Hypnotherapie – effizient und kreativ - Susy Signer-Fischer - E-Book

Hypnotherapie – effizient und kreativ E-Book

Susy Signer-Fischer

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Beschreibung

Hypnotische Interventionen können, kombiniert mit anderen Verfahren, in sehr vielen Lebensbereichen und bei fast allen Störungsbildern eingesetzt werden. Entscheidend für den Erfolg einer Therapie oder Beratung sind eine gute Vorbereitung und sorgfältige Planung. Susy Signer-Fischer stellt in diesem Praxisbuch über 200 hoch wirksame Interventionen kompakt und übersichtlich zusammen, geordnet nach Störungsbildern und Lebensthemen. Jede Intervention wird kurz eingeführt und erklärt, darauf skizziert die Autorin den Aufbau der Trance und gibt Hinweise zu den jeweiligen Anwendungsbereichen. Daraus entsteht eine Sammlung von kompakten Interventionen, die wenig Zeit brauchen, für Fachleute leicht verständlich sind und direkt in der Praxis angewendet werden können. Dem Praxisteil vorangestellt sind allgemeine Informationen zu Psychotherapie und zur Anwendung von Hypnose. Ein Schlagwortverzeichnis erleichtert den gezielten Zugriff.

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Susy Signer-Fischer

Hypnotherapie – effizient und kreativ

Bewährte Rezepte für die tägliche Praxis

Zweite Auflage, 2023

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe: »Hypnose und Hypnotherapie«

hrsg. von Bernhard Trenkle

Umschlaggestaltung: Uwe Göbel

Umschlagmotiv: © Curioso/Shutterstock.com

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Zweite Auflage, 2023

ISBN 978-3-8497-0269-4 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8183-5 (ePub)

© 2019, 2023 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Einleitung

Teil I: Grundlagen und Grundbegriffe

1 Hypnose und hypnotische Methoden

1.1 Anwendung von Hypnose

1.2 Wirksamkeit von Hypnose

1.3 Hypnotische Methoden

1.3.1 Ericksonsche Hypnotherapie

1.4 Wichtige Aspekte der Hypnotherapie

1.4.1 Trance und Hier-und-jetzt-Zustand

2 Suggestionen

2.1 Definition

2.1.1 Beispiele indirekter Suggestionen

3 Dissoziation und Assoziation

4 Arbeit mit Symptomen und Problemen

4.1 Symptome oder Probleme als Metaphern betrachten

4.2 Teilearbeit

4.3 Gefahren

4.4 Häufige Themen bzw. Symptome

4.5 Bedeutung von Symptomen

4.5.1 Bedeutung auf verschiedenen Ebenen erkennen

4.6 Behandlung des Symptoms

4.7 Gleichgewicht zwischen Symptomen und guten Empfindungen, Gefühlen, Interessen

4.7.1 Methoden metaphorischer Symptomarbeit am Beispiel der Angst

4.8 Magisches Denken und magische Methoden

4.8.1 Begriffserklärung

Teil II: Interventionen

5 Zum Gebrauch und Aufbau der Interventionen

5.1 Induktionen und Vertiefungen

6 Ressourcen

6.1 Ressourcen wahrnehmen und stärken

6.2 Ressourcen nutzen, um sich mit einem Problem zu befassen

6.2.1 Energie und Zeit

6.2.2 Handhabung von Gleichgewichten

6.3 Wohlbefinden, Ruhe, Gefühl von Freiheit

6.4 Schlafen und Aufwachen

6.5 Arbeit mit Träumen

7 Abgrenzung/Schutz

7.1 Sich abgrenzen

7.2 Gut auf sich selbst schauen

7.3 Geben versus Nehmen, Verantwortung

8 Wahrnehmung

8.1 Wahrnehmung der Umwelt und anderer Personen

8.2 Wahrnehmung der eigenen Person

9 Kontrolle und Einfluss, Selbstwirksamkeit

9.1 Kontrolle über sich

9.2 Schmerzkontrolle: Psychosomatik und Somatik

9.3 Kontrolle über die Situation

9.4 Soziales Verhalten

10 Sich dem Problem stellen

10.1 Überblick gewinnen und Probleme erkennen

10.2 Auseinandersetzung mit dem Thema

10.3 Die Bedeutung des Symptoms

10.4 Umgang mit dem Thema, dem Symptom

11 Leistung

11.1 Analysieren von Leistungen und Verhalten

11.2 Leistung und Verhalten verbessern

11.3 Ziele setzen

11.4 Widerstände überwinden

12 Identität und Selbstbild, Selbstwert, Selbstvertrauen

13 Lebenslauf

13.1 Lebenslauf allgemein

13.2 Entscheidungen fällen

13.3 Übergänge

13.4 Einfluss auf den Lebenslauf nehmen

13.5 Umgang mit schwierigen Lebensumständen und -ereignissen

13.6 Arbeit mit einem Trauma

Literatur

Verzeichnis der Interventionen

Verzeichnis der Anwendungen und Symptome

Über die Autorin

Einleitung

Kochbücher sind eine praktische Sache. Sie sind übersichtlich, leicht verständlich und nachvollziehbar. Neben einfachen Rezepten enthalten sie Empfehlungen und Hinweise für Abwandlungen und Kombinationen. Das vorliegende Buch setzt nun genau an diesem Punkt an und nutzt das Kochbuchkonzept für Beratung, Psychotherapie und Coaching. Es soll Ihnen ermöglichen, die für Ihre Zwecke passenden Induktionen und Vertiefungen (»Aperitif, Vorspeise«), entsprechenden Inhalte (»Hauptgang«) und ein Zurückkommen (»Nachspeise«) dank der übersichtlichen Struktur dieses Buches rasch aufzufinden und erfolgreich durchzuführen.

Bei einer Mahlzeit kann ein Aperitif oder eine Vorspeise auch als Hauptgang serviert werden. Ebenso können Sie die einzelnen Interventionen sowohl kombinieren, sodass eine ganze Mahlzeit, also eine formale Trance mit allen Teilen, entsteht, als auch einzeln, für sich einsetzen.

