Ich hab's im Hermsdorfer Kreuz - André Kudernatsch - E-Book

Ich hab's im Hermsdorfer Kreuz E-Book

André Kudernatsch

0,0

Beschreibung

„Ich hab’s im Hermsdorfer Kreuz“ – Kudernatsch pickt in seinen Kolumnen auf, wo es zwickt und zwackt, wo es klemmt und wo es sich staut. Er berichtet von lokalen Wehwehchen und globalen Zipperlein: vom allgegenwärtigen Bodo in den Wäldern Thüringens, von unserer Helene, die nicht „Eichhörnchenwürstchen“ sagen kann, vom gemobbten Tamino im Stadtbus von Weimar, von der Erderwärmung hoch oben im Dachgeschoss, von Autos, die wie Kaffeemaschinen heißen, und von der unglaublichen Depressivität bei Fernseh-Hühnern. Dabei prangert der Autor nicht nur an – er nennt auch Lösungen: wegschauen, wegducken, wegziehen. Und natürlich Seniorengymnastik! Kudernatsch schreibt Wahrheiten wie „Eine Stadt ist kein Hefeteig“, „Diesel ist Super“ oder „Xenophobie ist nicht die Angst vor Druckerpapier“. Demnächst will er sie mit einem Lötkolben in Brettchen brennen und in der Fußgängerzone verkaufen. Durch den Kauf dieses Buches können Sie das verhindern! Machen Sie Ihre Innenstadt schöner!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 100

Veröffentlichungsjahr: 2020

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ich habs im Hermsdorfer Kreuz

Thüringer Kolumnen

André Kudernatsch

Alle Kolumnen entstanden zwischen 2013 und 2016. Einige wurden zuerst im »Blitz! Thüringen« veröffentlicht. Sie sind mit einem »Geblitzt«-Hinweis gekennzeichnet. Vielen Dank für die freundliche Genehmigung an die CITY Werbeverlags GmbH.

Die Fotos stammen von Bert Hähne, die auf den Seiten 28 und 79 hat Ricky Fox beigesteuert, die auf den Seiten 31, 51 und 99 André Kudernatsch.

eBook EPUB: ISBN 978-3-96285-134-7

Print: ISBN 978-3-943539-71-4

Copyright © 2016/2020 by Salier Verlag, Leipzig und Hildburghausen

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Christine Friedrich-Leye, Leipzig

Herstellung: Salier Verlag, Bosestr. 5, 04109 Leipzig

www.salierverlag.de

www.kudi.de

Danke an Brenda und Petra »Wikipetra«,

Joachim Kurt Viktor (das ist eine Person!),

Bastian & Bört,

die beiden musikalischen Andreasse,

den Sport und den Stotternheimer See.

Lang lebe die Taschengasse!

Inhalt

Vorwort - Pressen, schütteln und ordentlich aufschäumen

In der Heimat

Danke, Thüringen!

Erfurt ist das neue Leipzig

Popel-Tamino und Plaketten-Phöbe

Poller-Alarm!

Salve Bodo

Das Kreuz mit dem Kleeblatt

Bad Supermegasalza

Rettet Nordthüringen!

Alles ist atemlos gut!

Mit dem Willen zum Grillen

Theatersommertheater

Das Krankenhaus im Zentrum der Stadt

Unsere TTR, sie lebe hoch!

In der Fremde

Husch, husch, husch, die Eisenbahn!

Dick und Deutsch

Kompost, komm doch!

Aus der Mode (1): Haar-akiri!

Aus der Mode (2): Tattoo-Tralala

Hühnerklein

Neulich auf dem Rundfunk-Klo

Heißes Eisen (1): Die Dachgeschosswohnung

Heißes Eisen (2): Die Flüsse

Schöner Trinken

Kaffee auf Rädern

Diesel ist Super

Wieder daheim

Das Beste für Brenda

Nie zu spät für Diät!

Platten waschen

Der neue Job

Poser im »Moser«

Wie ich fast beklaut worden wäre

Bei der Seniorengymnastik

Mariah ist weg!

Schon wieder Baumloben

Im Namen des Natsches

Über den Autor

Vorwort - Pressen, schütteln und ordentlich aufschäumen

Ich soll ein Vorwort für das neueste Buch meines Mannes schreiben. Nur, weil ich in einem Anfall von Großkotzigkeit herausposaunt habe: »Echt jetzt, den willst du fragen? Das kann sogar ich besser!« Seitdem habe ich den Job an der Hacke.

