heutzutage seine Anwendung vor allem in chronischen seelischen und körperlichen Störungen und Erkrankungen. Um diagnostische Zeichen und therapeutische Maßnahmen in einen regelhaften Zusammenhang zu bringen, bedarf es gewisser Strukturen, die sich bei vielen Heilkulturen in auffälliger Weise ähneln. Die TCM leitet die Wandlungsphasen, vereinfacht als seelisch-körperliche Reaktionsmuster bezeichnet, von den fünf Elementen ab. Analog dazu sind die Einsatzmöglichkeiten der Trancebilder zu den inneren unbewussten Berater·innen in Beziehungsaufbau und Kommunikation zu verstehen. Im Gegensatz zu anderen mentalen Verfahren mit frei assoziiert entstandenen Visionen werden in unserem Modell geführte Trancen vorgestellt, die erst in einem zweiten Schritt die aufkommenden Assoziationen mitberücksichtigen. Der archetypische Ursprung der hier verwendeten Trancen erklärt den besonderen Erfolg in ihrer Anwendung schon in den Zeiten schamanischer Heilrituale.

Als Hauptursache psychosomatischer Störungen stellten sich meist kommunikative Schwierigkeiten unserer Klient·innen heraus, die sich oft unbemerkt über viele Jahre in familiären, partnerschaftlichen oder beruflichen Feldern entwickelt haben. Die therapeutischen Bemühungen gerade in diesen Krankheitsfeldern führten zu der Erkenntnis, dass Heilung vor allem durch erfolgreiche Kommunikation erreicht werden kann.

Der Begriff der Heilung kann weit gefasst werden. Denken wir an »kranke« Beziehungen zwischen Menschen, Wirtschaftssystemen oder Staaten. Wenn es an der Fähigkeit, dem Willen oder der mentalen Kraft fehlt, Probleme zu erörtern und Lösungsprozesse einzuleiten, dann kann ein Lösungsansatz auch als Heilungsprozess sozialer Systeme verstanden werden, in dem erfolgreiche konstruktive Kommunikation im Mittelpunkt steht. Der Ansatz in diesem Buch verfolgt die Betrachtung der Vorbereitung, des Aufbaus einer inneren Haltung, die nötig ist, um Kommunikation unter dem Aspekt von Heilung durchzuführen. Auf eine soziale Beziehung heilsam einzuwirken bedeutet letztlich, Frieden zu schaffen: die wichtigste Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg.

Um die notwendige innere Haltung zu erzeugen werden mentale Techniken eingesetzt, die in der modernen Psychotherapie ebenso verwendet werden wie im Coaching, in Think-Tanks, Teambildungs- und Mediatoren-Ausbildungsseminaren. Das ASOMA-Kommunikationsmodell, das in Kapitel 1.7 näher erläutert wird, bietet in dieser Hinsicht eine besondere Ergänzung. Es greift auf aktuelle Forschungsergebnisse zurück, die archetypische Metaphern traditioneller Naturheilverfahren, Erkenntnisse der Hypnotherapie und körperorientierten Achtsamkeitstechniken verbinden, um damit Methoden zu entwickeln, die in therapeutischen Prozessen erfolgreich angewendet werden.

Viele von uns haben diverse mentale Techniken kennengelernt, die mit Selbsthypnose oder Meditation arbeiten. Diese bauen auf der Vorstellung auf, dass der Zugang zu unserem Unbewussten, also zu den inneren Persönlichkeitsanteilen, Ego-States oder inneren Berater·innen, nur selten in einem kurzen Erkenntnisprozess möglich wird, sondern wiederholter Übungen oder Trainingseinheiten bedarf. Die hier vorgestellten Techniken unterscheiden sich von anderen dadurch, dass sie mit archetypischen, tief im Menschen verwurzelten Bildern arbeiten, die als Metaphern die Durchführung und Inhalte der Heilrituale früherer Kulturen prägten.

Bemerkenswert ist, dass die Rituale alter Heiltraditionen, die sich in verschiedenen Erdteilen entwickelt haben, archaische Gemeinsamkeiten aufweisen, in denen Körperempfindungen und Emotionen so in Verbindung gebracht und erlebbar gemacht werden, dass damit körperliche und seelische Heilprozesse initiiert werden können. In aller Regel werden diese positiv erlebten Veränderungen mit der Belebung eines prinzipiell harmonischen Fließens einer Heilenergie oder der Selbstheilungskräfte erklärt.