Wenn ein Klient begrenzte Kräfte hat, sei es wegen fehlender Aufmerksamkeitsspanne, begrenzter Frustrationstoleranz oder fehlender körperlicher oder psychischer Kräfte, lohnt es sich, sich nur auf das wichtigste Ziel der Intervention zu konzentrieren, anstatt mit dem »Inhalt« zu arbeiten. Nimmt man hier wieder den Vergleich mit der Mahlzeit, so lohnt es sich, nur eine Hauptspeise zu servieren, wenn der Appetit begrenzt ist.

Die Interventionen werden meist im Einzelsetting durchgeführt und mit sprachlichen und nichtsprachlichen Rückmeldungen des Klienten1 erarbeitet. Sie sind in erster Linie für Erwachsene gedacht, können jedoch, in leicht abgewandelter Form, auch mit Kindern und Jugendlichen angewendet werden.

Das Buch richtet sich zum einen an Fachleute aus den Bereichen Psychotherapie, Somatik und ärztliche Praxis, die kurze Interventionen suchen, zum Beispiel für den Klinikalltag. Genauso profitieren aber auch Berater und Coachs, sei es in der Arbeit mit Führungskräften oder im Bereich Sport, Schule oder Kunst.

Zum Aufbau des Buchs

In Teil I werden in den Kapiteln 1 bis 4 Grundlagen der Hypnose und der Behandlung mit Hypnose dargestellt.

Die über 200 Interventionen finden sich in Teil II. Das einführende Kapitel 5 erläutert, auf welche Weise sich die Interventionen anwenden und leicht in den eigenen Praxisalltag integrieren lassen. Anhand weniger Beispiele wird im Detail dargestellt, wie Induktionen und Vertiefungen durchgeführt werden können.

Die nächsten vier Kapitel widmen sich den Interventionen zu Lebensthemen: Begonnen wird mit den Ressourcen (Kap. 6), da es im Leben allgemein und in der Hypnopsychotherapie besonders wichtig ist, zuerst die Ressourcen wahrzunehmen und zu stärken. Es folgt Kapitel 7 über Abgrenzung und Schutz. Auch diese Fähigkeiten sind schon zu Beginn jeder Therapie relevant. Das Thema Wahrnehmung in Kapitel 8 ist essenzielle Voraussetzung vieler Interventionen. Die in Kapitel 9 bearbeiteten Aspekte Kontrolle, Einfluss und Selbstwirksamkeit bilden wichtige Grundlagen für unser Wohlbefinden allgemein und das Meistern von Herausforderungen im Leben.

Wenn diese Punkte erarbeitet sind, gelingt es leichter, »sich den Problemen zu stellen«, wie in Kapitel 10 beschrieben wird. Die Themen Leistung (Kap. 11), Identität (Kap. 12) und Lebenslauf (Kap. 13) der folgenden Kapitel bauen darauf auf.

Die meisten vorgestellten Interventionen enthalten einen Teil mit expliziter Trance, oft kombiniert mit anderen therapeutischen Methoden, wie Gestalttherapie, Verhaltenstherapie, psychoanalytischen Elementen und Wissen aus psychologischen Studien, beispielsweise der Gedächtnispsychologie.

1 Der Einfachheit halber wird im gesamten Text bei Personenbezeichnungen die männliche Form verwendet; die weibliche Form (»Klientin, Therapeutin«) ist selbstverständlich eingeschlossen.

Teil I: Grundlagen und Grundbegriffe

2 Suggestionen

In der Hypnosetherapie werden Suggestionen gezielt eingesetzt. Natürlich wird in allen Therapieformen und auch in der Erziehung mit Suggestionen gearbeitet. Fachleute, die hypnotische Methoden anwenden, sollen besonders sorgfältig damit umgehen und ihre Klienten lehren, Suggestionen zu erkennen, gesunde und ungesunde Suggestionen zu unterscheiden und sich vor letzteren zu schützen.

2.1 Definition

Suggestion (lat. suggestio, dt. »Eingebung, Einflüsterung«) bedeutet nach dem Fremdwörterduden »Übertragbarkeit der Affekte«, nach dem Duden »Beeinflussung eines Menschen, suggestive Wirkung/Kraft«. Nach dem Lexikon der Psychologie (1976) ist eine Suggestion eine »zwischenmenschliche Einflussnahme, wobei gefühlsbetonte Vorstellungen ohne rationale Begründung dem Partner unterschoben (subgerere) werden«.

Suggestion ist also eine Form der Beeinflussung, die eng mit dem Begriff der Hypnose und dem Trancezustand verknüpft ist. Es lassen sich direkte und indirekte Suggestionen differenzieren:

Nach Erickson »appelliert eine direkte Suggestion an den bewussten Verstand und löst ein bestimmtes Verhalten aus, wenn wir mit der Suggestion einverstanden sind und die Fähigkeit haben, sie willentlich zu befolgen« (Erickson u. Rossi 1981, S. 34). Beispiel: »Bitte schließ das Fenster.«

»Ericksons Ansatz der Hypnotherapie zeichnet sich u. a. durch das Prinzip der Indirektheit aus. Erickson glaubte, dass Kommunikation nicht notwendigerweise logisch, konkret oder direkt sein muss, um eine Wirkung zu erzielen. Seine Anschauung deckt sich mit Ergebnissen der Sozialpsychologie« (Revenstorf u. Freund 2015).