Worüber also schreiben? Was erwartet ihr von mir und meinem Vorwort? Kurz soll es sein, lese ich als erstes bei Experten im Internet. Es soll euch einstimmen auf das, was kommt, eure Neugier wecken, euch Hintergründe berichten. Ihr seid also scharf auf schockierende Wahrheiten über Kudernatsch? Wie diese, dass er morgens seinen lauwarmen Kaffee schlürft, ohne Brille blind wie ein Maulwurf ist und zur Entspannung den Rasen mäht? – Ich weiß nicht …

Einordnung und Kritik des Werkes fordern Fachleute. Oh je – das ist ganz dünnes Eis, auf dem ihr und ich, wir also, gemeinsam hin und her schlittern. Die Inspiration meines Mannes ist wie ein scheues Reh oder eine zarte Mimose. Auf vorsichtige Nachfragen blafft er vorwurfsvoll zurück: »Das ist aber anstrengend und macht viel Arbeit!«

Daher, liebe Leser und Leserinnen: Bildet euch selbst eine Meinung. Nur zu! Nein, schielt nicht hektisch im Internet, was andere über das Büchlein geschrieben haben! Fangt an selbst nachzudenken. »Das ist aber anstrengend und macht viel Arbeit!«, schleudert ihr mir nun entgegen? »Ich weiß«, seufze ich. »Ich weiß.«

Eines kann ich euch mit bestem Wissen und Gewissen versichern: Alle Kolumnen beruhen auf wahren Begebenheiten, mit echten Menschen und originalen Sprüchen. Das macht sie bodenständig, liebenswert und lebenslustig.

Der flinke Vorwurf, das meiste sei »erstunken und erlogen«, er zieht hier nicht. Sicher, manches übertreibt Kudernatsch schamlos, flugs mischt er die Begebenheiten, legt anderen Leuten die richtigen Worte in den Mund, vertauscht Orte und Zeiten.

Außerdem walkt er die Substantive, schärft mit spitzer Klinge seine Verben, zuckert hier und da mit Adjektiven und wuchtet manchen schweren Kalauer in den Ring. Das ist erlaubt, das nennt sich altmodisch: HANDWERK. Er presst, er schüttelt und wirbelt mit seinen Zutaten so lange herum, bis ein geschmacklich ausgewogener und farbenfroher Cocktail ins Glas schäumt. Und krönt das Ganze mit einer saftigen roten Kirsche. Das kann er wie kein zweiter. In diesem Sinne: Wohlsein!

Eure Brenda, im September 2016

PS: Einen mega-minzigen Mojito mixt Kudernatsch übrigens auch.

Für dieses Buch wurden nur die besten Zutaten verwendet.

In der Heimat

Danke, Thüringen!

Geblitzt im April 2014

Zunächst möchte ich mich bei den Thüringer Veranstaltern bedanken, bei denen ich meine Thüringer Kolumnen, begleitet von meinem Thüringer Pianisten, vorlesen durfte. Sie bewirteten uns mit Sauerkraut, das für Blasmusik bei meinem Musiker sorgte, obwohl er Klavier spielt (Kölleda). Sie dachten Tage vor unserem Auftritt an uns. Jedenfalls schmeckten die Käsebrötchen, die sie besorgt hatten, so (Jena). Sie berichteten stolz von ihrer Fußbodenheizung und drehten sie nicht auf (Apolda). Sie wussten zwar, was ein Kaltgerätestecker ist – aber nicht, dass ein vegetarisches Essen aus mehr als sechs hartgekochten Eiern bestehen kann (Zella-Mehlis). Mein Musiker aß sie trotzdem tapfer auf und schlich danach über die Tasten. Noch heute eiert er herum.

Wir treten gern auf. Ich nehme dafür sämtliche Entbehrungen auf mich. Und sei es wie in Suhl, wo ich im »Freien Wort« als »Herr Kaudernatsch« benannt wurde, obwohl ich »Kudernatsch« heiße. Da darf man nicht kleinlich sein, es ist das »Freie Wort« und nicht das »Korrekte Wort«.

Ich lerne stets dazu. Ins Erfurter »Café Duckdich«, das so genannt wird, weil man sich unter den niedrigen Deckenbalken besser duckt, wollte ich Freunde einladen. Über WhatsApp versuchte ich es – doch durch die automatische Textkorrektur wurde aus dem netten »Café Duckdich« das widerliche »Café Dickdarm«. Möchte man da wirklich zu Gast sein?