Um leichter nachvollziehen zu können, welche Rolle die überlieferten Lehren traditioneller Heilverfahren in einer modernen Kommunikation spielen, wird im Buch skizziert, wie Entstehung und Wirkung von Kommunikation untrennbar mit dem inneren Energiefluss des Menschen verbunden sind. Dieser Fluss wiederum wird von vegetativen Steuerungssystemen geregelt.

Wir können die aktuelle Funktionsfähigkeit, Schwächen und Stärken dieser vegetativen Systeme erkennen, wenn wir auf bestimmte seelische und körperliche Zeichen achten, die als somatische Marker bezeichnet und als Zeichen von Körperwissen oder somatischer Intelligenz verstanden werden. Der Aufbau gesunder, erfolgreicher Beziehungen benötigt eine klare Kommunikation, in der vegetative Systeme als starke innere Berater·innen mit guten Fähigkeiten zur Wahrnehmung und Abgrenzung zur Verfügung stehen.

So wie die alten Heiler·innen daran ihre Diagnosen und therapeutischen Maßnahmen ausrichten konnten, dienen uns heute diese Zeichen dazu, die eigene Haltung dahingehend zu ändern, dass sich unsere kommunikativen Fähigkeiten erfolgreich entwickeln können.

Das Spannende an einer umfassenden Wahrnehmung dieser Körpersignale sind aber nicht nur die Kenntnis der Symptome, sondern auch spezielle mentale Techniken, die als Übungen einer besonderen Form von Achtsamkeit eingesetzt werden können, als Schlüssel für den Zugang zu den Regelsystemen im Unbewussten oder eben zu unseren inneren Berater·innen.

Wenn wir Geschichten über schamanische Bräuche und Rituale längst vergangener Zeiten und von deren unglaublichen Ergebnissen hören, ist Misstrauen gegenüber manchen esoterischen Erklärungen sicher angebracht. So sei an dieser Stelle der Hinweis gegeben, dass die Methoden des in diesem Buch vorgestellten Modells mit großer Sorgfalt im Einklang mit aktuellen medizinischen und psychologischen Studien ausgesucht wurden. Vor allem im Bereich der Hypnotherapie können wir uns aufgrund neuer Forschungsergebnisse besser die Wirksamkeit der Naturheilweisen erklären. So gibt es zur Funktionsweise des unbewussten Nervensystems und seiner verschiedenen Anteile interessante naturwissenschaftliche Entdeckungen, auch wenn wir von einem in sich schlüssigen Erklärungsmodell noch weit entfernt sind. Trotzdem kann uns die Betrachtung alter traditioneller Naturheilverfahren weiterhelfen, sofern wir darauf achten, spekulative Sichtweisen von bewährten, naturwissenschaftlich nachgewiesenen Erkenntnissen zu unterscheiden. Derzeit sind viele Wirkungen im menschlichen Körper nachweisbar, ohne dass die Wirkmechanismen bekannt sind, sodass uns im Moment zwar keine exakten Beweise, aber doch brauchbare Arbeitshypothesen vorliegen, die sich nach der vorhandenen Literatur traditioneller Heilverfahren, z. B. der TCM, seit über 5000 Jahren bewährt haben.

Ein weiterer Vorteil dieses Modells sind die speziellen Trancebilder, die das Einüben konkreter mentaler Techniken deutlich erleichtern. Die praktischen Anleitungen für die Trancen im zweiten Teil des Buches ermöglichen es, emotionale Empfindungen und das Erspüren von Körpergefühlen leichter miteinander zu verbinden. Sie können direkt eins zu eins als Selbsthypnoseübung oder aber in therapeutischen Kontexten, unabhängig vom jeweiligen Therapieverfahren, als Anfangs- oder Zwischentrance verwendet werden.

In der Begriffsdefinition können die Unterschiede zwischen Tiefenentspannung, Achtsamkeitsübung und Selbsthypnose noch Diskussionsbedarf auslösen, was aber den Erfolg in der praktischen Anwendung, wie sie im Buch beschrieben wird, nicht mindert. Aus dem Nachlass traditioneller Heilverfahren alter Kulturen steht uns hier eine Arbeitshypothese zur Verfügung, die zur Erkennung richtungsweisender vegetativer Zeichen als wichtiges Werkzeug dient, das sowohl therapeutisch als auch in anderen kommunikativen Kontexten genügend Freiraum für die situationsabhängige Weiterentwicklung neuer Lösungswege bietet.