2.1.1 Beispiele indirekter Suggestionen

Spiegeln

Das Spiegeln wurde und wird in Zusammenhang mit verschiedenen psychotherapeutischen Methoden angewendet. Nach Schigutt (2009) ist die Spiegeltechnik (neben Doppeln und Rollentausch) eine der drei psychodramatischen Grundtechniken. Entwicklungsgeschichtlich entspricht sie dem »Stadium der Ich-Erkenntnis«. »Das Kind hebt sich von den Menschen und den Gegenständen seiner Umwelt ab und entwickelt eine Vorstellung von sich selbst« (Leutz 1986, S. 46). Bei der Spiegeltechnik wird mit einem Gruppenmitglied gearbeitet, das den Protagonisten darstellt. Dieser kann, wie in einem Spiegel, seine Interaktion mit einem anderen beobachten; das bedeutet für den Protagonisten ein Hinaustreten aus seinem System. Dies ermöglicht ihm zu erkennen, was an seinem Verhalten ungesund und veränderungsbedürftig ist. In der monodramatischen Sitzung kann der Psychotherapeut die Rolle des Spiegels übernehmen. Der Psychotherapeut spricht in der Rolle des Klienten den inneren Monolog und/oder spiegelt dessen Verhalten. Da das Spiegeln durch seine konfrontative Wirkung eine große Belastbarkeit des Klienten voraussetzt, sollte diese Technik nur sparsam und gut reflektiert eingesetzt werden.

In der klientenzentrierten Psychotherapie bezeichnet Spiegeln den Versuch einer Person, auf Verhaltensweisen ihres Gesprächspartners so zu reagieren, dass sie seine Perspektive einnimmt und das Verstandene an ihn »zurückspiegelt«. Das heißt, die Person gibt in eigenen Worten das zurück, was sie von ihrem Gegenüber an Inhalten und Gefühlen verstanden hat. Der Therapeut wiederholt die Aussage des Klienten, er fasst das von ihm Gesagte in seinen Worten zusammen. Das Spiegeln erfolgt hier vor allem verbal.

Carl Rogers‹ Methode baut auf symmetrischen Spiegelungen. Frank Farrelly, ein direkter Schüler von Carl Rogers, hat aus dessen Ansatz die Provokative Therapie entwickelt, deren Instrumentarium aus vielen antisymmetrischen Spiegelungen besteht (Höfner u. Cordes 2018). Provokative Interventionen unterstützen die Selbstwirksamkeit und -verantwortung der Klienten. »Provokation« darf hier im Sinne von Herausforderung verstanden werden. Durch die Konfrontation mit den selbstschädigenden Denk- und Verhaltensweisen wird Widerstand erzeugt. Folglich verlässt der Klient seine Opferhaltung und wird aktiv. Der Einsatz von Humor und das gemeinsame Lachen sind dabei zentral.

Es gibt verschiedene Formen des Spiegelns. Dieses kann auf verbaler oder nonverbaler Ebene ablaufen. Es ist außerdem möglich, beim Spiegeln denselben Kanal zu wählen (direktes Spiegeln) oder einen anderen (Spiegeln über Kreuz). Jedoch birgt diese indirekte Suggestion auch Nachteile. Wird sie zu auffällig angewendet, kann sie durchaus lächerlich wirken. Des Weiteren wird durch Spiegeln die Abgrenzung von anderen Personen möglicherweise schwierig. Deshalb sollte die Methode nur in der Form angewendet werden, wie sie zur Arbeitsweise des Therapeuten passt.

Ja-Haltung (»yes-set«)

Spiegeln kann eine Ja-Haltung, eine weitere indirekte Suggestion, begünstigen. Die Vorteile dieser indirekten Suggestion liegen darin, Offenheit für neue Erlebnisse zu ermöglichen, starre Haltungen aufzulösen und ein »Pacing« (siehe unten) zu erreichen. Strategien, eine Ja-Haltung aufzubauen, sind:

Allgemeinplätze oder Floskeln, z. B.:

»Alles hat ein Ende.«

»Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Bekleidung.«

»Es bedeutet für Sie einen großen Aufwand, hierherzukommen, oder?«

Offensichtliche Fragen mit Ja-Antworten, z. B. »Lautet Ihr Name XY?«

Fragen, die wahrscheinlich mit »ja« beantwortet werden, z. B.:

»Sie haben sich sicher viele Gedanken über dieses Problem gemacht, oder?«

Wenn fast alle Kleider der Klientin rosa sind: »Sie mögen die Farbe Rosa?«

Pacing und Leading

Die Ja-Haltung kann erweitert oder genutzt werden mit der indirekten Suggestion des »Pacing – Pacing – Leading«. Nach Kanitschar (2009) stellt diese Methode Prinzipien der Tranceinduktion dar, die in der (klinischen) Hypnose zur Herstellung des Rapports angewendet werden.

Pacing (engl. to pace, dt. »[einher]schreiten«) bedeutet Begleiten oder Folgen und kann auf verbaler und nonverbaler Ebene stattfinden:

Beim

verbalen

Begleiten beschreibt der Therapeut die objektiv feststellbaren und offensichtlichen Verhaltensweisen des Klienten sowie dessen mutmaßliche Erlebnisinhalte wie Gefühle, Stimmungen und körperliche Wahrnehmungen, aber auch mutmaßliche kognitive Vorgänge wie Überlegungen und Erwartungen; er tut dies in einer Weise, dass der Klient innerlich zustimmen kann.

Nonverbal

kann der Therapeut sich an Körperhaltung, Sprechweise, Atmung und bestimmte Verhaltensmuster des Klienten anpassen oder diese spiegeln und verstärken. Dadurch signalisiert er dem Klienten auf nichtsprachlicher Ebene, dass er ihn versteht, und der Klient kann eine Ja-Haltung entwickeln.

Schon während der Entstehung dieses kommunikativen Rapports kann der Therapeut schrittweise beginnen, den Klienten mittels Leading in eine Trance zu führen.

Pacing bedeutet in diesem Zusammenhang also, den Klienten dort abzuholen, wo er sich befindet (kultureller Zusammenhang, Stimmung, Alter, Entwicklungsphase, Problemkreis etc.). Dazu kann das Spiegeln oder die Ja-Haltung verwendet werden. Mit Leading (Leiten, Lenken) ist nun das Weiterführen des Klienten in eine bestimmte Richtung gemeint.

Beim Pacing werden Fragen gestellt oder Feststellungen gemacht, von denen erwartet wird, dass sie beim Klienten eine Ja-Haltung hervorrufen.