In Hermsdorf schwärmten uns die Veranstalter von ihrem lustigen Bürgermeister vor, der solche Sätze raushaut wie »Ich hab’s im Hermsdorfer Kreuz«. Leider lernten wir ihn nicht persönlich kennen – er saß wohl daheim, um an seinen Sprüchen zu tüfteln.

Mit Grausen erinnere ich mich an Gotha, wo bloß vier Leute kamen, von denen die Hälfte anwesend war, weil sie mich mit einem bekannten Radio-Satiriker verwechselt hatte. Um dieses ältere Ehepaar nicht zu verlieren, klärte ich die Verwechslung nicht auf. Heute schäme ich mich dafür. Immerhin kauften die vier Leute vier meiner Bücher. Das ist eine Quote von 100 Prozent! Das schafft mancher Bestseller-Autor nicht. Nicht mal in Gotha.

Ich danke diesem großartigen Publikum. Das hat es manchmal in sich! Ebenfalls in Gotha forderte ein Mann gleich nach der Begrüßung eine Zugabe. In Weimar wünschte sich ein Zausel mit Bart dunklere Farben für die Buchumschläge. In Altenburg fragte eine Frau: »Wie lange machst du das schon?« Mein Pianist antwortete für mich: »Die Frage muss lauten: Wie lange noch?« Diese Frage gebe ich direkt an ihn zurück. Seine Klavierschüler beherrschen nach anderthalb Jahren Unterricht höchstens »Häschen in der Grube« und bringen damit ihre Eltern in die selbige.

So weit geht es bei uns nicht! Wir hören vor der Grube auf! Nur bitte, liebe Veranstalter, sagt nach einer Lesung nie mehr die folgenden Worte: »Wir hatten einen vergnüglichen Abend. Es war für jeden etwas dabei, und es regte zum Schmunzeln und Nachdenken an.« Wenn wir diese Sätze aus der Stadtbibliothek der Landeshauptstadt irgendwo noch einmal hören müssen, werden wir uns mit Sicherheit übergeben. Und dann würgen wir die Eier von Zella-Mehlis einzeln wieder raus!

Erfurt ist das neue Leipzig

Geblitzt im April 2016

Große Zeitungen lieben große Themen. Diese blasen sie groß auf – und darum hat so eine große Zeitung geschrieben: Erfurt ist das neue Berlin. Das ist völliger Quatsch! Erfurt verfügt über einen funktionierenden Flughafen!

Kleinere Zeitungen mögen kleinere Themen, ohne kleinlich zu sein. Sie haben froh verkündet: Erfurt ist das neue Leipzig.

Damit kann ich etwas anfangen. Denn was Leipzig hat, haben wir erst recht: einen Ring, ein Stadion (sogar ganz ohne erfolgreiche Fußballmannschaft), schöne Straßenbahnen, etwas Gewässer in der Stadt und viele Glitzerglatzer-Fassaden, hinter denen genau die Geschäfte liegen, die überall ihren Plunder anbieten, damit man sich nirgends mehr fremd fühlt.

Leipzig bietet wirklich nichts, was wir nicht auch bieten. Nehmen wir den Zoo, auf den Leipzig so viel hält. Da hauen die Sachsen auf den Putz, mit dem Gondwana-Land ein Areal zu besitzen, in dem es wie früher aussieht. Das ist bei uns in den Plattenbauten vom Roten Berg nicht anders.

In Leipzig ist man kein bisschen klüger! Natürlich steht auch in Erfurt eine Uni. Ich habe dort extra nachgefragt, warum sie so attraktiv ist und junge Menschen unbedingt in Erfurt studieren wollen. In der Pressestelle wusste man nichts davon und scheuchte mich weg. Also bleibt es an mir zu vermuten, dass besonders Mädchen aus dem Umland in Erfurt studieren – und zwar Grundschul-Lehramt. Weil man in den Vorlesungen stricken darf – und wer aus Kölleda, Sömmerda oder Witterda kommt, darf das Selbstgestrickte anschließend auf dem Nachhauseweg gleich anziehen!

Mit Leipzig geht es steil bergab. Von wegen Hypezig! Die Wirtschaft zieht nicht mehr mit. Die Automobilmesse musste abgesagt werden, während die Messe in Erfurt brummt.