1 Aspekte von Kommunikation aus ganzheitlicher Sicht

1.1 Was erwarten wir von einem konstruktiven, d. h. erfolgreichen Zwiegespräch?

Wollen wir im Beruf erfolgreich sein, einen guten Geschäftsabschluss erreichen, uns im Freundeskreis mit unseren Ansichten bestätigt sehen oder mit unserem Lebenspartner bzw. unserer Lebenspartnerin Beziehungsfragen klären, die wir vielleicht schon längere Zeit vor uns herschieben und die immer drängender werden? Wenn wir uns bei solchen Themen nicht nur emotional immer schlechter fühlen, nervös oder gereizt, sondern uns auch noch lästige körperliche Symptome plagen wie z. B. Verspannungen im Nacken, ein Kloß im Hals oder ein Druck im Magen, dann tauchen hier bereits Aspekte auf, die uns den Weg zum Aufbau einer heilsamen Kommunikation öffnen können.

Erfolgreiche Kommunikation bedeutet nicht nur, anstehende Fragen verbal zu klären, sondern auch, ein seelisches und körperliches Wohlbefinden zu erreichen. Beides kann nur gelingen, wenn die Gefühle erkannt werden, welche für mich selbst und welche für mein Gegenüber in dieser Zeit bedeutsam sind. Denn bei jeder Unterhaltung habe ich es mit einem weiteren Menschen zu tun, der ein erfolgreiches Gesprächsergebnis vielleicht ganz anders definiert und Ziele verfolgt, die von meinen meilenweit entfernt sein können. Was mich mit meiner Gesprächspartner·in verbindet, ist der Wunsch nach Verständnis beim Gegenüber. Um diesem näherzukommen, lohnt es sich, die nächsten Fragen zu stellen:

Was will ich wirklich? Wie geht es mir, bevor das Gespräch überhaupt beginnt, und wie geht es meinem Gesprächspartner, meiner Gesprächspartnerin? Wie fühle ich mich just in dieser Zeit, wenn ich eine wichtige Information jemand anderem nahebringen möchte? In welcher Stimmung bin ich in diesem Moment, und wie färbt dies den Inhalt meiner Botschaft? Oder: Wieweit hängt meine Reaktion auf mein Gegenüber auch von meiner aktuellen Befindlichkeit ab, wenn mir jemand, meist unvorbereitet, eine Mitteilung macht, die mich mal mehr, mal weniger erfreut?

Geklärt werden soll, wie mich und mein Gegenüber dieser Prozess der Auseinandersetzung beeinträchtigt. Klärung wird an dieser Stelle als Heilung verstanden. Sie bedeutet, dass eine bisher ungeklärte, meist verbesserungswürdige, vielleicht sogar leidvolle, kränkende Situation, die uns als Individuum z. B. am Arbeitsplatz, innerhalb einer Partnerschaft oder auch als Gemeinschaft bedrückt oder schadet, geheilt werden soll. Letztlich soll auch das System, die Gemeinschaft, in der wir leben, gesund bleiben oder werden, und wir suchen die passende Medizin dazu. Der Arzt, die Ärztin sollte vor der Therapie eine Diagnose stellen, eine Kunst, die erlernt werden kann und aus der heraus sich ein besonderes Gespür entwickelt, um die notwendigen Informationen zu erhalten, die zur richtigen Diagnose führen.

Dieser Vorgang lässt sich in gleicher Weise auf den Aufbau und Ablauf einer konstruktiven Kommunikation übertragen: So wie in der Medizin und Psychotherapie im optimalen Fall eine richtige Diagnose die Basis für eine erfolgreiche Therapie bildet, so ist in der Kommunikation eine genaue Wahrnehmung der Befindlichkeit meiner Gesprächspartner·in notwendig, um mit den gewonnenen Einsichten einen erfolgreichen Abschluss zu erzielen, d. h. ein Ergebnis mit maximal erreichbarem Verständnis und ganzheitlichem Erfolg für alle Beteiligten.

Die folgenden Kapitel sollen die Türen öffnen, um das Wesen erfolgreicher Kommunikation von einer Seite zu betrachten, die uns bisher so nicht bekannt war. Verschiedene Techniken lassen uns Wege beschreiten, auf denen der Austausch mit unseren Gesprächspartner·innen konstruktiver wird.