Beim Leading werden Fragen gestellt oder Feststellungen gemacht, die in eine bestimmte (vom Therapeuten als wünschenswert erachtete) Richtung weitergehen, zum Beispiel: »Möchten Sie jetzt hören, wie eine außenstehende Person die Situation einschätzt?«

Verwirrung

Die Verwirrung kann ebenfalls als indirekte Suggestion genutzt werden. Sie dient dazu, die Trance zu vertiefen und das Denken in den Hintergrund zu stellen. Sie kann durch Überflutung, Überraschung, Überspringen oder Unbekanntes entstehen. Ziel ist, bisher ungenutzte Energien freizulegen.

Verwirrung wird auch im Alltag angewendet, zum Beispiel in der Werbung, wie Abb. 1 zeigt.

Abb. 1: Verwirrung als Suggestion im Alltag – Schild vor einer Bäckerei. Vor lauter Verwirrung bleibt dem Betrachtenden nur das Wort »Kaffee« im Sinn. In der Folge sollen möglichst viele Passanten in der Bäckerei Kaffee kaufen oder trinken

3 Dissoziation und Assoziation

Dissoziation und Assoziation – Trennen, Teilen, Aufteilen und Verbinden, Zusammenfügen, Verknüpfen – sind in der Hypnotherapie häufige, in unterschiedlicher Art angewendete Methoden. Die Arbeit mit den verschiedenen Bewusstseinszuständen, dem Hier-und-jetzt-Zustand und dem Trancezustand, beinhaltet schon eine Aufteilung in verschiedene Zustände. Das Modell des Bewussten und des Unbewussten (»unconscious mind«) impliziert ebenfalls die Aufteilung in zwei Teile. Lehrer (1985) beschrieb die Metapher zur Veränderung mittels Hypnose. Mit der Aufteilung in zwei Teile spielt auch Haley (1993) in Bezug auf die Hypnotherapie: Langzeit- versus Kurzzeittherapie, Gegenwart versus Vergangenheit, gutes versus böses Unbewusstes. Oft wird Klienten in der Trance suggeriert, ein Teil der Person gehe einen Weg und ein anderer Teil einen anderen. Nach Barber (1985) ist Hypnose ein »Erleichterer« (engl. faciliator) des therapeutischen Prozesses im Allgemeinen und des Zugangs zu verschiedenen Teilen, insbesondere zum Unbewussten. In der Hypnosetherapie kann mit mehr als zwei Teilen gleichzeitig gearbeitet werden.

Gemäß der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme ICD-10 der WHO sind »Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen; F44)« gekennzeichnet durch den teilweisen oder völligen Verlust »der normalen Integration von Erinnerungen an die Vergangenheit, des Identitätsbewusstseins, der unmittelbaren Empfindungen sowie der Kontrolle von Körperbewegungen.«4

Im psychotherapeutischen und hypnotischen Kontext kann Dissoziation folgendermaßen verstanden werden: Die Außenwelt kann auf zwei verschiedene Arten wahrgenommen werden – einerseits aus der eigenen Perspektive, in Assoziation, oder aus der Außenperspektive, in Dissoziation. Die Art und Weise, wie wir unsere Außenwelt wahrnehmen, beeinflusst unser Denken und unsere Möglichkeiten, auf sie zu reagieren. Uns selbst nehmen wir vor allem in Assoziation wahr. Manchmal ist es hilfreich, wenn man sich selbst von außen betrachtet, also in Dissoziation.

Assoziation und Dissoziation sind in verschiedenen Zusammenhängen relevant, bei der Arbeit mit Traumatisierten, in Zusammenhang mit Schmerzen und beim Empfinden von Empathie in sozialen Situationen sowie vor allem bei kalter Aggression.

Bereits ab dem frühen Kindesalter (Bauer 2005), sicher aber ab dem Kindesalter sind Menschen fähig, beide Perspektiven einzunehmen und zwischen Assoziation und Dissoziation zu wechseln. Der Wechsel zwischen diesen beiden Blickwinkeln geschieht im Normalfall kontrolliert.

Assoziation wird in diesem Zusammenhang als Einssein mit sich und das Sich-als-Ganzes-Erleben definiert. Dissoziation kann verschiedene Ebenen betreffen (Tabelle 1):

Körperteile (Schmerzkontrolle)

Eigenschaften (Schattenseiten)

Gedächtnisinhalte (Straftaten)

Gefühle und Wahrnehmungen

Probleme können entstehen, wenn nicht beide Perspektiven eingenommen werden können, wenn man nicht zwischen den Blickwinkeln zu wechseln vermag oder wenn dies nicht kontrolliert geschieht.

Dissoziation ist das Gegenteil von Assoziation und beinhaltet den Mangel an Assoziation. Dissoziation kann in unterschiedlicher Weise erfolgen und auch für die Hypnotherapie oder allgemein für die Beratung und Therapie genutzt werden. Tabelle 1 fasst dies übersichtlich zusammen.

Verdrängung versus Dissoziation

Nach Phillips u. Frederick (2003) können beide Mechanismen folgendermaßen differenziert werden. Verdrängung wie auch Dissoziation sind unbewusste psychische Abwehrmechanismen:

Verdrängung

kann nach Breuer u. Freud (1895) als Verlagerung besonders schmerzhaften Materials ins Unbewusste verstanden werden. Dort wird es vergessen, beeinflusst jedoch weiterhin geistige Prozesse wie Denken, Fühlen und Verhalten.

Was?

Wie?

Wofür?

Ganzer Körper, ganze Person

Video, Filmleinwand

Überblick

Kontrolle von Emotionen, Schmerzen, kinästhetischen

Wahrnehmungen

Körperteil

Kälteunempfindlich machen

Neben sich legen, als gehörte es nicht zu meinem Körper

Schmerzkontrolle

Gefühle

Kognition ansprechen

Körperliche Dissoziation

spontanes »numbing« (Betäuben) bei akutem Trauma

Nach Trauma Dissoziation durch Trigger erneut ausgelöst

Kontrolle

»Schutz«

Vermeidung

Wahrnehmungsgebiete

Körperliche Dissoziation

Andere Gebiete besonders ansprechen

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Kontrolle

Spontan, z. B. Schutz davor, Elternstreit oder Kritik zu hören

Persönlichkeitsaspekte

Betonung auf andere Ignorieren

Sich mit Gestaltmethoden gezielt in entsprechenden Bewusstseinszustand versetzen

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Kontrolle

Lebenssituation aushalten

Schutz

Selbstsicherheit

Gedächtnisinhalte

Vergessen, ignorieren Sich mit Gestaltmethoden gezielt in entsprechenden Bewusstseinszustand versetzen

Bearbeiten

Kontrolle

Lebenssituation aushalten Schutz

Tabelle 1: Verschiedene Formen der Dissoziation – wie sie durchgeführt werden können und wozu sie dienen

Dissoziation

hingegen wird nach Janet (1904) als zeitliches Entschwinden aus dem Bewusstsein definiert. Dabei kommt es zu einer Trennung zwischen dissoziiertem Erlebnis und dem Teil des Geistes, der weiß und erinnert.