Oft galoppieren Pferde darin herum wie bei »Apassionata« oder »Reiten-Jagen-Fischen«. Wenn diese Pferde die Dielung volläpfeln, wird umgehend die Messe »Kinderkult« angehängt. Da firmieren die Pferdeäpfel als Bio-Bälle, in denen sich die Kinder – wie in schwedischen Möbelhäusern – jauchzend wälzen.

Wir feiern die Thüringen-Ausstellung mit Besucherrekorden. Es spricht sich eben herum: An den Messeständen kann man Bier schlucken, Senf schlecken und mit den Ohren schlackern. So rege ist der Mittelstand.

Da guckt Leipzig dumm aus der Wäsche. Erfurt ist das neue Leipzig! Leipzigs ehemaliger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee hat das begriffen. Er ist jetzt einer von uns – und braucht als Thüringer Minister nie wieder Cello zu spielen. Wie damals in Leipzig zur Olympia-Bewerbung, die er mit seinem Cello-Solo ziemlich vergeigte. Darauf reiten wir nicht herum. Das haben wir gar nicht nötig. Erfurt boomt!

So hat man sich im Stadtarchiv gerade daran erinnert, dass Erfurt eigentlich mit einem Hafen an den Mittelland-Kanal angeschlossen werden sollte. Mitten im Erfurter Zentrum ist eine Seilbahn zum Petersberg angedacht, und vielleicht folgt darauf – wie in Leipzig – eine U-Bahn mit zwei Stationen: Fischmarkt und Domplatz.

Erfurt wächst und wächst und wächst. Man sieht das nicht direkt, es ist eher ein Gefühl. Ich habe es an der Krämerbrücke gespürt, als ich sie intensiv angestarrt habe. Über eine Stunde – und sie ist weder auseinander- noch aufgegangen. Eine Stadt ist kein Hefeteig! Man muss sie allerdings genauso liebevoll zubereiten.

Ich glaube, dass das ohne Berlin und Leipzig besser funktioniert. Sagen wir, wie es wirklich in Thüringen ist! Verkünden wir zusammen die Wahrheit, was die Mietpreise und den Coolness-Faktor betrifft. Stellen wir mutig gemeinsam fest: Erfurt ist das neue Jena!

»Und Weimar?«, mag die geneigte Leserschaft zaghaft fragen. »Was ist mit Weimar?«

Weimar wird eingemeindet. Und wenn es nicht will, wird Weimar eben das neue Bitterfeld! Keiner möchte hin – und es riecht komisch. Modrig und ein bisschen piefig.

Endlich träumt auch Erfurt den Traum von der Großstadt.

Popel-Tamino und Plaketten-Phöbe

Nette und adrette Kinder fuhren in Weimar im Bus zum Belvedere. Sie waren wie Erwachsene angezogen und benahmen sich so. Nur ein Mädchen zickte herum: »Ich will nicht neben Tamino sitzen. Der ist doof!« Worauf die Lehrerin erwiderte: »Hab‘ dich nicht so, Freia! Setz dich rüber zu Phöbe!« Tamino war es egal, er schaute aus dem Fenster. Obwohl bloß Weimar zu sehen war.

Kinder dieser Stadt heißen wirklich so: Tamino, Freia, Phöbe. Damit entsteht in einem harmlosen Stadtlinienbus eine Gemengelage aus Mozart, Germanen und griechischer Mythologie. Das ist ein kruder Mix, den man höchstens aus Marvel-Comic-Verfilmungen kennt mit Thor, Captain America und Wonder Woman. Weimar macht’s möglich. Wehe, das Kind heißt Andreas oder Laura! Da kann die Familie gleich wegziehen. Bloß nicht nach Jena-Lobeda – dort wohnen die Problemkinder, die den Taminos und Phöbes und eigentlich allen auf die Fresse hauen.

Da bringe ich fast Verständnis für einen Autofahrer in Erfurt auf, der einen riesigen Aufkleber auf seiner Heckscheibe spazieren fuhr: »Keine doofen Bälger mit bescheuerten Namen an Bord.« Dazu guckte der Mann fies, als ich ihn überholte. Was daran liegen könnte, dass er in der Nase bohrte und dabei irgendwie nicht glücklich wurde. Möglicherweise steckte sein Finger fest und wartete darauf, befreit zu werden. Ich nahm Abstand davon, den ADAC zu rufen.