1.2 Kommunikation mit mir selbst

Diese Vorstellung mag manchem, der sich als normale, individuell fühlende und denkende Persönlichkeit versteht, befremdlich erscheinen. Die wenigsten sprechen oder diskutieren häufig mit sich selbst. Und doch wird in der Psychotherapie diese seelisch-geistige Auseinandersetzung unseres Selbst differenzierter betrachtet.

Was uns von anderen Lebewesen unterscheidet, ist eine komplexe Art der Verständigung, eine vielschichtige Wahrnehmung und Sprache, die nur mit einem hochentwickelten Nervensystem möglich ist. Damit denken wir in erster Linie an das Gehirn, dessen Funktionsweise durch Forschungen auf den Gebieten der Neurowissenschaften entschlüsselt wird. Jede neue Erkenntnis, jede Tür, die geöffnet wird, bringt uns weiter im Verständnis unserer unbewussten Reaktionen, die uns davor nur mysteriös erschienen. Gleichzeitig tauchen mit jedem neuen Raum, den wir betreten, neue Fragen auf und neue Türen wollen geöffnet werden.

Eine wesentliche Erkenntnis des letzten Jahrhunderts ist, dass der Mensch nicht nur ein Gehirn besitzt, das seinen Körper durch das Leben steuert, sondern dass es zahlreiche Steuerungsmechanismen gibt, teilweise kompliziert und unter Beteiligung verschiedener Anteile des Gehirns. Vor über hundert Jahren hat Sigmund Freud vom Unterschied zwischen Bewusstem und Unbewusstem geschrieben, was für Menschen, die alles in ihrem Körper und Kopf klar strukturiert, also bewusst haben wollen, nicht leicht zu akzeptieren war. Es erscheint vielen eher unangenehm, dass neben unserem klaren Denken gleichzeitig unbewusste Aktionen in unserem Körper ablaufen, die wir nicht registrieren und die uns überraschen, weil sie manchmal zu Reaktionen führen, die wir uns selbst nicht zugetraut hätten.

Seither entwickeln sich Psychologie und Psychotherapie unaufhörlich weiter, neue Räume werden entdeckt und weitere Türen geöffnet. Wir stellen fest, dass das unbewusste Nervensystem mehr Vorgänge in unserem Körper steuert, als wir uns vorstellen konnten. Dabei geht es nicht nur um die Wahrnehmung unserer Umgebung, die Planung von Aktionen oder die Steuerung von Bewegungsabläufen, sondern auch um die Verarbeitung von Gefühlen und den Reaktionsweisen, die daraus entstehen. Schätzungen gehen davon aus, dass über 95 Prozent aller Gehirnaktivitäten unbewusst ablaufen. Wenn wir eine Urlaubsreise mit dem Auto antreten, haben wir im Vorfeld einen Blick auf die Karte geworfen, das Navi programmiert und ein Hotelzimmer reserviert, also alles bewusst geplant. Und doch kennen die meisten die Situation, dass sich im Verlauf des Reisetages die Stimmung ändern kann. Vielleicht will man plötzlich gar nicht mehr so weit fahren, wünscht sich jetzt einfach ein bequemes Bett zum Ausruhen, oder bei der Diskussion mit den Reisebegleiter·innen stellt sich heraus, dass die gemeinsamen Ziele nicht mehr übereinstimmen.

Wie arbeiten die verschiedenen Anteile des Gehirns zusammen? Wenn Sie z. B. nach der Uhrzeit gefragt werden, senden Teile Ihres Großhirns einen Impuls an die linke Hand, sich so zu drehen, dass Sie einen Blick auf die Armbanduhr werfen können. Bevor diese Bewegung durchgeführt wird, muss dieser »Befehl« an den bewussten Teil des Gehirns erst einmal mehrere Prüfinstanzen in den unbewussten Bereichen des Gehirns durchlaufen, die feststellen, ob der Ausführung des »Befehls« nichts entgegensteht. Vielleicht stellt sich bei dieser Prüfung heraus, dass Ihre linke Hand in diesem Moment nicht frei und gerade mit einer anderen Aufgabe beschäftigt ist, z. B. eine Kaffeetasse festhält. Würde in diesem Fall die Prüfinstanz den Impuls des Großhirns nicht abwehren, würden Sie den Kaffee verschütten und müssten evtl. Ihre Kleidung wechseln. Also wird der Impuls mit dem Hinweis: »Annahme verweigert« wieder zurückgeschickt und der Auftrag an andere Dienststellen im Gehirn weitergeleitet, die schon auf angemessene Zwischen- oder Alternativlösungen vorbereitet sind, z. B. den Kaffee auf einem Tisch abzustellen oder mit der rechten Hand das Käsebrötchen wegzulegen, um die linke vom Kaffee zu befreien. Diese in Sekundenbruchteilen ablaufenden Kontrollchecks und Koordinationsaufgaben verschiedener, unabhängig voneinander arbeitender Gehirnanteile werden in aller Regel unbewusst erledigt, ohne einen Gedanken von uns zu bemühen.