Beispiele dissoziativer Phänomene:

Melodie im Kopf, auf die man keinen Einfluss hat

Tagträumen

Versunkenheit in Lektüre

Beteiligt bei automatischen Handlungen wie z. B. Autofahren

Dissoziative Störungen und ihre Symptome

In der ICD-10 werden folgende Symptome aufgezählt:

Amnesie:

Gedächtnisverlust

Fugue:

Entschlossene und zielgerichtete Reise in einem Zustand dissoziativer Amnesie, über den alltäglichen Aktionsradius hinaus. Trotz späterer Amnesie kann das Verhalten dabei völlig normal erscheinen.

Stupor:

Beträchtliche Verringerung oder vollständiges Fehlen von Willkürbewegungen und Sprache sowie normalen Reaktionen auf Licht, Geräusche und Berührung.

Trance und Besessenheitszustände:

Zeitweiliger Verlust der persönlichen Identität und der vollständigen Wahrnehmung der Umgebung

Störungen der Bewegung und der Sinnesempfindung:

Veränderung oder Verlust von Empfindungen oder Bewegungsfunktionen.

Bewegungsstörungen:

Teilweiser oder vollständiger Verlust der Bewegungsfähigkeit eines oder mehrerer Gliedmaßen

Krampfanfälle:

Ähnlich wie epileptische Anfälle

Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen:

Unterschiedliche Verluste der verschiedenen sensorischen Modalitäten

Gemischte, sonstige oder nicht näher bezeichnete dissoziative Störungen

Das DSM-5, die 5. Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen) teilt einige der hier beschriebenen Störungsbilder anders ein (Falkai u. Wittchen 2015). Alle dissoziativen Störungen mit körperlichen Aspekten (motorische Symptome und Ausfälle, Anfälle und Krämpfe, sensorische Symptome und Ausfälle) werden im DSM-5 den somatischen Belastungsstörungen zugeordnet und dort als Subtyp der Konversionsstörung behandelt. Durch diese Einteilung in die somatischen Belastungsstörungen stellt das DSM-5 die Symptomatik in den Vordergrund. Trotzdem beinhalten aber die Kriterien den Zusammenhang mit Konflikten oder anderen Belastungen.

Die ICD-10 berücksichtigt den belastenden Auslöser stärker. (Er ist ja Teil der generellen Kriterien der Kategorie.) Sie fasst die dissoziativen Störungen mit starken somatischen Symptomen (z. B. die dissoziative Sensibilitätsstörung) mit den weniger körperlich betonten (z. B. Amnesie) in einer Kategorie zusammen.

Im DSM-5 gelten nur die weniger körperlich betonten Störungen der ICD-Kategorie F44 als dissoziativ: die Amnesie, die Fugue und die Identitätsstörung (in der ICD-10 als multiple Persönlichkeitsstörung bezeichnet). Dazu kommt die Depersonalisationsstörung, die wiederum in der ICD-10 in einer anderen Kategorie verortet wird – bei »F48: sonstige neurotische Störungen«.

Themen in der Therapie

Kontrolle über die Dissoziation

Fähigkeit zur Assoziation

Einfluss nehmen auf die Qualität der Dissoziation positiv, gesund oder neutral

Assoziation und Dissoziation im Überblick

Tabelle 2 fasst Vor- und Nachteile des Erlebens in Assoziation oder Dissoziation zusammen.

Vorteile

Nachteile

Assoziation

Authentischere Erinnerung

Erinnertes ist als eigene

Erinnerung klarer wahrnehmbar

Empfindungen (auch Schmerzen), Gefühle werden wahrgenommen

Dissoziation

Negative und schmerzhafte

Gefühle und Empfindungen besser abspaltbar größere Chance, den Überblick zu bewahren; so sind eventuelle Lösungs- und Fluchtmöglichkeiten besser erkennbar und umsetzbar

Gefahr, Erlebnis als nicht

Eigenes zu empfinden

Gefahr unkontrollierter

Dissoziation (Gefahr mangelhafter

Traumaverarbeitung, PTBS)

Tabelle 2: Erleben in Assoziation versus in Dissoziation

Tabelle 3 stellt Vor- und Nachteile der therapeutischen Verarbeitung in Assoziation oder Dissoziation gegenüber.

Vorteile

Nachteile

Assoziation

Authentischer

Bessere Speicherung nützlicher

Verhaltensweisen

Nachhaltigere Wirkung

Gefahr der Reaktivierung schlimmer Gefühle oder negativer Empfindungen

Dissoziation

Besseres Beiseitelassen negativer Gefühle und

Empfindungen

Begünstigtes Metadenken

Leichterer Überblick

Erleichtertes Einschätzen

Eventuell weniger nachhaltigere Wirkung

Gefahr unkontrollierter

Dissoziation

Tabelle 3: Therapeutische Verarbeitung in Assoziation versus in Dissoziation

4https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2006/index.htm?gf40.htm+ (Zugriff: 26.11.2018).

4 Arbeit mit Symptomen und Problemen

Oft werden bei einer Anmeldung zu einer Beratung oder Psychotherapie Probleme und Symptome präsentiert. Das Anliegen der Klienten besteht dann darin, diese zu beseitigen. Es kann schwierig sein herauszufinden, was Klienten wünschen und wie vorgegangen werden soll. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Klienten sich ernst genommen fühlen und dass mit ihren Symptomen gearbeitet wird.

Wird direkt auf die Probleme eingegangen, birgt dies unter anderem die Gefahr einer Symptomverschiebung. Erwarten Klienten, dass ihr Problem komplett verschwindet, wird möglicherweise der Problemträger zum Sündenbock gemacht.

Es kann auch sein, dass sehr schnell eine Besserung erzielt wird, diese jedoch für den Klienten selbst oder sein System, zum Beispiel die Familie, zu schnell geht, sodass das System sich noch nicht weiterentwickeln konnte. Ein Beispiel ist ein Jugendlicher, der wegen Übelkeit zu Hause bleibt und damit auch erreicht, dass seine Mutter eine Aufgabe hat und sich um ihn kümmern kann. Geht er zu schnell wieder zu Schule, bevor seine Mutter einen Weg findet, damit umzugehen, kann es geschehen, dass die Mutter wieder in ihr depressives Muster zurückfällt. Deshalb wird hier auch auf die Bedeutung oder Funktion des Symptoms für das intrapsychische System, das Individuum und das interpsychische System, wie zum Beispiel die Familie, eingegangen.

Für die Arbeit mit Symptomen und Problemen können folgende Konzepte oder Denkweisen hilfreich sein, die sich z. T. überschneiden:

Betrachtung des Symptoms oder Problems als Metapher

Teilearbeit

4.1 Symptome oder Probleme als Metaphern betrachten

Eine Metapher (gr.: meta pherein, dt. »anderswo hintragen«) ist eine bildhafte Darstellung in Form von gesprochener oder geschriebener Sprache, visueller Darstellung (statisch: Zeichnung, Foto; dynamisch: Film) oder auf anderen Wahrnehmungskanälen. Manchmal wird der Begriff der Metapher auch als Synonym für Symbol gebraucht.

Die Idee, ein Symptom oder Problem als Metapher zu betrachten, stammt aus der Ethnologie (z. B. Boesch 1991) und der Semiotik (Eco 1971, 1991). In der ressourcenorientierten Psychotherapie wird folgendermaßen gearbeitet:

Mit einer passenden Ressource wird ein Gegengewicht zum Symptom oder Problem aufgebaut (Abb. 2).

Abb. 2: Eine zum Problem passende Ressource aufbauen, sodass eine gesunde Balance zwischen Problem und Ressource entsteht und das Problem nicht mehr störend wirkt

Das Problem oder Symptom wird verändert, sodass es besser handhabbar ist (Abb. 3).

Abb. 3: Das Problem selbst so verwandeln, dass es nicht mehr störend wirkt

Wird das Symptom als Metapher genutzt, kann gleichzeitig auf der Ebene des konkreten Handelns und der Ebene der Metapher gearbeitet werden. Durch die Wirkung auf der bewussten und unbewussten Ebene erhöhen Metaphern die Wahrscheinlichkeit der Generalisierung und des Transfers. Strategien, die ein Kind für eine bestimmte Situation herausgefunden hat, können ebenfalls verallgemeinert, abstrahiert und somit an andere Situationen angepasst werden.

Metaphern lassen sich auf unterschiedliche Weise einsetzen:

Für das Symptom selbst

Für Teilaspekte des Symptoms

Im intra- und interpsychischen Kontext

Für bestimmte Funktionen oder Bedeutungen

In bestimmten Situationen oder Zusammenhängen

Die Arbeit mit Metaphern liefert nicht direkt »Lösungen«, sondern wirkt indirekt auf »unbewusster« Ebene. Sie ist besonders geeignet bei schwer behandelbaren Problemen, Symptomen, bei »Widerstand« und der Angst, ein Thema anzupacken.

Beispiel Schmerzbehandlung: Im Gegensatz zum Schmerz wird innerhalb des Körpers eine Stelle gesucht, wo sich der Klient am wohlsten fühlt. Diese Empfindung wird (als Ressource) verstärkt. So entsteht ein Gegengewicht (Abb. 2).

4.2 Teilearbeit

Teilearbeit basiert auf den Konzepten der Gestaltpsychologie und der Gestaltpsychotherapie.

Beispiel Schmerzbehandlung: Im Körper wird eine zum Schmerz passende Gestalt gesucht, zum Beispiel eine zackige, mit kleinen Messern bestückte Kugel. Im weiteren Prozess wird diese Gestalt mit der Frage, was besser wäre, verändert, zum Beispiel werden die Messer abgeschliffen, mit Federn ummantelt, sodass es sich für den Klienten besser anfühlt (Abb. 3).

4.3 Gefahren

Wird ein Symptom behandelt, besteht die Gefahr, dass das bestehende Symptom zwar verschwindet, dass aber ein neues Symptom auftritt, beispielsweise wenn ein Kind zwar seine Angst bewältigt, dafür aber an Stimmungsschwankungen und depressiven Verstimmungen leidet. Außerdem kann es sein, dass in der Therapie etwas, was zuerst getan werden muss, übersehen und nicht getan wird (z. B. Schutz, medizinische Untersuchung).

Werden zu viele Symptome gleichzeitig präsentiert oder ist ein Symptom sehr komplex, sollte man mithilfe des Klienten und/oder seiner Familie Prioritäten setzen und gemeinsam bestimmen, womit genau begonnen werden soll.