Das Wechselspiel von bewussten und unbewussten Gehirnaktionen in diesem Beispiel geschieht auch in Situationen mit komplexen Sachverhalten, wenn ich z. B. mit Menschen zusammentreffe, die oder deren Verhalten mich an frühere Begegnungen erinnern und entsprechende positive oder negative Gefühle in mir auslösen. Damit steuern die unbewussten Anteile in mir blitzschnell meine Reaktionsweisen im weiteren Verlauf dieser Begegnung.

Das Nervensystem besteht zum einen aus dem Großhirn, dem entwicklungsgeschichtlich jüngsten Teil, das als der Ort des Bewusstseins bezeichnet wird. Direkt darunter liegen ältere Gehirnanteile, die bereits vor den Säugern bzw. bei den Reptilien zu finden sind: das Zwischen- und das Stammhirn. Hier hat die neurophysiologische Forschung verschiedene Zentren lokalisiert, z. B. den Hypothalamus und das Limbische System, die dem unbewussten Nervensystem zugeordnet werden und die unbewussten Abläufe von der Atmung bis zur Verdauung im Organismus steuern.

Ein schönes Bild findet der Neurowissenschaftler Henning Beck (2015) in seinem Buch Hirnrissig, in dem er das Nervensystem des Menschen wie das Versorgungsleitungssystem in einem Wohnhaus beschreibt: Oben liegt die Wohnung, die dem bewussten Teil des Nervensystems entspricht, alles klar und übersichtlich geordnet, Wohnraum, Arbeitszimmer, Küche, Bad usw., technisch perfekt ausgestattet und ohne störende Installationsleitungen. Sobald man aber den Keller betritt, also in die Tiefen des Unbewussten kommt, wird es schnell unübersichtlich. Da gibt es ein Gewirr an Wasserleitungen und Heizungsrohren, Zu- und Abwasser-, Gas-, Elektro-, Telefonleitungen und vieles mehr, daneben möglicherweise noch »zwischengelagerte« Kisten vom letzten Umzug und andere Erinnerungsstücke oder »Wertsachen«, von denen wir uns nur ungern trennen wollen, die nun aber vollends zu Unübersichtlichkeit beitragen.

Wenn ein Neurowissenschaftler die Vorgänge in unserem Hirn so komplex betrachtet, könnte uns ein klareres Modell von Nutzen sein, mit dem wir der Funktion des Unbewussten bei der Verbesserung unserer Kommunikationsfähigkeiten näherkommen. Es hilft uns dabei, die uns unbekannten – die »unbewussten« – Anteile des Gehirns ein Stück weit besser kennenzulernen, indem wir sie als verschiedene Teile unserer Persönlichkeit ansehen. Damit gelingt es uns leichter, den Weg durch den Dschungel des Lebens und die Tücken kommunikativer Verflechtungen zu finden, um aufkommende Verständigungsprobleme früher zu erkennen, Lösungsstrategien erfolgreicher zu entwickeln und dadurch die Ladestationen zu finden, die uns mit Lebensenergie, Freude und Gesundheit versorgen.

So stellen sich zwei wichtige Fragen: Wer bin ich, und wie viele?

Die erste ist sehr philosophisch und sicher zu komplex, um an dieser Stelle näher darauf einzugehen. Das würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen. Mit der zweiten Frage, wie viele bin ich, sind die verschiedenen Anteile unseres unbewussten Nervensystems gemeint, genauer die vegetativen Systeme. Sie agieren in uns wie innere Berater·innen und haben genau festgelegte Aufgaben auszuführen, je nach aktueller Anforderung, ohne dass wir auch nur einen Hauch von dieser Aktivität mitbekommen.