4.4 Häufige Themen bzw. Symptome

Familie:

Grenzen setzen, einhalten, überschreiten

Unklare Rollen oder Hierarchien, Parentifizierung

Überforderung

Themen aus der Geschichte eines Elternteils

Materielle Probleme

Eheprobleme

Gewalt

Körperliche oder psychische Erkrankung eines Elternteils

Individuum – Kind, Jugendlicher:

Etwas meistern, Selbstverantwortung

Kontrolle und ihre Angemessenheit

Prüfungsangst

Angst allgemein, Angst auf dem Schulweg

Kopfschmerzen

Grenzen und ihre Kontrolle

Wutanfälle

Gehorchen

Sich einem Symptom stellen, ihm ins Auge blicken

Flashbacks (Traumabearbeitung)

Albträume

Sich nicht konzentrieren, vergessen, verlieren

Unruhig sein, immer in Bewegung sein

Beachtet werden, Selbstvertrauen

4.5 Bedeutung von Symptomen

Die Arbeit mit Symptomen beinhaltet sowohl auf intrapsychischer Ebene (Teilearbeit) als auch auf interpsychischer Ebene eine systemische Sichtweise. Die Symptome können für das Individuum und das System (z. B. Familie, Paar, Arbeitsplatz) verschiedene Bedeutungen haben:

Opferhaltung, Hilflosigkeit → Kontrolle, Einfluss, Verantwortung

Angemessene Selbstverantwortung

Information über die Möglichkeiten und Grenzen der Schmerzkontrolle

Stolpersteine, Widerstände überwinden

Motivation und Kraft, etwas zu unternehmen, zu verändern

Es gilt zu ergründen, welche Vorteile (z. B. Aufmerksamkeit, Schonung) und welche Nachteile (z. B. Langeweile, große Angst, zu wenige soziale Kontakte) das Symptom für die Betroffenen birgt.

4.5.1 Bedeutung auf verschiedenen Ebenen erkennen

Um mehr über die Bedeutung des Symptoms oder Problems zu erfahren, können verschiedene Methoden angewendet werden. Im Folgenden werden einige kurz dargestellt.

Individuum

Das Symptom zeichnen, formen, darstellen

Das Symptom auf einen Stuhl setzen; ihm eine Gestalt, einen Namen geben; es befragen, mit der Gestalt sprechen

Vor- und Nachteile des Symptoms aufschreiben

Auf Bedeutung eingehen, systemische Maßnahmen treffen (z. B. Familien-, Paartherapie, Erziehungsberatung)

Familie

Beim Familiensetting erstellt jedes Familienmitglied ein Bild oder eine Skulptur. Die Skulptur soll alle Familienmitglieder und das Problem umfassen. Zur Verfügung stehen Materialien wie Muscheln, Steine, Klötze, Spielzeugautos, Tiere etc. Oft wird das Problem in Form eines anderen Materials, zum Beispiel einer Flasche oder eines Klotzes, eingefügt.

Wird eher eine Skulptur erstellt, kann entweder jedes Familienmitglied eine eigene Skulptur machen oder alle sind an einer gemeinsamen Zeichnung oder Skulptur (z. B. aus Ton) beteiligt. Statt die Bilder selbst zu erstellen, kann jedes Familienmitglied aus einer Kartensammlung das Bild auswählen, das am besten zum Problem in der Familie passt. Bei gemeinsamer Darstellung wird über das Erlebnis diskutiert. Erstellt jedes Familienmitglied ein eigenes Bild oder eine Skulptur, kann jeder sein Objekt den anderen vorstellen, und die Schöpfungen werden in der Gruppe verglichen.

Statt eines einzelnen Bildes kann eines zum Jetztzustand und ein Wunsch- oder Zukunftsbild zum Zustand, wie es werden soll, angefertigt werden. Beide werden so weit voneinander entfernt auf dem Boden gelegt, wie Ist- und Wunschsituation empfunden werden. Dann kann ggf. noch ein drittes Bild gemalt werden, das zum ersten Schritt in Richtung realistischer Wunschzukunft passt. Dieses Prozedere ist sowohl für Familien als auch Einzelklienten geeignet.

Auch Geschichten können eingesetzt werden, sei es, dass jedes Familienmitglied sich eine kurze Geschichte ausdenkt oder auswählt oder dass die ganze Familie gemeinsam eine Geschichte entwickelt.

4.6 Behandlung des Symptoms

Erfragen, erfahren (Berichte etc.):

Medizinische, psychologische Behandlungen, Untersuchungen

Zeitaspekt: Seit wann besteht das Symptom? Was geschah gleichzeitig? Auslöseereignis? Wie häufig? Zu welchen Zeiten, in welchen Situationen?

An welchen Orten tritt das Symptom auf? An welchen Körperstellen? Beteiligte Personen?

Wie ist das Symptom beschaffen? Wie entwickelt es sich?

Wie, wann, wo, warum verschwindet das Symptom wieder?

Was hilft gegen das Symptom?

Was wurde schon ausprobiert?

Hypothesen über die Bedeutung aufstellen:

a)

Bedeutung für das Individuum:

Wie erklärt sich der Klient, wie erklären sich die Familienmitglieder das Symptom?

Woran hindert das Symptom die Familienmitglieder?

Wozu verhilft das Symptom? Beispiel: Nicht zur Schule/Arbeit gehen müssen.

Was will mir das Symptom sagen? Beispiele: Trauer, Eifersucht, Überforderung etc.

b)

Bedeutung für die Familie:

Funktion für die anderen Familienmitglieder, für das ganze Familiensystem, z. B. die Eltern zusammenhalten, beschäftigen, die Mutter vor einer Berufstätigkeit abhalten, die Aufmerksamkeit von den Schwierigkeiten des Bruders ablenken

Das Symptom kann positive und negative, gesunde und ungesunde Einflüsse auf die Familienmitglieder und das Familiensystem haben. Zum Beispiel kann die Angst eines jugendlichen Geschwisters die Aufmerksamkeit seiner Eltern so binden, dass sich ein weiteres, jüngeres Geschwister »im Windschatten« gut entwickelt, aber die Mutter zu stark an den Jugendlichen gebunden ist und der Jugendliche sich nicht autonom entwickelt.

Ziel-, Wunschzustand erarbeiten:

Wunschkultur, Bild machen

Was braucht es, um dort hinzukommen? Wer kann was beitragen?

Erster Schritt dorthin?

Motivation klären:

Etwas unternehmen

Anstrengung, Aufwand betreiben

Motivation aufrechterhalten

Erwartungen: Realistisch? Überhöht?

Kontrolle des Symptoms:

Erarbeiten

Üben

Verstärken, modifizieren

Entspannung

(nur wenn nötig):

Symptom wahrnehmen, Spannung dabei

Lockerheit zulassen

4.7 Gleichgewicht zwischen Symptomen und guten Empfindungen, Gefühlen, Interessen

Um eine gesunde Balance zwischen einem Symptom oder Problem und einer Ressource zu erreichen, können verschiedene Methoden angewendet werden:

Das Symptom kann in den Hintergrund gestellt und der Vordergrund gleichzeitig gestärkt werden.

Ein gutes Gleichgewicht zwischen interessanten, erfreulichen Themen und dem Symptom kann erreicht werden.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Symptom zu ignorieren, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.

Es gibt zwei mögliche Vorgehensweisen in der Therapie, um mit Symptomen und Problemen umzugehen:

Entweder wird das

Symptom direkt angegangen

bzw. mit der Arbeit am Symptom begonnen. In diesem Fall kann man auch dem Anliegen der Klienten gerecht werden, und eine schnelle Verbesserung ist erzielbar. Gleichzeitig wird an den »

Themen hinter dem Symptom

« gearbeitet und somit auf diese Lebensthemen eingewirkt (

Abb. 4

links

). Meist ist es dann nicht mehr nötig, weiter auf diese Themen einzugehen. Sollte dies doch noch nötig sein (z. B. bei den Themen Identität, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit), kann dies im Anschluss getan werden.

Andererseits gibt es Fälle, bei denen aufgrund von Widerstand, Angst oder mangelnder Energie

nicht direkt auf das Symptom eingegangen

werden kann. Dann sollte stattdessen zuerst auf die

Themen

, die

hinter dem Symptom

stehen, eingegangen werden. Themen im Hintergrund können vielfältig sein, zum Beispiel Selbstbild, Selbstwert, Identität, Selbstverantwortung. Manchmal verschwindet das aktuelle Symptom im Zuge der Bearbeitung dieser Themen. Bleibt das vordergründige Problem jedoch bestehen, sollte es alsbald angegangen werden (

Abb. 4

rechts

).

Abb. 4: Zwei Möglichkeiten, mit einem Symptom oder Problem zu arbeiten: Entweder wird dem Klienten zuerst zu mehr Kontrolle über das Symptom, hier die Angst, verholfen, bevor die dahinterstehenden Themen angegangen werden, oder man beginnt mit den zugrunde liegenden Themen und arbeitet, falls nötig, danach mit dem Symptom

4.7.1 Methoden metaphorischer Symptomarbeit am Beispiel der Angst

Hier geht es nun darum, die metaphorische Symptomarbeit am Beispiel der Angst näher zu erklären. Ziel ist, die Angst genau kennenzulernen, ihr ins Auge zu blicken und mehr Informationen über sie zu gewinnen.

Die Angst beschreiben lassen

Die Angst kontrollieren:

In Trance auf Aufforderung hin angstauslösende Situation hervorbringen.

In Trance Angst verschwinden lassen.

Eventuell Rhythmus einbringen und damit spielen.

Die Angst verändern:

Die Angst kann vergrößert oder verkleinert werden.

Die Angst kann in der Vorstellung bildlich oder auditiv verändert werden, zum Beispiel die Farbe der Angst: bepinseln, eklige Farbe, sympathische Farbe.

Der Angst einen Ton zuordnen: diesen singen oder verschiedene Rhythmen ausprobieren.

Die Angst räumlich innerhalb oder außerhalb des Körpers verschieben.

Umsetzen: Angst auf einer anderen Ebene oder mit einem anderen Medium darstellen, zum Beispiel durch Zeichnen/Formen.

Vom Angstbild kann so viel abgeschnitten werden, wie es für den Klienten passt; der Rest kann eingeschlossen werden. Vorteil plastischer Materialien: Der Klient erlebt spürbar, wie er die Angst formt und verändert.

Komplexe Angst kann in verschiedene Teile zergliedert werden; Farben, Figuren zuordnen lassen und Teile miteinander sprechen lassen.

Dissoziation – Angst von außen betrachten:

Medium Fernsehen, Video, Filmleinwand – Die Angst kann in der Vorstellung auf eine Leinwand projiziert werden und wie bei Videobändern angehalten, vorgespult etc. werden; man kann den »Angstfilm« wie im Kino schneiden, verändern und Sequenzen wechseln.

Holzfiguren – Der Klient kann seine aktuelle Situation im sozialen Umfeld anhand von Holzfiguren darstellen. Eine solche Aufstellung ist geeignet, um einen Überblick über die sozialen Beziehungen zu bekommen.

4.8 Magisches Denken und magische Methoden

Da im magischen Denken ebenfalls mit Metaphern gearbeitet wird, wird im Folgenden kurz auf das magische Denken eingegangen.

4.8.1 Begriffserklärung

Der Begriff Magie (gr. μαγεíα, mageía; von persisch magos, dt. »der für magische Handlungen zuständige Priester im Zoroastrismus«) bezeichnet den Versuch, das innere und/oder äußere Sein in Übereinstimmung mit dem Willen durch übernatürliche, mystische und paranormale Mittel zu beeinflussen und zu verändern.

Magisches und realistisches Denken entwickeln sich nach Piaget (1988) parallel. Die beiden Denkarten unterscheiden sich in mehrerer Hinsicht (Tabelle 4).

Magisches Denken

Realistisches Denken

Denkform

Primär-prozesshaft

Sekundär-prozesshaft

Semantik

Bildhaft

Visuell-räumlich

Bedeutung durch simultane

Beziehungen

Auditiv-sequenziell

Inhalt

Gesetz der

Ähnlichkeitsbeziehungen

Regeln, Gesetze, Sprache, Logik

Emotionaler Bezug

Stark

Schwach

Tabelle 4: Vergleich von magischem und realistischem Denken

Magisches Denken erlaubt, die Unterscheidung zwischen Ähnlichkeit und Gleichheit der Dinge aufzuheben. Weiterhin kann es Kausalität (Wenn-dann-Denken) statt Netzdenken (eine Wirkung hat mehrere Ursachen) erklären.

Magische Methoden wirken auf die subjektive Kontrolle. Sie sollen als Brücke oder Krücke zu objektiver Kontrolle genutzt werden.