Wenn wir z. B. nach einem opulenten Mahl müde sind oder nach einem starken Espresso verlangen, dann können wir einen Ausschnitt der Arbeit eines unserer vegetativen Systeme kennenlernen, das sonst in aller Stille unbemerkt fleißig seine Aufgaben erledigt. Gemeint ist in diesem Fall die spezielle innere Berater·in für Stoffwechselangelegenheiten samt seiner Helfer, Teile des unbewussten Nervensystems, Steuerzentren, die sich unter anderem um alle Anforderungen rund um die Verdauung kümmern. Sie gehören zu den vegetativen Systemen der Mittenorgane. Sind nun die Anforderungen bei einer kalorienreichen Mahlzeit einmal ungewöhnlich hoch, vielleicht nach einer größeren Portion Schweinekrustenbraten oder einer besonders großen köstlichen Sahneschnitte, dann kann sich das vegetative unbewusste System der Mitte schon einmal bemerkbar machen. Zeichen für seine Überlastung ist typischerweise eine Trübung der ansonsten klaren Körperenergie, was sich in einer Reduktion der geistigen Leistungsfähigkeit, fehlender Konzentration, in Müdigkeit oder Gleichgültigkeit bemerkbar machen kann. Dadurch werden wiederum andere Steuerzentralen aktiviert, die Zwischenlösungen in Gang setzen und vielleicht eine ursprünglich zu diesem Zeitpunkt geplante Besprechung absagen, die Möglichkeit zu einem Mittagsschlaf schaffen oder eine Extraportion Koffein einfordern.

Es wird deutlich, dass konstruktive Kommunikation besser gelingt, wenn ich eine ungefähre Ahnung habe von meinen aktuellen Gefühlen und Bedürfnissen. Erst wenn ich weiß, was ich wirklich will, wie es mir geht, wenn ich meine Bedürfnisse und Wünsche kenne und realisieren möchte, d. h., meine in mir agierenden inneren Berater·innen kenne, ihre Schwächen und Stärken, und wenn es mir gelingt, Einfluss auf diese Anteile nehmen zu können, dann werde ich auch in der Lage sein, in konstruktive und freudvolle Kommunikation mit anderen Menschen zu kommen. Meditationsrituale verschiedenster Heilkulturen haben das Ziel, »gesunde« Kommunikationswege herzustellen, indem sie den Übenden dabei helfen, zu sich zu finden, in sich selbst »nach Hause« zu kommen, was bedeutet, sich selbst zu erkennen, zu akzeptieren und sich von negativen Gefühlen wie Angst und Ärger so weit lösen zu können, dass sie im Kontakt zu anderen nicht stören.

1.3 Begegnung mit anderen

Das Wort Kommunikation ist verwandt mit dem Wort Kommune, z. B. als Stadt- oder Dorfgemeinschaft, aber auch als Wohn- oder Lebensgemeinschaft. Eine Gemeinschaft lebt vom Austausch von Informationen, wenn ein Individuum dem anderen etwas mitteilen will. Die menschliche Sprache bietet dafür die Voraussetzungen, sofern die Kommunizierenden die gleiche Sprache sprechen. Wir kennen aber auch zu gut den Fall, dass die Gesprächspartner·innen die gleiche Muttersprache haben und trotzdem nicht die gleiche Sprache sprechen. Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse. Woran könnte es liegen, wenn Kommunikation schwierig wird?

Wir gehen davon aus, dass der Mensch mit individueller Grundkonstitution, individuellen Erbanlagen, seelischen und körperlichen Stärken und Schwächen auf die Welt kommt. Danach wird er durch seine Lebensumstände geprägt, in seiner Entwicklung im besten Fall gefördert, im schlechtesten vernachlässigt oder behindert. Wesentlichen Einfluss hat die verbale und nonverbale Kommunikation mit der Umgebung, die bereits im Mutterleib beginnt und dann bis zum Lebensende fortgeführt wird und wirkt.

Der bekannte Psychotherapeut Paul Watzlawick sagt: »Man kann nicht nicht kommunizieren«, was bedeutet, dass wir in jedem Moment unseres Lebens von den Auswirkungen der mitunter gar nicht bewusst wahrgenommenen Kommunikation betroffen sind, mal in angenehmer, mal in unangenehmer Weise. Sie hat damit aus der ganzheitlichen Sicht traditioneller Heilverfahren gesunde oder ungesunde Effekte auf unsere Lebens- und Selbstheilungskräfte. Stress durch unlösbar erscheinende Konflikte in zwischenmenschlichen Beziehungen erzeugt oder verstärkt Blockaden und kann damit die Störungen körperlicher und seelischer Art führen. Daher hat eine konstruktive Kommunikation nicht nur das Ziel, geistig fassbare Fragen zu klären, sondern auch die Fähigkeit, durch Auflösung dieser Blockaden seelische und körperliche Heilung zu unterstützen.

In den letzten Jahren sind wissenschaftliche Untersuchungen in den Fokus gerückt, die sich auf die Auswirkungen verschiedener Kommunikationsverhalten ausrichten. Dabei stellte sich heraus, dass die ganzheitliche Betrachtung der Abläufe im menschlichen Körper und der Funktion des unbewussten Nervensystems zu Lösungsansätzen führt, mit denen wir die kommunikativen Fähigkeiten sowohl im medizinischen als auch im sozialen Bereich deutlich verbessern können.

Die Wirkung der Gespräche zwischen Ärzt·in und Patient·in wird erst seit einigen Jahren verstärkt diskutiert immer mehr Thema in der Forschung von Medizin und Psychologie. Die Ergebnisse zeigen, welche Erfolge vor allem durch eine Kommunikation erreicht werden, die sich an hypnotherapeutischen Methoden orientiert. Hansjörg Ebell (2004), Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, konnte anhand mehrerer Studien die besondere Wirkung hypnotherapeutischer Gesprächsführung nachweisen. Danach fühlten sich die Patient·innen nicht nur besser, sondern konnten den Bedarf an Schmerzmitteln reduzieren und berichteten über signifikant kürzere und komplikationsärmere Heilverläufe. Zentraler Punkt dieser Gesprächsführung ist der achtsame Einsatz von Sprache, der sich im Sinne hypnotherapeutischer Zuwendung besonders an den Assoziationen und Reaktionen der Patient·innen orientiert.

Eine Auswertung von Metaanalysen von Winfried Häuser (2017) ergab bei über 400 Patient·innen einen geringeren Schmerzmittelverbrauch während und nach Operationen sowie bei psychosomatischen Erkrankungen, wenn die Patient·innen hypnotherapeutisch mitbehandelt wurden. Einen Effekt hatte nicht nur der Einsatz hypnotischer Techniken, sondern auch die Art der sprachlichen Zuwendung. Das Fazit der Analyse: Hypnotische Techniken wie der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu Patient·innen von allen Ärzt·innen und Zahnärzt·innen im klinischen Alltag können Bestandteil einer wirkungsvollen Arzt-Patienten-Kommunikation sein.

Die besondere Auswahl von Worten in einer Unterhaltung entfaltet sich aber nicht nur in Arzt-Patienten-Gesprächen, wo mittlerweile die Wirksamkeit belegt wurde, sondern in jeder Begegnung von Menschen mit Menschen, sei es am Arbeitsplatz, beim Hobby oder in der Familie.

Eine nachhaltige Wirkung im Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen den Kommunikationspartner·innen wird erzielt, wenn Zeichen wie körperliche Befindlichkeiten und Reaktionsweisen so wahrgenommen und verwendet werden können, dass sie zur Klärung des aktuellen Zustands der vegetativen Systeme und damit zum Erfolg der Unterhaltung beitragen können. Gemeint sind mit diesen Zeichen sogenannte somatische Marker, d. h. genau definierte seelische und körperliche Äußerungen des Organismus, die auf den aktuellen Zustand der vegetativen Systeme hindeuten und die wir als Steuerzentralen des Unbewussten betrachten können. Sie verfügen über bestimmte Begabungen und Kompetenzen und können ressourcenorientiert als Verstärker oder Übersetzer in kommunikativen Prozessen wirken.

1.4 Verbal oder nonverbal?

Die verbale Kommunikation bedient nur einen kleinen Ausschnitt der zahlreichen Informationskanäle zwischen zwei Menschen. Eine wesentlichere Rolle im Erfassen der gesamten Botschaft, die ein Mensch einem anderen zukommen lässt, spielt die nonverbale Kommunikation. Sie drückt sich nicht in Worten aus, sondern in Zeichen wie Gesten, Mimik, Körperhaltung oder Bewegung, Tonfall, einem Stöhnen oder Lachen usw. Diese Kanäle der Informationsübertragung machen über 80 Prozent dessen aus, was in der Kommunikation vom Empfänger aufgenommen wird, was letztlich haften bleibt, bei ihm wirkt und den Fortgang der Unterhaltung prägt.